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Tschai Khana: Abenteuer auf der Seidenstrasse
Tschai Khana: Abenteuer auf der Seidenstrasse
Tschai Khana: Abenteuer auf der Seidenstrasse
eBook843 Seiten11 Stunden

Tschai Khana: Abenteuer auf der Seidenstrasse

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Über dieses E-Book

In "Tschai Khana, Abenteuer auf der Seidenstrasse" lässt uns Fausta am grossen Abenteuer einer fast zweijährigen Weltreise teilhaben, in eine Welt die schon Reisende wie Marco Polo und ihr grosses Vorbild Ella Maillart fasziniert hatte, und die man heute, aufgrund der Konflikte in Nahen Osten, nicht mehr ganz so einfach bereisen kann. Angefangen in Jordanien, Syrien, auf der legendären Seidenstrasse durch die Türkei, den Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Kirgistan und Kasachstan, durch Chinesisch-Turkestan, Tibet, die Mongolei nimmt uns die Autorin mit auf ihre spektakuläre Reise auch abseits von überlaufenen Touristenpfaden. Mit der spontanen Idee auf russischen Motorrädern mit Seitenwagen über die himmlischen Berge und Steppen zu fahren. Die Reise ist nach Ländern in Kapitel gegliedert, und mit zahlreichen Farbfotos illustriert. Die vielen schönen Erlebnisse dank der Gastfreundschaft der Einheimischen sind eine grosse Inspiration - für weitgereiste Globetrotter genauso wie "Arm-Chair-Readers".
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum18. Juni 2018
ISBN9783737521628
Tschai Khana: Abenteuer auf der Seidenstrasse

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    Buchvorschau

    Tschai Khana - Fausta Nicca Capeder

    Vorwort

    «Ihr seid Swissair-geschädigte Kinder!», rief mein Vater schmunzelnd vor ein paar Jahren, als meine Schwester Alexandra gerade ihren vierten Guatemala-Urlaub plante und ich schon zum fünften Mal nach Indien flog. Reisen liegt bei uns in der Familie; mein Vater arbeitete 34 Jahre bei der Swissair, daher konnten wir sehr billig fliegen. Noch im Bauch meiner Mutter war ich bereits in New York gewesen und bevor ich in den Kindergarten ging, verbrachten wir zwei Wochen am Meer. Als ich zehn Jahre alt geworden war, nahm mich mein Vater mit nach Rio de Janeiro, Sâo Paolo und Dakar; mit 13 Jahren verbrachten wir unsere Ferien in Durban, Südafrika. Mit 14 flog ich zum erstem Mal nach Kinshasa, Johannesburg und Nairobi, und mit 15 entdeckte ich den asiatischen Kontinent als Reisedestination, als ich wieder eine Swissair-Crew nach Karatschi, Hong Kong und Bombay begleiten durfte. 1981, kurz bevor ich 16 wurde, machten wir Badeurlaub in Florida. So ging es weiter. Unterdessen besuchte ich mit gleichaltrigen Freunden die ersten Länder Europas, begleitete aber immer wieder meinen Vater auf Reisen nach Sri Lanka, Indien, Indonesien, Thailand, China und Japan.

    Irgendeinmal war ich mit dieser Art von Reiserei nicht mehr richtig glücklich. Ich wollte mehr sehen von einem Land als nur dessen Grossstädte, wollte nicht vom Flughafen mit dem klimatisierten Minibus direkt in ein Fünfsternehotel gebracht werden, wo mir von einem schlecht bezahlten, uniformierten Einheimischen in Handschuhen die Türe aufgehalten wurde und wir uns am nächsten Tag die Stadt von einem Taxi aus anschauten. Für mich «roch» Bombay nach Ferien, während ein paar an der Kultur gänzlich uninteressierte Damen beim Verlassen des Flugzeuges ihre Nase rümpften und stöhnend von sich gaben, es «stinke» nach Indien.

    Wahrscheinlich war es der Börsencrash von 1987, der mir so richtig bewusst machte, dass es so nicht weitergehen konnte: Karrierestress und nur vier Wochen Ferien pro Jahr! Für drei bis vier Wochen in ein fernes Land zu fliegen, an romantischen Palmenstränden an der Sonne zu liegen und am Schluss noch schnell wie verrückt zu shoppen; Kleider und Souvenirs, die ja in Asien so viel billiger zu ergattern sind als bei uns in Europa.

    Reisen bedeutet heute schnell ankommen, auf dem schnellsten Weg zum Zielland. Unterwegs sein gilt als Zeitverschwendung. Weil Fliegen immer günstiger wird, wollen viele nur noch ankommen, aber keiner will mehr unterwegs sein. Freiheit über den Wolken gilt als verlorene Zeit. Aber Land und Leute lassen sich nicht mit Last-Minute-Angeboten erjetten und fremde Kulturen sich schon gar nicht mit zweiwöchigen Kurzvisiten begreifen. Wer schnell ankommen will und sich keine Zeit nimmt, trifft nur auf exotische Kulissen. Kontinente und Kulturen werden nur über-flogen, nicht erfahren. Nicht genug, um mehr von der Welt zu sehen.

    Ein altes venezianisches Sprichwort heisst: «Loda el mar e tiente a la tera» - Preise das Meer, aber halte dich ans Land. Für den Weltreisenden Marco Polo bedeutete es, dass er nicht mit dem Schiff reisen wollte, sondern über Land, über-das-Land. Er wollte die fremden Kulturen auf dem Weg zum Hofe Kubilai Khans, dem Enkel Dschingis Khans im fernen Osten, kennen lernen. Im Zeitalter der Flugzeuge wollen viele nur noch in einem Terminal ein- und in einem anderen aussteigen.

    Ella Maillart, eine der Reise-Pionierinnen dieses Jahrhunderts, definierte Reisen so: «Der wahre Reisende ist derjenige, der sowohl aus physischen, ästhetischen und intellektuellen als auch aus geistigen Gründen sich getrieben fühlt, umherzuwandern. Man reist, um das Leben wieder wie ein Kind bestaunen zu können.»

    Goethe schrieb 1797 an Schiller: «Für Naturen wie die meine, die sich gerne festsetzen und die wichtigen Dinge festhalten, ist eine Reise unschätzbar, sie berichtigt, belehrt und bildet.»

    Aber was hat der Börsencrash für mich mit dem Reisen zu tun? Ich hatte plötzlich die Krankheiten unserer Zeit erkannt: Egoismus, Materialismus und das sogenannte Nord-Süd-Gefälle. Auf einmal hatte ich das tiefe Bedürfnis, von den Leuten zu lernen, die in Armut leben und mit viel weniger materiellen Dingen auskommen müssen, aber meistens glücklicher sind als reiche Westeuropäer mit Sportwagen. Mehr als ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt laut einer Studie der Weltbank von täglich weniger als einem Dollar und jeder fünfte Erdenbürger lebt mit einem US Dollar pro Tag!

    Auf dem Zürcher Börsenparkett sah ich täglich, wie die Händler trauriger und verzweifelter wurden, ihre Köpfe immer mehr hängen liessen. Auch ich hatte Geld verloren, aber am meisten nervte es mich, dass es mich so mitnahm, dass ich Geld verlor! Was bedeutet schon Geld, ich war gesund und jung! Und fuhr mit einem Freund nach Thailand. Wir übernachteten nicht in Erstklasshotels, fuhren nicht in klimatisierten Taxis und shoppten uns auch nicht in Bangkok zu Tode. Wir gingen auf Tempeltour und zu den ethnischen Minderheiten, den Bergvölkern im Norden. Im selben Jahr verbrachte ich zwei Wochen auf Bali, ging mit einer Freundin nach Hawaii und mit meiner Mutter nach Ägypten. Ich sah zwar mehr vom jeweiligen Land als nur die Hauptstadt, aber trotzdem war ich noch nicht vollends befriedigt. Im Zeitraffertempo um die Erde zu fliegen und in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Orte aufzusuchen und sprichwörtlich abzuhaken, um dann einen weiteren Reissnagel auf die Weltkarte in die Wand zu stecken? In dieser Form von Reisekonsum entstehen Eindrücke, die eigentlich kein Werturteil erlauben, aber trotzdem wird eins gefällt. Ein weiser Mann hat einmal gesagt: «Jeder hat auf Reisen seine Sicht, aber nicht jeder sieht etwas.»

    1989, als ich 24 Jahre alt geworden war, nahm ich mir zum ersten Mal mehr Zeit: Für drei Monate flog ich nach Asien und bereiste langsam und bewusst Nordindien, Nepal und die Philippinen. Es kommt darauf an, was eine Reise aus einem macht. Eine Reise fördert auch unbekannte Welten zutage, die schon immer in einem waren. Mit diesem Bewusstsein bereichert und erweitert, lernte ich mich selbst besser kennen. Es ist ein grosser Unterschied, ob ich einfach in die Ferien gehe und danach wieder in die gewohnten Gegebenheiten zurückkehre oder alles aufgebe und aufbreche, um mich der Welt und ihren sich bietenden Abenteuern ganz zu öffnen. Reisen soll in uns ein Gefühl der Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen eines anderen Kulturkreises wecken. Man braucht dazu nicht Hindi zu lernen, denn die Sprache, die aus dem Herzen kommt, ist auf der ganzen Welt die gleiche.

