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Dunkeltraum
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eBook254 Seiten4 Stunden

Dunkeltraum

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Über dieses E-Book

An ihrem 16. Geburtstag beginnt alles mit einem einzigen Traum. Rose entdeckt eine magische Welt und erfährt, dass sie kein normaler Mensch ist. Sie ist eine Träumerin, eines der mächtigsten Wesen der Erde.
Eine rätselhafte Macht, Werwölfe, Vampire, ein Schatten und andere Monster jagen Rose. Auf ihrer langen Flucht fangen ihre Gefühle für zwei junge attraktive Vampirbrüder an, sich zu regen. Eine dunkle Vergangenheit verfolgt die beiden Brüder und an eine gemeinsame Zukunft ist gar nicht zu denken. Denn Roses Tod ist vorprogrammiert. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit…
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum5. Juli 2016
ISBN9783981511390
Dunkeltraum

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    Buchvorschau

    Dunkeltraum - Jamila Butz

    Prolog: Gefunden

    Fließer, er kommt von der Seite. Der Träumer betrachtet ihn aus dem Augenwinkel. Dumm, dass man Fließer nicht direkt ansehen kann, sonst würden sie verschwinden und hinter seinem Rücken auftauchen. Innerlich lacht er auf. Diese seltenen Ge­schöpfe, zwar unscheinbar aber dafür umso tödlicher. ER betrachtet aus dem Augenwinkel den Schleim, der über den Boden fließt. Lebende Masse. Nun türmt sie sich auf und er sieht, wie sich der Schleim in eine Gestalt formt. Einen Menschen. Und hinter sich riecht er einen seiner Diener. Im abendlichen Dämmerlicht sieht er die Rosette des Fließers im Schatten stehen. Er verneigt sich vor ihm und krächzt mit seiner kratzigen tiefen Stimme: „Wir haben sie gefunden." Ein boshaftes Lächeln huscht ihm übers Gesicht. Diese Nacht verspricht vieles.

    Kapitel 1. Träume

    Ich liege im Bett. Meine langen braunen Haare hängen über den Bettrand. Unruhig wälze ich mich umher. Auf die eine Seite, dann auf die andere. Ich schwitze und mir ist unglaublich heiß. Ich werfe die Bettdecke von mir. Es war ein schöner Geburtstag. Ich bin sechzehn geworden. Und ich habe mit vielen Freunden gefeiert. Normalerweise kann ich immer sofort einschlafen, wenn ich im Bett liege. Doch heute ist es zum ersten Mal nicht so. Mir ist schwindelig. Und mir gehen die Ereignisse durch den Kopf, die in der letzten Woche passiert sind. Der Streit mit Leiley und mir. Meiner besten Freundin und Kai, meinem Freund. Endlich schlafe ich ein. Und vermische Traum mit Realität.

    Kai und ein zweiter Junge, den ich nicht identifizieren kann. Kai sieht aus wie immer. Ein rotes Kapuzenshirt und eine blaue Jeans hat er an. Der Fremde jedoch ist anders. Sein Gesicht ist von den Schatten des Tageslichts verdeckt. Mich beunruhigt, dass ich sein Gesicht nicht sehen kann. Sonst ist er genau so groß wie Kai. Er hat ebenfalls eine Jeans an. Ich bin in einem Thronsaal. Ich stehe an einem Fester. Es ist hoch und spitz. Dann, als ich mich umdrehe, wandert mein Blick wieder zurück zu Kai und dem Fremden. Und ich sehe, wie die Beiden Schwerter in der Hand halten. Sie blitzen gefährlich im grauen Tageslicht auf. Mein Herz fängt an zu klopfen. Immer schneller, immer lauter. Ich habe Angst. Ich habe Angst um die Beiden. Obwohl ich den Anderen nicht kenne.

