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Rückkehr ins Leben
Rückkehr ins Leben
Rückkehr ins Leben
eBook229 Seiten3 Stunden

Rückkehr ins Leben

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Über dieses E-Book

Der 16-jährige Michael verbringt jede freie Minute mit Computerspielen. Dann muss er notgedrungen die ultimative Forderung seiner Mutter befolgen, zwei Wochen lang täglich zu einem alten Holzschnitzer zu gehen, der mit ihm reden soll. Die Konflikte sind vorprogrammiert und bleiben nicht aus, und doch geschieht in dieser Begegnung viel mehr, als er je erwartet hätte. Und dann ist da plötzlich auch noch ein Mädchen, vor dem er sich eigentlich nur blamieren kann...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Okt. 2015
ISBN9783739260136
Rückkehr ins Leben
Autor

Holger Niederhausen

HOLGER NIEDERHAUSEN, geb. 1969 in Berlin, Biologie-Studium, Fortbildung zum Waldorflehrer, Mitgründung eines freien Kindergartens. Seit 1996 intensive Beschäftigung und Verbindung mit der Anthroposophie, damit verbunden mit der sozialen Frage im Großen wie im Kleinen und dem Weg innerer Vertiefung und Entwicklung. Veröffentlichung zahlreicher Bücher für Jugendliche und Erwachsene.

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    Buchvorschau

    Rückkehr ins Leben - Holger Niederhausen

    folgen…

    Sie hatten ihn eingekreist. Er konnte nicht mehr flüchten. Aber er konnte sie noch immer empfindlich treffen.

    „Warte du im Hintergrund, Rogal!"

    „Gut!"

    „Doram, du und ich schlagen gleichzeitig los. Auf mein Zeichen!"

    „Okay."

    „Und Achtung – eins, zwei, drei…"

    Sie feuerten ihre Kraftblitze auf den Orgen ab, und dieser bäumte sich wütend auf. Dies war ein heikler Moment. Wann immer er angegriffen wurde, konnte er mit übernormaler Kraft zurückschlagen. Diese durfte sie nicht treffen.

    „Und jetzt – in Deckung!!!"

    Sie warfen sich hinter die nächsten Steine.

    Der Gegenangriff des Orgen ließ ihre Deckung geradezu erglühen, aber sie blieben geschützt. Knapp zwei Sekunden Zeit blieben nun, um ihn mit der Kraft des Magier endgültig unschädlich zu machen.

    „Los, Rogal!"

    Rogal ließ seinen grünen Angriffsstrahl in Richtung des Orgen schießen und traf ihn. Noch einmal bäumte sich das Monster brüllend auf – und fiel dann zur Erde nieder.

    Sie kamen aus ihrer Deckung hervor und teilten die Kraftpunkte und Besitztümer des Orgen unter sich auf. Er ließ Doram dem Monster einen abschließenden Tritt versetzen.

    „Mission beendet, sagte Morlo. „Das war die letzte für heute. Ab wann seid ihr morgen on?

    „Ich ab 15 Uhr", sagte Rogal.

    „Ich, ähm, muss morgen endlich meinen Englischaufsatz schreiben, bin schon zwei Tage über der Frist, ich denke, es wird erst ab 18 Uhr was…", sagte Doram.

    „Scheiß was auf Englisch! Schreib ihn doch jetzt noch…", antwortete Morlo.

    „23 Uhr! Schreib du doch um diese Zeit noch einen Aufsatz!", schimpfte Doram.

    „Schon gut! Also ich warte. Bin ab 15 Uhr ebenfalls on. Und wir sehen ja, wann du da bist. Also, Jungs, erholt euch etwas – wir haben morgen viel vor. Ihr wisst ja…"

    „Alles klar – gut’ Nacht!"

    „Ja, bis morgen – ich beeil mich."

    Er schaltete offline. Noch gefühlte zwei Minuten starrte er auf den Bildschirm, dann schaltete er den PC aus.

