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Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen
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eBook374 Seiten5 Stunden

Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen

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Über dieses E-Book

INHALT: Achmed Omara Ali - Der Prinz vom Nil / Der Fischer / Der Blaue Mann / Bed and Breakfast / Die Mönchsinsel / Kein guter Tag / More Guinness / Ein besonderes Mädchen / So wie jemand es tut, wenn er friert / Du bist es / Das Wüstenschiff / Der Zitronenbaum / Die ungeheuerliche Geschichte vom ungeheuer ungeheuerlichen Ungeheuer / Der Regenwurm / Wie ein Stück von mir / Jeden Morgen / Benni / Mein Strom / Wind / Lang und steinig der Weg / Viola + Bo, Lovestory im Orchestergraben / In dieser Sommernacht / Es geschah in Connemara / Das Märchen vom frierenden Vulkan
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum23. Sept. 2016
ISBN9783741851940
Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen

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    Buchvorschau

    Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen - Peter Wimmer

    PETER WIMMER

    ERZÄHLUNGEN

    KURZGESCHICHTEN

    MÄRCHEN

    Die Rechte liegen beim Autor und Verlag

    Wimmer Visuelle Kommunikation

    Am Lichterkopf 25

    D-56112 Lahnstein

    Telefon 02621/62625

    info@wimmer-kommunikation.de

    www.wimmer-kommunikation.de

    Ich schreibe Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen, Theaterstücke und Besonderheiten die sich nur schwer zuordnen lassen. Eine Zusammenfassung bieten die E-Books „Peter Wimmer, Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen und „Peter Wimmer, Theaterstücke für einen bis vier Darsteller.

    Unter dem Reihentitel Kulturreisen individuell erstelle ich filmische Reisedokumentationen. Dabei folge ich mit meiner Kamera den Spuren der Menschheitsgeschichte, so wie ich sie in den besuchten Reiseländern antreffe. Ich dokumentiere herausragende Kulturstätten und Landschaften, einfühlsam, sachlich, informativ.

    Schönheit, Anmut und große Architektur im alten Ägypten das ist der Reihentitel einer 14-teiligen filmischen Dokumentation über das reiche Erbe der pharaonischen Kultur am Nil. Schauplätze sind die großen Pyramiden, Göttertempel, Totentempel, Museen und prächtig ausgestatteten Gräber in Kairo, Giseh, Sakkara, Medum, Tel el Amarna, Abydos, Dendera, Luxor, Edfu, Kom Ombo, Assuan, Philae und Abu Simbel. Die DVD „ÄGYPTEN – Highlights der pharaonischen Kultur" vermittelt einen Eindruck dessen was die großen Schauplätze und Museen entlang des blauen Nils dem kulturinteressierten Reisenden bieten.

    Die DVD „Highlights der Megalithkultur in Westeuropa" zeigt kulturhistorisch bedeutende Monumente unserer Vorfahren, Kultstätten und Museen in der Bretagne, auf Malta, Gozo und Korsika, in England, Irland, Schottland, auf den Hebriden und auf den Orkneyinseln.

    INHALT:

    Achmed Omara Ali - Der Prinz vom Nil

    Der Fischer

    Der Blaue Mann

    Bed and Breakfast

    Die Mönchsinsel

    Kein guter Tag

    More Guinness

    Ein besonderes Mädchen

    So wie jemand es tut, wenn er friert

    Du bist es

    Das Wüstenschiff

    Der Zitronenbaum

    Die ungeheuerliche Geschichte vom ungeheuer ungeheuerlichen Ungeheuer

    Der Regenwurm

    Wie ein Stück von mir

    Jeden Morgen

    Benni oder Aber morgen mache ich alles anders, ganz anders

    Mein Strom

    Wind

    Lang und steinig der Weg

    Viola + Bo, Lovestory im Orchestergraben

    In dieser Sommernacht

    Es geschah in Connemara

    Das Märchen vom frierenden Vulkan

    Achmed Omara Ali - Der Prinz vom Nil

    VORWORT

    Die Geschichte von Achmed Omara Ali entstand unmittelbar nach meiner dritten Ägyptenreise. Ich kehrte am Donnerstagabend, dem 5. März 1992, von einem einwöchigen Urlaub aus Luxor zurück. Am nächsten Morgen wachte ich auf, mit all den Bildern im Kopf, den Bauch voller Erlebnisse. Ich musste etwas schreiben, es drängte mich danach. Dass daraus ein kleines Buch entstehen sollte, das ahnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht.