    1993 war das entscheidende Jahr in meinem bisherigen Leben. Ich hatte meine Stelle bei einer Bank gekündigt und einen neuen Vertrag bei einer anderen Bank unterschrieben, bei der ich erst in zwei Monaten anfangen musste. Ich hatte also kurzfristig Zeit, rief ein Reisebüro an, das Trekkingtouren für kleine Reisegruppen organisierte und erkundigte mich, wohin denn ihre Reisen im Monat Juli so hinführten. Hätten sie Ecuador gesagt, hätte ich Ecuador gebucht, hätten sie Papua Neuguinea gesagt, wäre ich dorthin mitgegangen.

    »Kirgistan», antwortete der Reisebüroangestellte.

    «Wo ist das?», fragte ich.

    Er erklärte mir, dass Kirgistan eine aus der Sowjetunion hervorgegangene selbstständige Republik an der Grenze zu China sei. Ich buchte. Erst auf den zweiten Blick habe ich mich in dieses Land verliebt. Und zwar total. Ich fing an, Bücher von Tschingis Aitmatow zu lesen, dem wohl bekanntesten Kirgisen der Welt, dessen wunderbar geschriebene Romane in 80 Sprachen übersetzt wurden. Die Natur Kirgistans und die mit dieser Natur so sehr verbundenen Kirgisen hatten mein Herz erobert. Ich hatte noch nie einen so intensiven Kontakt mit der Bevölkerung eines Landes wie mit den gastfreundlichen Bewohnern Kirgistans. Obwohl ich ihre Sprache nicht kannte. Aber das konnte man ja ändern…

    Ich fragte meinen Nachbarn mehr aus Spass als aus Ernst, ob er nicht jemanden in unserem 2000-Seelen-Dorf kenne, der russisch spreche. Er hatte tatsächlich gehört, dass eine Russin in unserer Gemeinde wohnt! Ich rief sie an und suchte sie auf. Wir wurden Freundinnen und zwei Jahre lang verbrachte ich fast jede Woche einen Abend bei ihr und sie brachte mir die äusserst schwierige russische Sprache bei. Plötzlich lernte ich immer mehr Russen kennen und Schweizer, die russisch sprachen; es war, als ob ich alles, was mit Russland zu tun hatte, geradezu anzog!

    Ich verschlang tonnenweise Bücher, die von Zentralasien und den Samaniden, Karachaniden, Gasnawiden, Seldschuken, Choresm-Schahs, Sultanen, Emiren, Khans und wie sie alle genannt wurden, handelten und fing an, mich für Moscheen, Medressen, Mausoleen und überhaupt den Islam zu interessieren.

    Der Orient mit seiner spannenden Geschichte zog mich so in seinen Bann, dass ich mehr wollte, als mich in eine gemütliche Ecke zu setzen, Märchen aus 1001 Nacht zu verschlingen und beim Geruch von Räucherstäbchen nach einer Fata Morgana Ausschau zu halten. Was lag schlussendlich naheliegender, als das Land zu besuchen, das nur so von Bauwerken islamischer Architektur wimmelt?

    1994 fuhr ich gleich zweimal nach Usbekistan. Jawohl, fuhr. Mit dem Zug. Als ich an meinem Arbeitsplatz erzählte, dass ich zwar einen Flug nach Moskau gebucht hatte, jedoch von dort mit der Eisenbahn nach Zentralasien fahren werde, fragte mein Chef: »Gibt es dort, wo du hinwillst, keinen Flughafen?»

    Ich beabsichtigte, mich Zentralasien langsam zu nähern und genoss es ausserordentlich, festzustellen, wie der Prozentsatz der Menschen, die Schlitzaugen haben und offensichtlich der kasachischen, turkmenischen, kirgisischen, tatarischen, uigurischen oder sonst einer asiatischen Nationalität angehörten, immer höher wurde, je mehr wir uns Usbekistan näherten. Und was sicher auch eine grosse Rolle spielte, war die Tatsache, dass ich in diesem Zug die einzige westliche Touristin war! Ich hatte touristisches Neuland entdeckt und fühlte mich ein bisschen wie die Reisepioniere der letzten Jahrhundertwende. So konnte ich mir ein wenig vorstellen, wie es Ella Maillart, Alexandra David-Néel oder Freya Stark auf ihren ersten Abenteuerreisen zumute gewesen sein muss!

    Ein langer Wunsch tief in mir meldete sich immer stärker: Ich wollte eine ganz lange und intensive Reise unternehmen. Mit meinem Lieblingsland Kirgistan als Mittelpunkt. Ich wollte auf der legendären Seidenstrasse reisen und mich langsam wie Marco Polo Zentralasien nähern.

    Im frühesten Hebräisch waren die Worte «Kaufmann» und «Reisender» synonym. Soldaten, Kuriere, Staatsmänner, Gelehrte, Studenten, Bettler, Pilger, Verbrecher und Mönche waren es, die man auf den Strassen antraf, vor allem aber Kaufleute, die Gewürze, Myrrhe, Gold, Seide, Waffen, Perlen und Safranziegel herbeischafften. Die Reise als Abenteuer zum Selbstzweck war bis tief ins 18. Jahrhundert hinein unbekannt.

    Ich wollte ein Zeitverschwender sein mit dem Luxus der Langsamkeit. Meine Devise: Der Weg ist das Ziel! Ich wollte das wichtigste Gepäck auf meine Traumreise mitnehmen: Die Musse und die Zeit. Faktoren, die das Reisen überhaupt ausmachen und die im immer rascheren Wandel unserer Welt vielfach verlernt worden sind. Ich wollte verlorengegangene Werte wie Musse, Zeit und Stille neu entdecken, die in der Hektik der Moderne untergegangen sind. Ich wollte eigene Leistungsgrenzen und Bedürfnisse entdecken, mir selbst begegnen, mich schonungsloser unter die Lupe nehmen und eine eigene Lebensphilosophie finden.

    Wer sich beim Reisen nicht verändert, hat den Sinn des Reisens nicht verstanden. Die Veränderung, die neue Horizonte bringt, ist der ganze Gewinn. Vieles, was mir einst wichtig erschien, verlor an Wert und andere Dinge, die ich früher nicht einmal wahrgenommen hatte, gewannen an Bedeutung.

    Und vor allem, was den Islam betrifft, mit dem ich mich seit meinem ersten Aufenthalt in Kirgistan auseinander gesetzt habe, wollte ich lernen, anerzogene Meinungen zu überprüfen und beginnen, vertraute Verhaltens- und Denkmuster in Frage zu stellen. Die Massenmedien sind auf ihrer Suche nach neuen Feindbildern seit einigen Jahren im arabischen Raum fündig geworden. Wie schon oft seit der Zeit der Kreuzzüge gilt das Morgenland dem Abendland als akute Bedrohung – und umgekehrt übrigens auch das Abendland dem Morgenland. Weil sich aber hier wie dort in dem Meinungsgetöse nur die lautesten Propagandisten, nicht aber die leisen Denker Gehör verschaffen, mutiert in der kollektiven Vorstellung des Westens jeder Moslem zum unberechenbaren Fanatiker. Eine Freundin erzählte mir, dass sie während des Golfkrieges von 1990 in der Bevölkerung Geld gesammelt hatte, um Babymilch zu kaufen, welche sie mit Konvois nach Bagdad schickte. Frauen haben ihr viel öfters Geld gespendet als Männer. Diese haben teilweise geäussert, dass jedes irakische Baby, das an Unterernährung sterbe, später einen irakischen Soldaten weniger ergäbe! In fast jedem Zeitungsartikel über Bürgerkriege in islamischen Ländern wird meistens eine Frau, die in einen Tschador gehüllt ist oder ein Mudschaheddin, mit dem Koran in der einen und einer Kalaschnikov in der anderen Hand, abgebildet…

    Nachdem ich monatelang allen Freunden und Bekannten mit meiner Suche nach einem geeigneten Reisepartner in den Ohren lag, beschloss ich im Herbst 1995 per Inserat im Globetrotter-Magazin einen aufzutreiben: «Suche interessanten und aufgeschlossenen Reisepartner für sechs bis zwölf Monate. Bin 30, w., spreche fliessend russisch und möchte auf den Spuren Dschingis Khans und Timur Tamerlans Zentralasien bereisen: Seidenstrasse, Usbekistan, Kirgistan, Kashgar, Karakoram-Highway und nachher bestimmst Du, wie’s weitergeht. Die Reise ist das Ziel!»

    Aus mehreren Kandidaten habe ich mich nach diversen Blind-Dates für einen mir seriös erscheinenden Reisepartner entschieden. Thomas war eine Fehlentscheidung. Langweilig und introvertiert. Aber wenn ich meinen grössten Wunsch, eine lange Traumreise zu machen, verschoben hätte, bis mein Traumprinz auftaucht, wäre ich vielleicht immer noch nur am träumen…

    Lebenskunst ist nicht zuletzt die Fähigkeit, auf etwas Notwendiges zu verzichten, um sich etwas Überflüssiges zu leisten.