    Jetzt war er wieder einfach nur Michael. Kein kämpfender Avatar mit schimmernder Rüstung, machtvollen Kräften und Waffen und fortwährend auf der Suche nach geheimnisvollen Orten und Aufgaben…

    Auch Morlo war jetzt einfach nur Stefan und nicht der mächtige, erfahrene Krieger, ihr gemeinsamer Anführer. Und Rogal war jetzt nur noch Lars, der Dritte im Bunde. Seine Hauptfigur, der Magier, hatte zwar starke Kräfte für einen Angriff, aber selbst kaum Widerstand – so musste er sich bei ihren Missionen immer erst einmal im Hintergrund halten, um sich nicht zu gefährden. Sie selbst, Morlo und er, hätten einen erfolgreichen Angriff des Orgen durchaus überleben können. Aber es hätte sie eine Menge Kraftpunkte gekostet und sehr zurückgeworfen.

    Er ging ins Bad und putzte sich die Zähne. Dann ging er schlafen. Es war praktisch, dass er hier oben sein eigenes kleines Bad hatte. So gab es wenigstens abends keinen Streit mehr. Aber warum musste man in Englisch Aufsätze schreiben…

    Als er am nächsten Morgen geduscht hatte und bereits verspätet in die Küche kam, begrüßte ihn seine Mutter einsilbig:

    „Guten Morgen."

    „Morgen", erwiderte er ebenso einsilbig. Er hatte wirklich keine Lust auf eine Diskussion – er wollte, dass dies endlich auch morgens aufhörte.

    „Na, wie lang hast du gestern wieder gespielt…"

    Er wusste es. Es war immer wieder das Gleiche.

    „Mam’, hör doch auf! Ich dachte, wir hatten irgendwann mal vereinbart, dass du nicht mehr fragst!"

    „Nicht mehr fragst!? Ach ja!? Erinnerst du dich auch noch, wann das war? Das war, als wir auch vereinbart hatten, dass du allerhöchstens drei Stunden am Tag spielst! Wann war das noch gleich? Keine Ahnung, Michael! Keine Ahnung, wann das war! Aber wieviel spielst du jetzt? Du tust ja praktisch nichts anderes mehr! –"

    Sie hatte sich völlig ereifert und war noch immer nicht fertig. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr keine Hausaufgaben aufhabt! Das kann ich mir einfach nicht vorstellen! Also – wann machst du die überhaupt noch!?"

    Das war etwas, was ihn am allermeisten an seiner Mutter störte: Dass sie irgendwann immer wieder anfing, hysterisch zu werden und ein Drama zu veranstalten. Obwohl er spürte, dass auch in ihm die Wut hochstieg, sagte er betont ruhig:

    „Mam’, du weißt genau, wie ich es mache. Nach der Schule mache ich alle Hausaufgaben – und wenn ich fertig bin, darf ich doch wohl machen, was ich will! Wir haben nun mal nicht mehr so viel auf jetzt. Es ist Ende März. In einer Woche sind Osterferien. Die meisten Klausuren sind geschrieben – das Schuljahr plätschert jetzt so langsam aus…"

    Das war in Bezug auf den Englisch-Aufsatz schlicht gelogen. Ein ganz und gar gutes Gefühl hatte er dabei nicht – aber spätestens heute Abend um 18 Uhr war der Englisch-Aufsatz ja schließlich ebenfalls geschrieben.

    „Plätschert aus? Plätschert aus!? Und umgekehrt kann deine Spielerei also zu einer riesigen Woge anschwellen, die alles mit sich reißt? Michael merkst du eigentlich noch, was du da eigentlich tust? Du zerstörst dein Leben!"

    Seine Mutter sah ihn eindringlich an. Eine Haarsträhne hing ihr in die Stirn.

    Er hatte diese Sprüche satt. Er wollte sich rechtfertigen und den ganzen Blödsinn ihrer übertriebenen Sorge entlarven, aber er hatte dazu keine Kraft. Die Wut über diese immer wiederkehrende Situation übermannte ihn, und er stieß einfach nur betont böse aus:

    „So ein Schwachsinn!"

    Dann ging er ohne einen weiteren Blick an ihr vorbei in den Flur, schnappte sich Rucksack und Jacke, öffnete die Haustür und ließ sie hinter sich laut ins Schloss fallen.