    Aus einigen Zeilen Reisenachbetrachtung erwuchs die Geschichte von Achmed, dem Fellachenjungen. Ich wollte nicht über ihn schreiben. Plötzlich war er da, in meinen Aufzeichnungen. Ich schrieb und schrieb, folgte nur meinen Gedanken.

    Nach etwa einer Stunde habe ich zum ersten Male innegehalten und betrachtet, was vor mir lag. Es war mir als hätte ich einen Menschen ins Leben gerufen mit meinen Zeilen, einen Menschen für den ich mich nun verantwortlich fühlte.

    Plötzlich existierte Achmed. Er lebte dort, wo ich mich noch vor zwei Tagen befand. Natürlich war es der Achmed den ich dort kennen gelernt hatte, der Achmed der mich so lieb begleitete, am Rande des Nils.

    Ich war unsicher ob ich weiter schreiben sollte. Ich wusste nicht wohin es führt. Ich habe für eine kurze Zeit ausgesetzt. Mehrmals las ich was ich bis dahin geschrieben hatte. Dann war es klar. Ich musste fortfahren. Noch war mein Achmed ein kleines Kind. Nun musste ich ihn auch wachsen lassen. Das war ich meinem Achmed schuldig. Außerdem war ich selbst sehr neugierig, zu erfahren, wie sich sein Leben weiter gestaltete.

    Ich konnte nicht mehr aufhören. Die Bilder entwickelten sich so schnell in meinem Kopf, dass ich Mühe hatte ihnen zu folgen. Ich war Chronist in diesen Stunden, habe niedergeschrieben was mir vor Augen kam. Nichts ist geplant, konzipiert, konstruiert. So wie im richtigen Leben entwickelte sich das eine aus dem anderen.

    Ich wusste, während ich über heute schrieb, nicht wie es morgen weitergeht. So ist die Geschichte von Achmed mit einigen Unterbrechungen am 6. und 7. März 1992 niedergeschrieben worden. Ich habe damit keine Absicht verfolgt, sondern nur einem inneren Drang entsprochen. Ich habe schnell und flüchtig geschrieben, eher skizzenhaft. So ist es auch geblieben, ein Dokument des Augenblicks.

    Im Nachhinein denke ich, dass ich damit vielleicht etwas dazu beitragen kann, die Kluft zwischen so extrem verschiedenen Lebensräumen und Lebensarten wie Ägypten und der Welt die uns prägt im Bewusstsein der an Ägyptens Kultur interessierten Reisenden zu reduzieren.

    Ich habe drei Reisen in dieses Land gebraucht, um mich nicht mehr belästigt zu fühlen von den Ägyptern, die als Souvenirhändler und Anbieter von Dienstleistungen auf den Touristen oft beängstigend wirken. Aber, das ist mir schon bei der ersten Reise klar geworden, die Ägypter denen der Tourist an den Kulturstätten und im Umkreis der Hotels begegnet, das sind nicht die Ägypter"

    Ägypten ist nicht nur ein Land mit faszinierenden Zeugnissen einer uralten Hochkultur, Ägypten hat wie alle nordafrikanischen Länder auch hinsichtlich seiner Menschen viel zu bieten. Aber um wirklichen Ägyptern zu begegnen muss man sich etwas fortbewegen von den Kulturstätten, nicht weit, oft nur ein paar hundert Meter.

    Der Reisende wird, wenn er sich für den Lebensraum der Ägypter von heute interessiert, Bilder und Lebensweisen vorfinden, wie sie im ältesten Buch der Welt beschrieben sind. Doch dies erscheint mir sehr wichtig: Die Menschen die dort in einer für uns unbegreiflichen Einfachheit aber auch beneidenswerten Zufriedenheit leben haben ein Recht auf den Erhalt ihres Lebensraums und ihrer Traditionen. Es ist ein Lebensraum in dem alles nach uralten Regeln abläuft.

    Gerade die traditionellen Wurzeln sind es die in diesem Land fünfzig Millionen Menschen davon leben lassen was das Wasser des Nils ermöglicht. Fünfzig Millionen Menschen leben ohne Krankenversicherung,  Arbeitslosenunterstützung und Altersversorgung, meist in Großfamilien, in einem Land in dem es so gut wie nie regnet, in einem Land welches zu 97 Prozent aus Wüste besteht.

    Jeder Eindringling, und das sind wir alle die wir in solche Länder reisen, sollte sich bewusst sein welche Verantwortung er als Mensch mit Bildung und Wissen um globale Zusammenhänge und Abhängigkeiten diesen Menschen gegenüber hat.

    Respekt und Achtung vor der uralten Tradition, ein hohes Maß an Bescheidenheit und Zurückhaltung, das  sollten die hervorstechenden Eigenschaften des Touristen sein.