    Vittorio De Sica

    Jordanien:

    Beduinen und Wüstenschlösser

    1Anfang März 1996. In Amman regnet es in Strömen. Trotzdem machen wir einen Spaziergang durch die Innenstadt zum römischen Amphitheater. Das Wasser läuft nirgends ab und riesige Pfützen bilden sich überall. Autos bespritzen uns von Kopf bis Fuss. Mit lautem Gehupe schleicht die Blechlawine durch die verstopften Strassen. Viele Männer haben das schwarz-weisse oder rot-weisse Arabertuch (Mandil), das mit dem schwarzen Ring (Agal) gehalten wird, um ihren Kopf geschlungen, alte Männer haben darunter noch das Dagiya genannte Moslemkäppchen aufgesetzt. Die Frauen tragen ein Kopftuch, sind aber ansonsten recht modern angezogen. Wir sehen sehr viele teure Autos, vor allem Mercedes. Von den ungefähr eineinhalb Millionen Einwohnern Ammans sind nur knapp zwei Drittel Jordanier, 600’000 sind Palästinenser. In Jordanien leben neben 500’000 Ägyptern und 170’000 Syrern auch Pakistanis, Inder und Inderinnen, Menschen aus den Philippinen, Sri Lanka, Bangladesch und andere. Diese machen vor allem die bei den Einheimischen nicht so beliebten Arbeiten und verdienen dabei trotzdem viel mehr als daheim. Der Durchschnittslohn beträgt etwa 150-200 USD pro Monat. Krankenversicherungen und Altersrenten gibt es, Arbeitslosengeld jedoch bekommt niemand. Die meisten Ausländer arbeiten sowieso illegal.

    Im Hashem Restaurant, rund um die Uhr geöffnet, ist Hochbetrieb. Auch an den kleinen Fruchsaftbars steht immer eine Traube von durstigen Leuten. Kebab-Buden und andere Schnellimbiss-Stände, Souvenirshops, Kleider-, Schmuck- und sehr viele Süssigkeitenläden prägen das Strassenbild. Die Süsspeisen haben in den arabischen Ländern eine grosse Tradition. Baklawa, Harisse, Karabidsch, Ghoraybiyeh, Muhallabiyeh und wie sie sonst noch alle heissen, sind mit Rosen- und Orangenblütenwasser parfümierte, meist sirupgetränkte Teigtäschchen, Puddings, Kekse, Konfekt und öltriefendes Spritzgebäck. Kunafeh wird eine Mehlspeise aus extrem dünnem und vielschichtigem Blätterteig genannt, die in heissem Öl gebacken, mit allerlei Nüssen gefüllt und mit gerösteten Teigfäden bestreut wird.

    Mit «what is your country, my friend?» oder «welcome to Jordan!» werden wir immer wieder angesprochen. Die Jordanier sind ausserordentlich freundliche Menschen, lächeln uns an und wollen immer wieder wissen, woher wir kommen. Die erste Begegnung mit der arabisch-orientalischen Welt beeindruckt mich sehr. Ich weiss nicht, wie die Syrer sind, aber die Jordanier sind mir heute schon sympathisch.

    Weil es ununterbrochen regnet und noch recht kalt ist, beschliessen Thomas und ich am zweiten Tag, mit dem nächsten Bus in den Süden zu fahren. Mit einem «super-deluxe» Bus bringen wir die trostlosen, langweiligen 340 km durch die Wüste hinter uns und kommen zum Badeort Aqaba, am Golf von Aqaba, am Roten Meer.

    Von unserem kleinen Hotel sind es nur hundert Meter bis zum Strand, wo man Glasbodenboote und Schnorchelausrüstung mieten kann. Die ganze Stadt strahlt eine sehr friedliche und ruhige Atmosphäre aus. Breite schöne Boulevards, von Palmen gesäumt, und Promenadenwege führen dem Sandstrand entlang. Ein paar alte Männer sitzen auf Korbstühlen in einem Strandcafé und saugen an den Nargileh, den Wasserpfeifen mit den gläsernen, wunderschön gearbeiteten Rümpfen, auf die sie die Tabakröllchen samt der glühenden Holzkohle legen. Sie sind mit kunstvoll geschmiedeten Aufsätzen aus Messing versehen und einem Mundstück, das meistens aus Meerschaum ist und aus Eskisehir in Westanatolien stammt.

    Als Tabak um das Jahr 1600 im Orient aufkam, erklärten orthodoxe Korangelehrte seinen Genuss zum rituell unreinen Akt. Tabak wurde hauptsächlich von Mystikern konsumiert. Unter Sultan Murat IV., der von 1623 bis 1640 regierte, wurde sogar mit dem Tode bestraft, wer ihn dennoch rauchte. Angebaut wurde Tabak vor allem in Mazedonien, Nordgriechenland und Anatolien.

    Wir gehen in das kleine Beduinen-Dörfchen und trinken mit diesen stolzen und schönen Leuten Tee. Die Verkäufer in den Souvenirläden sind nicht aufdringlich und wir lernen Elias kennen, der verschiedenfarbigen Sand in kleine Flaschen abfüllt. Auch er lädt uns zum Tee ein. Wir diskutieren lange mit ihm auf dem Trottoir und finden heraus, dass die Jordanier nach dem Motto «leben und leben lassen» in den Tag hinein leben. Man muss beim Einkaufen schon feilschen, aber hier habe ich nicht das Gefühl, über den Tisch gezogen zu werden; das Ganze findet immer mit einem Lächeln statt.

    Viele kleine Restaurants servieren herrliche arabische Speisen und zum ersten Mal probiere ich Baba Khanudsch, Auberginenpüree, und Homoss, Kichererbsenpaste, mit Fladenbroten. Ich liebe die arabische Küche!

    Eine Legende besagt, dass im 16. Jahrhundert in Mokha am Roten Meer ein gewisser Ali ibn Omar al-Schadhili, Scheich des kleinen Hafens, vorbeisegelnden Kaufleuten aus Portugal ein seltsames schwarzes Gebräu auftischte, das er aus gerösteten, zerstampften und in Wasser aufgekochten Bohnen zubereitet hatte. Die Kaufleute waren begeistert vom Aroma und der kräftigenden Wirkung des Getränks und nahmen angeblich sofort mehrere Säcke der grünen Bohnen an Bord ihrer Handelsschiffe. Historiker bezweifeln, dass der Kaffee tatsächlich über Portugal nach Europa gelangte. Vielmehr sollen südarabische Derwische den stimulierenden Effekt des ursprünglich aus der äthiopischen Provinz Kaffa importierten Samens als erste erkannt und dazu genutzt haben, die Ekstasen während ihrer religiösen Übungen zu verlängern. Die Derwische propagierten ihn dann im gesamten Osmanischen Reich. Erst im 17. Jahrhundert erfasste die Koffeinsucht Europa. Der Kaffee stammte damals fast ausschliesslich aus dem Hochland des Jemen auf der Arabischen Halbinsel. Und der mit Abstand wichtigste Ausfuhrhafen war Mokha. In der Zwischenzeit ist der südarabische Kaffee längst von anderen Sorten aus dem Weltmarkt verdrängt worden. Die Jordanier servieren uns arabischen Kaffee mit gemahlenem Kardamom, um ihm seine Bitterkeit zu nehmen. Ausserdem soll der Kardamom bei der Verdauung der fettigen Speisen helfen.

    Das Wetter ist wunderbar warm und der blaue Himmel fast wolkenlos. Gorbatschow, den wir gestern bei Elias kennengelernt haben, holt uns ab. Er ist Taxifahrer und nennt uns keinen anderen Namen. Wir fahren dem Strand entlang nach Süden bis an die saudiarabische Grenze. Schöne Sandstrände wechseln sich ab mit grässlichen Hafenanlagen, wo irakische Tanker zum Teil seit fünf Jahren - seit dem UN-Embargo gegen den Irak - arbeitslos herumliegen. Die UNO führt einen Wirtschaftskrieg gegen das irakische Volk. Hat sie das Recht, das irakische Volk verhungern zu lassen? Gleichzeitig sagt die UNO nichts zu den UNO-Resolutionen, die Israel verletzt hat. In unserem Hotel in Amman war eine Weltkarte an die Wand geklebt, worauf das Wort «Israel» unleserlich gestrichen worden war. Kein Jordanier, mit dem wir über Politik gesprochen haben, hat sich je positiv über den Diktator Saddam Hussein geäussert, aber wir stellen eine grosse Solidarität mit dem unterdrückten irakischen Volk fest. Die Wirtschaftssanktionen der Vereinigten Nationen treffen etwa 20 Millionen unschuldige Zivilisten, während sich die Elite davon sowieso nicht beirren lässt…

    Vor den Stränden befinden sich wunderbare Korallenriffe. Ich habe allerdings keine Lust, zu schnorcheln; das Wasser ist mir zu kalt. Mehr als 140 verschiedene Korallen wurden hier schon identifiziert und in der Unterwasserwelt des Roten Meeres leben dutzende Korallenarten und Fische, die nirgendwo anders auf der Welt vorkommen.

    Zwischen hässlichen Phosphatfabriken und parkierten Lastwagen sehen wir den Passagierterminal für die Fähren nach Ägypten. Zu unserer Linken beginnt Saudi-Arabien, wir stehen auf jordanischem Boden, vis-à-vis ist die Sinai-Halbinsel von Ägypten und dazwischen befindet sich die moderne israelische Stadt Eilat. Nachts ist sie hell erleuchtet. Wir können uns keinen israelischen Stempel im Pass erlauben, sonst lassen uns später die Iraner nicht mehr einreisen!

    Nach unserem kleinen Ausflug an die Saudi-Grenze holen wir mit Gorbatschow Barbara und Hubert ab, zwei Deutsche, die wir gestern in einem der zahlreichen kleinen Strandcafés kennengelernt haben. Wir fahren zusammen in die Wüste zum Wadi Rum, dem spektakulären und geschichtsträchtigen Tal. Thomas Edward Lawrence, der von 1888 bis 1935 gelebt hat und als Entdeckungsreisender und Archäologe besser bekannt war unter dem Namen Lawrence of Arabia, «ungekrönter König von Arabien», marschierte auf seinem Feldzug gegen die Türken durch dieses Gebiet.