    Er fühlte in solchen Momenten wirklich eine große Wut – und eine große Sehnsucht danach, endlich unabhängig zu sein, erlöst von allen Erwachsenen, die ständig meinten, auf einen aufpassen zu müssen. Und doch gab es da noch ein anderes Gefühl. Auch dieses begleitete ihn, während er zur Schule lief. Auch wenn er seine Mutter nicht mehr angesehen hatte, als er an ihr vorbeigegangen war, wusste er ganz genau, wie sie dagesessen hatte – und wie sie vielleicht auch jetzt noch da saß, in ihrer Küche, ganz allein. Und er wusste es nicht nur, er konnte es auch fühlen…

    Selbstverständlich wusste er sehr genau, dass ihr eigener Ärger nur das war, was nach außen trat – und dass sie sich innerlich tatsächlich Sorgen machte. Seltsamerweise wusste er dies immer dann ganz genau, wenn er sich selbst sehr geärgert hatte und wenn sie wieder einmal so wie eben im Streit auseinander gegangen waren. Dann war die andere Seite seiner Mutter auf einmal sehr nah, unabweislich, und sein schlechtes Gewissen konnte sehr, sehr genau unterscheiden, dass das, was so laut und ärgerlich nach außen trat, nicht alles war.

    Aber war es denn seine Schuld, dass sie sich so viele Sorgen machte? Dass sie jetzt traurig oder vielleicht sogar verzweifelt allein da am Küchentisch saß, vielleicht sogar ein wenig weinte? Er hatte das mal gesehen… Neben dem schlechten Gewissen gab dieser Gedanke doch auch ein schönes Gefühl; das Gefühl, wichtig zu sein. Und eigentlich mochte er ja seine Mutter auch, trotz allem. Aber wenn sie einfach nicht verstand…

    *

    Als er den heutigen Schultag hinter sich gebracht hatte, war der Ärger über den morgendlichen Zusammenstoß bei ihm längst verflogen. Der Englischlehrerin hatte er erzählen können, dass er mit dem Aufsatz schon angefangen habe und dass er ihn zu morgen fertig haben würde. Das war der einzige Wermutstropfen: dass er jetzt erst einmal drei Stunden lang damit beschäftigt sein würde. Aber zumindest war das ein gutes Argument für seine Mutter: dass er heute einmal einen langen Aufsatz zu schreiben hatte. So bräuchte er sich weder mit einem schlechten Gewissen an ihr vorbeidrücken, wenn er auf sein Zimmer ging – und würde auch abends nach getaner Arbeit ab 18 Uhr mit einem wirklich reinen Gewissen weiterspielen können.

    Zuversichtlich öffnete er die Tür. Etwas bedenklich war ihm dann doch zumute, weil der Streit von heute morgen sich in der Wohnung auf einmal doch wieder viel realer anfühlte. Für seine Mutter war das Problem ja doch immer anwesend… Wie würde sie ihn begrüßen?

    Er fand sie im Wohnzimmer.

    „Hi, Mam’", sagte er so harmlos wie möglich.

    „Hallo, Michael", sagte sie. Und nach einer kurzen Pause:

    „Wie war dein Tag?"

    „Gut – wir haben jetzt doch einen Englisch-Aufsatz aufbekommen…"

    „Aha."

    „Ja, dann werde ich mich wohl mal an die Arbeit machen."

    „Michael, wir müssen erst einmal reden."

    Er spürte, wie er innerlich aufstöhnte. Er atmete einmal tief ein.

    „Was ist denn?", fragte er gedehnt.

    „Das weißt du so gut wie ich, antwortete sie. „Setz dich.

    Sie wies auf die Coach.

    Er stöhnte hörbar und ließ sich auf die Coach fallen. Sie setzte sich ihm gegenüber an das andere Ende.

    „Michael", sagte sie ruhig und schaute ihn an.

    Er versuchte, möglichst gelangweilt und relativ genervt zurückzuschauen.

    „Michael", wiederholte sie noch einmal. „Du kommst im Herbst in die elfte Klasse. Du bist vor sechs Wochen sechzehn geworden. Dass du die Prüfungen in diesem Jahr halbwegs geschafft hast, bedeutet nicht, dass die nächsten drei Jahre genauso einfach werden. Wenn du dich nicht anstrengst, wirst du das Abitur nicht schaffen!"

