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Griechenland neu entdeckt: Landschaften, Menschen, Begegnungen
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Griechenland neu entdeckt: Landschaften, Menschen, Begegnungen
eBook255 Seiten2 Stunden

Griechenland neu entdeckt: Landschaften, Menschen, Begegnungen

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Über dieses E-Book

„Griechenland kennt man doch! Was gibt es da noch zu entdecken?“ – Man täusche sich nicht! Dieses Land mit seiner rauen Schönheit und dieses Volk mit seinem eigenwilligen Charakter sind nicht so leicht zu erfassen. Es erfordert einige Anstrengung, sie wirklich kennenzulernen, und der Verfasser hat sich diese Mühe offenbar gemacht. Als Lehrer am Dörpfeld-Gymnasium in Athen hat er dazu auch jahrelang Gelegenheit gehabt.
Er führt den Leser zwar mit Begeisterung auch durch die Museen und über Runinenstätten, aber mehr noch faszinieren ihn die griechischen Landschaften, vor allem die kaum erschlossene und wenig bekannte Bergwelt mit ihren den Göttern geweihten Gipfeln, ihren Schluchten und heiligen Quellen. Als Naturliebhaber gibt er auch Einblicke in die reiche Vogel- und Blumenwelt dieser mediterranen Gegenden.
Nicht weniger als die Natur interessieren ihn aber die Menschen: die einfachen Hirten und Bauern draußen auf dem Land wie die selbstbewussten Herrschaften der Athener Oberschicht. Man erfährt nebenbei auch, wie kompliziert der Umgang mit Behörden und Banken ist. Kurzum: Der Liebhaber Griechenlands wie auch der Neuling auf diesem Gebiet wird hier einiges entdecken, was er so noch nicht gekannt hat.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Jan. 2016
ISBN9783860402658
Griechenland neu entdeckt: Landschaften, Menschen, Begegnungen

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    Buchvorschau

    Griechenland neu entdeckt - Eduard Huber

    Belletristik

    Griechenland

    neu entdeckt

    Vorwort

    Wenn heutzutage von Griechenland die Rede ist, denken nicht wenige an ein Krisenland: an Schuldenberge, die höher sind als der Olymp, an Streiks und Demonstrationen, an eine gewissermaßen asthmatische Wirtschaft und eine ebenso monströse wie ineffektive Verwaltung. Aber ist das wirklich Griechenland oder nicht eher eine Karikatur davon?

    Es ist ja noch gar nicht so lange her, dass fast jedermann eine völlig andere Vorstellung von Hellas hatte: Es galt als die Wiege der europäischen Kultur und der Demokratie, als die Quelle der Dichtung und der Philosophie, als Inspiration für Renaissance und Humanismus. Und ganz nebenbei war es ein wunderschönes Urlaubsland mit Stränden unter mediterraner Sonne, mit Inseln in tiefblauem Meer. Sollte das alles nun wie durch einen Tsunami von Finanz- und Wirtschaftskrise hinweggespült worden sein? Das wäre wirklich ein Jammer.

    Die Liebhaber Griechenlands werden sich durch den gegenwärtigen Notstand und das Riesentheater, das darum aufgeführt wird, nicht davon abhalten lassen, sich daran zu erinnern, wie viele glückliche Tage es ihnen einmal geschenkt hat. Diese herzliche Beziehung weiterhin zu pflegen, ist der Sinn der folgenden Darstellung.

    Gewiss, es ist ein Erinnerungsbuch und schildert Griechenland, wie es war, bevor es in den Sog von Europäisierung und Globalisierung geriet. Aber wer das Land heute besucht und mit unvoreingenommenem Blick betrachtet, wird doch hoffentlich noch vieles von dem finden, was es immer so faszinierend und liebenswert gemacht hat.

    "Seliges Griechenland, du Haus der Himmlischen alle,

    Also ist wahr, was einst wir in der Jugend gehört?

    Festlicher Saal! der Boden ist Meer! und Tische die Berge,

    Wahrlich zu einzigem Brauche vor Alters gebaut!"

    (Hölderlin: Brot und Wein)

    ___________________________________

    Manuskripte gesucht!

