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Geradegerückt: Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden
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Geradegerückt: Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden
eBook250 Seiten2 Stunden

Geradegerückt: Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden

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Über dieses E-Book

Was glaubt sie, wer sie ist? Berühmte Männer kommen mit allem durch, Frauen im Rampenlicht verzeihen wir: nichts. Beate Hausbichler und Noura Maan fragen, was das soll – und rehabilitieren Whitney, Britney &Co.
Huren, Hexen, Hochstaplerinnen: Prominente Frauen müssen sich im Windkanal der Öffentlichkeit oft warm anziehen. Unerbittlich jagt der Boulevard in Ungnade gefallene Royals wie Meghan Markle, verleumdet lebenslustige Starlets wie Paris Hilton und wird zum Richter, wenn Natascha Kampusch sich weigert, das Opfer zu sein. Schmutzkübelkampagnen sorgen dafür, dass widerständige Frauen als schwierig, undankbar oder labil gelten. Warum das so ist, durchleuchten Beate Hausbichler, Noura Maan und viele weitere Autorinnen anhand von Schicksalen berühmter Frauen – und rücken die Perspektive auf sie gerade.
Mit geradegerückten Porträts von: Pamela Anderson, Marie Antoinette, Mariah Carey, Mia Farrow, Paris Hilton, Whitney Houston, Janet Jackson, Natascha Kampusch, Amanda Knox, Monica Lewinsky, Gina Lisa Lohfink, Courtney Love, Meghan Markle, Sinead O'Connor, Yoko Ono, Camilla Parker Bowles, Pocahontas, Romy Schneider, Jean Seberg, Caster Semenya, Britney Spears, Sharon Stone, Taylor Swift, Tic Tac Toe, Serena Williams, Chien-Shiung Wu, Bettina Wulff
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum27. Feb. 2023
ISBN9783218013734
Geradegerückt: Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden

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    Buchvorschau

    Geradegerückt - Beate Hausbichler

    Pamela Anderson: Kein Recht auf Privatsphäre

    Eine Frau zieht sich für Fotos aus und hat trotzdem das Recht, über die Darstellung ihres Körpers zu bestimmen: Die Geschichte von Baywatch-Star Pamela Anderson zeigt, dass das alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist

    Anya Antonius

    Es sind nur acht Filmminuten, doch sie beeinflussen das Leben Pamela Andersons bis heute. Bis der Skandal über ihr Leben hereinbricht, hat die junge Frau eine steile Karriere hingelegt. In einfachen Verhältnissen in einer kanadischen Kleinstadt aufgewachsen, wird sie 1989, mit 22 Jahren, bei einem Footballspiel als Werbegesicht entdeckt. Dann geht alles ganz schnell: Noch im selben Jahr landet sie auf dem Playboy-Cover. Drei Jahre später ergattert sie in der international erfolgreichen Serie Baywatch die Rolle der Rettungsschwimmerin C. J. Parker und zementiert damit ihren Status als Sexsymbol der 1990er-Jahre. Ihre Poster hängen rund um den Globus in Klassen- und Jugendzimmern, Werkstätten und Büros. Kaum jemand, der nicht weiß, wie sie aussieht, kaum jemand, der mit ihrem Namen nichts anfangen kann. Sie scheint ein wahr gewordener Männertraum zu sein, wie es so schön heißt: sexy, aber nicht bedrohlich; lasziv, aber süß; dazu lange blondierte Haare und eine üppige Oberweite. Pamela Anderson wird zur perfekten Verkörperung eines klassischen Pin-up-Girls.

    Ende 1994 trifft sie Tommy Lee. Er ist Drummer der Glamrock-Band Mötley Crüe, die den Zenit schon leicht überschritten hatte. Sie kommen zusammen, heiraten am Strand in Cancún. Für das extravagante Paar muss es nun auch eine extravagante Villa sein. Doch besonders Lee ist mit der Arbeit der Handwerker unzufrieden. Er feuert den Elektriker Rand Gauthier trotz noch offener Rechnungen von über 20.000 US-Dollar. Als der sein Werkzeug holen will, verjagt ihn Lee mit der Schrotflinte.¹ Gauthiers Rache ist simpel: Eines Nachts stiehlt er den Safe des Paares aus dessen Garage. Die Konsequenzen sind für alle Beteiligten nicht absehbar.

