Freiwilligendienst in Gambia: Engagement in einer fremden Welt
Von Konrad Müller
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Über dieses E-Book
In diesem Buch schildert er seine Eindrücke von Dorfleben, Schulalltag, religiösen Festen, chaotischen Ausflügen und interessanten Begenungen. Ein packender, authentischer Bericht aus einer fremden Welt.
Konrad Müller
Konrad Müller, Dr. theol, Jahrgang 1957, ist Leiter des Gottesdienst-Instituts der Evang.-Luth. Kirche in Bayern.
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Buchvorschau
Freiwilligendienst in Gambia - Konrad Müller
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Inhaltsverzeichnis 
Inhaltsverzeichnis
Freiwilligendienst
in Gambia
Aufbruch
Der Anfang
Das Land
Geschichte bis zum Ende der Kolonialzeit
Seit der Unabhängigkeit
Bevölkerung
Gesundheit
Wirtschaft
Anreise
In Gambia
Einführung
Kerr Cherno
Siare
Ausflug nach Bafuloto
Der Unabhängigkeitstag
Erste Schulwoche
Fahrt mit Hindernissen
Der Wettkampf
Verspätete Heimkehr
Weitere Erfahrungen
Wochenende in Lamin
Albreda und James Island
Rückfahrt
Islam
Ausflug nach Banjul
Naming Ceremony
Besuche
Wochenende in Kerr Cherno
Letzte Schulwoche
Wochenende in Sammeh
Baden in Gambia-Fluss
Letzter Schultag und Gamou
Reise nach Dakar
Karfreitag
Karsamstag
Ostersonntag
Ostermontag
Rückkehr nach Gambia
Besuch in Djungo
Ausflug ins Kombo-Gebiet
Rückkehr nach Kerr Cherno
Das letzte Wochenende
Abschied in der Schule
Abschied von Kerr Cherno
Django, der Kriminelle
Heimkehr
Tag des Rückflugs
Zurück in Deutschland
Nachwirkungen
Nachwort

Am Fluss
Freiwilligendienst
in Gambia
Aufbruch
Der Anfang
Hier mein Bericht über die Zeit, die ich in Afrika im Rahmen eines selbstorganisierten Freiwilligendienstes zugebracht habe. Sie war nicht besonders lang, doch voller Erinnerungen und Erlebnisse, die ich versuchen will, hier wiederzugeben. Ich habe bisher noch nie ausführlich über meine Reise berichtet, doch sind mir noch viele Empfindunen und Ereignisse gegenwärtig. Die Schilderungen hier beruhen auf diesen Erinnerungen sowie einem sporadisch geführten Tagebuch.
Es ist nun fast ein Jahr her, dass ich aus Gambia zurückgekehrt bin, wo ich an einer Schule als freiwilliger Lehrer tätig war. Meine Beweggründe waren vielfältig. Zum einen war ich in gewisser Weise Deutschlands mit seinem all seinem Wohlstand überdrüssig: Ich wollte raus aus dem herrschenden Überfluss, den man oft nicht zu schätzen weiß. Ich wollte sehen, wie man andernorts lebt. Zum anderen hatte ich einige Freunde, die selbst gerne unterwegs auf Reisen waren, und so fühlte ich mich ein wenig wie in einem Wettbewerb darum, wer das exotischste und fernste Ziel besuchen würde. Diese Freunde reisten meist um des Reisens willen, das heißt, sie waren immer unterwegs, ohne länger an einem Ort zu verweilen und mit den Einheimischen näheren Kontakt zu knüpfen. Außerdem trauerte ich zu dieser Zeit einer unerfüllten Liebe nach, was – denke ich – nicht unwesentlich zu meinem Überdruss beigetragen hatte, ihn vielleicht sogar auslöste. Zuletzt waren auch die damaligen Umstände günstig, hatte ich doch zwei Monate Ferien und ausreichend Geld, um eine Afrikareise zu finanzieren. Meine Motive waren also weniger idealistischer Natur, sondern entsprangen großenteils dem Bedürfnis nach Selbstfindung.