    Es sind nicht die Fotomotive die den Wert einer Ägyptenreise ausmachen, sondern die Bilder und Eindrücke die man in sich selbst aufnimmt. Daraus können sich Erkenntnisse entwickeln, die das eigene Leben positiv beeinflussen.

    Donnerstag, 5. März 1992, 13.30 Uhr, im Flugzeug

    Mein Gott, wie groß ist der Kontrast in der Lebensweise der Ägypter und den Menschen der westlichen Welt noch heute, trotz der uralten Hochkultur und des blühenden Tourismus. Ich möchte mit niemandem tauschen in diesem Land.

    Freitag, 6. März 1992, 7.00 Uhr, in meinem Bett

    Das stimmt. Dennoch, meine Welt, die mich nun wieder umgibt, muss auch verkraftet werden. Wahrscheinlich wäre Achmed, der Junge aus Theben-West, nach vier  Wochen Germany todunglücklich, zumal, wenn er all das tun müsste, was junge Menschen seines Alters hier täglich tun.

    Ich habe bei meinen bisherigen Reisen recht ausgiebig das Leben der Ägypter am Rande des Nils studieren können. Die Entwicklung des Landes und des Lebensraums der Menschen hat sich seit meiner ersten Reise nach Ägypten vor zwölf Jahren sprunghaft verändert. Allerdings nur im städtischen und  daran anschließenden Bereich.

    In den Dörfern, durch die ich mit Achmed noch vor wenigen Tagen  geritten bin, steht die Zeit still, zumindest für diejenigen, die auch tagsüber dort leben, für Frauen und Kinder. An den einzelnen Altersstufen kann man ihren Lebenszyklus unabhängig vom Geschlecht deutlich erkennen. Er steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Doch es gibt Ausnahmen, zum Beispiel Achmed.

    In seinem Lebensraum ist dieser Junge, kaum auf die Welt gekommen, das Familienglück, der Erstgeborene, der Prinz. Unglaublich, mit welcher Fürsorge sich die junge Mutter um den kleinen Pascha kümmert. Kein Wunder, dass daraus ein ziemlich frecher, sehr selbstbewusster Knabe wird. Man sieht es ihm an, er weiß sich auf der Sonnenseite des Lebens.

    Es ist für jedes Kind in Ägypten von entscheidender Bedeutung, ob die Eltern arm sind oder ob sie ihm eine Schulausbildung finanzieren können. Achmeds Familie kann das nicht. So muss er schon früh mit aufs Feld hinaus, wie beinahe alle Kinder in seinem Dorf. Dort merkt er bald was es heißt ein Mann zu sein.

    Doch Achmed lernt schnell. Er ist fleißig und ehrgeizig. Gerade acht Jahre alt kennt er sich auch schon gut aus in seiner Dorfgemeinschaft und in der von zwei Nachbardörfern. Er kennt die Hierarchien, hat sich an ihnen gemessen, dabei seine eigene Bedeutung und Wertigkeit erfahren. Er weiß aber auch was man tun muss um weiterzukommen. Er hat schon viel vom Leben gelernt. Das Leben ist seine Schule. Er ist der Herr auf seiner Ebene.

    Er ist schon Herr über Tiere, über kleinere und schwächere, über weniger clevere Kinder in seinem Dorf. Sein Selbstbewusstsein ist ungebrochen. Wenn er es zu weit treibt zieht ihn der Vater, der meist erst abends wenn es schon dunkel ist nach Hause kommt, an den Ohren. Das tut weh, macht ihm aber auch klar, dass das der Weg ist, sein Ziel. Der Stärkere, der Überlegenere hat das Sagen. Das sind seine Vorbilder.

    Immer öfter überschreitet er die Grenzen seiner Machtebene, bevor er sich traut den Kopf hinauszustrecken aus der dörflichen Rangordnung, die ihm arge Fesseln anlegt, die ihm zu klein und unbedeutend erscheint.

    In der Familie ist er mit seinen mittlerweile zwölf Jahren schon erwachsen, schon als Mann integriert. Er weiß aber seit langem da gibt es noch etwas anderes, eine andere Welt, noch undurchschaubar für ihn, noch grau im Nebel, etwas beängstigend, die Welt außerhalb der Dorfgemeinschaft, außerhalb des ländlichen Lebensraums, die Welt der Asphaltstraßen, der Autos, Motorräder, der Lichter, der großen Häuser, der Fremden, die so ganz anders aussehen und reden, Menschen, die immer eine Fotokamera umhängen haben, hindurchschauen, irgendwo draufdrücken und dann stolz und zufrieden lächeln.

