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Wunder eines Sommers
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eBook216 Seiten2 Stunden

Wunder eines Sommers

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Über dieses E-Book

Der 16-jährige Tom hat es nicht leicht: Sein arbeitsloser Vater hat ein Alkoholproblem, seine Freundin Lea hat etwas gegen sein ‚Gegrapsche’, er selbst will cool sein, läuft vor Fehlern aber schnell davon und fühlt sich ebenso schnell wie das fünfte Rad am Wagen. Durch spezielle Umstände begegnet er einem alten Holzschnitzer – und diese Begegnung ist der Beginn einer fundamentalen Wende in seinem Leben ... die zugleich seine ganze Umgebung in eine ganz ungeahnte Veränderung mit hineinzieht.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Okt. 2015
ISBN9783739260129
Wunder eines Sommers
Autor

Holger Niederhausen

HOLGER NIEDERHAUSEN, geb. 1969 in Berlin, Biologie-Studium, Fortbildung zum Waldorflehrer, Mitgründung eines freien Kindergartens. Seit 1996 intensive Beschäftigung und Verbindung mit der Anthroposophie, damit verbunden mit der sozialen Frage im Großen wie im Kleinen und dem Weg innerer Vertiefung und Entwicklung. Veröffentlichung zahlreicher Bücher für Jugendliche und Erwachsene.

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    Buchvorschau

    Wunder eines Sommers - Holger Niederhausen

    folgen…

    Er hatte schlechte Laune – und das war weit untertrieben. Es war mitten in den Sommerferien, und seine idiotischen Eltern hatten nicht einmal genug Kohle, um irgendwie Urlaub zu machen. Vor acht Monaten hatte sein Vater seinen Job bei einer Spedition verloren, den er ebenfalls nicht lange gehabt hatte. Und seine Mutter? Saß nur zuhause und las Frauenzeitschriften. Jetzt saß sein Vater auch zuhause und hatte ein Alkoholproblem.

    Und er? Er saß hier fest mit diesen idiotischen Eltern, in diesem absolut öden, langweiligen Ort, in dem alle Welt Ferien machte, während er hier täglich leben musste. Noch zwei Jahre, dann war er erwachsen. Und dann? Dann hätte er noch knapp zwei Schuljahre vor sich, weil er in dieser bescheuerten siebten Klasse einmal sitzengeblieben war. Danach endlich Abitur – und dann Schluss mit dem ganzen Mist. Was dann kam, das wollte er jetzt überhaupt noch nicht wissen. Auf jeden Fall was anderes als seine Eltern! Raus – weg von zuhause, wie auch immer.

    Aber wie sollte er verdammt nochmal jetzt erst einmal die letzten Ferienwochen überstehen? Er schickte eine SMS an Lea. Er war mit ihr seit drei Monaten zusammen. David und Jan hatten ganz schön geguckt, als er Arm in Arm mit ihr angekommen war. Die Versager versuchten sich auch mal an der und mal an jener – und konnten von Glück sagen, dass sie zur Zeit auch beide eine Freundin hatten, Nina und Anna. Man konnte Wetten abschließen, wie lange das hielt!

    Am liebsten würde er jetzt mit Lea ein Eis essen gehen und danach hier auf dem Brunnen am Marktplatz sitzen und mit ihr rumknutschen. Aber nein – sie war natürlich im Urlaub! Zum Glück waren David und Jan bereits wieder da. Er rief sie an, und sie verabredeten sich beim Eiscafé.

    Er wartete noch zehn Minuten, dann glitt er vom Brunnenrand und schlenderte gemütlich die Straße entlang. Am anderen Ende kamen ihm die beiden auch schon entgegen. Sie wohnten fast nebeneinander und konnten sich so nie verfehlen.

    „Hi, Tom", sagte David.

    „Hi", sagte er. Tom war sein Spitzname – Tom für Thomas.

    „Na, zur Feier des Tages ‘n Eis? Weil wir auch diesen Ferientag schon halb überlebt haben?"

    Die beiden grinsten.

    „Klar", sagte Jan.

