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Und eine Nacht
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eBook70 Seiten52 Minuten

Und eine Nacht

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Über dieses E-Book

Und eine Nacht erzählt von einem alten Mann und einer jungen Frau, die in einem Flughafen festsitzen, ohne Handy und Laptop, die Ihnen aus Sicherheitsgründen abgenommen wurden. Mit einer Gruppe von Passagieren sind sie in einem Flugsteig eingeschlossen. Außer den beiden nimmt niemand Kontakt mit den anderen auf, niemand spricht, nur der alte Mann zur jungen Frau; die aber schweigt.
Der Hundertzwölfjährige behauptet, die Gedanken der Passagiere lesen zu können, und schlägt der Zwanzigjährigen vor, diese Gedanken als Anregung für interessante Geschichten zu nehmen, doch sie findet Dutzende Argumente gegen das Erzählen und gegen das Schreiben, obwohl sie insgeheim davon fasziniert ist. Und überhaupt: In welcher Sprache sollte sie denn schreiben?
Nachdem sie sich schließlich schlafen gelegt haben, träumt sie, vielleicht aber erfindet sie, erzählt sie, schreibt sie eine Geschichte, die eine Erklärung für den Aufenthalt des Hundertzwölfjährigen in den Räumen des Flughafens sein könnte, vielleicht aber auch der Anfang einer anderen Geschichte - einer Geschichte wie aus tausendundeiner Nacht.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Mai 2013
ISBN9783902873279
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    Buchvorschau

    Und eine Nacht - Arno Heinz

    1580

    „Eine schöne Frau!"

    Er fuhr sich mit der faltigen Hand über die weißen Bartstoppeln und starrte gedankenverloren vor sich hin.

    „Vorhin stand sie da und warf einen Blick über ihre Schulter."

    Sie begriff, dass er sie nicht erkannt hatte, als sie kurz zuvor auf die Anzeigetafel geschaut hatte, nachdem wieder ein metallisches Rattern zu hören gewesen war, doch da stand wieder nur ein cancelled, das ein delayed ablöste, sie saßen fest.

    „Wie Perlmutter schimmerte das Weiß ihrer großen Augen. Ich musste an meine Frau denken, deine Urgroßmutter, die ich Io nannte, die Göttin der Erde und des Mondes. Sie hatte den verträumten Blick der Kurzsichtigen, und ich glaube immer, den harzigen Duft eines Pinienwaldes einzuatmen, wenn ich an ihre Stimme denke. Habe ich dir erzählt, wie wir uns kennengelernt haben?"

    Man sollte ihm allerhand wegen seines hohen Alters verzeihen, dachte sie, aber verlangte die anerzogene Höflichkeit, ihm zuzuhören?

    „Mit ihrer feinen Melancholie in den Augen sah sie deiner schönen Urgroßmutter ähnlich. Auch an einen Filmstar musste ich denken. Die Schauspielerin Simone Valère ist dir kein Begriff, nein?"

    Sie spürte, wie ihre Geduld nach jedem Satz schwand, und wenn er schon mit Vergleichen anrücken musste, dann hätte er sie wenigstens mit einem Nachwuchstalent wie Jennifer Lawrence vergleichen können.

    „Ja, Laila, du bist mir die Liebste meiner Urenkelinnen, nota bene ist das kein besonders gelungenes Kompliment, da du ein Einzelfall bist, wer weiß, ob ich noch andere Nachkommen erleben werde, ich bin ja schon über hundert, da sind die Jahre gezählt, pardon, auch wieder so eine stupide Ausdruckweise."

    Sie nahm sich vor, nichts zu sagen, dann würde er schon selber draufkommen, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte.

    „Ich bewundere aufrichtig die Schönheit deiner zwanzig Lenze und deine delikate Intelligenz, pardon, selbstverständlich hätte ich das Wort Intelligenz vor dem Wort Schönheit plazieren sollen, ein bisschen kenne ich mich ja aus mit den gegenwärtigen Usancen und ich bemühe mich ständig, etwas dazuzulernen, obwohl es ridikül pathetisch klingt, wenn man Jahre nach dem Hundertsten immer noch auf Erden weilt, und die Erinnerungen an die peniblen Geburtstagsfeierlichkeiten langsam verblassen. Jedenfalls habe ich es geschafft, diese Spektakel mit gebührendem Anstand über mich ergehen zu lassen."

    Sie befürchtete die unangenehmste Wartezeit in einem Flughafen, die sie je hatte, wollte sein nervtötendes Geplapper nicht hören und sich des schlechten Gewissens dem ach so verehrungswürdigen Mega-Alter gegenüber entledigen, auf das Wort Schönheit war sie allergisch, am liebsten hätte sie sich hinter einen Schleier zurückgezogen, nicht unter so ein steifes, nonnenhaftes Zeug wie eine Burka, aber ein superleichter Safsari wäre klasse, überlegte sie, setzte die neue Hornbrille auf und holte ihren Zeichenblock aus der Tasche.

    „Ja, liebe Laila, wir sitzen fest, das ist immer so, wenn eine betörende Stimme gleich einem antiken Fabelwesen aus dem Lautsprecher tönt und von technischen Problemen säuselt, nie wird man genau informiert, man weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis an ein Weiterkommen zu denken ist, oft scheint es, als sitze man in einer Zeitmaschine, die rückläufig funktioniert und uns in die Dampfmaschinenzeit zurückbefördert, das erinnert mich an Reisen mit meinen Eltern, wenn unterwegs die Rittinger-Lokomotive gewartet wurde, Dampfkutsche nannte mein Großvater sie noch, der übrigens an der Technischen Hochschule Joseph Ressel gekannt hatte, du weißt schon, der Erfinder der Schiffsschraube, die man heute Propeller nennt und der hierzulande seiner Zeit voraus war, das erste Propellerschiff hieß dann bezeichnenderweise Great Britain, wo war ich gleich stehengeblieben? Ach ja, der Grund der damaligen Reiseunterbrechungen, also Brennmaterial und Kesselspeisewasser nachfüllen, Schieberkasten, Treibachse, Feuerbuchse, Stehbolzen kontrollieren, plötzlich ein schriller Pfiff und schon ging es wieder los, Mutter verbot uns Buben, in den Tunneln die Köpfe hinauszurecken, wir taten es trotzdem und wurden vom Ruß schwarz wie die Mohren."

    Verdammt! Wenn sie nur eine Notbremse ziehen könnte! Dieses gestelzte Geschwafel war nicht auszuhalten, dieses gekünstelte Daraufhinweisen, dass sein extralanges Leben ein historischer Dokumentarfilm gewesen ist, wie daheim, wenn Dad und Nonno von ihren sogenannten alten Zeiten quatschten und im Gerümpel ihrer Erinnerungen wühlten, machte sie sich aus dem Staub, die nostalgische Jammerei, das senile Sich-Bewundern und Sich-auf-die-Schulter-Klopfen war einfach nicht auszuhalten! Was sie nur alles erlebt und überstanden hatten, das die unerfahrene Jugend beeindrucken sollte, no thank’s! Während sie bei ihren Gedanken war, drehte er sich wie in Zeitlupe zu ihr hin, sah sie mit einem dünnen Lächeln an und sagte:

    „Auf irgendeine Weise sollten wir beide die uns auferlegte Wartezeit profitabel und amüsant verbringen, meinst du nicht? Offensichtlich werden wir mindestens eine Nacht hier mit

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