    Im Safe befinden sich Waffen, Schmuck, der Hochzeitsbikini – und eine Videokassette. Als Gauthier sie abspielt, wird ihm klar, dass er auf einer Goldgrube sitzt. Hochprivate, intime Aufnahmen der frisch Verheirateten, ein 54 Minuten langes selbstgefilmtes Tape – davon acht Minuten, die das Ehepaar beim Sex zeigen. Erst drei Monate später bemerken Pamela Anderson und Tommy Lee, dass sie Opfer eines Raubes wurden und schalten Polizei und Privatermittler:innen ein. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits etliche Kopien ihres Tapes im Umlauf. Gauthier hatte im damals noch brandneuen Internet, einem mehr oder weniger rechtsfreien Raum, einen Versandhandel aufgezogen.

    Bericht plus Filmstills

    Auch das Penthouse-Magazin sichert sich eine Kopie. Aussichten, die das Paar nervös machen. Sie reichen eine einstweilige Verfügung gegen das Magazin ein und klagen auf zehn Millionen Dollar Schadenersatz. Die Klage wird abgewiesen. Das Argument der Penthouse-Anwält:innen: Nachdem Anderson bereits des Öfteren nackt im Playboy posiert hatte und sie und Lee in Interviews recht offen über ihr Sexleben sprachen, hätten sie ihr Recht auf Privatsphäre verwirkt. Die schlimmsten Befürchtungen des Paares werden wahr: Penthouse bringt einen großen Bericht inklusive expliziter Filmstills. Etwas, das nach heutiger US-amerikanischer Rechtsprechung gar nicht mehr möglich wäre. Im Jahr 1996 attestiert der zuständige Richter den Bildern allerdings Nachrichtenwert. Das Tape hat sich verselbstständigt, zahllose Bootleg-Kopien sind am Markt, die Geschichte ist nicht mehr zu kontrollieren. Verlief sie bis dahin unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit und der Medien, brechen nun alle Dämme.

    Dabei folgt die öffentliche Meinung der Argumentation der Penthouse-Anwält:innen. Und schnell wird klar: Pamela Anderson trifft die Welle der Empörung und der Schadenfreude härter. Denn während Tommy Lee in der Diskussion eher die Rolle eines Nebendarstellers zukommt, steht sie voll im Fokus. Sie wird zur Zielscheibe pausenloser Talkshow-Herrenwitze und sexistischer Schlagzeilen. Kaum ein:e Interviewer:in schafft es, sie nicht nach „ihrem" Sex-Tape zu fragen. In einem mittlerweile gelöschten Tweet² erinnert sich Hole-Frontfrau Courtney Love zurück: „Als das Tape herauskam, waren wir [Frauen] gerade alleine im Studio. Denn alle, ALLE!, Tontechniker, Produzenten, Eigentümer sahen sich den Film mit enormer Schadenfreude an … Gelächter! Es war widerlich."

    Dass es sich dabei um gestohlenes Material handelte und dass das Ehepaar Opfer eines Verbrechens wurde, spielt in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle – obwohl beide es immer wieder betonen. Dass eine Frau sich zu ihren eigenen Bedingungen für Fotos nackt ablichten lassen kann, und dennoch nicht das Recht verliert, über die Darstellung ihres Körpers zu bestimmen, mit diesem Gedanken können viele nichts anfangen. Es scheint zu gelten, was Autorin Roxane Gay der Gesellschaft noch viele Jahre später diagnostiziert, als zahlreiche Nacktbilder weiblicher Stars geleakt werden: „Sie hat sich in die Öffentlichkeit begeben, darum sind wir berechtigt, so viel von ihr zu sehen, wie wir wollen."³ Mit anderen Worten: Selbst schuld.

    Tatsächlich hat auch Anderson davor und danach nie einen Hehl daraus gemacht, kein Problem mit ihrem Image als „Sexbombe zu haben. Auf ihre 14 Playboy-Cover – so viele wie keine Frau vor oder nach ihr für sich verzeichnen kann – ist sie stolz. Dass ihr Körper ihr Kapital ist, weiß sie, dass sie einen rein männlichen Blick bedient, ist ihr bewusst. „Ich bin lieber ein Sexsymbol als kein Sexsymbol, sagt sie in einem Interview.⁴ Es hätten sich ihr und den Anliegen, die sie unterstützt, dadurch viele Türen geöffnet.