    Dann fangen sie an zu kämpfen. Ein Schlag auf den anderen. Mein Herz barst fast vor Angst. Ich höre keine Geräusche, nicht das kleinste Klirren. Nur ein hohes Fiepen in meinen Ohren. Ich erkenne das wutverzerrte Gesicht von Kai nicht mehr. Von dem sanftmütigen, ruhigen und beherrschtem Kai. Die Beiden hacken aufeinander ein. Wie Geister, die nur noch einen letzten Kampf austragen müssen, um sich danach für immer niederzulegen. Ich sehe den Beiden zu. Der Fremde ist geschmeidiger, schneller und wendiger. Er weicht den Schlägen von Kai geschickt aus. Und verpasst ihm zuerst einen Schnitt am Bein. Kai schlägt nach ihm, doch er weicht wieder mit einer geschickten Drehung aus und zieht Kai das Schwert quer übers Gesicht. Aus dem tiefen Schnitt perlen rote Blutstropfen, wie aus einem Wasserhahn das Wasser. Der Fremde zieht ihm das Schwert über den Arm und Kai knickt am verletzten Bein ein. Doch Kai ist nicht schwach. Er schlägt mit dem Schwert abermals nach dem Fremden. Diesmal trifft er. Der Fremde fällt auf den Bauch. Genau vor Kai. Sein Schwert schlittert über den Boden und bleibt genau vor meinen Füßen liegen.

    Mich durchläuft ein Zittern. Ich weiß, was jetzt kommt und ich muss irgendetwas unternehmen. Kai hebt das Schwert und will dem Hilflosen den Todesstoß geben. Doch mit einem spitzen Schrei werfe ich mich dazwischen und hebe die Hände über den Kopf, um mich und den Fremden zu schützen. „Nein Kai!, schreie ich. Seine Augen blitzen, und für einen Moment denke ich, er wird seinen Hieb durchführen. Doch im nächsten Moment lässt er das Schwert fallen. Ich lasse meine Arme sinken. Kai sieht mich mit seinen warmen braunen Augen an, in die ich mich verliebt habe. Der Fremde richtet sich auf. Sieht mir nicht direkt ins Gesicht. „Du musst dich entscheiden, sagen beide wie aus einem Munde mit der gleichen ausdruckslosen Stimme.

    Dann wache ich auf. Merke, dass ich weine. Kann nicht mehr schlafen. Weine. Tränen tropfen von meinen Augen und laufen über meine Wangen. Warten. Bis ich in den Alltag zurückfinde. In die Realität.

    Kapitel 2. Rose

    In der zweiten Nacht, nichts. Kein Traum, nur quälende Unruhe. Dämmerschlaf. In der nächsten Nacht fangen die Träume wieder an. Kai. „Streit mit Leiley, schießt es mir wieder durch den Kopf. „Wieso? Schließe die Augen. Bin unendlich müde. Doch das, was mich wachhält, ist die Angst, ich könnte wieder träumen. Schlafe nach Stunden ein. Und das, was ich nicht weiß, ist, dass das Grauen schon auf mich wartet.

    Bin in einer Disco. Ich sehe wie Leiley auf dem Schoß des Fremden sitzt. Sie knutschen heftig. Eifersucht durchschießt mich. Ich kann das Gesicht des Fremden immer noch nicht sehen. Denn, es ist vom Gesicht meiner besten Freundin verdeckt. Neben ihnen auf dem Tisch steht eine Vase mit einer roten Rose. Rot. Denke ich. Die Farbe der Liebe. Ich gehe an ihnen vorbei und stoße die Vase samt Rose vom Tisch. Ich gehe weg. Und ich komme wieder. Leiley und der Fremde sind immer noch da. Und die Rose samt der Vase steht unversehrt auf dem Tisch, so als hätte ich sie nicht heruntergestoßen. Ich versuche wieder wegzugehen. Doch irgendetwas hält mich an der Stelle. Hilflos muss ich Leiley und dem Fremden zusehen. Ich werde wütend. „Hört auf!, tobe ich. Doch es ist als hörten sie mich nicht. Sie machen unbeirrt weiter. „Nein, stöhne ich. Die Eifersucht, dass Leiley „meinen" Typen küsst, zerfrisst mich von innen. Einen Typen, den ich nicht einmal kenne, geschweige denn weiß, wie er aussieht. Vor Wut ziehe ich mich an meinen Haaren und sinke auf die Knie. Ich stoße die Vase erneut vom Tisch. Und als die Vase auf dem Boden zersplittert, zersplittert mein Traum.

