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Frauenpower auf Arabisch: Jenseits von Klischee und Kopftuchdebatte
Frauenpower auf Arabisch: Jenseits von Klischee und Kopftuchdebatte
Frauenpower auf Arabisch: Jenseits von Klischee und Kopftuchdebatte
eBook224 Seiten2 Stunden

Frauenpower auf Arabisch: Jenseits von Klischee und Kopftuchdebatte

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Über dieses E-Book

Starke Frauen, gute Geschichten: In Porträts und Reportagen erzählt Karim El-Gawhary vom Leben in den dunklen Zeiten der Diktatur, während der Aufstände und in der heutigen arabischen Welt. "Es ist wichtig, was wir im, und nicht, was wir auf dem Kopf haben", sagt die junge libysche Frauenaktivistin Magdoulin. In diesem Buch geht es darum, was arabische Frauen im Kopf haben.
Ohnmächtige, wehrlose graue Mäuse, das ist oft das Bild, das der Westen von arabischen Frauen hat. Meist wird über sie, selten mit ihnen geredet. Nun kommen Araberinnen selbst zu Wort, lassen ihr Leben für sich sprechen. Den arabischen Frauen eine Stimme zu geben, das ist das Ziel dieses Buches.

Da gibt es die stolzen Pionierinnen wie Umm Khaled, die einzige LKW-Fahrerin Ägyptens, die mit ihrem 30-Tonner durchs Nilland brettert, oder Ghalia, die Fernsehköchin der Armen.
Bittere Verliererinnen sind Umm Naama, die mit einem Euro am Tag ihre sechsköpfige Familie durchbringen muss, oder die Palästinenserin Kamile, deren Sohn in den Krieg zieht, weil Mama nicht gegen Gott konkurrieren kann.
Und schließlich erzählt Karim El-Gawhary auch von den unerschrockenen Kämpferinnen wie Abier, die die erste Gewerkschaft der Brotverkäuferinnen erstritten hat, oder von der Bahraini Zeinab, die für ihr Engagement für Demokratie auch ins Gefängnis geht.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Sept. 2013
ISBN9783218008976
Frauenpower auf Arabisch: Jenseits von Klischee und Kopftuchdebatte

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    Buchvorschau

    Frauenpower auf Arabisch - Karim El-Gawhary

    Spray it, Habibti

    Sie hat es zu Hause oft genug geübt und genau gestoppt: Nur acht Minuten braucht die Grafitti-Künstlerin Mira Shihadeh, um ihr Supergirl an die Hauswände Kairos zu sprühen. Ihre arabische Comic-Heldin, stets in den ägyptischen Nationalfarben Schwarz, Weiß und Rot gehalten, sprüht selbst kämpferisch mit einem Insektenspray ein paar nervige Männer wie Kakerlaken weg. „Nein zur sexuellen Belästigung, heißt es daneben auf Arabisch. „Das ist meine ägyptische 007, sie zieht ihre Sprühdose und pustet einfach alles weg, beschreibt Mira ihr Werk – „Spray it, Habibti, „Sprüh’s weg, Liebling, hat jemand auf Facebook ihre paradoxe Figur getauft. Kämpferisch breitbeinig steht sie da, aber auch sexy mit ihren Stöckelschuhen, in engen Leggings und einem Oberteil, das ihre Rundungen betont, und lächelt mit ihren rot geschminkten Lippen unter dem Kopftuch hervor.

    „Spray it, Habibti" verkörpert so ziemlich alle Widersprüche vieler junger arabischer Frauen. Ihre Sexualität zelebrierend, die auch das Kopftuch nicht verstecken kann, sind sie oft Opfer sexueller Belästigung, beginnen aber auch, sich aggressiv gegen die eigene lästige Männerwelt zur Wehr zu setzen und gegen einen Westen, der sie nur als Opfer sieht.

    Es sind dieselben Widersprüche, die auch in diesem Buch immer wieder auftauchen werden. Denn arabische Frauen sind wesentlich komplexer, als sie im Westen oft wahrgenommen werden. Die einen in Europa nehmen sie in ihren islamfeindlichen und oft offen rassistischen Blogs als Beweis, um die Schlechtigkeit der Religion zu untermauern. Die anderen illustrieren mit ihnen die Rückständigkeit patriarchaler Gesellschaften. Die neueste Mode: Wohlgefällige, auserwählte Migrantinnen werden als Kronzeuginnen für die islamische Rückständigkeit bestellt, mit dem einzigen Ziel, sich die eigene Meinung bestätigen zu lassen. Die ausgefeiltere Variante dieser Methode besteht darin, die zehn üblichen weiblichen verdächtigen „Feministinnen" in der arabischen Welt wieder und wieder zu zitieren.