    Leider ist diese grandiose Landschaft sehr touristisch, die Beduinen haben hier das Monopol und nützen das schamlos aus, indem sie für eine zwei- bis dreistündige Geländewagenfahrt durch diese herrliche Gegend sehr hohe Preise verlangen. Unser Fahrer ist ein 13jähriger Rowdie. So muss eine Camel-Trophy sein! Wir besichtigen 2000 Jahre alte Felsmalereien und ungewöhnliche Gesteinsformationen. Der Sonnenuntergang taucht schliesslich die ganze Landschaft und die Felsen in immer andere Farbschattierungen, bis der rote Feuerball hinter dem Horizont versinkt.

    2Die rosarote Stadt Petra war die Hauptstadt eines Königreiches, das im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung von den Nabatäern gegründet wurde. Vor langer Zeit Nomaden, später mit dem Ruf, Piraten gewesen zu sein, wurden die Nabatäer Händler und Kaufleute, die auf den alten Karawanenrouten, die China, Indien und Südarabien mit dem Nahen Osten, Griechenland und Rom verbanden, mit Weihrauch, Gewürzen und Seide handelten. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht erstreckte sich das Nabatäische Königreich bis über Damaskus, Nordarabien und Teile der Sinai- und Negevwüste.

    Petras wachsender Einfluss und Wohlstand wurde dem Römischen Reich ein Dorn im Auge und im Jahre 106 n. Chr. annektierte Kaiser Trajan das Königreich der Nabatäer und integrierte es in die Römische Provinz Arabien, mit Petra und später Bosra (im heutigen Syrien) als Hauptstadt. Nachdem die Römer aber die alten Handelsrouten unter ihre Kontrolle gestellt hatten und mehr Karawanen über Bosra reisten, verfiel Petra langsam. Das Christentum breitete sich über das ganze Byzantinische Reich aus und erreichte im 4. Jahrhundert auch Petra. Nabatäer wurden getauft, Petra wurde der Sitz eines Bischofs und Kirchen wurden errichtet, gefolgt von Gräbern. Vor der Eroberung der Moslems im 7. Jahrhundert zerstörten diverse Erdbeben die meisten Bauten von Petra. Die Moslems fanden die Stadt bereits fast unbewohnt. Im Mittelalter brachten die Kreuzritter etwas Leben zurück und unter Balduin I. wurden 1116 zwei Schlösser gebaut.

    Die lebhaften und präzisen Beschreibungen eines gewissen Sultan Baibar, der Petra 1276 auf seinem Weg von Kairo nach Kerak besuchte, erregten das Interesse eines jungen Schweizer Reisenden namens Johann Ludwig Burckhardt (1818-1897), der zum Islam übergetreten war. Er war der erste Westler in sechs Jahrhunderten, der Petra zu sehen bekam. Die Felsenstadt war von den Europäern vergessen worden. Sie war nur von einem Stamm Beduinen und ihren Tieren bewohnt. Auf seiner Reise von Damaskus nach Kairo, auf dem Weg zur Quelle des Flusses Niger, hörte er die Legenden der sagenumwobenen Ruinenstadt Petra und verkleidete sich als Araber, gab sich als Ibrahim ibn Abdallah aus und erklärte den im Wadi Musa lebenden Beduinen, dass er auf dem Berg mit dem Grab von Aaron eine Ziege opfern wolle. Am 22. August 1812 entdeckte er zwei Gräber und schrieb in sein Tagebuch, dass diese Ruinen sehr wahrscheinlich zur verlorenen Stadt Petra gehören…

    Die Busfahrt von Aqaba nach Wadi Musa bei Petra dauert nur zwei Stunden. Wir lernen Marilyn kennen, eine 50-jährige Kanadierin, die in Saudi-Arabien in einem Militär-Camp arbeitet und Krankenschwestern ausbildet. Mit ihr teilen wir nun ein Dreierzimmer im Hotel Twaissi. Von unserer Dachterrasse aus haben wir einen grandiosen Ausblick auf diese wilde Landschaft mit vielen felsigen Bergen. Weil es schon Nachmittag ist, empfiehlt uns der Rezeptionist, zuerst nach «Little Petra» zu fahren, sozusagen als Einstieg.

    Wir fahren mit Marilyn in einem Taxi zu dieser kleinen Schlucht, wo die Nabatäer vor bis zu 9000 Jahren schon Räume und Höhlen in die Felsen gehauen hatten. Erst viel später kamen römisch-griechische Einflüsse hinzu, die Wände wurden mit Stuck verputzt und zum Teil bemalt. Diese Felslandschaft ist unglaublich spektakulär, dazwischen grasen malerisch die Schafe und Ziegen des Beduinenstammes, der seine schwarzen langen Zelte vor dem Eingang der Schlucht aufgeschlagen hat. Die Beduinen sind sehr gastfreundlich und laden uns zum Tee ein. Aus der Hauptstadt Petra wurden sie vertrieben. Der Staat hat ihnen neue Wohnungen mit fliessendem Wasser und Elektrizität zur Verfügung gestellt.

    Am folgenden Morgen stehen wir um sechs Uhr auf und machen uns auf den Weg zu einer der interessantesten und ältesten historischen Stätten der ganzen Welt. Am unteren Ende der neuen Stadt Wadi Musa stehen wir vor dem Eingang des Siq, der ungefähr einen Kilometer langen, zum Teil nur zwei Meter breiten, aber bis zu 200 Meter tiefen Schlucht. Sie bildet den einzigen Eingang in die ehemalige Hauptstadt der Nabatäer, die sich über ein riesiges Tal erstreckt, das von Felsen und Bergen eingerahmt ist. An der Felswand erkennen wir die Furche für das Wasser, das ausserhalb der Schlucht aus einem Fluss gezapft und in die Stadt geleitet werden musste. Weil es im alten Petra keine Wasserquellen gab, war es für die Römer auch einfach gewesen, Petra einzunehmen; sie haben den Nabatäern die Wasserzufuhr unterbrochen!

    Die Pauschaltouristen steigen auf die bereitstehenden Pferde, wir gehen zu Fuss. Es ist äusserst spannend. Hinter jeder Kurve erwarten wir das Al-Khazneh, ein in die Felswand gehauenes Kunstwerk aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, das das monumentale Grab für einen nabatäischen König, wahrscheinlich Aretas III., werden sollte und unzählige Touristenprospekte ziert. Endlich erreichen wir diese weltberühmte Fassade, die etwa 40 Meter hoch ist, und halten die Luft an. Mythologische Figuren und nabatäische Götter, verbunden mit dem Kult der Toten, ziehen uns in ihren Bann.

    Beduinen wollen uns ihre Esel vermieten, aber wir lehnen dankend ab, weil wir zu Fuss gehen möchten. Wir sind in eine andere Welt gestossen. Wie muss sich wohl Burckhardt gefühlt haben, als er all dies entdeckte? Wir schlendern zum Amphitheater, das vor ungefähr 2000 Jahren, in der Regierungszeit von König Aretas IV., aus dem Felsen gehauen wurde und klettern auf den Ruinen herum. 40 Reihen konnten bis zu 8500 Zuschauern Platz bieten. Ich frage mich, wie wohl weibliche Hoheiten in sicher sehr eleganten Gewändern diese hohen Steinstufen rauf- und runtergekraxelt sind? Das Erdbeben von 336 hat das meiste zerstört und hinterliess ein riesiges Ruinenfeld. Dann steigen wir einen Berg hinauf und klettern über in Felsen gehauene Treppenstufen zu einem grossen Platz, der als bester noch erhaltener heiliger Opferplatz der altertümlichen Welt gilt. Wir befinden uns 1035 Meter über dem Meeresspiegel. Zwei sieben Meter hohe Steinobeliske repräsentieren Dushara und Al’ Uzza, die zwei wichtigsten nabatäischen Götter.

    Als wir auf der anderen Seite wieder hinabklettern, kommen wir zum «Grab des römischen Soldaten», das nach dem Jahre 106 in die Felswand gemeisselt worden sein muss. Jetzt sehen wir das einzige freistehende Gebäude von Petra, das Quasr al-Bint, den Palast des Königs. Es sind jedoch nur Säulen erhalten geblieben. Auch die lange gerade Kolonnade ist von Säulen gesäumt. Zweitausend Jahre alte Säulen!

    Hier haben die Beduinen grosse Zelte aufgestellt, um die zahlreichen Touristen zu bewirten. In der Nacht sind wir fast erfroren und weil es früh morgens immer noch sehr kalt war, haben wir uns dementsprechend warm angezogen. Jetzt scheint die Sonne wieder über dieser Wüstenstadt. Weil wir anstrengende Besichtigungstouren unternehmen, kommen wir ganz schön ins Schwitzen und geniessen die Annehmlichkeit der Getränkestände.

    Es geht nun steil bergauf zum wohl allerschönsten Monument, dem Kloster Ad-Deir, Petras grösstem Monument mit einer 45 x 50 Meter grossen Fassade. Es war ein Tempel oder auch ein königliches Grab und sicher ein sehr wichtiges Pilgerziel. Seit dem 4. Jahrhundert wurde es während der christlich-byzantinischen Ära als Kloster bekannt. Hier auf dem höchsten Hügel haben sich zwei junge Beduinen in einer Höhle eingerichtet. Sie übernachten auf mitgebrachten Teppichen und verkaufen am Tag Getränke und Souvenirs an Touristen. Wir sitzen lange bei ihnen und plaudern, bevor wir uns wieder auf den Weg machen und zurück ins Hotel gehen. Wir waren mehr als 12 Stunden auf den Beinen und haben immer noch nicht alle Sehenswürdigkeiten von Petra gesehen!