    Die Welt außerhalb seines Dorfs zieht ihn an. Er lernt Autofahren mit einem Nachbau aus Bambusrohr und Draht. Wichtig ist das Lenkrad, das gibt die Richtung vor. Daran muss man drehen. Auf einem Fahrrad hat er schon Versuche und Fortschritte machen können. Auf einem Motorrad ist er mitgefahren. Das war sein bisher größtes Erlebnis. Fest angeklammert hat er sich an den älteren, der es besaß, der in der Stadt Luxor sein Geld verdient und schon ganz schön reich geworden ist.

    Man sieht es auch an der Kleidung, an der tollen Lederjacke, die der ältere immer trägt. Made in Italy, original fashionware steht auf einem ovalen Abzeichen an seiner Brust. Das ist die wirkliche Welt, die neue, die moderne. Und er hat auch immer Zigaretten bei sich, der ältere, immer. Und richtige Schuhe hat er an. Und was der alles erzählt, wenn er mit Gleichaltrigen zusammen ist. Ganz still ist unser kleiner Fellachenjunge dann. Er staunt und lernt. Das sind die wirklichen Ziele des Lebens. Er wusste schon immer, dass das, was sich im Dorf abspielt, nicht das Leben sein kann. Da kennt er ja schon alles.

    Nun hält er sich immer öfter dort auf wo die verkehren die in der Stadt arbeiten, die mit den Autos und Motorrädern fahren, an der großen Straßenkreuzung, am Bewässerungskanal. Er hört zu. Er lernt. Immer öfter kommt er erst im Dunkeln zur Familie zurück. Alle schimpfen mit ihm, besonders die Mutter. Seltsam, der Vater schweigt. Er geht ihm sogar ein wenig aus dem Weg.

    Mit den Wochen und Monaten wird auch die Mutter ruhiger. Er bringt nun schon einmal etwas mit, wenn er abends nach Hause kommt. Er gibt es freiwillig ab, ein paar Eier, Obst, etwas Geld, einige Zigaretten. Es macht ihn stolz. Er möchte der Familie zeigen was in ihm steckt. Je mehr er mitbringt an den Abenden desto mehr respektiert die Familie seine neue Lebensweise.

    Er geht jetzt regelmäßig dorthin wo in einem fort Geldscheine den Besitzer wechseln, wo die Männer beisammensitzen und erzählen, Tee trinken, Wasserpfeife rauchen, zu Gruppen laut gestikulierend sich mit traditionellen Brettspielen die Zeit vertreiben.

    Wo das Geld herkommt, wer es als Wertobjekt erfunden hat, wer es herstellt, das weiß er nicht. Das liegt immer noch im grauen Nebel seines Erfolgswegs. Aber er hat schon viel erreicht. Er wird akzeptiert, hier, wo das wirkliche Leben abläuft, hier, wo jeder Schuhe trägt und jeder immer Zigaretten hat. Hier, wo Autos und Motorräder selbstverständlich sind. Man kann sogar mitfahren, wenn man Geld hat. Und er hat Geld. Er verdient ja schon.

    Er hilft wo er kann, spült Gläser und Geschirr, freut sich über jeden kleinen Auftrag. Er lernt sehr viel dabei und bekommt für alles was er tut  Geld. Ein tolles Leben. Du tust etwas und bekommst sofort Geld dafür. Ja, hier stimmt die Welt. Achmed spürt hier lässt es sich aushalten.

    Er glaubt nun, dass es die Fremden sein müssen, die das Geld machen, die mit den Kameras. Sie haben davon soviel in ihren Taschen und verteilen es großzügig überall. Sie bezahlen sogar das Doppelte für alles und lächeln noch dabei.

    Den Wert der Geldscheine kennt er schon genau. Immer wieder tauscht er zehn schmutzige kleine gegen einen großen um. Die großen hat er eng zusammengerollt in seiner Hosentasche, fest verschlossen mit einem Gummiband. Seine Hosentasche ist sein Geheimfach geworden. Nur er weiß welche Schätze darin sind.

    Aber es gibt noch soviel was man besitzen kann, wenn man sehr fleißig ist. Er hat alles was das Leben schön macht schon gesehen. Er war sogar schon einmal auf der anderen Nilseite, in der Stadt Luxor. Er hat die goldglitzernden Fassaden der Hotels, die goldverzierten Pferdekutschen und die Hotelangestellten in ihren bunten, wunderschönen Kleidern gesehen, auch die ernst schauenden Manager in den schwarzen Anzügen. Wie Götter wirkten sie auf ihn.