    Ein Vierteljahrhundert später ist Pamela Anderson immer noch Teil des öffentlichen Diskurses. Dem Schatten ihres schwer beschädigten Images kann sie bis heute zwar nicht entkommen – sie scheint damit aber ihren Umgang gefunden zu haben, und kann in Interviews sogar Witze darüber machen. Ihre anhaltende Popularität setzt sie gezielt für Themen ein, die ihr wichtig sind. Bereits in den 1990er-Jahren schreibt sie der Tierschutzorganisation Peta: „Ich bin in einer Serie namens Baywatch, die Medien sind besessen von meinem Privatleben. Ich würde die Aufmerksamkeit gern auf Dinge lenken, die wichtiger sind als meine Brüste und meine Partner. Können wir uns zusammentun? Seit meiner Kindheit bin ich Tierfreundin und Peta-Mitglied. Ich wollte schon immer mehr tun. Bitte verwendet mich."

    Sie sorgt aber auch für Kontroversen: Zu Beginn der #MeToo-Bewegung, als die zahlreichen Vorwürfe gegen Produzent Harvey Weinstein bekannt werden, sagt sie in einem BBC-Interview, die betroffenen Frauen hätten ihren Hausverstand verwenden sollen.⁶ Das sei Victim-Blaming, wendet die Interviewerin ein. „Ich gebe ihnen nicht die Schuld, aber Frauen müssen sich besser schützen." Denn sie seien immer in einer gefährdeten Position. Diese Kommentare lassen sich nach einem Blick auf ihre Biografie besser einordnen: Wie sie erst 2014 erzählt, wurde sie im Alter zwischen sechs und zehn Jahren von einer Babysitterin sexuell missbraucht.⁷ Mit zwölf Jahren wird sie von einem 25-Jährigen vergewaltigt, mit 14 Jahren Opfer einer Gruppenvergewaltigung durch ihren damaligen Freund und sechs seiner Freunde. Wie schlimm es für sie gewesen sein muss, in ihren intimsten Momenten den Blicken der ganzen Welt ausgesetzt zu sein, lässt sich vor diesem Hintergrund nur erahnen.

    Serie ohne Zustimmung

    2022 widmet sich schließlich die hochkarätig besetzte Serie Pam & Tommy der Geschichte rund um das Sex-Tape und seine Folgen – und schlägt sich dabei klar auf die Seite des ehemaligen Paares. Deutlich wird herausgearbeitet, wie einseitig, unfair und sexistisch die Berichterstattung in den 1990ern vor allem gegenüber Anderson war. Der einzige Schönheitsfehler: Auch in diesem Fall hat sie ihre Einwilligung zur Veröffentlichung nicht erteilt. Anderson, die eigenen Angaben zufolge das Tape nie angesehen hat und damit absolut nichts zu tun haben will, ist für Serienmacher:innen und Darsteller:innen nicht erreichbar. Zur Serie, für die Teile des Tapes nachgestellt werden und in der das Paar nackt und beim Sex gezeigt wird, gibt sie keinen einzigen Kommentar ab. Pam & Tommy, dessen zentrales Thema „Consent" ist, führt sich damit selbst ad absurdum.

    Pamela Anderson wird ihre eigene Geschichte aber doch noch erzählen: Eine Autobiografie und eine Dokumentation sind 2022 in Arbeit. Dabei folgt sie wohl ihrem persönlichen Motto: „Ich habe die Kontrolle darüber, was ich tue und was ich getan habe. Das ist die ultimative weibliche Superkraft. Mach, was du willst."

    Quellen

    1Chicago Lewis, Amanda: Pam and Tommy: The Untold Story of the World’s Most Infamous Sex Tape, Rolling Stone Magazine, 22.12.2014

    2Heller, Corinne: Courtney Love Slams Pam & Tommy Miniseries and Star Lily James, E! Online, 16.5.2021

    3Gay, Roxane: The Great 2014 Celebrity Nude Photos Leak is only the beginning, The Guardian, 30.9.2014

    4From Playboy to Politics – inside the extraordinary life of Pamela Anderson, 60 Minutes Australia, 6.11.2018

    5Evans, Claire: Inside the Surreal, Self-Invented World of Pamela Anderson, Vice, 8.2.2016