    Auf diese Weise werden die arabischen Frauen vereinnahmt, die wenigsten machen sich die Mühe, sie selbst zu fragen. Und vielleicht ist dieses Buch ein weiterer Versuch der Vereinnahmung. Die Unterdrückung der arabischen Frau ist ein gutes Geschäftsmodell. Aber in diesem Buch kommen die Frauen selbst zu Wort oder lassen ihr Leben für sich sprechen. Die Geschichten zeigen, dass die Wirklichkeit nicht schwarz oder weiß ist und westliche Stereotypen die Realität nicht abbilden.

    Verliererinnen und Gewinnerinnen des arabischen Wandels

    Aber es soll hier auch nichts schöngeredet werden. Islamisch-konservative Strömungen und Traditionalisten versuchen die Frauen immer wieder an den Rand zu drängen. Betrachtet man die obere politische Ebene, erscheinen Frauen als die Verliererinnen im neuen arabischen Umbruch. Sie hatten aktiv an den Aufständen gegen die Diktatoren teilgenommen, doch die in der Folgezeit erstarkten Islamisten wollten sie wieder zurück an den Herd schicken. Es gibt im Westen eine Tendenz, sich in besserwisserischer Arroganz zurücklehnen, nach dem Motto: „Die Araber oder Muslime bekommen es ohnehin nicht gebacken. Das haben wir schon immer gewusst." Weil sie aus den politischen Entscheidungsprozessen weitgehend ausgeschlossen bleiben, müssen die arabischen Frauen dabei als Beweis dafür herhalten, dass der Arabische Frühling nicht über Nacht die erträumten Tausendundeine Revolutionen hervorgebracht hat.

    Betrachtet man das Bild von unten, von der gesellschaftlichen Ebene her, wird aber deutlich, dass die Frauen auch zu den Gewinnerinnen des arabischen Wandels zählen. Der hat weder mit dem Sturz der Diktatoren begonnen noch wird er damit aufhören. In der jetzigen Zeit, in der alles im Fluss ist und die politischen Schleusen geöffnet wurden, entstehen auch für die Frauen neue Möglichkeiten des sozialen Wandels. Denn die alten Hierarchien in den Familien, zwischen Jugendlichen und Alten und zwischen Männern und Frauen, wenn sie vielleicht auch nicht zusammenbrechen, werden zumindest so in Frage gestellt wie noch nie zuvor.

    In diesem Buch tauchen Frauen als Pionierinnen auf, wie die ägyptische Lastwagenfahrerin Umm Khaled, die mit ihrem 30-Tonner durchs Nilland kreuzt, oder Samira und Iman, die schon zu Mubaraks Zeiten auszogen, um die Wüste zu begrünen, oder Ghalia, die Fernsehköchin für die Armen.

    Sie kommen auch als Opfer vor, die selbst in Krieg und Leid ihre Frau stehen, wie die Studentin Hadil, die in nur einem Jahr Aufstand in Syrien um 20 Jahre gealtert ist, oder Kamile, die als palästinensische Mutter ihren Sohn nicht davon abhalten kann, in den heiligen Krieg zu ziehen, während die junge Palästinenserin Ajat als Selbstmordattentäterin selbst zur Waffe wird.

    Und dann sind da noch jene unzähligen Frauen, die sich der Veränderung verschrieben haben. Mariam, die nur 23-jährige ägyptische Frauenrechtlerin, die gerade erst angefangen hat, in der neu entstehenden arabischen Welt für ihre Rechte zu kämpfen, und die sich schon jetzt energisch Gehör verschafft. „Eine Revolution dauert nicht 18 Tage oder ein oder zwei Jahre. Sie ist permanent. Dass wir Frauen unsere Ziele nicht erreicht haben, heißt nur, dass wir weiterkämpfen müssen, lautet ihr Kommentar am zweiten Jahrestag des Sturzes Mubaraks. Da ist Zeinab, die als @angryarabiya, als wütende Araberin, aus Bahrain twittert, wenn sie nicht gerade wieder für ihren couragierten Einsatz für die dortige Bürgerbewegung hinter Gittern sitzt. Oder Abier, die im ägyptischen Suez die erste Gewerkschaft der Straßen-Brotverkäuferinnen gegründet hat und die auch nicht davor zurückschreckt, ihren Arbeitskampf voranzubringen, indem sie die Vertreter der Bezirksverwaltung mit ihren Schuhen verprügelt. Und dann ist da natürlich Manal, die sich in Saudi-Arabien trotzig allen Verboten widersetzt und sich hinters Steuer gesetzt hat. Auch nach neun Tagen Haft erklärte sie noch aufmüpfig: „Sie haben sich mit der falschen Frau angelegt.