    Sie schlenderten zur nahegelegenen Terrasse des Eiscafés. Als sie diese fast erreicht hatten, hielt er die beiden kurz an. Er zeigte auf einen Tisch, an dem ein alter Mann und ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen saßen. Vielleicht könnte man die Kleine ein bisschen ärgern. Sie verstanden.

    Er steuerte auf den Tisch zu, und Jan und David folgten ihm. Als sie zwei Tische weiter Platz genommen hatten, beobachtete er das Mädchen. Löffelte ihr Eis und lächelte zwischendurch brav den Alten an – wie blöd war das denn! Opa und Enkelin, wie rührend! Der Alte war vielleicht sogar von hier, das Mädchen sicher nicht, er hatte sie definitiv noch nie gesehen.

    „Rührend, was?", sagte er spöttisch und grinste den beiden anderen zu.

    Die lachten, laut genug, dass man es hören konnte.

    Der Alte war so ein typischer Berg-Opa. Er könnte direkt von einer Alm heruntergekommen sein. Ein bisschen Respekt konnte man vor so einem stämmigen Opa mit grauem Bart schon haben, aber das interessierte ihn jetzt nicht – und diese Grenze würde er jetzt ganz bewusst übertreten.

    „Wie Heidi und der Öhi!", flüsterte Jan.

    Stimmt! Das, war das Stichwort.

    Er fixierte die Kleine – sie war jedenfalls mindestens ein Jahr jünger als er – und sagte laut in ihre Richtung:

    „Na? Bist du mit deinem Opa Eisessen?"

    Er warf seinen Kumpels einen kurzen Blick zu. Die beiden konnten sich das Lachen kaum verkneifen.

    Das Mädchen tat so, als hörte es nichts. Natürlich hatte sie es gehört, das war deutlich zu bemerken. Er sammelte seinen Spott und fragte genüsslich:

    „Bist du das Heidi?"

    Die Kleine schaute ihren Opa an. Wirklich rührend! Aber plötzlich blickte sie giftig zu ihm herüber und sagte wütend:

    „Ihr habt überhaupt keine Ahnung! Haltet lieber die Klappe!" Jetzt wurde es interessant. Diese harmlose Kleine! Er verstellte seine Stimme und konstatierte süßlich:

    „Oho, das Heidi wird frech…"

    Jan und David lachten nun ganz offen.

    Da wandte der Alte ihnen sein Gesicht zu. Während einer langen Sekunde fühlte er dessen Blick auf sich ruhen, dann erfasste dieser Blick auch seine beiden Kumpel. In einer merkwürdigen Weise fühlte er sich durchschaut. Nun sagte der Alte:

    „Wie alt seid ihr Jungs? Sechzehn? Ihr wollt bald erwachsen sein, oder nicht? Habt ihr so etwas wirklich noch nötig?"

    „Ja, warum nicht?"

    Das war Jan. In seinem Schutz wagte er sich vor und versuchte zu provozieren. Typisch! Na klar, sie könnten jetzt Stress machen, aus Spaß Ernst werden lassen und gucken, wie weit sie noch gehen konnten. Aber sie hatten längst verloren. Alles Weitere würde nur noch peinlich für sie werden.

    „Überleg mal", sagte der Alte trocken und wandte sich wieder ab.

    Okay, das war’s. Es war bereits absolut peinlich. Er stand auf.

    „Kommt, wir gehen.", sagte er.

    Jan und David folgten ihm ohne ein weiteres Wort.

    Als sie außer Hörweite waren, schloss Jan zu ihm auf.

    „He, warte mal. Wieso bist du denn einfach gegangen?"

    „Frag nicht so blöd", erwiderte er gereizt.

    „Wieso blöd? Ich dachte, wir wollten das Mädel ein wenig ärgern?"

    „Du hast den Alten doch gehört?"

    „Ja und? Von dem hätten wir uns doch nicht einschüchtern lassen brauchen."

    „Ach nein? Du traust dich doch eh nur, wenn wir dabei sind!"

    „Und du? Du traust dich noch nicht mal dann."