    6Pamela Anderson: Women must better protect themselves, BBC News, 23.1.2018

    7Pamela Anderson talks about being gang-raped as a child, Sky News, 19.5.2014

    8Spiegel, Amy Rose: Exclusive: Pamela Anderson On Beauty, Baywatch, And Feminism, Buzzfeed, 16.4.2013

    Marie-Antoinette: Die Königin, die es niemandem recht machen konnte

    Die Erzählung über die abgehobene Verschwenderin hält sich hartnäckig – dabei ließ ihr das starre Korsett der Erwartungen am Hof kaum Handlungsmöglichkeiten

    Noura Maan

    „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen!" – Dieses Zitat hat Marie-Antoinette zeit ihres Lebens und auch lang danach begleitet. Dass die einstige Königin von Frankreich das so nie gesagt hat¹, ist bis heute nicht überall angekommen. Die Erzählung über die wirklichkeitsfremde Monarchin ohne Bezug zum Volk hält sich hartnäckig.

    Das Leben der 1755 als Maria Antonia von Österreich geborenen Erzherzogin war schon früh von schlechten Vorzeichen geprägt. Am Tag vor ihrer Geburt: das Erdbeben von Lissabon, das zehntausende Todesopfer forderte und die portugiesische Hauptstadt fast zur Gänze zerstörte.² Am Tag ihrer Hochzeit, bei der sie erst 14 Jahre alt war: eine durch Feuerwerkskörper ausgelöste Panik, die zum Tod von mehr als 130 Menschen führte.³

    Als 15. von insgesamt 16 Kindern von Kaiserin Maria Theresia war sie gar nicht für eine hochrangige Ehe vorgesehen, hatte sie doch zahlreiche ältere Schwestern. Deshalb wurde in ihrer Ausbildung auch nicht sehr viel Wert darauf gelegt, wie sie sich in einer Hochadelsfamilie als gute Ehefrau zu verhalten hatte.

    Mitte der 1750er-Jahre wurde allerdings der jahrhundertealte Habsburgisch-französische Gegensatz beendet. Um das Bündnis mit Frankreich zu festigen, kam es 1770 zur Hochzeit Maria Antonias und des Dauphins Ludwig August – all ihre älteren Schwestern waren zu diesem Zeitpunkt bereits vermählt oder verstorben.

    Mit 14 Jahren ließ sie ihr gesamtes bisheriges Leben zurück – im wörtlichen Sinne: An der Grenze zu Frankreich musste sie tatsächlich alles Österreichische ablegen und abgeben, bis hin zu ihrer Unterwäsche. Aus Erzherzogin Maria Antonia wurde Dauphine Marie-Antoinette – von nun an beäugte man sie bis ins kleinste Detail, ihre Aktivitäten, jede kleinste Bewegung. Für viele im französischen Volk und am französischen Hof blieb sie trotz des neuen Namens und der Besiegelung des Habsburgisch-französischen Friedens Österreicherin – und damit eine Feindin. Am Hof war sie aufgrund ihres teilweise legeren Umgangs mit der Hofetikette als jung und unerfahren verschrien – Eigenschaften, die für eine 14-Jährige selbstverständlich sein sollten. Verächtlich wurde sie „l’Autrichienne genannt, was „die Österreicherin bedeutet, im Französischen aber auch wie l’autre chienne („die andere Hündin") klingt – und in den meisten Fällen wohl auch so gemeint war.

    You Had One Job

    Die Thronbesteigung des jungen Königspaares folgte im Mai 1774, nach dem Tod von Ludwig XV. Lange kam Marie-Antoinette ihrer – damals in den Augen der Gesellschaft – wichtigsten Aufgabe nicht nach: einen Thronfolger zu gebären. Wegen medizinischer Probleme oder sexueller Ahnungslosigkeit des Königs – darüber sind sich Historiker:innen uneinig⁵ – folgte die Geburt ihrer ersten Tochter erst im Jahr 1778. Der damals wesentlich wichtigere männliche Nachkomme kam erst 1781 zur Welt. Dafür wurde Marie-Antoinette die Schuld gegeben, Karikaturen zeigten sie etwa als „schlechtes Schloss", für das der Schlüssel nicht passte: eine Anspielung auf die besondere Vorliebe des Königs für Schlösser. Damit machte man sich zwar auch über Ludwig den XVI. lustig, das Versagen wurde allerdings Marie-Antoinette vorgeworfen.

    Das war natürlich nicht der einzige

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