    Mehr als nur Objekt männlicher oder westlicher Vorurteile

    „Wir müssen endlich dieses Image der arabischen Frau als passives Opfer demontieren, fordert die libysche Frauenrechtlerin Zahra Langhi unter heftigem Applaus auf einer Veranstaltung zum Thema „Frauen und der Arabische Frühling. Und genervt ist so manche Araberin darüber, wie ihr Leben und ihre Individualität auf einige wenige Themen reduziert werden. Die ägyptische Feministin Mona Eltahawy spricht von den beiden H’s – „Headscarfes and Hymens – „Kopftücher und Jungfernhäutchen, weil, wie sie schreibt, „arabische Frauen zu oft nur über das definiert werden, was sie auf dem Kopf oder zwischen den Beinen haben."

    Die Kritik vieler arabischer Frauen macht dabei auch nicht vor dem Westen halt, der sich so gerne die Befreiung der arabischen Frau auf die Fahnen heftet und sie als orientalistischen Maßstab benutzt, um seine eigene Aufklärung und seinen eigenen Fortschritt in Sachen Frauenrechte zu zelebrieren. Doch geht es dabei vor allem darum, mit einem „schaut mal, wie schlecht es im Vergleich zu uns unseren arabischen Schwestern geht", das selbst nicht Erreichte zu vertuschen.

    Diese Haltung strotzt nur so von stereotypem Schubladendenken und voreiligen Schlussfolgerungen, die der Realität der arabischen Frauen nicht gerecht werden. Ob die Ägypterinnen Samira, Iman, Inas, Fatma, Magda, Tahani, Randa, Ghalia und Abier, die Jemenitin Bouschra, die Palästinenserinnen Ghada, Ajat und Kamile, die Libyerinnen Sareen, Fawzia, Magdoulin, Wafa und Intisar, die Syrerin Hadil, die Bahraini Zeinab oder die saudischen Frauen Salwa und Manal: Alle Frauen, die auf den folgenden Seiten porträtiert werden, haben ihre ganz eigenen Kämpfe durchzustehen, sei es als Pionierinnen in ihrer Gesellschaft, als Frauen im Krieg oder als Aktivistinnen, die Veränderungen vorantreiben. Sie alle können jedem arabischen Mann, aber auch jeder europäischen Frau das Wasser reichen. Das gilt umso mehr, als sie oft unter viel widrigeren Umständen für ihre Rechte zu kämpfen haben: in Armut, im Krieg, in der permanenten Krise, also immer steil bergauf oder mit dem Rücken zur Wand. Die Araberinnen, die jetzt, besonders in den Zeiten des Umbruchs, für ihre Rechte kämpfen, brauchen kein selbstgefälliges westliches Bedauern und Mitgefühl, das erbarmungslos als Stigma an ihnen klebt.

    Die junge libysche Frauenaktivistin Magdoulin Obeida fasst es mit Blick auf westliche Kopftuchdebatten so zusammen: „Es kommt doch nicht darauf an, was wir auf dem Kopf, sondern was wir im Kopf haben." Ein Satz, mit dem die arabischen Frauen in den letzten Jahren immer wieder und wieder in Richtung Westen appelliert haben. Wie oft muss man diesen Satz noch wiederholen, bis diesen Frauen endlich zugehört wird, bis zur Kenntnis genommen wird, was sie selbst wollen und was sie im Kopf haben? Wie lange werden sie noch zum Objekt degradiert? Die arabischen Frauen zum Subjekt zu machen und ihnen eine Stimme zu geben, das ist das Ziel dieses Buches.

    Alle reden vom Kopftuch – wir nicht

    Oder wir tun es nun doch ein wenig, wenngleich nur am Anfang, um dann im Rest des Buches nicht mehr darüber zu sprechen.

