Die n@tten Männer: Frauenroman
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Buchvorschau
Die n@tten Männer - Ute Marina Delatorre
Ute Maria Delatorre
Die n@tten Männer
Verlag Neue Literatur
2013
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ohne Zustimmung des Verlages ist unzulässig.
© by Verlag Neue Literatur
Gesamtherstellung: Satzart Plauen
ISBN: 978-3-940085-11-5
Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von pixelio.de; Fotografin Gabi Schönemann
Für meine Kinder, die immer hinter mir stehen.
Für Chantal, die mich kennt und trotzdem mag.
Für den Prinzen, der mit mir Kaffee trinkt,
auch wenn es meistens nur Espressos sind.
Ich glaube, am Anfang war es reine Rache. Vor zwanzig Jahren war ich meinem Mann aus Liebe in sein Heimatland Frankreich gefolgt. Und nun hatte er sich eine Frau im Internet bestellt. Die Website hieß: »www-Punkt-romantischer-französischer-Liebhaber-für-Frauen-aus-Russland-Punkt-com«. Nun ja, französisch, das stimmte. Man(n) konnte, nachdem ein gewisser Betrag vom Bankkonto abgebucht worden war, auf der ersten Seite seine Suchkriterien eingeben. Mein Mann kreuzte an: »Größer als einen Meter siebzig, zwischen fünfundvierzig und sechzig Kilo schwer und nicht älter als fünfundzwanzig Jahre.« Keines dieser Kriterien konnte ich erfüllen, nun, vielleicht abhungern auf fünfundfünfzig Kilo und mich strecken lassen, aber wie sollte ich jünger werden? Natürlich war ich tödlich beleidigt. Es fielen zweihundertsiebenundvierzig Frauen durch den Filter. Anscheinend gab es nicht viele magersüchtige Russinnen. Ehrlich gesagt, gefiel mir »Mirgul« am besten. Sie war grellgeschminkt, ganz in schwarzes Leder gekleidet, ihr Rock sah aus wie ein breiterer Gürtel und ich fand, sie passte bestens zum romantischen Liebhaber.
Übrigens ist auch mein erster Mann mittlerweile mit einer Russin verheiratet, sie kommt aus Minsk, heißt Olga, und wenn sie zusammen seine (und meine) Kinder fürs Wochenende abholen, machen Olga und ich uns gemeinsam über seinen Bierbauch lustig. Vielleicht sollte ich mir aber schon Gedanken darüber machen, warum meine Männer alle eine Russin wollen! Mein erster Mann, Schwabe und Polizist, hatte damit wenigstens bis nach der Scheidung gewartet, während dieser nun, Franzose und Berufsarbeitsloser, erst einmal den Markt für das »danach« testete, bevor er sich auf das »danach« einließ. Jedenfalls, »Mirgul« wurde von ihm nach eingehender Betrachtung abgelehnt. Zum Zuge kam Ljudmila, einundzwanzig Jahre alt, ein Meter einundsiebzig (gerade noch so eben das Kriterium geschafft), fünfundsechzig Kilo. »Also ich, ich finde ja, dass sie ein sehr eckiges Gesicht hat«, warf ich in die Diskussion ein. »Und außerdem ist sie so alt wie deine jüngste Tochter!« In der Phase, in der unsere Ehe gerade steckte, waren solche Einwände natürlich überflüssig wie ein Kropf.
Er ist bei seiner Auswahl geblieben, und mittlerweile streiten sich Ljudmila und seine Tochter um die gleichen Pullover und schleppen ihn zu den ihm so verhassten Techno-Raves. Na, das gönne ich ihm! Nur manchmal schlüpfen mir Bemerkungen heraus, die mir so gar nicht ähnlich sehen, wie: Ob sie Judo kann und ihr eckiger Kopf eigentlich auch in einen runden Ausschnitt passt? Bis wir zusammen lachen werden, ist es noch ein langer Weg. Schließlich habe ich mir nach einer angemessenen Wut- und Trauerphase einen eigenen Internetzugang besorgt. Was er kann, kann ich schon lange, und noch bekomme ich es umsonst!
»Mir sind Größe, Alter und Gewicht egal«, schrieb ich in meine erste Webannonce. Ich gucke auf so etwas nicht, bei mir zählen Verstand und Gefühl, schrieb ich nicht in meine erste Anzeige. »Männer, die Angst vor Sex und intelligenten Frauen haben, brauchen gar nicht erst antworten.« Der Erfolg war überwältigend! Der erste Mann, der auf meine Anzeige antwortete, hieß Norman. Finden Sie nicht auch, dass der Name allein schon außergewöhnlich ist, zumal für einen Franzosen? Norman, das klang in meinen Ohren etwa wie »Fels in der Brandung«, genau das, was ich jetzt brauchte. Meine Annonce war auf der Internetseite: »www-Punkt-nach-der-Scheidung-Punkt-com« erschienen. (Das ist doch sehr viel seriöser als dieses »romantischer-französischer-Liebhaber«-Getue.) Norman und ich waren Gleichgesinnte, das war mir von Anfang an klar. Nach dem Austausch einiger schüchterner Banalitäten bat er mich um ein erstes Treffen.