Arche, Banjul
Meine Lebenssituation schien mir unerträglich, so dass ich mein bekanntes Umfeld verlassen wollte, irgendwo anders hin. Ich kannte jedoch niemanden, dem es ähnlich gegangen wäre und mit dem ich gern hätte wegfahren wollen. Nach einigem Grübeln gelangte ich zu der Einsicht, dass das touristische Reisen auch nur ein Ergebnis unserer westlichen Wohlstandsgesellschaft ist, der ich zu entfliehen suchte. Und wenn ich schon weit weg wollte, dann könnte ich ja auch versuchen, dort nützlich zu sein. Schließlich existieren ja genügend Orte auf der Welt, wo Menschen Hilfe gebrauchen können. Die Lösung war eine Tätigkeit als Freiwilliger. Und wo war die Not am größten? Nun, natürlich in Afrika, sagte ich mir als typischer Mitteleuropäer. Aber Afrika ist groß, so dass man sich schon etwas genauer entscheiden musste. Schließlich entschied ich mich für das kleine Land Gambia, ein echter Glücksgriff, obwohl ich damals darüber, wie über die meisten afrikanischen Länder, so gut wie keinerlei Kenntnisse besaß.
Genau genommen war ich eingeschränkt in meiner Auswahl, denn die einzige Fremdsprache, die ich passabel beherrschte, war Englisch. Da ich aber gerade mit dem Französischlernen angefangen hatte, glaubte ich, beide Sprachen praktizieren zu können, da Gambia vom französischsprachigen Senegal umgeben ist und früher eine kleine britische Enklave bildete. Also ab an den Computer und im Internet nach Möglichkeiten gesucht. Rasch fand ich geeignete Seiten, nur stellte sich die Frage, was ich am besten machen könnte. Da ich mich aufgrund meines Studiums vor allem mit Mathematik und Physik gut auskannte, glaubte ich, am besten unterrichten zu sollen, obwohl ich auf pädagogischem Gebiet keinerlei Erfahrung hatte. Also richtete ich zwei unverbindliche Anfragen an entsprechende Träger, um mich dann überraschen zu lassen.
Kaum geschrieben, stellten sich natürlich Zweifel ein. So mancher Plan, abends oder nachts ersonnen, büßt bei Tageslicht viel von seiner Attraktivität ein. So auch mein Weltfluchtprojekt. An den folgenden Tagen war ich nämlich nicht sehr überzeugt, dass das eine gute Idee gewesen sei. Zwar hatte sie nichts von ihrem Reiz verloren, doch kostet es ja trotz allem Überwindung, das gewohnte Umfeld aufzugeben und sich auf Unbekanntes einzulassen, zumal die Lebensbedingungen in Afrika ja allgemein als dürftig, wenn nicht gar unzureichend gelten.
Das war die Situation, als ich nach ein paar Tagen eine Antwort von einem der angeschrieben Organisatoren bekam. Man zeigte sich erfreut über meine Anfrage und schlug mir eine Stelle als Mathematiklehrer in einer Dorfschule vor. Der E-Mail hing eine umfangreiche Dokumentation an, so dass ich mir in Ruhe eine Meinung bilden konnte. Schließlich entschied ich mich nach einigem Überlegen, die Sache wahr zu machen. Zu dieser Zeit war ich bereits reichlich verzweifelt und fühlte, dass ich diesen Befreiungsschlag brauchte, um wieder zurechtzukommen. Man fragte mich auch, ob ich ein Problem damit hätte, auf dem Dorf zu leben, was ich verneinte. Mir war natürlich nicht klar, dass afrikanische Dörfer nicht mit den unsrigen vergleichbar sind. Ich schickte also alle notwendigen Formulare nach Banjul – es handelte sich um einen gambischen Träger – buchte einen Flug, kümmerte mich um medizinische Vorsorge und ließ mich somit auf die Sache ein. Eine Gewissheit über die Seriosität meiner Partner in Gambia hatte ich nicht wirklich, doch ich ließ die Dinge einfach mit geradezu stoischer Gelassenheit auf mich zukommen.