    Den Abend verbringen wir mit Marilyn im Ali Baba-Restaurant bei einheimischen Köstlichkeiten. In den Gasthäusern wird überall der Video «Jäger des verlorenen Schatzes» gezeigt, weil dieser Film zum Teil in Petra gedreht wurde. Ich bin sehr froh, dass die gesprächige Marilyn bei uns ist, denn Thomas ist sehr introvertiert und verschlossen. In Jordanien gibt es viel mehr Touristen, als ich mir vorgestellt habe. Es ist nicht mehr so ein «Geheimtipp». Jeden Abend sitze ich mit ein paar Gleichgesinnten aus Europa und Australien um den wärmespendenden Ofen und diskutiere. Es sind sehr interessante Leute dabei und ich lerne viel von ihnen. Ausserdem bekomme ich viele Tipps für die Länder, die ich noch vor mir habe.

    Am nächsten Tag wandern wir nochmals Kilometer um Kilometer auf den Spuren von längst vergangenen Kulturen und klettern nochmals keuchend zum Kloster hinauf, um mit Qassan und Ismail Tee zu trinken. Beim Sextus Florentinus Grab, das um 130 n. Chr. für den römischen Gouverneur der Provinz Arabien von seinem Sohn gebaut wurde, bestaunen wir die Kombination von römischen und nabatäischen Architekturmotiven. Ich will hier nicht alle Monumente aufzählen, kann aber mit Sicherheit behaupten, dass wir auch nach zwei ganzen Tagen in Petra noch nicht alles gesehen haben.

    Weil ich gestern Abend so lange mit Ataf, dem Hotelinhaber, geplaudert und Arrak (Anisschnaps) getrunken habe, fror ich nicht so entsetzlich in meinem Schlafsack. Ich konnte auch gleich einschlafen. In meinem Kopf drehte sich alles. Beim Frühstück wimmelt es von Holländern, Franzosen, Deutschen, Japanern und Taiwanerinnen in der Hotelhalle und ich bin froh um plaudernde Gesellschaft.

    Marilyn hat uns gestern verlassen. Thomas und ich fahren mit einem Schulbus bis nach Shobak, stellen uns auf die Strasse und halten den Daumen raus. Das dritte Fahrzeug hält an. Der Fahrer des Minibusses vergewissert sich drei Mal, ob wir auch wirklich keine Juden seien und lässt uns schlussendlich einsteigen. Es handelt sich um einen Palästinenser und das erklärt wohl, wieso das für ihn so wichtig ist. Wir diskutieren wie so oft in Jordanien über Politik und er erzählt uns seine Theorie des Golfkrieges von 1990: George Bush habe sich mit Saddam Hussein verbündet und zusammen hätten sie abgemacht, dass Saddam Kuwait annektieren solle. Danach kämen die ach so hilfsbereiten Weltpolizisten aus den USA und retteten Kuwait, zögen damit auch den grossen Nachbarn Saudi-Arabien auf ihre Seite und bekämen für den Wiederaufbau aller zerstörten Städte nachher natürlich die Aufträge. Und liessen sich dabei wohlverstanden auch ihre Hilfe von Japan, Deutschland, England & Co. finanzieren. Gutes Geschäft! Das ist, wie gesagt, die Theorie unseres dabei recht laut gestikulierenden Fahrers.

    Wir sind auf dem Old Kings Highway, der alten Hauptstrasse, die den Süden mit dem Norden verbindet. Im Zickzackkurs geht es über Hügel, durch kleine Dörfchen und an Beduinensiedlungen vorbei. Die Landschaft ist viel interessanter als die baumlose flache Wüste, durch die der moderne Desert Highway verläuft, auf dem wir nach Aqaba gefahren sind.

    In Tafila bringt uns unser Fahrer zu einem Freund in einen Kleiderladen, weil er in diesem Städtchen ein paar Geschäfte erledigen muss. Sein Freund offeriert uns Tee und setzt sich zu uns. In einem anderen kleinen Dorf muss unser Fahrer wieder ein paar Geschäfte aufsuchen und lässt uns aussteigen. Wir setzen uns an den Strassenrand, knacken Pistazien und schauen einfach dem Treiben auf dem Dorfplatz zu. Ein paar alte Männer gesellen sich zu uns und fragen, woher wir kommen. Da halten zwei Autos an, um uns zu fragen, ob sie uns irgendwohin mitnehmen können! Das ist mir noch nie passiert, dass mich - ohne Autostopp gemacht zu haben - einer mitnehmen will!

    Später erklärt uns unser Fahrer, dass er im Falle einer Autopanne in Jordanien sogar noch zu später Stunde einfach an die nächste Haustüre klopfen könne und die Bewohner dieses Hauses würden ihn wie einen Gast behandeln, ihm zu essen geben und ein Bett zum Schlafen herrichten. Das sei islamische Gastfreundschaft. Ich denke an die Schweiz und schäme mich… Dann fragt er uns schmunzelnd, ob wir eigentlich keine Angst gehabt hätten, dass er uns nicht mehr abholen würde? Unsere Rucksäcke waren ja in seinem Wageninnern zwischen den Kisten mit T-Shirts, Hemden und Blusen verstaut, die er verkaufen muss. Nein, wir haben ihm einfach vertraut.

    Vier Stunden fahren wir mit ihm und er macht sogar noch einen Umweg, um uns nach Kerak zu bringen und uns vor einem Hotel abzusetzen. Als ich ihm ein Trinkgeld geben will, winkt er ab. Als ich es ihm mit den Worten «fürs Benzin» abermals hinhalte, wird er fast wütend.

    3Das Kreuzritterschloss von Kerak hat Kreuzritter Balduin I. im Jahre 1136 bauen lassen. Es ist eine stattliche Bauruine. Vom vergangenen Glanz ist leider nicht viel übrig geblieben. Die ganze Burg ist etwa 300 Meter lang. Vor allem die unterirdischen Gänge und eine 150 m lange Halle sind interessant.

    Am Nachmittag machen wir einen Busausflug ans Tote Meer. Dieser See befindet sich am tiefsten Ort der Erde, 400 Meter unter dem Meeresspiegel. In einer Wüstenlandschaft mit Beduinenzelten, Schafherden, Bauernhöfen und bebauten Gemüsefeldern. Die Ufer des Binnenmeeres kann man nicht als schöne Strände bezeichnen. Da es keine Duschen gibt, um sich nachher das extrem salzige Wasser abzuwaschen, halten wir nur die Füsse ins Wasser. Es ist so salzig, dass ein Fisch nur eine Minute darin überleben würde. Und schmeckt scheusslich.

    Mohammad und Ibrahim, zwei Brüder, die des Weges gekommen sind, machen mit herumliegendem Holz ein Feuer und wir setzen uns zu ihnen ans Lagerfeuer. Es ist so idyllisch hier, dass ich meine Schweizer Freunde von zu Hause sehr vermisse! Wie viel schöner wäre es, mit einer Freundin hier zu sitzen! Ich habe kein Heimweh nach der Schweiz, aber nach guten alten Freunden, mit denen ich mich unterhalten könnte.

    Am Abend gehen wir in ein kleines Lokal mit einer gewölbten Kuppel. Der Inhaber spricht kein Englisch, öffnet aber seinen Kühlschrank und wir zeigen einfach auf die Speisen, die er für uns aufwärmen soll. Das Essen in Jordanien besteht meistens aus Poulet- oder Schaffleisch mit Reis. Die Vorspeisen sind abwechslungsreicher: Auberginen, Kichererbsen, Sesampaste, Joghurt, Knoblauch, Salate, Kräuter und Gewürze. Immer gibt es ofenwarmes frisches Fladenbrot dazu. Und zum Dessert natürlich honigsüsses Baklava.

    Als wir ins Hotel zurückkommen, spielt ein junger Mann auf einer Lut, einer Art Gitarre mit elf Saiten. Mit acht anderen Touristen lauschen wir seinen wunderschönen traditionellen Liedern und tauschen Reiseerlebnisse aus.

    Der irakische Kellner Ja’ad versteht kein Englisch - ich leider kein Arabisch -, aber beim Frühstück in seinem gemütlich eingerichteten Café ahme ich heute morgen ein Huhn nach, worauf sich sein Gesicht mit einem breiten Lachen überzieht und er mir prompt ein Omelett aus zwei Eiern serviert!

    Die Busverbindungen auf der alten Königsstrasse sind nicht sehr gut. So chartern wir einen Minibus nach Mount Nebo bei Madaba. Von diesem Berg schaute Moses zum ersten Mal auf das heilige Land hinunter. Die alte Kirche, die auf dem Berg steht, wäre sehr schön ohne Wellblechdach. In ihrem Innern auf dem Boden sind Mosaike aus dem 5. Jahrhundert erhalten geblieben. Auch in Madaba selbst ist in einer christlichen Kirche ein uraltes Mosaik zu bestaunen. Mit einer Landkarte des Nahen Ostens, dem Staat Palästina und Jerusalem als Hauptstadt. Schön wärs! Israel ist natürlich nicht drauf, es wurde erst 1948 gegründet.