    Wir suchen laufende interessante Manuskripte zu Sachthemen, aber auch belletristische Werke, insbesondere ausgefallene Autobiographien

    info@interconnections.de

    Vom Land und

    seinen Altertümern

    Athen I

    Erste Eindrücke

    Da soll ich leben? fragte ich mich ein wenig verstört an jenem Morgen des 1. September, als ich auf dem Sattel von Dafni zum ersten Mal diese Stadt vor mir liegen sah – was heißt Stadt? – , dieses weißgraue, von einem langen Sommer ausgetrocknete Häusermeer, staubig und öd, vor Mittag schon unter einer Dunstglocke dösend, eine monströse Siedlung fast ohne Architektur.

    Ich hatte meine erste Nacht in Griechenland auf dem Campingplatz beim Kloster Dafni verbracht. Es war die Zeit des dortigen Weinfestes, und der Lärm der feiernden Griechen war so ohrenbetäubend, dass an Schlaf zunächst nicht zu denken war. Also hatten wir – ein paar Bekannte aus Deutschland und ich – wohl oder übel beschlossen mitzufeiern. Es kostete nur Eintritt, und wenn man dann noch eine Karaffe und ein paar Gläser kaufte, gab es den Wein umsonst. Die Leute nützten das natürlich aus und betranken sich (was Griechen sonst selten tun).

    Wir hatten Schwierigkeiten, uns zurechtzufinden, konnten wir doch kein Griechisch. Ein paar Levantiner – Syrer oder Libanesen – machten sich an die Mädchen heran und waren kaum abzuschütteln. Endlich erbarmte sich unser ein alter Gastarbeiter, der ein angenehmes, hessisch gefärbtes Deutsch sprach. (Ich glaube, er hatte in Offenbach gearbeitet.) Da wurde es dann noch ganz lustig und wir dachten, dass es unter den Griechen doch ganz angenehm zu leben wäre.

    Unkundig der Landessprache, ohne Ahnung von den Sitten und Unsitten des Landes, war ich dennoch froh, als ich bei der Vorstellung bei meinem künftigen Chef erfuhr, eine deutsche Dame habe zwei möblierte Zimmer mit Bad angeboten; dort könne ich vorläufig unterkommen. Diese Dame, Witwe eine griechischen Professors, bewohnte eine schöne Villa im Stadtteil Psychikó, zu deutsch: Seelchen, weil dort nach der Überlieferung der erste Marathonläufer seine Seele ausgehaucht haben soll. Die Unterkunft kostete sechshundert Mark, in deutscher Währung auf ein Konto in Deutschland zu bezahlen. Da ich über die Preise in Athen schon einigermaßen unterrichtet war, nahm ich zähneknirschend an. Ich wohnte dann allerdings nur ein Jahr dort, weil mir die vornehme Dame nach einiger Zeit das zweite Zimmer mit fadenscheiniger Begründung wieder wegnahm, ohne mit dem Preis herunterzugehen, was einen Kollegen zu der bissigen Bemerkung veranlasste, er kenne nur eine Sorte von Leuten mit übleren Geschäftspraktiken als die Griechen: die eingeheirateten Deutschen. Sei's, wie's will, später wohnte ich nur noch bei Griechen; die Mieten lagen da allerdings auch nicht niedriger.

    Es hielt sich zu jener Zeit noch die Sage von den niedrigen Lebenshaltungskosten in Griechenland, aber zumindest wenn man in Athen wohnte, merkte man nichts davon. Wenn es nicht gerade Grundnahrungsmittel waren, schien das meiste im Vergleich mit Deutschland eher teurer als billiger. Dazu kam noch die trabende Inflation von 26 bis 27 Prozent im Jahr. Wie die wenig verdienenden Griechen dieses Spiel mitspielen konnten, blieb ihr Geheimnis. Ich bin offen gestanden nie ganz dahinter gekommen. Aber die Erklärung war wohl in zwei Richtungen zu suchen: erstens auf dem Lande, von wo die meisten Athener herkamen, wo sie somit auch Verwandte hatten, bei denen sie sich billig mit Lebensmitteln eindeckten; zweitens auf jenem grauen bis schwarzen Arbeitsmarkt, wo fast jeder etwas dazuverdiente, was in keiner Statistik und natürlich auch bei keinem Finanzamt erschien. Steuermoral? Ich glaube nicht, dass es so etwas je gab. In den griechischen Steuerlisten, die veröffentlicht wurden, erschienen jedenfalls mittelprächtig verdienende Angestellte ganz vorne, während die Herren Millionäre weit hinter ihnen rangierten. (Die Armen mussten eben so schrecklich viel investieren.)