Vor der Reise sammelte ich zunächst mal einige Fakten, die ich im Folgenden wiedergebe.
Das Land
Gambia, das flächenmäßig kleinste Land Afrikas, erstreckt sich beidseitig entlang des Gambia-Flusses im Nordwesten des Kontinents und ist bis auf die Atlantikküste vom Senegal umschlossen. Die Hauptstadt Banjul an der Mündung des Gambias ist mit etwa 30.000 Einwohnern eine der kleinsten Hauptstädte der Welt. Der Großteil der Bevölkerung siedelt in der Küstenregion im Westen des Landes, dem sogenannten Kombo-St.-Mary-Gebiet, wo auch die bedeutendste Stadt Serekunda liegt.
Geschichte bis zum Ende der Kolonialzeit
Im 10. und 11. Jahrhundert gehörte das Gambia-Tal zum Ghana-Reich und wurde vom 13. bis 15. Jahrhundert vom Mali-Reich beherrscht (Bambara bzw. Segu-Reich). Als erste Europäer erkundeten die Portugiesen die afrikanische Westküste. Sie bauten Handelsbeziehungen zu den lokalen Stämmen am Gambia auf und führten Nutzpflanzen ein, die bis heute von Bedeutung sind. Daneben begannen sie Afrikaner als Sklaven nach Europa zu verschleppen.
Portugal hatte 1454 im Konflikt mit Spanien von Papst Nikolaus V. in der Bulle Romanus Pontifex die Eigentumsrechte von Kap Bojador in der heutigen Westsahara bis zur Südspitze Afrikas zugesprochen bekommen. Der Heilige Stuhl griff ein zweites Mal in die fortbestehenden Konflikte ein, als Alexander VI. 1494 im Vertrag von Tordesillas die Welt in eine östliche, portugiesische, und in eine westliche, spanische, einteilte. Diese Unterteilung wurde 1529 im Vertrag von Saragossa nochmals präzisiert. Das heißt: Der Papst verschenkte nicht nur Riesengebiete, die ihm weder gehörten noch deren Ausdehnung bekannt waren, sondern obendrein auch noch Millionen von Menschen. Das war kein Problem, denn die Schwarzen hätten keine Seele, so jedenfalls lange Zeit die christliche Apologetik. Mit diesem Argument ließ sich auch der Besitz von Sklaven begründen.
Zwar betrieben auch die Araber in Afrika seit jeher ein florierendes Sklavengeschäft, in dessen Folge sich der Islam bis weit südlich der Sahelzone ausbreitete. Maryse Condé hat den Wechsel von den alten, animistischen Gesellschaften zu denen muslimischer Prägung in ihrem Buch Segu
(s.o.) eindrucksvoll beschrieben (Verlag Kiepenheuer). So richtig kam der Handel aber erst mit der Entdeckung der Neuen Welt in Schwung. So bestückten
die Portugiesen ihre Kolonien, insbesondere Brasilien als größte, mit billigen Arbeitskräften. Die Jesuiten dort – lange nachdem alle anderen Sklavenhalter aufgegeben hatten – verweigerten übrigens bis über die Mitte des 19. Jh. die Freilassung mit der Begründung, es handle sich bei den Sklaven ja um Gottesgeschenke
, die man ihren Herrn nicht ohne Strafe rauben dürfe.
1588 verlor Portugal seine Handelsrechte an England, das ab Mitte des 17. Jahrhunderts neben dem Export von Fellen, Elfenbein und Gold ebenfalls einen flotten Sklavenhandel aufzog. Im Zuge des transatlantischen Handelsdreiecks wurden vom 17. bis ins 19. Jahrhundert bis zu drei Millionen Menschen von den Briten in die Karibik und nach Nordamerika verschleppt. Schund und Tand (Spiegel, Glasperlen, später auch Waffen), wurden in Afrika gegen Sklaven eingetauscht, die nach Amerika gebracht wurden, von wo typische Plantagenwaren wie Baumwolle, Tabak und Kaffee nach Europa gelangten. Auf diese Weise entstanden dort riesige Vermögen und ein wirtschaftliches Wachstum ohnegleichen. Eine wichtige Rolle als Umschlagplatz für den Sklavenhandel spielte James Island im Gambia-Delta. Interessant ist, dass diese Insel, genau wie das Gebiet des heutigen Banjul, erstmals von deutschen Kolonisten aus dem Herzogtum Kurland während einer kurzen Episode im 17. Jahrhundert besiedelt wurde.