    Ich wache auf. Von dem Geräusch einer zerbrochenen Vase. Verwirrt sehe ich über den Bettrand. Haben mich meine Träume schon in der Wirklichkeit eingeholt? Tatsächlich. In den Scherben der Vase, die in meinem Traum auf dem Tisch stand, liegt durchnässt aber genauso schön die rote Rose. Ich hebe sie hoch. Steche mich an ihren Dornen und lasse sie wieder fallen. Ein Tropfen Blut fließt über meinen Finger und tropft auf die Rose. Der Schmerz betäubt mich. Die Hitze der Eifersucht kommt zurück. Ich schwitze. Ich habe das Gefühl, dass ein Feuer an mir zehrt, meine Kraft aussaugt, durch meine Adern mit meinem Blut fließt, und versucht mein Herz zu erreichen. Ich schreie. Die Hitze ist unerträglich. Feuer, überall Feuer. Und so schnell wie der Schmerz, die Hitze und das Feuer gekommen sind, verschwinden sie auch wieder. Mit dem Gedanken an die Rose und der Unmöglichkeit, wie sie hierherkommen konnte, schlafe ich ein.

    Ich sitze in einem Auto. Mir gegenüber der Fremde. Sein Gesicht liegt wieder im Schatten. Ich schaue ihn an, will gerade etwas sagen, doch da beugt er sich vor und sieht mir direkt ins Gesicht. Ihm rutscht seine Kapuze vom Kopf und mich haut es glatt um. Er hat braune Augen, einen blassen Teint, sein Gesicht ist rund, er hat weiche Züge. Er hat blonde, fast schon weiße Haare. Kurz geschnitten. „Wie heißt du?, frage ich zaghaft. Vor Angst, er könnte einfach verschwinden, wenn ich etwas Unbedachtes tue. Er sieht mich lange mit seinem durchdringenden Blick an. „Alles nur ein Missverständnis, sagt er. Dann verschwindet er, sein Gesicht, das Auto. Alles löst sich auf. Das Letzte, was ich höre, ist sein Name „Noel".

    Ich wache auf. Feuer. Hitze. „Autsch!, stöhne ich. Schon wieder dieser unerträgliche Schmerz. Ich warte bis das dumpfe Pochen und das Feuer vorbei sind. Nicht weinen. Ist nicht real. „Aber was ist mit der Rose?, spuckt es mir durch den Kopf. Halb sechs. Orientierung verloren. Nach einem Moment wiedergefunden. Wieso kann das nicht aufhören? Angst. Ich habe Angst, ich könnte Realität und Traum vermischen. Zweimal habe ich nun geträumt. Zweimal reicht mir. Ich kann nicht mehr. Will nicht nochmal von Noel träumen, der mit diesem Traum meinem Herzen ein Stückchen nähergekommen ist. Schlafen kann ich auch nicht mehr.

    Kapitel 3. Runen

    Unruhig wälze ich mich in meinem Bett hin und her. Der erste Sonnenstrahl scheint durch mein Fenster und kitzelt mich an der Nase. Ich stehe auf und fluche als mir ein plötzlicher Stich durch den Fuß schießt. Ich bin in die blöde rote Rose gestiegen. Ich schüttle meinen Fuß und hüpfe im Kreis herum, bis ich mir den Dorn rausgezogen habe. Ich drehe mich um und betrachte die Stelle, wo die Rose gelegen hat. Dort, wo sie in der Nacht aufgetaucht war, ist ein großer Aschekreis. Ich setze mich in die Hocke und fahre mit dem Finger durch den Kreis. Als ich mit dem Finger die Asche durchbreche, höre ich so etwas Ähnliches wie ein leises Klingeln. Ich drehe mich um, die Rose ist verschwunden. Nichts als ein einzelnes rotes Rosenblatt, das gerade zu Boden segelt, ist noch von ihr übrig.

    Ich gehe ins Bad und betrachte mich im Spiegel. Ein Schreck durchfährt mich. Mir sieht ein Mädchen entgegen, das ich nicht mehr kenne. Meine braune Mähne ist wie immer, lockig, unnachgiebig und starr. Doch der Rest von mir sieht plötzlich ganz anders aus. Ich bin dünner geworden, meine Wangen sind ein wenig eingefallen und ich habe tiefe dunkle Augenringe unter meinen satten, dunkelgrünen Augen. Dunkelgrün. Ich habe seit Tagen nicht mehr geschlafen. Meine Augenfarbe ist etwas Außergewöhnliches. Die habe ich von meiner Mutter geerbt. Sie hatte auch dunkelgrüne Augen. Leider kenne ich meine Mutter nur von Fotos. Sie ist kurz nach meiner Geburt gestorben. Jetzt lebe ich mit meinem Vater zusammen. Allein.