    Er war auch in den Souks. Doch das Geschrei, die Enge, die hastenden Menschen haben ihm Angst gemacht. Er hat viele wundeschöne Sachen gesehen die er kaufen kann, für die Papierscheine, die er in seinem Geheimfach hat. Ihm ist aber auch klar geworden wie viele Papierscheine gebraucht werden um all das kaufen zu können was sein Herz begehrt.

    Etwas still und verwirrt ist er wieder hinübergefahren zu dem Nilufer wo er geboren ist, in die Welt die er besser kennt, die er mit seinen vierzehn Jahren überschauen kann. Nun weiß er aber es gibt viele Welten, beängstigend viele.

    Dort drüben, am anderen Nilufer, hinter der Stadt, da landen ja auch die großen Flugzeuge. Wo kommen die bloß her und wer hat die gemacht? Wieso können die überhaupt fliegen? Dass damit die Fremden kommen das weiß er. Mister heißen sie und Madam. Bonbons und Bakschisch verteilen sie, wenn sie gut gelaunt sind.

    Ihn zieht es nun dorthin, wo diese Menschen ankommen, mit der Nilfähre. Aber hier ist die Hölle los. Eine unübersichtliche, sehr beängstigende Welt für Achmed. Weggescheucht wird er von anderen Jungen, überall. Dabei sind die nicht älter als er. Doch Achmed hat kämpfen gelernt. Er spürt hier geht es um mehr als um Bonbons und Bakschisch. So schnell gibt er nicht auf. Was die anderen können kann er auch.

    Er versucht sich nützlich zu machen. Doch alles ist so neu, so anders. Er fühlt, dass das was er bisher gelernt hat, ihm hier nicht hilft. So schaut er nur zu.

    Er sitzt auf einem kleinen Erdhügel neben der Anlegestelle der großen Fahrzeugfähre. Hier lässt man ihn in Ruhe. Auf der anderen Nilseite, links und rechts vom großen Tempel, funkeln die Fassaden der Hotels, in denen die Fremden wohnen. Das Geklapper der bunt herausgeputzten, goldverzierten Pferdedroschken, das unendliche Gehupe der Taxis und das Gebrumme der großen weißen Schiffe, die drüben in Reihen am Ufer liegen, dringen zu ihm herüber.

    Große blaue Autobusse kommen mit der Fähre an dieses Ufer. Wohin fahren sie? Er sieht die Fremden durch die Fenster. Er beobachtet sie neugierig. Einige wenige lächeln ihn an und winken. Er lächelt verlegen zurück. Er hört aber auch die harten Worte der Taxifahrer, wie sie streiten, wenn es um Fahrgäste geht. Er sieht auch die vielen bepackten Gestalten, Männer und Frauen mit großen Kisten aus Bambusrohr und Bündeln, Alte, Kranke... All das gibt ihm Rätsel auf.

    Aber hier an der Anlegestelle der Fähre gibt es auch einige denen es besser geht als den meisten. Es sind die Händler mit den Karren und Klappläden. Sie bieten Erfrischungen an, kleine Speisen, Obst, aber auch Zigaretten, Zeitungen, Sonnenbrillen, Uhren, Kämme, Sandalen, Hüte und vieles mehr. Die haben es geschafft. Sie sind wohl schon sehr reich. Sie sitzen nur da und warten bis jemand kommt und etwas kauft.

    Es gibt auch Fremde, die alleine oder in Gruppen ohne Auto hier herüberkommen. Er hört von seinen Landsleuten Begriffe wie english, german, french... Er hört, wie seine Landsleute in anderen Sprachen mit ihnen sprechen. Er fühlt sich plötzlich ganz klein und dumm.

    Wieso können die Dinge die er nicht kann? Achmed sitzt da, merkt nicht wie es dunkel wird. Immer mehr Frauen und Männer kommen vom anderen Nilufer herüber. Sie hasten, eilen, als wenn sie an einem Wettlauf teilnähmen. Junge Burschen springen schon an Land, wenn die Fähre noch ein großes Stück davon entfernt ist. Andere springen schon hinauf.

    Immer, wenn die Fähre angelegt hat, ertönt ein großes Geschrei. Taxifahrer und Händler bieten ihre Dienste und Waren an. Junge Männer springen in Sammeltaxis, hinten in den offenen Aufbau, manchmal noch während der Fahrt. Geldscheine wechseln schnell hin und her. Achmed brummt der Kopf. Er fühlt sich überflüssig in dieser Welt, nicht dazu gehörend, dabei ist er nur eine Stunde Fußweg entfernt vom Lebensraum den er gut kennt.