    Es ist ein Stück Stoff, um das sich die Geister streiten, ganz besonders, wenn es vor dem Gesicht oder auf dem Kopf platziert ist, aber auch, wenn es gar nicht vorhanden ist. Für die einen ist es ein Symbol der Frauenunterdrückung. Für die anderen ist es ein religiöses Muss oder zumindest ein Symbol ihrer Religion, Kultur und Tradition. Es gibt vielfältige Gründe, warum muslimische Frauen in der arabischen Welt ein Kopftuch oder einen Schleier tragen, wie etwa: der gesellschaftliche Druck der islamisch konservativen Strömungen, eine Modeerscheinung, das Gefühl, geschützter zu sein und weniger angemacht zu werden, die Hoffnung, ins Paradies zu kommen, das Verdecken der Armut durch vereinheitlichte Kleidung, die Ermöglichung von Mobilität als Frau in einer konservativen Familie, weil Frauen mit Kopftuch draußen mehr Freiheiten zugestanden werden.

    Nur eines ist das Kopftuch oder das offene Haar mit Sicherheit nicht: ein Zeichen oder ein Ausdruck, mit dem die Trägerinnen oder Nichtträgerinnen in eine Schublade gesteckt werden können. Oft wird in Europa das Kopftuch mit der Frau als ohnmächtiger grauer Maus in Verbindung gebracht, während offenes Haar für Stärke und Selbstbewusstsein steht. Dieses Bild konterkarieren Frauen, die auch in diesem Buch vorkommen, wie Umm Khaled, Ägyptens einzige Fernfahrerin, die sich das Kopftuch zurechtrückt, bevor sie an ihrem 30-Tonner die Reifen wechselt. Oder die Libyerin Fawzia mit ihrem schicken Tuch im Leopardenmuster, das sie trägt, als sie sich für die nächste Fahrt zur Rebellen-Front gegen Gaddafi vorbereitet. Auch bei einem Besuch der immer populäreren Frauenselbstverteidigungskurse in Kairo kann man sehen, wie die Kopftuchträgerinnen zum Schlag ansetzen. Am 8. März, dem internationalen Frauentag, demonstrierten in Kairo mehrheitlich Kopftuch-Frauen Seite an Seite mit ihren unbedeckten Mitstreiterinnen. Weibliches Selbstbewusstsein und ein Kopftuch sind kein Widerspruch.

    „Es ist nicht mehr länger hinnehmbar, dass die Lage der Frau in unseren Gesellschaften verkürzt auf die naive Formel gebracht wird, ,unverschleiert ist gleich zwangsläufig modern und kopftuchtragend ist gleich zwangsläufig traditionell unterdrückt‘." Das greife zu kurz und werde der komplexen Wirklichkeit nicht gerecht, schreibt die bekannte ägyptische Schriftstellerin Mansura Eseddin.

    Nur ein Stück Stoff

    Aber nicht nur in Europa ist die Kopfbedeckung der arabischen Frauen mit einem Stigma belegt. Junge Ägypterinnen können ein Lied davon singen, wie Nehal Elmeligy, die in ihrem Blog „Onmymind über ihre persönlichen Erfahrungen, aber auch die ihrer Freundinnen, mit und ohne Kopftuch, schreibt. Auf dem Blog findet sich ein Foto, auf dem Nehal mit einem Schild auf einem der großen Plätze Kairos gemeinsam mit einer Gruppe von Anhängerinnen des damaligen Präsidentschaftskandidaten und Muslimbruders Mohammed Mursi steht. Sie war die einzige ohne Kopftuch und hielt ein Schild hoch mit der Aufschrift: „Ich bin keine Anhängerin der Muslimbrüder, aber ich werde Mursi wählen.

    Das war zur Zeit der ersten ägyptischen Präsidentschaftswahl. Die Frage damals war, wer wird das Land in Zukunft regieren, die Restposten des Mubarak-Regimes, wie der ehemalige Premier Ahmed Schafik, oder die Muslimbrüder unter Mohammed Mursi? Nehal hatte ihre Wahl getroffen.

    Das Bild machte auf Facebook die Runde. Die einen brandmarkten sie als Verräterin. Wie könne sie nur, wo sie doch kein Kopftuch trage, einen Muslimbruder wählen. Andere bezeichneten sie als „respektable Person", obwohl sie kein Kopftuch trägt.

    „Ich habe mich gefragt, was hat das Kopftuch mit meiner politischen Auswahl zu tun, schrieb sie anschließend in ihrem Blog. „Ich hatte keine Ahnung, dass ich mit oder ohne dieses Stück Stoff sofort katalogisiert werde, erklärt sie.