    Ich gehe in mein Zimmer und hole mein Schminkzeug aus meinem Schminktäschchen. Ich stelle mich vor den Spiegel im Bad und tusche mir vorsichtig meine Wimpern. Dann überschminke ich mir die Augenringe mit Make-up. Als ich fertig bin, sehe ich fast aus wie immer. Meine dunkelgrünen Augen schauen mich aus dem Spiegelbild an. Ich öffne eine Schublade in meinem Schrank und hole zwei Kontaktlinsen heraus. Ich setze sie mir ein. Ich blinzle kräftig bis die Tränen nachlassen. Jetzt schauen mich riesige braune Augen an. Ich hasse diese Dinger und ich liebe meine eigene Augenfarbe. Ich liebe die Außergewöhnlichkeit. Doch mein Vater zwingt mich die Kontaktlinsen zu tragen damit ich, Zitat „unauffällig" bin. Was soll schon passieren? Ich werde wohl nicht von Außerirdischen entführt? Ich gehe die Treppe hinunter und frühstücke schnell. Mein Vater schläft und ich mache vorsichtig seine Schlafzimmertüre zu.

    Dann fahre ich mit dem Bus zur Schule. An der Bushaltestelle der Schule erwartet mich schon meine Freundin. Ich denke, es steht Leiley dort, doch zu meiner Enttäuschung ist es Mila. Sie bestürmt mich sofort mit einer Umarmung. Während sie mich umarmt, steigen Leute aus dem zweiten Bus aus, der gerade die Türen öffnet. Wie in Zeitlupe registriere ich, wie jemand aussteigt, jemand, der mir auf seltsame Weise Vertraut vorkommt. Er steht da und blickt sich um. Unsere Blicke treffen sich. Die durchdringenden braunen Augen, das falkenähnliche Gesicht, die blonden Haare. Ja, ich kenne ihn. Es ist der Junge aus meinen Träumen. Ich kenne ihn und sehe, wie auch in seinem Gesicht, Schreck, Überraschung und Triumpf aufleuchten. Es scheint, als haben mich meine Träume eingeholt, als hätten sich die Naturgesetzte verschoben, als habe sich mein Traum verfestigt.

    Alles dreht sich und mir wird glühend heiß. Ich kann meinen Blick nicht von dem Jungen abwenden. Mila sagt irgendetwas, doch ich verstehe sie nicht. Sie hält mich an meinen Schultern von sich weg und sieht mich prüfend an. „Du siehst ein wenig blass aus, sagt sie, „geht’s dir gut? Ich schüttle wie in Trance den Kopf. Mila folgt meinem Blick und stößt mir mit dem Ellenbogen in die Rippen. „Ah, jetzt verstehe ich. Ist der neu hier? „Keine Ahnung, sage ich. Mir ist heiß, ich brenne, stehe in Flammen. Der sengende Schmerz frisst sich wieder durch meine Adern. Und dieses Mal hält mein Blut das Feuer nicht auf. Es frisst sich durch bis zu meinem Herzen. Ich stöhne, reiße mich aber zusammen, um nicht zu schreien. „Was ist los?, fragt mich Mila nochmal. Ich schüttle mich und fasse mir an den Kopf. Meine Stirn ist schweißüberströmt. „Komm, gehen wir zur Schule, sage ich. Meine Stimme klingt schwach und brüchig. Als wir die ersten zwei Schritte gehen, geben meine Beine unter mir nach, ich strauchle und falle hin. Ich stoße mir den Kopf, dann werde ich ohnmächtig. Schwärze. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich gar nicht mehr ohnmächtig bin. Ich träume. Schon wieder.

    Ich laufe. Schneller, schneller. Blätter schlagen mir ins Gesicht. Links, rechts, links, links. Hinter mir ist etwas. Jemand. Schritte. Atem. Ich keuche. Ich stolpere über einen dicken Ast und schlage mir meine Knie auf. Meine Seite brennt. Ich rapple mich wieder auf. Laufe weiter. Panik. Ich schlage mich durch das dichte Gestrüpp eines Dschungels. Hinter mir schnelle Schritte. Ich stolpere, rutsche aus und falle eine Böschung hinunter. Ich schaue mich um. Ich bin in einer Senke. Bäume ringsherum. Ich versuche mich zu beruhigen, bis ich es höre, „scchhhh, schhhhhhhhhh, schhhhh". Ein Wispern. Ein Rauschen. Die Bäume zittern. Wispern mir Wörter, Sätze zu. Sie singen. Plötzlich wird der Wind stärker, fegt durch die Bäume. Blätter streifen mein Gesicht. Dann… Stille. Nichts mehr.