    Plötzlich strahlt ihn jemand an. Ein Junge in blauer Schulkleidung steht mit seinem Fahrrad vor dem Hügel. Es ist Muhamad Muchami aus seinem Dorf. Achmed hat als kleiner Bub oft mit ihm und anderen gespielt. Viele Streiche haben sie gemeinsam ausgeheckt und durchgeführt.

    Muhamad winkt und ruft: Möchtest du mit? Steig auf. Er zeigt dabei auf den Gepäckträger. Achmed ist noch immer ziemlich benommen von dem Treiben um ihn herum. Er stammelt so etwas wie danke. Nun sitzt er schweigsam hinter dem Freund. Er hat Muhamad schon lange aus den Augen verloren. Der geht regelmäßig in Luxor zur Schule. Seine Eltern zahlen dafür.

    Achmed arbeitet noch heute ohne Schuhe im Zuckerrohrfeld. Eine harte Arbeit. Er trägt was man ihm auf die Schulter lädt schwankend eine Holzleiter hinauf und stapelt es auf den Eisenbahnwaggon. Ein Pfund fünfzig bekommt er pro Tag und das Essen dazu. Muhamad dagegen hat richtige schwarze Schuhe und eine schöne blaue Schuluniform, sogar ein Fahrrad. Wie soll sich Achmed da fühlen an diesem Abend, hinter Muhamad sitzend, die nackten Füße weit weggestreckt, damit sie nicht in die Speichen geraten.

    Er geht, nachdem er sich von Muhamad verabschiedet hat, nicht direkt nach Hause. Irgendwie möchte er seiner Familie heute nicht gegenübertreten. Er fühlt sich so schlecht wie er sich noch nie gefühlt hat.

    Er sitzt noch lange auf dem Bahndamm, der am Zuckerrohrfeld vor dem Haus seiner Familie entlangführt und schaut zum Sternenhimmel empor. Ihm wird von Tag zu Tag deutlicher wie groß die Welt ist und wie klein der Lebensraum den er in seinen Strukturen erkennt. Ob die Fremden mit den Flugzeugen von diesen Sternen da oben kommen? Vielleicht wird auf jedem dieser vielen Sterne eine andere Sprache gesprochen. Vielleicht hat aber auch jeder dieser Sterne einen eigenen Nil und eigene Zuckerrohrfelder.

    Erst lange nachdem die Lichter in seinem Haus ausgegangen sind schleicht er sich hinein. Die beiden kleineren Geschwister, die mit ihm in einem Raum schlafen, haben ihn nicht kommen gehört. Er liegt noch eine ganze Weile wach. Er sieht die Bilder des Tages am Nil vor sich und wundert sich darüber, dass er gar keinen Hunger hat, obwohl er seit dem Morgen nichts mehr gegessen hat. Er spürt, dass diese Nacht eine Wende in seinem Leben bedeutet und dass morgen nichts mehr so ist wie es war.

    Schon bevor der erste Hahn kräht ist Achmed draußen. Etwas Brot vom Abend und etwas Käse hat er in seiner Tasche. Der Nil und die Anlegestelle des Fährbootes ziehen ihn an. Er weiß nicht was er dort soll, womit er sich dort nützlich machen kann. Und dennoch, er kann an nichts anderes mehr denken.

    Der Nil ist die Lebensader Ägyptens, diesen Spruch hat er oft gehört. Wieso soll er nicht auch für ihn, den fleißigen Achmed, die Lebensader sein? Er ist gesund. Er fühlt sich jung und stark. Er beschließt am Nil sein Glück zu suchen.

    Die Sonne geht auf über dem Häusermeer von Luxor. Achmed sitzt kauend auf einem Hügel an der Anlegestelle der Fähre, ein Platz den ihm gestern niemand streitig gemacht hat. Schon lange vor Sonnenaufgang hat er das Erwachen der Stadt gehört und den Muezzin.

    Er ist nicht allein am Fährhafen. Einige die hier ihr Geld verdienen haben auch hier geschlafen, in Decken eingehüllt oder unter Kartons vergraben. Die beiden Fähren liegen noch ruhig da, jede an einem Ufer. Wie spät es ist weiß Achmed nicht. Er hat keine Uhr, kann auch keine lesen. Die Stunden des Tages waren in ihrer genauen Einteilung nie von Bedeutung für ihn.

    Zwei große Schiffe lösen sich am jenseitigen Ufer aus der Gemeinschaft der anderen. Sie drehen auf dem Strom und fahren an ihm vorbei in Richtung Assuan. Von Assuan im Süden des Landes hat Achmed schon gehört, durch den großen Staudamm der dort gebaut wurde, der seitdem dafür sorgt, dass für die Felder rechts und links des großen Stroms immer genügend Wasser vorhanden ist.