    Er stöhnte wieder.

    „Abitur! Alles dreht sich ums Abitur! Das werde ich schon schaffen. Und wenn nicht – mein Gott, dann mach ich was anderes…!"

    „Aber was, Michael – was!? Das Abitur kann dir nur egal sein, wenn du wüsstest, was du ohne Abitur machen willst. Aber du weißt ja nicht mal den Unterschied! Du weißt ja nicht mal, was man mit Abitur und ohne machen kann. Du weißt ja nicht mal, was du machen willst!"

    „Ich hab ja auch noch über drei Jahre Zeit!"

    „Ja – aber du hast keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken, ob du dich anstrengen willst! Wenn du die Schule jetzt nicht ernst nimmst, ist dein Abitur gefährdet – ja, mehr als das. Und wenn du ohne Abitur dastehst und dich umschaust und merkst, dass du etwas machen willst, wofür man das Abitur gebraucht hätte…"

    „Dann kann ich es ja nochmal nachmachen."

    „Wie stellst du dir das vor!"

    Seine Mutter rief es fast.

    „Wie stellst du dir das vor! Jetzt gehst du zur Schule – jetzt musst du dich anstrengen. Glaubst du, es wird leichter, wenn man es erstmal versaut hat und alles den Bach runtergeht? Nein, glaub mir, es wird immer schwerer. Du musst dich schon entscheiden, anders geht es nicht."

    „Aber ich habe keine so schlechten Noten. Zweien und Dreien – warum machst du dir solche Sorgen!?"

    „Das versuche ich dir die ganze Zeit zu erklären!" Er spürte, wie er wieder allergisch auf ihre Verzweiflung reagierte, die er so wenig verstand.

    „Die Dreien sind im letzten Zeugnis deutlich mehr geworden, ich habe kaum noch Zweien gesehen. Warum ich mir Sorgen mache!? Weil es zum Abitur hin nicht ein wenig, sondern deutlich schwerer werden wird. Man muss sich anstrengen, Michael, anstrengen, wenn man Abitur haben will! Denkst du, das wird einem geschenkt? Denkst du, es wird einem hinterhergeworfen? Aber nein, dich interessiert das ja nicht. Für dich ist ja diese Spielerei alles. Michael, das geht nicht!"

    „Ich hab einfach keine Lust auf diese Scheißschule!"

    Es war ihm einfach so rausgerutscht – aber er hatte auch keine Lust, hinter dem Berg zu halten. Dieses ganze Gerede der Erwachsenen über Schule, Abitur, Studium und so weiter kotzte ihn einfach nur an. Er wusste, dass er seine Mutter damit enttäuschte, aber er hatte auch keine Lust mehr, dauernd auf sie Rücksicht zu nehmen. Ständig verlangten sie, dass man ihre Sichtweise übernahm, aber sie selbst kümmerten sich überhaupt nicht um das, was man selbst dachte. Sollten die Erwachsenen mit ihrer ganzen Schule und ihrer ganzen Welt doch zum Teufel gehen. Ja, das dachte er manchmal wirklich.

    Er wusste, dass er seine Mutter mit seinen Worten schockiert hatte. Aber es war die Wahrheit. Die Schule wurde für ihn immer unwesentlicher. Er war inzwischen auch alt genug, um zu merken, dass die meisten Lehrer irgendwo doch nur ihren Stoff durchzogen, jedes Jahr wieder – es war eigentlich egal, wer zur Schule kam, die Schüler kamen und gingen, die Lehrer unterrichteten jeden Tag das Gleiche. Und irgendwo merkte man sehr deutlich, dass man ihnen eh egal war. Nicht ganz, aber im wesentlichen doch. Man hatte zu lernen, und wer nicht lernte, der war den Lehrern sowas von scheißegal – und den ließen sie sicher sogar mit Vergnügen durchs Abitur fliegen. Er hatte auf diesen ganzen Zirkus einfach keine Lust.

    „Michael…"

    Er hörte, wie seine Mutter sich offenbar gesammelt hatte.