    „Du weißt doch, dass du mir nicht entkommen kannst, höre ich die Stimme des Jungen. Wo ist er? Ich sehe ihn nirgendwo. Als hätte er meine Gedanken gehört, ruft er: „Ich bin hier oben. Ich blicke hinauf. Hinter mir ein Baum. Dort ist er. Ich erkenne ihn sofort an seiner Statur. Ich hätte ihn überall erkannt. Weiß sofort, wo er ist. Das ist ein Traum, mein Traum. Ich kann aufwachen. Als hätte er meine Gedanken erneut erraten, spricht er: „Oh, dies ist DEIN Traum. Aber ich kann, wann immer ich will, dort einbrechen. Außer du sperrst mich aus. Da du aber nicht weißt, wie das geht, wird es Dir nicht möglich sein."

    „Was willst du von mir?, frage ich. „Ich kann dich nicht alleine lassen. Du bist meine Vergangenheit. Sie hat mich eingeholt. Du bist in Gefahr. Ich will dich nur warnen. Gehe auf keinen Fall nach Hause. Bleib in der Schule. „Wieso soll ich dir gehorchen?, frage ich. „Mir ist es gleich, meint er. In seiner Stimme liegt etwas, was ich überhaupt nicht leiden kann. Er ist sehr frech und klingt… amüsiert und belustigt. „Wenn du nach Hause gehst, könntest du dir genauso gut ein Messer ins Herz rammen. Was denkt sich der eigentlich? Soll ich diesem Jungen glauben? „Lass mich in Ruhe. Du hast mir nichts zu sagen. „Gut, viel Spaß… zu Hause", sagt er, lächelt und verschwindet.

    Ich wache auf der Liege des Sanitäterzimmers unserer Schule auf. Ich fühle mich unheimlich schwach, so wie nach einem langen Marathon. Ich setze mich auf. Ein seltsamer Schwindel erfasst mich. Neben mir sitzt Mila. „Hi, ganz langsam, sagt sie und nimmt besorgt meine Hand. Ich fasse mir an den Kopf, ich spüre einen dicken Verband. „Als du gefallen bist, hast du dir ordentlich den Kopf gestoßen, sagt sie mit einem unerklärlichen Ausdruck auf ihrem wunderschönen, puppengleichen Gesicht. „Was ist?, frage ich. „Deine Augen. Mila schüttelt sich, so als ob ihr etwas Widerliches über ihr Gesicht gekrochen wäre. Verständnislos sehe ich sie an. „Was?, frage ich. „Die… Kontaktlinsen. Sie sind weg, meint Mila zögerlich. Sie kennt meine grünen Augen und findet sie cool. Auch Leiley kennt sie. Ach Leiley. „Sie…, Mila bleibt mitten im Satz stecken. Langsam werde ich ärgerlich. „Jetzt sag mir, was Sache ist!, antworte ich. Mila deutet hinüber zu einem der Spiegel, der an der hinteren Wand steht. Ich stehe auf, gehe schnellen Schrittes auf ihn zu und stelle mich davor. Was ich sehe, schockiert mich zutiefst. Die Kontaktlinsen sind wirklich weg. Die Überraschung. Meine Pupillen sind zu senkrechten Schlitzen verengt, wie bei einer Katze. Und als ich in meine Augen schaue, fängt mir plötzlich die Haut in meinem Gesicht zu kribbeln an. Und weitet sich über meinen ganzen Körper aus. Langsam wird es unangenehm und fängt an zu brennen. Ja, buchstäblich, ich brenne. Die Flammen fressen sich tief in mein Fleisch, dünne Linien bilden sich auf meinem Gesicht. Formen sich zu Mustern und breiten sich aus. Ich schreie auf und schrecke vor meinem Spiegelbild zurück. Oh Gott, was passiert mit mir?