    Achmed empfindet die hell beleuchteten weißen Luxus-Hotelschiffe wie schwimmende Trauminseln. So stellt er sich das Paradies vor. Seine Augen begleiten die beiden Schiffe. Visionen sind in seinem Kopf. Er stellt sich vor wie die schwimmenden Inseln innen aussehen. Es erscheint ihm, dem Fellachenjungen von der Westbank in Luxor, als allerhöchstes Lebensziel Steuermann eines solchen großen Schiffes zu sein.

    Und er spürt plötzlich wie sich etwas in ihm verändert, wie sein Ehrgeiz aufflammt, das, was ihn bisher ausmachte. So beschließt er nun, während das Leben auf beiden Seiten des Nils erwacht, sich nicht einschüchtern zu lassen von Dingen die er nicht versteht. Er wird sie verstehen lernen. Schließlich hat er bisher erreicht was er erreichen wollte.

    Noch den ganzen Vormittag über sitzt er fast reglos da und studiert. Was um ihn herum abläuft ist seine Schule, er selbst sein Lehrmeister. Am Nachmittag ist er kaum mehr zu halten. Er möchte etwas tun. Doch alle Dienste sind vergeben. Nirgends sieht er einen Ansatzpunkt für sich selbst. Er steht ziemlich ratlos am Ufer, unmittelbar neben der Anlegestelle.

    Am späten Nachmittag kommen die Schüler aus der Stadt. Sie machen wieder ihre Mutproben, springen schon von größerer Entfernung an Land und manchmal sogar wieder aufs Boot.

    Nun ist Achmed nicht mehr zu halten. Das kann er auch. Er springt. Mit Erfolg. Immer wieder. Immer mutiger. Am Abend ist keiner mehr besser als er. Nur der Fährmann kann seinen Künsten nicht die ihnen gebührende Anerkennung abgewinnen. Er schimpft und versucht Achmed festzuhalten. Aber Achmed ist schneller oder mischt sich geschickt unter die Menschenmenge an Bord. Später lernt er dann zu springen wenn der Fährmann beschäftigt, ist in seinem Steuerhaus. Die anderen Jungs lernen Achmed nun kennen. Achmed spürt Wohlwollen und auch etwas Anerkennung in den Blicken, obwohl die meisten Schuhe tragen und er nicht.

    In dieser Nacht schläft Achmed sehr gut. Es hat sich viel verändert. Achmed ist ein anderer geworden. Er glaubt seine Eltern und seine Geschwister müssten das merken, sie müssten ihm ansehen zu welch großen Leistungen er fähig ist und dass er noch viel erreichen wird, Dinge an die seine Familienmitglieder noch nicht einmal denken, weil sie sie gar nicht kennen.

    An den darauf folgenden Tagen macht Achmed große Fortschritte am Fährhafen. Er hat sich mit dem Fährmann angefreundet, macht sich nützlich auf dem Schiff wo er es kann. Er hilft den Touristen Fahrräder an und von Bord zu hieven. Während der Überfahrt bewacht er die Räder. Die Touristen schmunzeln. Hier und da bekommt er etwas dafür. Bonbons, Kaugummi... Einer drückt ihm sogar eine Pfundnote in die Hand. Achmed glaubt sein Herz zerspringt vor Freude. Es spornt ihn an. Er hilft den Männern und Frauen, trägt Kisten und Bündel, hilft Alten und Kranken beim Ein- und Aussteigen.

    Viele mögen Achmed nun und winken schon wenn sie ihn sehen. Hallo, Achmed rufen sie, so als wären sie froh ihn zu kennen.

    Am Abend gibt Achmed etwas ab von dem was er erhalten hat, an den Fährmann. Schließlich hat er die Fähre als seinen Arbeitsplatz entdeckt, den er auch oft hart verteidigen muss. Er hat sogar schon einige Male beim Ab- und Anlegen an den Leinen ausgeholfen. Achmed ist eben mehr als ein Fellachenkind. Achmed ist ehrgeizig. Das Leben ist seine Schule.

    Es gibt so viel zu tun. Die Tage, Wochen und Monate vergehen wie im Flug. Von den Touristen lernt er während der Überfahrt einige Worte in deren Sprache. Er lernt englisch, deutsch, französisch, italienisch und japanisch zu unterscheiden. Er hört nur einige Sätze und weiß woher die Fremden kommen. Wo diese Länder liegen, dass weiß er aber immer noch nicht.