    30 km weiter kommen wir nach Hammamet Ma’in. In dieser wilden Schlucht mit heissen Quellen und Wasserfällen haben die Jordanier ein Wasserplanschzentrum mit römischen Bädern, Saunas, Swimming Pools, Liegewiesen, etc. gebaut. Da heute Samstag ist, wimmelt es von einheimischen Touristen. Im Alpamare Jordaniens plantschen die Männer in Badehosen während die Frauen in langen Kleidern mit Kopftüchern daneben stehen. Die moderneren Frauen ohne Kopftuch gehen mit Jeans und T-Shirts ins Wasser. Irgendwie stimmt es mich nachdenklich und fast ein wenig traurig.

    4Jerasch ist das beste Beispiel einer römischen Provinzstadt, die sehr gut erhalten geblieben ist, weil sie lange unter Sand versteckt war. Sie wurde in der Zeit von Alexander dem Grossen, im Jahre 332 vor Christus erbaut. Erst 1806 wurde sie vom Deutschen Ulrich Seetzen wiederentdeckt.

    Im Jahre 63 v. Chr. nahm der römische Feldherr Pompejus diese Region ein und Jerasch wurde Teil der römischen Provinz Syrien. Die nächsten 200 Jahre wurde mit den Nabatäern Handel geführt und Jerash sehr wohlhabend. Erst nach dem 5. Jahrhundert wurde das Christentum Hauptreligion. Es folgte eine persische Invasion im Jahre 614; die Moslem fielen 636 ein. Nach einer Serie von Erdbeben um 747 wurde Jerasch unbedeutend. Im 12. Jahrhundert wüteten die Kreuzritter.

    Auf den original alten Sandsteinpflasterböden spazieren wir zum Amphitheater, durch Säulenhallen, in die Kathedrale, schreiten unter Riesenportalen hindurch, über ehemalige Marktplätze… Die ganze Stätte schätze ich fast zwei Kilometer lang. Sie ist einfach überwältigend!

    Ich bin frustriert über meinen Reisepartner Thomas. Er ist so introvertiert und redet fast nie. Aber Emily Eden, Anna Leonowens, Amelia Edwards, Kate Marsden, Gertrude Bell, Daisy Bates und natürlich mein Vorbild Ella Maillart, alles Reisende des letzten Jahrhunderts, sind alle entweder alleine gereist oder auch mit jemandem oder mehreren, die sie nicht besonders gerne mochten. Ich muss jetzt bescheidener sein, ich kann nicht alles haben, die Reise und den besten Reisepartner. Die Hauptsache ist, ich bin hier! Eine Freundin hat mich vor meiner Abreise noch gefragt: «Kannst du auf der Seidenstrasse eigentlich Tampons kaufen?» Sie wäre wohl auch nicht die ideale Begleitung für mich gewesen.

    Ein anderer Tagesausflug von Amman aus bringt uns in die Wüste nach Osten. Wir machen die «Wüstenschlösser-Rundreise» genannte Route und besichtigen das Qasr al-Hallabat, bei dem es sich eigentlich um ein römisches Fort handelt, das zwischen 198 und 217 n. Chr. zur Verteidigung von angreifenden Wüstenstämmen gebaut wurde und im 7. Jahrhundert als Kloster diente. Man braucht eine grosse Phantasie, um in dieser Ansammlung von Steinbrocken noch so etwas wir ein Fort erkennen zu können.

    Weiter kommen wir zum Qasr Azraq, einem grossen Schloss aus schwarzem Basaltgestein. Griechische und lateinische Inschriften beweisen, dass es wahrscheinlich um das dritte Jahrhundert erbaut wurde. Seine jetzige Form stammt aus dem 13. Jahrhundert. Hier kamen die Hauptkarawanenrouten zusammen, weil es in dieser Oase Wasser gab. Auch für Vögel, die zwischen Afrika und Europa unterwegs sind, ist es eine der wichtigsten Oasen. Vor rund 600 Jahren nutzten die Omaijaden dieses Schloss als Militärbasis und im 16. Jh. hatten die osmanischen Türken hier eine Garnison. 1917 machte es Lawrence of Arabia zu seinem Wüstenhauptquartier.

    Das wohl schönste Wüstenschloss ist das Qasr Amra von Kalif Walid aus dem 7. Jahrhundert. Alle inneren Wände sind bemalt, die Fresken sind ziemlich gut erhalten und zeigen unter anderem Julius Cäsar. Das Qasr al-Kharanah schlussendlich wurde als Schloss für Verteidigungszwecke gebaut und diente auch als Karawanserei. Ich liebe Karawansereien und diese hier ist besonders schön, ist sie doch recht gross und steht mutterseelenallein in der flachen Wüste. Sie hat vier gleich lange Wände und keine Fenster. Durch ein Tor gelangen wir in den Innenhof und sehen die Stallungen für die Kamele im Erdgeschoss und darüber die Gästezimmer für Händler und Reisende.

    Am folgenden Tag müssen wir schon um sieben Uhr aufstehen und nehmen den Bus nach Damaskus. An der Grenze bin ich total nervös. Unsere Syrien-Visa sind bereits abgelaufen, bevor wir überhaupt einreisen. Wir haben sie am 4. Dezember 1995 ausstellen lassen und sie haben eine Gültigkeit von drei Monaten. Doch heute schreiben wir den 19. März 1996… Als sich die Uniformierten am Grenzübergang unsere Pässe genauer anschauen und bemerken, dass die Visa bereits abgelaufen sind, stellen wir uns dumm und erklären, wir hätten gemeint, wir können damit drei Monate in Syrien bleiben. Der Zöllner verschwindet für ein paar Minuten. Als er wieder auftaucht, klebt er ein paar Briefmarken in unsere Pässe und verlangt nur ein lächerliches Trinkgeld für die Verlängerung unserer Visa!

    Syrien:

    Freundschaft und Basare aus 1001 Nacht

    1Dimaschq asch-Scham, wie Damaskus auf arabisch heisst, wird von Dichtern Diamant der Wüste, Braut der Erde oder auch Mutter aller Städte genannt und immer wieder mit dem Garten Eden gleichgesetzt. Damaskus bildete schon im 7. Jahrhundert als Regierungssitz der omaijadischen Kalifen den Mittelpunkt eines Weltreiches. Es diente Nureddin und Saladdin als Residenz und Ausgangspunkt für den Kampf gegen die Kreuzritter und 800 Jahre später den arabischen Nationalisten als heimliche Hauptstadt. Von hier aus organisierten sie ihren Widerstand gegen die osmanischen, britischen und französischen Besatzer.

    Damaskus gilt als die älteste permanent bewohnte Stadt der Welt und ist im Laufe ihrer vieltausendjährigen Geschichte häufig von Erdbeben erschüttert und von Seuchen entvölkert, geplündert und niedergebrannt worden. Sie hat sich aber stets wieder aus der Asche erhoben und gilt als Inbegriff hoher Stadtkultur. Ausserdem hatte sie eine grosse Bedeutung als Handelsstation im internationalen Karawanenverkehr.

    Das heutige Syrien ist von Frankreich und Grossbritannien, den Siegern des ersten Weltkrieges, geschaffen worden. Die neue Republik ist nur ein Teil dessen, worunter sich Römer, Osmanen und frühere europäische Reisende Syrien vorstellten. Früher gehörten zu Gross-Syrien das Taurusgebirge der Türkei, die Länder bis zum Euphrat im Osten, die arabische Wüste im Süden und das Mittelmeer im Westen. Die Bewohner von Syrien, dem Libanon, Jordanien und Palästina haben sehr viel gemeinsam in Kultur und Sprache.

    Bevor unser Bus in den Busbahnhof einbiegt und hält, frage ich die gut aussehende Frau vor mir, ob sie meine jordanischen Dinars, die ich übrig habe, gegen syrische Pfund eintauschen möchte. Sie erklärt mir in gebrochenem Englisch, dass wir mit ihr auf ihren Mann warten sollen, der sie abholen werde, er könne uns sicher weiterhelfen. Suhail ist 40 Jahre alt und Palästinenser. Er führt ein eigenes Geschäft und spricht sehr gut Englisch. Seine bildschöne Frau Ekhlas ist Irakerin und auch schon 40, sieht aber aus wie 30. Sie kochen nicht nur Tee, sondern tischen gleich ein ganzes Mittagessen auf. Nach ein paar Stunden beisammensitzen und plaudern laden sie uns grad zum Bleiben ein.

    Ihre Wohnung ist sehr modern und mit Stil eingerichtet. Drei Schlaf-, zwei Wohn- und sogar zwei Badezimmer mit allem Luxus. Eine grosse Terrasse geht über zwei Seiten des dreistöckigen Mehrfamilienhauses. Ihr ältester Sohn Ahmad ist 16 und spricht auch schon ein bisschen Englisch. Er überlässt uns sein Schlafzimmer und geht zu seiner kleinen Schwester Farah, die 10 Jahre jung ist und wie eine wahre Prinzessin aussieht, und zum 5-jährigen Bruder Ali ins Kinderzimmer. Wie in allen arabischen Ländern werden die Eltern nach dem Namen ihres ältesten Sohnes angesprochen, d.h. die Mutter dürfen auch wir "Umm Ahmad (Mutter des Ahmad) und den Vater Abu Ahmad" (Abu steht für Vater) nennen. Nach ein paar Tagen nennen wir uns alle gegenseitig sowieso nur noch "Habibi, bzw. die weibliche Anredeform Habibeti, was man mit Liebling" übersetzen kann.