    „Ich weiß ja, dass du es nicht gerade einfach hast, mit einer alleinerziehenden Mutter, so ganz ohne Va–"

    „Ach, hör doch auf!", stieß er wütend hervor und sprang auf.

    „So ein Blödsinn! Als ob es darum ginge! Ist mir doch egal, ob ich ohne Vater lebe. Denkst du, ich kann mich nach fünf Jahren überhaupt noch an ihn erinnern? Als ob das eine Rolle spielt! Lass mich doch einfach in Ruhe mit allem!"

    Er ließ sie stehen, ging die Treppe nach oben, schloss seine Tür und warf den Computer an.

    Stefan meldete sich im Chat zuerst.

    „Was ist los? Es ist erst 14.58 – ich dachte du bist erst ab 18 Uhr on?"

    Er tippte:

    „Frag nicht, lass uns spielen."

    Zuerst spielte er unkonzentriert und mit schlechtem Gewissen. Dann legte er das letztere ab und ging völlig im Spiel auf.

    Gegen 23 Uhr verabschiedete er sich mit dem Hinweis auf den noch zu schreibenden Aufsatz.

    Verstohlen schlich er sich leise in die Küche, holte sich etwas zum Essen aus dem Kühlschrank und warf die drei Chipstüten in den Müll, die er in den letzten Stunden geleert hatte. Wieder auf seinem Bett liegend, kämpfte er zuerst damit, die Ereignisse der letzten acht Stunden aus dem Kopf zu bekommen, und dann damit, etwas englische Gedanken hineinzubekommen.

    Als er schließlich mit dem vierten Absatz kämpfte, fielen ihm bereits fast die Augen zu.

    Zweieinhalb Stunden und knapp zwei Seiten später schloss er das Heft schließlich, weil er einfach nicht mehr konnte. Er wusste, dass dies wohl der schlechteste Englisch-Aufsatz war, den er je geschrieben hatte…

    Obwohl die Sonne warm auf den Marktplatz schien, erledigte Frau Wagner ihren Einkauf, als befände sie sich in einem endlosen dunklen Traum. Auch ihre langjährige Bekannte, bei der sie seit eh und je das Gemüse kaufte, änderte daran nichts.

    „So, Doris, hier sind auch deine Tomaten. Darf es noch etwas sein? Vielleicht etwas von den leckeren Landgurken hier?"

    „Nein, danke Christa, das ist dann alles…"

    „Gut, das macht dann zusammen fünfzehn Euro achtzig."

    „Bitte."

    „Danke. – Und hier hast du vier zwanzig zurück. Aber nun sag mal, was hast du denn auf dem Herzen?"

    „Ich, wieso?"

    „Das sieht man doch! Doris! Mir kannst du es doch sagen, das weißt du doch…"

    „Ach, Christa… Was soll ich sagen? Ich weiß nicht mehr weiter! Michael ist nur noch am Computerspielen. Reden kann man mit ihm nicht mehr – kann ich mit ihm nicht mehr. Er hört mir einfach nicht zu. Und die Schule scheint ihm ganz egal zu sein. Das Abitur… Er denkt, er ist noch gut genug, aber…" – Hier versagte ihr die Stimme.

    „Doris!"

    Doris Wagner wischte sich die Augen und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen.

    „Entschuldige…"

    „Nein, das macht doch nichts…"

    „Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll."

    „Ach, Doris, ich verstehe schon. Würde mein Martin sich so benehmen, mein Mann würde das ganz schnell wieder in Ordnung bringen. Aber du bist ja mit Michael alleine…"

    Frau Wagner sah ihrer Bekannten direkt in die Augen und fragte:

    „Was soll ich tun, Christa?"

    Christa Müller erwiderte den ratlosen Blick und versuchte dabei, etwas Trost zu spenden.

    „Wenn ich das wüsste… Aber – warte mal! Kennst du den alten Holzschnitzer? Mit der Hütte oben am Weg zum Wasserfall? Ich sehe ihn öfter mal auf dem Markt einkaufen."

    Verständnislos schaute Doris Wagner die Gemüseverkäuferinan.

    „Den alten Holzschnitzer? Ich weiß wohl, dass es da oben diese Hütte gibt. Aber ob ich damit jetzt

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