    Er stoppte – und sie hielten an. Wütend fixierte er Jan und sagte:

    „Halt du jetzt die Schnauze!"

    Sie setzten ihren Weg zum Brunnen am Marktplatz fort und kamen schweigend dort an.

    Er setzte sich wieder auf den Rand und nahm das Gespräch erneut auf:

    „Ist doch einfach nur ein Scheißtag heute!"

    „Wann kommt Lea wieder?", fragte Jan versöhnlich.

    „In zweieinhalb Wochen – am letzten Ferientag."

    „Und…", setzte David an.

    „Was?"

    „…habt ihr neulich…?"

    „Sex gehabt?"

    Natürlich wollten die beiden es wissen. Er hatte sich eh schon gewundert, wie sie die Frage so lange zurückhalten konnten. Er hatte ihnen erzählt, dass er es mit Lea machen würde, und dann waren ihre Eltern an einem Abend ins Theater gegangen, und sie hatten es getan…

    „Ja, fragte nun auch David, „habt ihr?

    „Natürlich – hab ich doch gesagt", erwiderte er trocken.

    „Und?", fragten die beiden fast wie aus einem Mund.

    „Wie war es?", fügte David hinzu.

    „Einfach nur geil."

    „Erzähl doch mal", drängte David nun mutiger.

    „Geht dich gar nichts an. Bist du noch nicht aufgeklärt, oder was?"

    „Hey, du kannst doch deinen Freunden wohl mal ein bisschen was erzählen?", sagte Jan.

    „Mann, ich habe gesagt, es war geil. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Mach’s doch selber!"

    Er genoss seinen uneinholbaren Vorsprung in vollen Zügen. Nina und Anna würden die beiden sicher nicht so schnell an sich ranlassen, wenn überhaupt, da ging er fast jede Wette ein. Ein leises Murren von Jan bestätigte seine Vermutungen.

    „Sag doch Anna einfach, dass du es willst – dann wird sie schon –"

    „Ha, ha, erwiderte Jan langgezogen, „wenn das so einfach wäre!

    „Wie – nicht?, fragte er ironisch. „Ihr knutscht doch auch überall rum. Wieso nicht ein wenig tiefer gehen…

    Jan atmete hörbar aus.

    „Das wird so schnell nichts."

    „Dann musst du’s wohl noch ne Weile allein machen."

    „Idiot!"

    Er grinste.

    „Selber."

    „Du hast gut lachen", mischte sich David nun wieder ein.

    „Wie hast du das denn geschafft?"

    Er stöhnte genervt, jedenfalls tat er genervt.

    „Mann, Dave, frag sie einfach. Nein, quatsch, sag es Nina einfach, dass du es willst – und dann macht ihr’s."

    Jetzt stöhnte auch David, resigniert.

    „Ich hab gar nichts geschafft, antwortete er nun auf Davids Frage, „Lea wollte es genauso wie ich.

    „Du hast’s gut", kommentierte David.

    „Tja", sagte er gespielt locker. „Vielleicht seid ihr den Mädels noch nicht reif genug…"

    „Idiot!, sagte Jan wieder. „Mann, jetzt tu doch nicht so! Einmal Sex gehabt und tut jetzt ganz groß!

    „Na, dann frag halt nicht."

    Er hätte sie gerne noch länger gequält. Darum machte er noch einen Ansatz:

    „Warte halt, bis die Reihe auch an dich kommt, wenn du’s nicht selbst herbeiführen kannst…"

    *

    Sie hatten dann nicht mehr sehr viel mit sich anzufangen gewusst. Als schließlich jeder wieder nach Hause ging, musste Thomas sich eingestehen, dass dieser Tag gründlich schief gelaufen war.