    Nun gut, ich wollte eigentlich von Athen erzählen und nicht vom Geld (obwohl das gerade wieder Thema Nummer eins ist), aber wenn man jahrelang dort leben sollte, waren die Preise mindestens so wichtig wie die Akropolis, die man ja nicht jeden Tag besuchen muss. Ich bin gewöhnlich nur dann auf den berühmten Felsklotz hinaufgekommen, wenn ich Besuch hatte, den ich hinführen musste. Denn welcher Fremde könnte in die Heimat zurückkehren, ohne auf der Akropolis gewesen zu sein! Gebürtige Athener sind da freier; darum gibt es auch Leute unter ihnen, die freimütig bekennen, dass sie ihre Schritte nie dorthin gelenkt haben. Was soll ich bei dem alten Zeug da droben? fragte mich einmal einer von ihnen und ich machte mir nicht die Mühe, ihm darauf zu antworten.

    Athen II

    Altertümer

    Es ist schwer zu erklären, was die Akropolis von Athen so vielen Menschen bedeutet. Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen. Was aber macht die Faszination jener Ruine dort oben aus? Ist sie wirklich das, wofür viele sie halten; das schönste Bauwerk, das je von Menschenhand geschaffen worden ist?

    Ich muss gestehen, dass ich da auch meine Zweifel hege. Nicht dass mich diese prächtigen Säulenreihen des Parthenons nicht beeindruckt hätten, als ich sie an einem stillen, angenehm warmen Herbsttag zum ersten Mal sah, immer noch schön trotz aller Zerstörung, im gedämpften, bräunlichen Weiß des pentelischen Marmors, vor dem trübblauen Smoghimmel des modernen Athens. Aber die Ausmaße dieses kolossalen Marmorvierecks erschreckten mich doch auch ein wenig. Kann ein Bau von so übermenschlicher Größe überhaupt noch Ausdruck von Frömmigkeit sein? Ist er nicht vielmehr von Anfang an Symbol attischer Größe gewesen, eine Machtdemonstration, geeignet, fremde Besucher eher einzuschüchtern als zu erbauen? Die alten Athener freilich mag diese Selbstdarstellung begeistert haben; sie bewies ihnen, wer sie waren: in der Politik wie in der Kunst die ersten in Griechenland. Aber uns? Zwingt sie uns noch immer, in Ehrfurcht zu erstarren?

    Ich bin skeptisch. Für mich ist der Parthenon bei aller künstlerischen Perfektion (oder vielleicht eben deshalb) ein Monument griechischer Selbstgefälligkeit, das mich irritiert. Solche Vollkommenheit ist nicht für den gewöhnlichen Menschen. Darum ging es mir beim ersten Anblick dieses Tempels ähnlich wie damals, als ich zum ersten Mal St. Peter in Rom durchwanderte und unter der Kuppel Michelangelos stand: zu groß, zu großartig, zu perfekt! Man kommt sich nicht erhaben, sondern klein vor. Und das ärgert einen doch ein wenig; meist gesteht man sich's nur nicht ein.

    Zum Glück gewährt einem die Akropolis nach dem verwirrenden Anblick des Parthenons und der anderen, nicht minder gewaltigen Ruinen doch auch einen menschlichen Trost: das Akropolismuseum nämlich. Was an Schätzen aus dem Perserschutt und all dem späteren Schutt der Akropolis herausgeholt und dort liebevoll zusammengetragen ist, das lohnt die geringe Mühe des Aufstiegs hundertfach. Ich will nun nicht das ganze Museum durchgehen – dafür gibt es Museumsführer -, nur ein paar Tipps möchte ich geben, ab und zu stehen bleiben und wie mit einem Freund, den man begleitet, ein wenig über das sprechen, was mir auffällt.