    Erst am späten Nachmittag fahren wir wieder in die Innenstadt von Damaskus. Wir sehen uns die wunderbare Altstadt an, die von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt worden ist. Jahrhundertealte Balkone aus Lehm und Pappelholz und von Ästen gestützte Erker verzieren die Häuser der engen und sehr pittoresken Gassen. Moscheen und Koranschulen mit riesigen Innenhöfen mit Springbrunnen und üppigem Grün laden zum Verweilen ein. Immer wieder bewundern wir die dekorativen antiken Kupferlampen, Torbögen und runden Fenster. Kinder spielen in den Gassen, Katzen springen von einem Dach zum anderen. Wir schlendern zur Madrasa an-Nuri von König Nour Addeen al Shaheed, der von 1118 bis 1174 lebte und ganz Saudiarabien und Ägypten beherrschte, und besichtigen das Dar Anbar, eine Residenz einer Gouverneursfamilie, mit drei Innenhöfen, jeder mit Springbrunnen, Zitronen- und anderen Bäumen, Blumentöpfen und den in Damaskus immer wiederkehrenden Steinmosaiken aus schwarzem Basaltgestein, gelben und weissen Sandsteinblöcken. Im Beit Mirza, einer weiteren Residenz eines reichen Paschas, sind hunderte von Stühlen bereit gestellt worden, weil am Abend eine Hochzeit stattfinden wird. In den Khan Suleiman Pasha, eine Karawanserei im Basar, dürfen wir nicht hinein, weil sie gerade renoviert wird. Dasselbe im Khan As’ad Pasha, einem Khan (Karawanserei) eines Gouverneurs aus dem Jahre 1749.

    Der grosse Basar ist eine richtige Stadt in der Stadt und ein malerisches Labyrinth aus Werkstätten und Läden. Parfüms, Gewürze, Süsswaren, Schmuck, Stoffe, Kleider, Antiquitäten, Holzwaren, Musikinstrumente, Textilien, Wolle, Kupferwaren, Leder, Schwerter, einfach alles wird angeboten und je länger wir durch dieses Labyrinth flanieren, desto bereitwilliger übergeben wir uns dem fliessenden Treiben.

    Am allerbesten gefallen mir die Trödlerläden der Kupferschmiede. Samovars, Tee- und Kaffeekannen, grosse runde Teller aus Kupfer, Messing, Silber und anderen Metallen, die alle hervorragend mit Hämmern bearbeitet worden sind. Am liebsten würde ich alles zusammenkaufen! Stattdessen setzen wir uns aber zu den alten und jungen Männern des Al Nawfara Coffeeshops und bestellen eine Wasserpfeife mit Apfeltabak. Der Tabak mit Erdbeeraroma ist uns zu süss. Auch hier will man uns einladen - "hospitality tea!, let me pay your bill - man lässt uns gar nicht bezahlen und sagt zu uns in deutlichem Schulenglisch always at your service"!

    Im berühmten Bakdach Ice Cream Parlour probieren wir eine wunderbare Eiscrèmesorte namens Donderma aus Milch, Mandeln und Pistazien. Donderma ist das türkische Wort für diese Art von geklopftem Eis.

    Viele Golfaraber machen im billigen Syrien Urlaub und besuchen Bordelle, die in Saudi-Arabien verboten sind. Zum erstem Mal sehe ich Frauen, die von Kopf bis Fuss in den schwarzen Tschador eingehüllt sind und nur Augen und Nase unbedeckt halten. Diese schwarzen Geister stehen vor einem Schaufenster mit Spitzenunterwäsche, darum hat die ganze Situation auch etwas Komisches. Suhail erklärt mir, dass es sich bei ihnen um iranische Pilgerinnen handelt.

    Damaskus gilt nach Mekka, Medina und Jerusalem zusammen mit Kairouan (im heutigen Tunesien) in der sunnitischen Überlieferung als viertheiligste Stadt des Islam. Hier soll angeblich Abraham geboren und Moses begraben, sowie der Erzengel Gabriel erschienen sein. Die heilige Maria hat in einer Höhle Zuflucht gefunden auf dem Dschebel Qassyun, dem Hausberg, auf den wir am Abend fahren, um auf die Lichter der Grossstadt hinunterzuschauen. Damaskus hat sechs Millionen Einwohner, das ist fast ein Drittel Syriens, dessen Fläche etwa vier Mal so gross ist wie die Schweiz und doppelt so gross wie Jordanien.

    Wie schon in Amman gibt es sehr viele Schmuckläden; die Araberinnen lieben Schmuck, vor allem Gold. Die Araber des Mittelalters haben noch gemeint, Gold wachse auf Bäumen oder wie Karotten knapp unter der Erde und werde bei Sonnenaufgang gepflückt, oder von Ameisen gezüchtet. Der Historiker al-Umari setzte anfangs des 14. Jahrhunderts die Theorie in Umlauf, Gold beginne im August zu wachsen, wenn die Sonne am mächtigsten sei und der Nil anschwelle. Gehe das Wasser dann zurück, könne man auf dem überschwemmten Land Büsche finden, deren Wurzeln aus Gold seien. Die Araber wussten lange nicht, dass jener Teil ihres Goldes, der nicht von der eingeschmolzenen Beute aus geplünderten syrischen Kirchen, ägyptischen Gräbern oder persischen Schatzkammern stammte, aus Westafrika kam. Was ihnen aber bekannt war, ist der Ursprung ihres Silbers, das sie aus Transoxanien, Chorassan und Europa bezogen. Schon die Römer und die Griechen kompensierten Massenlieferungen von Myrrhe und Weihrauch aus Südarabien mit Silber. Heute ist die Weihrauchstrasse von Jemen nach Rom, wie die Seidenstrasse, nur noch Geschichte. Die Erzeugung und der Verkauf von Edelmetallen galten unter strenggläubigen Moslems lange als für die Seele verderblich. Darum übten früher armenische Christen den Beruf der Gold- oder Silberschmiede in Syrien aus. Ihnen haftete der Makel des Okkulten an. Auf zwar unerklärliche, doch irgendwie Furcht erregende Weise standen sie, so glaubte man, mit dunklen Mächten, mit der Magie, der Alchimie und der Heilkunst in Verbindung. Heutzutage wollen die Araberinnen mit viel Schmuck nur noch eine ästhetische Wirkung erzielen und den Reichtum ihrer Familie signalisieren.

    2

    Allahu akbar

    Allah ist gross

    Aschhadu an la ilaha illa llah

    Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt ausser Allah

    Aschhadu ann Muhammadan rasulu llah

    Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist

    Haiya ‘ala s-salah

    Herbei zum Gebet

    Haiya ‘ala l-falah

    Herbei zum Heil

    Allahu akbar

    Allah ist gross

    La ilaha illa llah

    Es gibt keinen Gott ausser Allah

    Der Gebetsruf des Muezzins von einem Minarett ertönt täglich vor Sonnenaufgang, zu Mittag, in der Mitte des Nachmittags, bei Sonnenuntergang und eineinhalb Stunden danach.

    Wir machen mit Suhail in seinem Auto einen Tagesausflug ins 100 km entfernten Bosra im Süden, nahe der jordanischen Grenze. Diese Stadt war einst wegen ihrer Lage an einer Kreuzung der verschiedenen Karawanenwege von grosser Wichtigkeit, verlor dann aber langsam an Bedeutung. Das verbliebene Städtchen und seine alten Ruinen sind wundervoll; alles ist aus schwarzem Basaltgestein.

    Bosra wurde in ägyptischen Aufzeichnungen bereits 1300 Jahre vor unserer Zeit erwähnt und im 1. Jh. n. Chr. die nördliche Hauptstadt des Nabatäerreiches. Im Jahre 106 wurde auch Bosra von den Römern eingenommen und Hauptstadt der Provinz Arabien. Die Moslems übernahmen Bosra 634, die Kreuzritter versuchten sie zweimal im 12. Jh. ohne Erfolg einzunehmen, aber die Mongolen zerstörten sie während ihrer Invasion 1261.

    Bosras Hauptattraktion ist die herrliche Zitadelle mit ihrem Amphitheater, das 15’000 Menschen Platz bot. Heute schleicht eine italienische Touristengruppe herum. Im Gegensatz zu den historischen Stätten von Jordanien scheint Syriens Tourismus noch in den Kinderschuhen zu stecken. Ist es vielleicht der Diktator Assad, der abschreckt?

    Entlang der Hauptstrasse schaut er von Plakatwänden herab, erhebt in päpstlicher Gebärde die Hand, als wolle er uns eine gute Reise wünschen. In jedem Laden hängt sein Porträt und in jedem Bus fährt er mit. Der gut aussehende jüngere Mann, der von anderen Plakaten herunterlächelt, ist sein Sohn Basil, der am 22. Januar 1994 an den Folgen eines Autounfalls in seinem Mercedes 600 ums Leben kam. Er hätte einmal der Nachfolger Assads werden sollen und war bei der Bevölkerung sehr beliebt.

    Auch Suhail hat in seinem Geschäft ein Bild von Hafis al-Assad an der Wand hängen, jedoch hinter ihm, damit er ihn nicht immer anschauen muss. Es ist besser, ein Bild von Assad im Büro aufzuhängen, sonst könnte die Geheimpolizei womöglich meinen, ich mag unseren Präsidenten nicht und mir blöde Fragen stellen, klärt er uns augenzwinkernd auf. Weiter erzählt er uns, dass in Syrien sämtliche Telefone abgehört werden. Das alles und noch viel mehr kommt nur im Flüsterton über seine Lippen und er sagt, es sei besser, wenn wir über Politik nur in seiner Wohnung reden, nicht im Restaurant oder irgendwo in der Öffentlichkeit. Sonst könne man möglicherweise von der Mukhabarat, der syrischen Geheimpolizei, wegen böser Äusserungen gegen den Präsidenten verhaftet werden!