    Als sie 13 Jahre alt war, hatte sie ein Kopftuch angezogen, gefolgt von einer, wie sie schreibt, „vielfältigen persönlichen Schlacht". Sie behielt es zehn Jahre lang an, bevor sie es dann wieder abnahm. Abgesehen vom ersten Tag, an dem sie erstmals wieder mit unbedecktem Kopf in die Öffentlichkeit trat, war ihr nie wieder so bewusst geworden, kein Kopftuch zu tragen, wie an jenem Tag, als sie das Mursi-Schild hochhielt.

    Sie schreibe diesen Artikel nicht, um zu diskutieren, ob das Kopftuch islamisch vorgeschrieben sei, und auch nicht, um ihre Geschichte zu erzählen, wie es war, als sie das Kopftuch abnahm. Sie wolle einfach nur aufzeigen, wie faszinierend es ist, dass Frauen nur über dieses Stück Stoff definiert werden.

    Etwa am Arbeitsplatz: Der Personalleiter des „Four Season-Hotels in Kairo hat ihrer Bekannten A.H. unmissverständlich klar gemacht, dass sie sofort dort zu arbeiten anfangen könne, wenn sie das Kopftuch abnehme. Frauen mit Kopftuch werden als „nicht präsentabel und „schlecht qualifiziert" angesehen, schreibt die Nicht-Kopftuch-Trägerin Nehal, um dann gleich ein weiteres typisches Beispiel zu bringen. Als ihre Freundin, die 26-jährige Sara Imam, mit offenem Haar einen Mann nach einer bestimmten Straße in Kairo fragte, erklärte der ihr automatisch den Weg zur benachbarten Kirche.

    „Wenn eine Gesellschaft dich als ,gutes Mädchen‘ oder als ,Christin‘ oder als ,nicht qualifiziert‘ einordnet, je nachdem, ob du ein Kopftuch trägst oder nicht, werden die Frauen dann nicht als Massenware abgestempelt? Wo ist die Individualität der Frauen geblieben?", fragt Nehal.

    Von denen, die sich für das Kopftuch entscheiden, werde auch erwartet, dass sie sich züchtig verhalten und konservativ kleiden und in der Öffentlichkeit nicht laut lachen. Und es werde dann darüber diskutiert, ob diese oder jene Frau, die ein Kopftuch trägt, ansonsten züchtig gekleidet sei, ob die Hose zu eng oder ob eine Hose überhaupt passend sei. Die Frau verliert ihren Individualismus. „Frauen mit Kopftuch werden als kulturelle, religiöse und intellektuelle Blaupausen angesehen", schreibt Nehal. Viele Kopftuchträgerinnen versuchen das zu unterlaufen und ihre Individualität mit modischen Accessoires zu unterstützen. Auch die Kopftücher, ihre Farben und wie sie gewickelt sind, durchlaufen modische Trends.

    Manche Frauen haben ihren ganz eigenen, oft recht pragmatischen Zugang. Wie Nehals Freundin, die 24-jährige Nesma A. Sie trägt einen Bikini, wenn sie im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich arbeitet, und ein Kopftuch, wenn sie in Kairo ist. Nicht, weil sie das als religiöse Pflicht ansieht, sondern weil sie es dort als bequemer und passender empfindet. Und wenn sie bei einem Metal Concert am Keyboard spielt, dann trägt sie eine Perücke, weil sie sich dort einfach nicht mit einem Kopftuch vorstellen kann.

    Das Kopftuch – ein Politikum

    Es sind beileibe nicht immer die Väter oder Ehemänner, die ihren Frauen das Kopftuch aufzwingen. Hamdy arbeitet als Fahrer und lebt im Kairoer Armenviertel Daressalam. Verzweifelt erzählt er mir, dass seine Frau begonnen habe, einen Gesichtsschleier, einen Niqab, zu tragen, der nur ihre Augen freilässt. Das habe ihr ein Fernsehscheich in einem der Koranprogramme eingeredet, klagt ihr Ehemann. Der TV-Prediger habe sie überzeugt, dass das ihre islamische Pflicht und für die Mutter von vier Söhnen der Weg ins Paradies sei. Seitdem huscht sie immer schnell ins Hinterzimmer, wenn ein Fremder an der Haustür klingelt, und zieht ihren Schleier über. „Diese Tradition des Vollschleiers ist von Saudi-Arabien auf Ägypten übergeschwappt", meint Hamdy. Er ist selbst ein gläubiger Moslem, aber das habe nichts mit dem Islam zu tun, ein Kopftuch reiche vollkommen aus,

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