    Vorsicht, Löwen! müsste man zuerst rufen. Übergroß und wild fallen sie über Rinder her, lebensvoll, als hätte es in archaischer Zeit in Griechenland tatsächlich noch Löwen gegeben. (Vielleicht gab es sie wirklich, und der nemeische, den Herakles tötete, war nicht der letzte.) Die Hydra ist da, ein Triton, beide von Herakles bekämpft, ein dreileibiger Dämon vom Giebel des älteren Athenetempels, eine Sphinx – lauter Fabelwesen der Frühzeit. Dann erst Menschen: der Kalbträger, der Reiter aus dem sechsten Jahrhundert, kraftvolle, sanftmütig- freundliche Gestalten, Leute, denen man ohne Furcht begegnen würde. Und erst die Koren! Gibt es denn sonst irgendwo eine Versammlung von Mädchen, die denen vergleichbar wäre: von der ein wenig derb und herrisch wirkenden Figur des Antenor bis zu der verträumten, rätselhaften Kore mit den Mandelaugen? Da auf der einen Seite die schon fast realistische Kore des Euthydikos, ein üppiges und hochnäsiges junges Weib; und auf der anderen Seite dieser kleine isolierte Kopf (Nr. 643) mit den weichen Zügen, den halbgeschlossenen Augen und dem wehmütigen Mund: ein Gesicht, in einem Augenblick seelischer Erschütterung getroffen oder einem selig-schmerzlicher Erinnerung, ein Gesicht, bei dem es mich nicht wunderte, wenn es auf einmal anfinge zu weinen. (Ich gebe zu, das ist Schwärmerei und geht über das vor Kunstwerken vorgeschriebene interesselose Wohlgefallen hinaus.)

    Alle diese Mädchengestalten werden aber, falls es möglich ist, noch von der Athene vom Giebel des Peisistratidentempels übertroffen. Wie sie dasteht, so sanft und ruhig, so ohne Attitüde, gelassen, beinah unbeteiligt inmitten des Trubels der Gigantomachie, ein wenig vorgebeugt, als wäre sie ganz Ohr; und wie sie dann, als müsste sie nach außen (nolens volens) doch die Herrin hervorkehren, ihrem Arm ausstreckt und den schlangengesäumten Mantel öffnet, das hat dem unbekannten Bildhauer niemand nachgemacht, ich glaube, nicht einmal Phidias.

    Aber natürlich gibt es dann von diesem und seinen Schülern doch ein Werk dort oben, das einen, wenn man sich eben noch dem Zauber der archaischen Gestalten hingegeben hat, in neue Verwirrung und Verwunderung stürzt: den Parthenonfries. Leider ist die gesamte Komposition des Panathenäen-Festzugs, die sich das Genie des Phidias ausgedacht hat, nicht mehr zu überblicken, seitdem Lord Elgin einen großen Teil der Platten hat mitgehen lassen. (Diesen Teil darf man jetzt im Britischen Museum in London bewundern.) Aber auch der Rest ist noch erstaunlich genug. Allein diese eine Platte mit den drei Göttern Poseidon, Apollon und Artemis, die man dem Phidiasschüler Alkamenes zuschreibt, ist ein Wunder für sich. So heiter-gelassen, so selbstverständlich, ihrer inneren Größe ohne weiteren Aufwand sicher, so scheinbar ganz menschlich und doch in Wahrheit mehr als menschlich können nur olympische Götter sein. Wäre es Winckelmann vergönnt gewesen, das zu sehen, hätte er jene edle Einfalt und stille Größe vor Augen gehabt, die er in Werken des Hellenismus glaubte gefunden zu haben.

    Es gibt natürlich noch mehr Schönes da: diese ganze Prozession mit ihren vielen Menschen, teils zu Fuß, teils zu Pferd, und auf was für Rossen!, mit Opfertieren und anderen Gaben – feierlich, aber nicht frömmelnd, zielstrebig und lebendig. Und schließlich springt einem da noch eine Nike in die Augen, ein Relief von der Balustrade des Niketempels: Sie steht nur auf einem Bein, weil sie gerade dabei ist, am rechten Fuß ihre Sandale zu lösen – so wird es jedenfalls interpretiert. Die verführerische Schönheit ihres Leibes wird durch den raffinierten Faltenwurf ihres Chitons eher hervorgehoben als verhüllt. Ich weiß nicht, wen sie in dieser schwankenden Stellung besiegen will, aber es muss wohl ein Mann sein.