    Abends, beim Nachhausegehen, stellt er sich den großen Stern über ihm als England vor, den daneben als Italien und den ganz großen hellen als Deutschland. Aus Deutschland kommen besonders viele. Beinahe so viele kommen aus Japan. Aber die Japaner sind wesentlich kleiner, scheinen von einem kleineren Stern zu kommen.

    Achmed ist nun bekannt in seinem Dorf als ein fleißiger junger Mann mit gutem Einkommen. Kaum sechzehn Jahre alt trägt er schon richtige Schuhe. Noch nicht einmal sein Vater oder der Bürgermeister haben Schuhe wie er. Achmed trägt aber immer noch das braune, traditionelle Gewand der Fellachen. Das möchte er nicht ändern. Er genießt es wenn man zu ihm aufblickt, in seinem Dorf.

    Er geht jetzt nicht mehr zur Feldarbeit. Dafür hat er zuviel zu tun, an der Fähre. Außerdem kann er dort gar nicht fehlen. Ein anderer würde sofort seinen guten Arbeitsplatz in Beschlag nehmen. Einen Teil von dem was er verdient gibt er zu Hause ab. Wenn es ein besonders guter Tag war bringt er Lebensmittel mit, manchmal sogar Fleisch oder Fisch. Er hat nun auch immer Tabak dabei. Er raucht Wasserpfeife, wo immer er eine erwischt und ein paar Minuten Zeit dazu hat.

    Sein Geheimfach, die Hosentasche, reicht nicht mehr aus für seinen wachsenden Schatz. Obwohl er nun oft am Fährhafen isst und mit dem Sammeltaxi nach Hause fährt hat er schon einhundertfünfundsiebzig Pfund gespart. Den größten Teil davon hat er in einer Flasche an einem geheimen Ort vergraben. Manchmal trinkt er am Abend, bevor er sich zum Schlafen legt, noch ein Bier, ein Stella, bei Mhand dem Kaufmann, illegal natürlich, in der kleinen Hütte hinter dem Hof.

    Achmed ist, für alle sichtbar, ein Mann geworden. Er kennt viele Worte in vielen Sprachen. Er ist sehr beliebt bei den Touristen, besonders bei den Touristinnen. Achmed Casanova hat ihn eine genannt, und so nennt er sich jetzt, ohne zu wissen, was es bedeutet. Die Touristen schätzen seine nichtorientalische Art. Achmed wirkt, im Gegensatz zu den meisten hier an der Anlegestelle, still und bescheiden. Er kann schon Gespräche mit den Touristen führen, in deren Sprache.

    Er hat viele neue Freunde gefunden, außerhalb des Dorfs. Leute die wie er den Lebensunterhalt am Fährhafen verdienen. Er weiß nun auch weshalb die vielen Fremden aus der schönen Stadt Luxor an dieses Nilufer herüberkommen. Er kennt die pharaonischen Tempel auf dieser Flussseite. Er hat sie schon alle gesehen. Von den prunkvoll ausgeschmückten Gräbern im Wüstengebirge hat er gehört, betreten darf er sie nicht.

    Eine neue interessante Welt tut sich vor ihm auf. Es gibt junge Männer die sich den fremden Besuchern als Führer anbieten. Einen kennt er recht gut. Dieser muss bald zum Militärdienst. Achmed schließt sich ihm an, wo er nur kann. Er lernt viel von ihm, so auch die Namen der Gräber und Tempel und wie man sie am besten erreicht. Er lernt viel über das alte Theben, über seine Vorfahren und deren Hinterlassenschaft.

    Die Jahre vergehen ohne besondere Ereignisse. Achmed wird bald achtzehn. Dann muss er auch zum Militär. Er hat darüber sehr schlechte Dinge gehört, von denen, die dabei waren. Aber er hat durch den Kontakt mit den Touristen erfahren wie wichtig Bildung ist. Beim Militär kann er eine Schule besuchen.

    An einem Februarmorgen ist es dann soweit. Achmed nimmt Abschied von der Familie und vom Dorf. Schweren Herzens steigt er in den großen Militärlastwagen der die jungen Männer der Gegend abholt. Er ist sehr traurig, besonders weil er seit ein paar Wochen Fatima aus dem Nachbardorf gern sieht. Sie ist so wie er sich seine Frau vorstellt, aber leider sehr scheu.

    Sie lebt sehr zurückgezogen in ihrer Familie. Achmed hat sie bei einer Hochzeitsfeier zum ersten Mal gesehen. Sie trug ein rotes Gewand. Sie hat ihn auch angesehen, dann aber schnell den Blick gesenkt und das Kopftuch vorn zusammengehalten. Aber was Achmed vorher sah war so, dass er seitdem nachts unruhig schläft und oft lange wach liegt. Er hat versucht

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