    Ich spüre Milas Hand auf meiner Schulter. „Ich hole jemanden", sagt sie panisch. Ich höre ihre Schritte über den Boden klacken und eine Tür zuschlagen. Ich schlage mir die Hände vors Gesicht, so als ob ich die Flammen aufhalten könnte, die sich nun von meiner Stirn, über meine Wangenknochen, über meine Lippen runter zu meinem Kinn fressen. Die Flammen tropfen weiter, laufen über meinen Hals über meine Schultern, meinen Rücken, meine Brust und bleiben bei meinem Herzen stehen. Mir ist noch nie so heiß gewesen, das Kribbeln des Feuers pulsiert durch meine Adern und ich spüre wie es mein Herz berührt. Es hüpft wie ein aufgescheuchter Vogel. Dann bleibt es für einen Moment stehen. Ich atme. Ein. Aus. Nur noch das zählt. Ein. Aus. Dann spüre ich noch einen letzten Stich und alles ist vorbei.

    Nach Luft ringend und mich auf beide Hände stützend, lege ich mich auf den Boden. Den harten kühlen Stein unter meinen Fingern zu spüren gibt mir Trost. Ich fühle mich besser. Ich bleibe noch eine Weile sitzen, bis ich mühsam die Willenskraft aufbringe und zum Spiegel wanke. Ich will nicht hinsehen. Aber meine Neugier siegt und ich weiß in diesem Moment, dass ich den Blick in den Spiegel bereuen werde. Und doch. Ich betrachte mein Spiegelbild.

    Rote, dünne Linien ziehen sich über mein ganzes Gesicht. Sie kräuseln sich auf der Stirn, drehen sich auf meinen Wangenknochen zu Spiralen, züngeln hinab über mein Kinn und über meinen Hals, meine Schultern. Ich reiße mein Hemd auf und kann sehen, wie sich die Linien weiter hinabkräuseln und in einer Flammenspirale über meinem Herzen endet. Meine Locken sind nicht mehr länger braun. Sie sind nun Rot. Rot, wie das Blut, das mir vom Finger getropft war, als ich mich an der Rose gestochen habe. Genauso meine Lippen. Ich ringe nach Luft. Es ist schön und beängstigend zugleich. Ich habe mich verändert. Sehr. „Wie kommt das? Was ist da passiert? So was ist nicht möglich! Wieso hat sich mein Körper so verändert? Mache ich eine Verwandlung durch?", schießt es mir durch den Kopf. Das Mädchen, das ich im Spiegel betrachte, kenne ich nicht. Nur noch die Form meiner Augen wirkt auf mich vertraut. Meine Augen sind nicht mehr grün, sondern bernsteinfarben. Ich bin das nicht mehr. Die Pupillen der Katze machen mir Angst. Ich habe diesen gehetzten Ausdruck in den Augen, den ich nicht verbergen kann. Ich wende den Blick ab. Da höre ich Schritte und mit einem Mal werde ich in die Realität zurückgeholt.

    Mila ist mit der zur Hilfe geholten Person unterwegs. Schnell laufe ich zur Tür und drücke meine Hand unter die Klinke, damit sie von außen nicht geöffnet werden kann. „Rose? Bist du da drin?, höre ich Milas Stimme. Rose. Eigenartig, dass mir das nicht gleich aufgefallen ist. Der englische Name Rose. Rote Rose. Rose. Doch mir bleibt jetzt keine Zeit zum Nachdenken. „Rose?, höre ich auch Kais Stimme. „Ist sonst noch jemand bei euch?, rufe ich und lausche. „Nein!, höre ich nach einigen Sekunden Mila. „Wartet einen Moment! Nicht reinkommen!, rufe ich. Dann sehe ich mich panisch um. Ich muss die Tätowierungen, – oder waren es Zeichnungen, oder was eigentlich –, unbedingt vor meinen Freunden verstecken. Da! Auf der Krankenbare liegt ein Kapuzenpulli. Ich rase hinüber und ziehe ihn mir über den Kopf. Dann verstecke ich meine roten Haare unter der Kapuze und binde mir den halb durchsichtigen Schal über mein Gesicht. Ich gehe schnell zum Spiegel und sehe mich an. Nichts zu sehen. Ich bin vollkommen verschleiert. Ich haste zur Krankenliege zurück und lege mich hin. „Okay, könnt kommen! Mila und Kai treten ein. Kai kommt zu mir und setzt sich neben mich auf die Bettkante. Mila bleibt an der Tür stehen und beobachtet uns misstrauisch. „Sie hat doch nichts von diesen eigenartigen roten Linien gesehen? Hoffentlich nicht."

    Kai und ich. Schon seit einigen Monaten, machen wir zusammen Hausaufgaben, lachen und necken uns. Und waren schon einige Male kurz davor uns zu küssen. Dazu kam es aber nie. Er sieht mich an. Ich senke den Blick,

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