Von 1765 bis 1965 war Gambia britische Kolonie. Zuvor war das Gebiet jahrzehntelang ein Zankapfel zwischen Engländern und Franzosen, wobei Frankreich schließlich mit dem heutigen Senegal die Kontrolle über den größten Teil der Region behielt. Der Grenzverlauf zwischen den beiden Gebieten ergab sich aus der Reichweite der englischen Kanonen vom schiffbaren Teil des Gambia aus.
Seit der Unabhängigkeit
Am 18. Februar 1965 erlangte Gambia die Unabhängigkeit von Großbritannien. 1970 löste David Jawara, zuvor schon Ministerpräsident, die Königin als offizielles Staatsoberhaupt ab. Unter seiner Präsidentschaft ließ sich die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung des Landes zunächst verheißungsvoll an. Anfang der achtziger Jahre kam es jedoch aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu zwei gewaltsamen Putschversuchen, die nur mit Hilfe der senegalesischen Armee niedergeschlagen werden konnten. In der Folge wurde durch die Gründung der Konföderation Senegambia die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern gefördert, ein Bündnis, das aber nur bis 1989 Bestand hatte.
Am 22. Juli 1994 erlangte Leutnant Yahya Jammeh per Staatsstreich die Macht. Er wurde 1996 in den Wahlen bestätigt und regiert das Land trotz zweier weiterer Umsturzversuche bis heute.
Bevölkerung
Die Bevölkerung von etwa 1,7 Millionen Einwohner verteilt sich auf verschiedene Volksgruppen. Die größte bilden die Mandinka mit 40 Prozent, gefolgt von den Fulbe mit 20 und den Wolof mit 15 Prozent. Der Rest entfällt auf kleinere Stämme. Jede Volksgruppe pflegt ihre eigene Sprache, so dass im ganzen Land neben der Amtssprache Englisch über zwanzig weitere geläufig sind, wobei Wolof als Verkehrssprache vorherrscht. Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist muslimisch.
Der Alphabetisierungsgrad liegt unter fünfzig Prozent, wobei bis auf das Kombo-Gebiet keine Schulpflicht besteht. In Serekunda erfolgte 1998 die Gründung der ersten Universität des Landes. Das Bevölkerungswachstum beträgt weniger als drei Prozent pro Jahr bei einer Lebenserwartung von 59 Jahren. Rund 44 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre, dies bei einer ausgewogenen Geschlechterverteilung.
Gesundheit
Ein vergleichsweise großer Teil der Staatsausgaben wird für das Gesundheitssystem verwendet, was unter anderem dazu führt, dass die HIV-Rate mit 1,2 Prozent ziemlich gering ausfällt. Daneben hat die Bevölkerung vor allem mit Malaria zu kämpfen. Das Land lag im letzten Jahr auf Platz 168 in der Entwicklungs-Rangliste der Vereinten Nationen.
Wirtschaft
Zwei Drittel der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft tätig, neben Tourismus und Fischerei der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Dabei spielt der Erdnussanbau (in Wirklichkeit eine Bohne) eine wichtige Rolle, durch die ein Großteil der Exporterlöse erzielt wird. Reis, das wichtigste Grundnahrungsmittel, muss hingegen eingeführt werden.
Der Fremdenverkehr wird sowohl durch die relative sicheren Verhältnisse im Land als auch durch das vergleichsweise milde Klima begünstigt. Die Temperaturen liegen an der Küste um 25 ºC und im Landesinneren um 30 ºC. Sie sind ganzjährig relativ gleichbleibend. Die Regenzeit von Juni bis Oktober hat für die Landwirtschaft eine