    Hafis al-Assad putschte sich 1970 an die Macht. Sein Staatsstreich galt nicht als Revolution, sondern als Korrekturbewegung. Der neue Präsident brachte dem Land etwas, dessen es sich in seiner leidvollen Geschichte nur selten erfreut hatte: Stabilität. Zwischen der Unabhängigkeit 1946 und Assads Machtübernahme 24 Jahre später hatte es in Syrien 21 Putschs gegeben! Inzwischen herrscht der 66jährige Alawit länger als die meisten anderen Potentaten im Nahen Osten. Alle belangreichen Posten sind in den Händen von Alawiten, einer religiösen Minderheit, die etwa elfeinhalb Prozent der Bewohner Syriens ausmachen.

    Syriens Stabilität fordert ihren Preis: Bis zu 60 Prozent seines Budgets gibt das Land für Armee und Sicherheitsdienste aus. Andere Sektoren kommen entsprechend zu kurz. Ausserdem konnte die nach dem Zerfall der Sowjetunion ausbleibende Unterstützung durch die Zahlungen aus den Golfstaaten nicht wettgemacht werden.

    Syrien ist es nicht gelungen, sein erträumtes Ziel zu erreichen und militärisch gleich stark zu werden wie Israel, gegen das es in zwei Kriegen, 1967 und 1973, verloren hatte. Im Siebentagekrieg büsste es die Golanhöhen ein, den strategisch wichtigen Hügelzug, der jetzt einer Aussöhnung mit Israel im Wege steht.

    In der Vergangenheit hat das Regime von Assad jeglichen Widerstand brutal unterdrückt. Opposition wird nicht geduldet. Als sich 1982 in der Stadt Hama militante Islamisten gegen die Regierung erhoben, liess Assad kurzerhand das Zentrum der Stadt zerstören. Bis zu 20’000 Menschen, unter ihnen viele unschuldige Zivilisten, sollen damals getötet worden sein. Seither herrscht Ruhe im Land, das im Gegensatz zu Algerien und Ägypten keinen islamischen Widerstand mehr kennt.

    Nach dem Ende der Sowjetunion geben im Nahen Osten die USA den Ton an und deren Prioritäten gilt es sich unterzuordnen. Während des Golfkrieges schloss sich Syrien der westlichen Allianz gegen Irak an und liess sich dafür von Saudi-Arabien fürstlich honorieren. 1991 wurde Hafis al-Assad mit 99,9 Prozent der Stimmen zum vierten Mal als Staatspräsident gewählt. Ohne eine politische Öffnung dürfte jedoch der Umbau der maroden Staatswirtschaft zum Scheitern verurteilt sein. Präsident Assad hat übrigens alle Beziehungen zu seinem Feind Saddam Hussein abgebrochen. Es besteht nicht einmal mehr eine Busverbindung, geschweige denn ein Grenzübergang in den Irak. Dennoch ist die Bevölkerung dem irakischen Volk sehr verbunden. Wenn Suhails Ehefrau Ekhlas ihre Eltern im Irak besuchen möchte, muss sie zuerst ein jordanisches Transitvisum einholen und kann nur von Jordanien mit einem Bus nach Irak gelangen. Aber Jordanier und Syrer wissen Politik von anderen Angelegenheiten zu trennen, sind tolerant und nicht fanatisch.

    Doch zurück nach Bosra. Ausserhalb der Mauern der schwarzen gespenstigen Burg schlendern wir durch ein grosses Ruinenfeld mit riesigen Säulen, Torbögen, Moscheen, Bädern, Kirchen und Klöstern, alles aus schwarzem Basalt.

    Dann fahren wir nach Der’a zu Suhails Bruder, der uns herzlich empfängt und zum Mittagessen einlädt. Nachher nehmen wir ihn, seine Frau und seinen Sohn auf eine kleine Autofahrt ins Grüne mit. Von einem Hügel bietet sich uns eine schöne Aussicht über eine tiefe Schlucht und nach Jordanien. Viele Städter kommen an Wochenenden für ein Picknick hierher. An einem kleinen See warten Tretboote und am Ufer Karussells auf einheimische Touristen.

    Abends bekommt unsere Gastgeberfamilie noch mehr Besuch: Faiz und Feihah, ein syrisches Ehepaar, das lange in Schweden gewohnt, und Khaled, der fünf Jahre in Deutschland gearbeitet hat und sehr gut Deutsch spricht. Er lädt uns ein, morgen bei ihm vorbeizuschauen und mit ihm Tee zu trinken. Er kann uns helfen, Geld schwarz zu wechseln, was anscheinend eine heikle Angelegenheit und strengstens verboten ist. Der Schwarzmarktkurs ist natürlich viel höher als der offizielle.

    Unsere Gastgeber verwöhnen uns von Herzen. Wir kriegen ein riesiges Frühstück bevor wir uns zu Fuss auf den Weg machen, um Khaled in der Nachbarschaft zu besuchen. Er ist mit der Polin Violet verheiratet, die er in Deutschland kennengelernt hat. Sie war dort Putzfrau und er Maler. Jetzt läuft er nur noch in Anzug und Krawatte herum, betreibt selbst ein Maler- und Tapezierergeschäft und muss sich seine Hände nicht mehr schmutzig machen.

    Am Nachmittag fahren wir mit dem Bus in die Stadt. Der unwahrscheinlichste Schnickschnack baumelt am Rückspiegel aller Busse und Taxis: Plastikfrüchte, Täfelchen mit Koransuren, Glöckchen, Assadbildchen und vieles Kitschiges mehr. Das Strassenbild ist ganz anders als in Jordanien. Die meisten Autos sind mindestens zwanzig Jahre alt, wunderschöne, jedoch leider meist verbeulte Oldtimer. Da die Steuern auf Personenwagen 230 Prozent betragen, können sich nur die wenigsten ein neues Auto leisten. Uns gefallen die alten Karren ausserordentlich.

    Der Basar zieht mich immer wieder magisch an! Gleich dahinter befindet sich die Omaijaden-Moschee, die als drittgrösste Moschee der Welt gilt und angeblich ab dem Jahre 705 auf dem Areal eines antiken Tempelbezirks an der Stelle einer christlichen Basilika errichtet wurde. In einem Schrein mitten im Gebetssaal ruht das Haupt von Johannes dem Täufer. Die Arkadengänge sind mit prächtigen Mosaiken verziert, die Architektur ist einfach himmlisch! Sogar die Böden sind aus Steineinlegearbeiten. Mein Begleiter muss sich ein Tuch um die Beine binden und ich bekomme einen Mantel mit Kapuze.

    Danach besichtigen wir das Saladdin Mausoleum aus dem Jahre 1193, das jedoch vor rund hundert Jahren mit der finanziellen Unterstützung des deutschen Kaisers Wilhelm, der Damaskus 1898 besuchte, renoviert worden war. Saladdin ist der Held der arabischen Geschichte, weil er die Kreuzritter besiegte.

    Einen weiteren Höhepunkt unserer Altstadtbesichtigung bildet der Besuch des Bimaristan Al Nuri von 1154. Bimarqui heisst auf Farsi krank und stan Haus, Bimaristan ist daher die Bezeichnung für ein Krankenhaus. Almalek Al Adel Nur al din ben Mahmood Zanki gründete hier die erste und im Mittelalter bekannteste medizinische Universität des ganzen Orients. Hier stossen wir auf viele Informationen über Avicenna und seine Lehren von Pflanzen, Kräutern, Früchten, Musik und Sängern (mehr über den auch Ibn Sina genannten Medicus in den Kapiteln Iran und Usbekistan). Das prächtige Gebäude mit seinem herrlichen Innenhof sieht eher wie eine Medresse oder Karawanserei aus.

    In der Sayyida Ruqqaya Moschee treffen wir fast nur noch auf schwarz gekleidete und völlig verschleierte iranische Pilgerinnen. Die hier beigesetzte Frau Ruqqaya, gestorben im Jahre 680, ist eine Grossenkelin des Propheten Mohammed. Ihr Vater war Hussein, der die Muslime seinerzeit in Schiiten und Sunniten gespalten hat. Dieses schiitische Mausoleum zieht deshalb natürlich vor allem Iranerinnen und Iraner an. Ich muss mich hier vollends verhüllen, obwohl Frauen und Männer getrennte Eingänge benützen. Beim Schrein im Innern des mit unzähligen Spiegeln verzierten Raumes beobachte ich die iranischen Pilgerinnen, die ununterbrochen beten und den Schrein sogar küssen. Die wunderbaren blauen Ziegel geben mir einen kleinen Vorgeschmack auf die islamische Architektur im Iran. Ich freue mich!

    Ein Afghane schiebt einen Karren vor sich her, der mit einer alten Waage versehen ist, um die grünen unreifen Mandeln zu wiegen, die er verkaufen möchte. Neben der Waage hat er sie pyramidenförmig aufgeschichtet.

    Zum Abendessen dürfen wir unsere Gastgeberfamilie zu einer Einladung begleiten. Wir werden von Mahmood eingeladen, einem 50-jährigen Syrer, der auch in Schweden wohnt, hier nur vorübergehend in den

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