    Die Wahrheit war es auch nicht ganz gewesen, womit er vor den beiden so geprahlt hatte. Ja, es war geil gewesen. Aber irgendwie musste er sich doch etwas ungeschickt angestellt haben. Denn so toll es wohl auch Lea gefunden hatte – gekommen war sie nicht… Was natürlich sicher daran gelegen hatte, dass es bei ihm auf einmal so furchtbar schnell gegangen war. Er wollte es bei ihr dann mit der Hand machen, aber sie hatte seine Hand dann weggeschoben…

    Lustlos stieg er die drei Stockwerke bis zu seiner Wohnung hoch. Er schloss auf. Seine Mutter war noch einkaufen, sein Vater saß vor dem Fernseher, natürlich mit der Bierflasche in der Hand. Er schloss ohne zu grüßen die Wohnzimmertür, ging zurück in sein eigenes Zimmer, warf sich aufs Bett und drehte die Stereoanlage auf.

    Als seine Mutter wiederkam, ging er in die Küche. Er wollte einen Joghurt essen.

    „Hi."

    „Hallo, Thomas."

    „Wo ist der Joghurt?"

    „Oh, den habe ich vergessen."

    Stöhnend fragte er:

    „Und was soll ich jetzt essen?"

    „Was du willst."

    „Na, toll!"

    „Kauf doch selbst ein, anstatt mit deiner Mutter so zu reden!", hörte er die scharfe Stimme seines Vaters hinter sich. Plötzlich stand dieser wie aus dem Nichts da. Vielleicht hatte er einmal zur Toilette gemusst und sie dabei gehört.

    „Ich habe ihr extra gesagt, sie soll Joghurt kaufen!", verteidigte er sich ebenso scharf.

    „Dann kaufst du eben selbst welchen!", entgegnete sein Vater noch wesentlich drohender als vorher.

    „Scheiße…", zischte er wütend.

    „Was!?", fragte sein Vater herausfordernd.

    „Scheiße hab ich gesagt."

    „Du kriegst gleich was hinter die Ohren!"

    Er hatte in Wirklichkeit noch nie etwas bekommen, aber wenn die ‚Gespräche’ bis hierhin eskaliert waren, hatten sie immer einen Punkt erreicht, den er nicht zu überschreiten wagte, denn er wusste, dass sein Vater die Drohung wahrmachen konnte.

    Wütend hielt er dem Blick seines Vaters stand, sagte aber nichts mehr… Provokativ ging er an ihm vorbei in sein Zimmer.

    Von dort hörte er dann, wie sein Vater mit seiner Mutter in Streit geriet. Er hörte nicht die Worte, aber es war immer dasselbe… Und wie immer hörte er mit einer Mischung aus Triumph und Selbsthass zu. Triumph, weil er wusste, dass seine Mutter ihn irgendwie verteidigte, jedenfalls mit seinem Vater nicht einverstanden war. Selbsthass, weil er wusste, dass er allein Schuld an dem Streit war, den nun auch seine Mutter auszubaden hatte.

    Wann würde er dies endlich nicht mehr miterleben müssen?

    Zwei Wochen später hatte er die Zeit ohne Lea fast überstanden. Er saß wieder einmal alleine auf dem Brunnenrand und beobachtete die Leute. David und Jan waren jetzt ebenfalls verreist. Nun musste er einige Tage völlig allein überleben. Ein Scheißleben war das…

    Irgendjemand, der ihm bekannt vorkam, kam auf einmal auf ihn zu. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ihm dämmerte, dass dies der Alte vom Eiscafé neulich war. Als ihm dies klar wurde, war es für jede vernünftige Reaktion oder eventuell sogar Flucht längst zu spät. Nun stand er bereits vor ihm und sagte:

    „Erinnerst du dich?"

    Wieder fühlte er sich von diesem festen Blick gemustert, nein, nicht so sehr gemustert, eher festgehalten oder, ja… durchschaut. Er versuchte, ihm standzuhalten, und erwiderte wie nichtsahnend:

    „Was denn?"

    „Was sollte das neulich?", war die ruhige, aber doch auch fordernde Antwort.

    „Was denn?", versuchte er es noch einmal.

    Der Alte schaute ihn unverwandt an.

    „Kannst du nicht ehrlich zu dir selbst stehen?"

    Siedendheiß durchströmte es ihn. Das war die falsche Frage…

    „Was denn…", sagte er ein drittes Mal, nun beschwichtigend.

    „Ich hab doch nur ein bisschen Spaß gemacht."