    Tor der attischen Festung Phyle (Filí)

    Wenn man von der Akropolis herunterkommt, überrascht einen beim Blick über die graue Öde der Großstadt zu seinen Füßen eine große, relativ offene Fläche mit vielem Grün und einigen Ruinen: die Agora. Die sollte man unbedingt besuchen. Nicht dass es dort, außer dem Theseion (Thession), viel zu sehen gäbe, sondern ganz einfach, weil es ein Ort der Ruhe ist, der Besinnung, eine Oase in der hektischen Wüste Athen. Das Theseion ist übrigens der einzige noch halbwegs erhaltene Tempel Griechenlands. Alle andern, auch der berühmte Asklepiostempel von Bassai (Vassé), sind nur noch Ruinen, oft noch weniger. Es gibt Ruinen von Tempeln, es gibt Fundamente von Tempeln und es gibt Ruinen von Tempelfundamenten, erklärte mir einmal ein Bekannter und fügte bissig hinzu: In Griechenland findet man eigentlich nur die letzten. Es ist nur allzu wahr.

    Was steht denn noch vom Zeustempel in Olympia oder dem in Nemea, vom Apollotempel und dem der Athene in Delphi, vom ehemals hochberühmten Heraion von Argos oder dem riesigen Heratempel von Samos? Meist ein ruinöser Unterbau und, wenn's hochkommt, ein paar halbwegs wieder aufgerichtete Säulen. Einzig vom Poseidontempel am Kap Sounion hat sich ein Dutzend Säulen über alle Zeiten hinweg gehalten. Kurzum, das sogenannte Theseion, eigentlich ein Hephaistostempel, ist eine Rarität. Zwar ist vom Fries nur wenig erhalten, aber der Bau als solcher steht beinahe intakt da und bietet einem das seltene Vergnügen, einen originalen griechischen Tempel zu betreten. Und die bescheidenen, wohltuend menschlichen Ausmaße des Baus tragen nicht wenig zu diesem Vergnügen bei.

    Sonst ist freilich auch auf der Agora nicht allzu viel erhalten. Die modern wiederhergestellte Attalos-Stoa macht einen eher langweiligen Eindruck. Die kleine byzantinische Kirche gehört auch nicht zu den bedeutenden Denkmälern ihrer Art. Und doch ist es schön, auf der Agora herumzubummeln, abseits vom unaufhörlichen Getöse des Verkehrs, reizvoll, über das holprige Pflaster der Panathenäenstraße zu hüpfen, seinen Fuß hinzusetzen, wo Solon und Sokrates und so viele Große zweieinhalbtausend Jahre vor einem gegangen sind. An manchen Stellen fühlt man sich, wenn auch nur von Ferne, ans Forum Romanum erinnert.

    Was bietet Athen dem Freund der Antike sonst noch? Wenn man Zeit hat, sollte man den Kerameikos-Friedhof besuchen, den Friedhof des klassischen Athens. An der alten Stadtmauer gelegen, von der man anderswo nichts mehr sieht, gibt es einem zwar nicht das Gefühl der Geborgenheit wie die Agora, aber (wie auf anderen Friedhöfen auch) berührt einen doch immer noch die Nähe des Todes, ohne einen zu erschrecken. Denn die antiken Grabdenkmäler erwecken die Illusion, dass die Toten noch lebten. Nicht gebrechlichen Greisen begegnet man da, von der Knochenhand des Todes hinweggezerrt, sondern Athenern in der Blüte ihrer Jahre, oft noch jungen Leuten; und man freut sich, sie kennen zu lernen. (Die schönsten Grabstelen vom Kerameikos-Friedhof findet man heutzutage allerdings im Nationalmuseum.) – Durch die Achse der Senke, wo der Friedhof liegt, fließt heute noch ein Bach, in dem sich kleine Fische tummeln. Wie sie da hineingekommen sind und wie sie sich inmitten von Athen halten können, mag der Gott der Unterwelt wissen. Vielleicht hat er von den Wassern des Styx ein Rinnsal abgezweigt

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