    Obwohl der Alte vor ihm stehen musste, während er auf dem erhöhten Brunnenrand saß und versuchte, betont lässig zu sein, fühlte er sich innerlich wesentlich kleiner als der Mann vor ihm. Dieser sagte nun:

    „Spaß…"

    Die Stille nach diesem Wort ließ ihn noch kleiner werden.

    „Denkst du bei dem Spaß eigentlich auch einmal an diejenigen Menschen, die du als Opfer wählst?"

    Und noch etwas kleiner… Er versuchte, sich zu behaupten.

    „Hey, Mann, Spaß – okay? Spaß…!" Er spürte, wie er wieder Oberwasser bekam. Darum fügte er hinzu: „Wer sich wie ein Opfer fühlt, ist doch selbst schuld…"

    „Oh ja!", sagte der Alte nun wie zustimmend. „Damit machst du dir die Sache natürlich sehr einfach. Du kannst deinen Spaß haben, wie du es willst, und wer diesen ‚Spaß’ nicht mitmacht oder einfach von dir nicht belästigt werden möchte, der ist im Unrecht, wie?"

    Auf eine solche Diskussion war er nicht vorbereitet. Doch der Alte fügte noch hinzu:

    „Woher nimmst du dir eigentlich das Recht, Menschen zu beleidigen?"

    Kurz spürte er, dass er die Wahl hatte: die Wahl, sich nun ganz und gar klein und schuldig zu fühlen – oder alles von sich abzuwerfen und diesen moralisierenden Alten einfach nur stehen zu lassen. In der nächsten Sekunde fühlte er schon seinen Ärger aufsteigen und hörte sich selbst sagen:

    „Ach, leck mich doch!"

    In diesem Moment wusste er, dass der Alte ihm nichts anhaben konnte. Er beeilte sich darum auch nicht, als er vom Brunnenrand herunterglitt, und ging dann an ihm vorbei in dieselbe Richtung weg, aus der der Alte ihm entgegengekommen war. Es kostete ihn einige Mühe, sich nicht umzudrehen, aber er schaffte es…

    Als er nach endlosen Sekunden schließlich um die nächste Ecke gebogen war, hatte er nicht nur eine halbe Ewigkeit die Blicke des Alten in seinem Rücken gespürt, sondern auch die ganze Zeit gewusst, dass dies die falsche Reaktion gewesen war. Er hatte stark sein wollen – und war äußerlich auch stark gewesen –, aber er hatte ein zweites Mal verloren, diesmal noch stärker, und diesmal erst recht nicht gegen den Alten, sondern gegen sich selbst…

    Während er mechanisch weiterging, begann die Erkenntnis zu ihm durchzudringen, dass der Alte ihm leidtat. Nicht, dass er glaubte, dieser wäre hilflos zurückgeblieben – aber immer stärker spürte er, dass der Alte ehrlich mit ihm gesprochen hatte, während er nichts anderes hatte tun können, als ihn erst recht aufs Stärkste zu beleidigen. Im Grunde war alles wahr, was der Alte gesagt hatte – und er hatte nur weglaufen können. In ihm stieg ein Entschluss auf. Doch seine Füße marschierten einfach weiter.

    Erst nach etwa zwanzig Schritten konnte er stoppen. Dann dauerte es noch ganze zwei Minuten, bis er den Mut fand, seine Schritte wieder in Bewegung zu setzen… in die andere Richtung, aus der er gerade gekommen war. Er hoffte und fürchtete, dass der Alte noch da wäre. Hoffentlich war er noch da.

    Aber als er den Platz wieder erreichte, war er nicht mehr da…

    Vier Tage später war Lea wieder da. Sie trafen sich beim Brunnen. Es war der letzte Ferientag.

    „Hey, Tom."

    „Hallo Lea!"

    Er küsste sie. Und schon standen sie knutschend mitten auf dem Marktplatz, während die Leute an ihnen vorbeigingen…

    Irgendwann wurde er noch mutiger und wollte ihre Brüste berühren, aber sie schob seine Hand weg und sagte:

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