»Warum denn nicht gleich morgen?«, schrieb er. »Na klar«, schrieb ich zurück, aber sobald ich auf senden gedrückt hatte, entfuhr ein Schrei meinem Mund, ein Schrei, der zumindest dem weiblichen Teil der Bevölkerung nicht unbekannt sein dürfte: Um Gottes willen, was zieht man zu einem Blind Date an? Wie bereits erwähnt, ich achte nicht auf Äußerlichkeiten, leider auch bei mir selbst nicht. Ich ziehe das an, was mir eben gerade so in die Hände fällt. Damit komme ich in Deutschland meistens mehr oder weniger durch. In Frankreich aber war das schon manches Mal Anlass zu besonderen Bemerkungen. Ich gehe zum Beispiel fast jeden Sonntag mit meiner besten Freundin Chantal auf Flohmärkte im Elsass und erstehe dort Bücher, Schallplatten, Kunstwerke und so mancherlei Dinge, von denen niemand so recht weiß, wozu sie taugen. Einmal also standen wir vor einem Stand und kabbelten uns ein wenig. Chantals Geschmack und meiner könnten unterschiedlicher nicht sein. »Phantastisch diese Lampe«, ich flüsterte, um kein Kaufinteresse zu verraten. Das muss man so machen, um den Preis niedrig halten zu können.
»Klar«, raunte Chantal, »der Verkäufer feiert sicher eine Party, wenn er dieses hässliche Teil loswird.« Der Mann hinter dem Stand lächelte mich an. Wie Männer manchmal gucken können! »Also Sie, Sie waren doch letztes Jahr auch schon da«, sagte er zu mir. Überrascht schaute ich zu Chantal. Da kannst du mal sehen, was für einen Eindruck ich hinterlasse. »Sie können sich nach einem Jahr noch an mich erinnern«, fragte ich mit Stolz in der Stimme. »Nun«, antwortete der Lächler, »an Sie persönlich nicht, aber an die roten Wollsocken in Clogs zum Minirock, ja, das sieht man nicht alle Tage.«
Nun, vielleicht verstehen Sie jetzt, warum mich Normans Einladung in Bedrängnis brachte. Ich konsultierte also meine französischen Freundinnen, eine wie die andere Koryphäen auf dem Gebiet der Mode. Die Ratschläge waren sehr durchwachsen.
»Geh doch einfach so, wie du bist«, meinte Chantal. Sie ist der einzige Mensch, den meine Wollsocken nicht stören. Ein spitzer Aufschrei ging durch die Gruppe, vielleicht sollte ich doch mal etwas an meiner Garderobe ändern?
»Wo und wann trefft ihr euch denn eigentlich«, fragte nun Silvia. Sie gehört zu den Frauen, die zu jeder Gelegenheit und an jedem Ort die passende Kleidung tragen, auch wenn sie vorher gar nicht wissen, wo es eigentlich hingehen wird. Oh Gott, an das Wo und Wann hatten weder Norman noch ich gedacht. Ich schrieb eilig eine E-Mail, worauf Norman antwortete, dass er mir bei der Wahl von Zeit und Ort freie Hand lassen würde.
»Na, der macht es sich aber einfach«, brummelte Chantal. Als absoluter Neuling in diesen Dingen hätte auch ich es lieber gehabt, wenn Norman diese Angelegenheit übernommen hätte. »Er möchte eben nicht derjenige sein, der solche wichtigen Entscheidungen alleine trifft«, verteidigte ich ihn dennoch. »Lad‘ ihn doch einfach zu dir ein!«, schlug Bea vor. Das war typisch. Bea wohnte nämlich in dem Haus neben meinem. Nichts entging ihrer Aufmerksamkeit, man könnte meinen, dass sie den ganzen Tag hinter dem Vorhang stünde.
»Bist du verrückt?«, schimpfte Chantal, »was, wenn dieser Norman ein Sittenstrolch ist und wer weiß was noch alles. Und der wüsste dann, wo sie wohnt.«
»Du übertreibst mal wieder mit deiner Fürsorge.« Bea liebt es, wenn nebenan etwas los ist. »Er wüsste dann auch, wo du wohnst«, sagte Chantal trocken. »Vielleicht doch besser ein Treffpunkt in der Öffentlichkeit. Ein Café vielleicht?«, schlug Bea schnell vor. »Also Café finde ich gut«, bestimmte ich.
Diese ganze Diskussion verunsicherte mich doch ein bisschen. Schließlich hatte ich so etwas noch nie gemacht und keine Ahnung, was da auf mich zukam. »Wenn du doch nur mitkommen könntest«, sagte ich seufzend zu Chantal. Zu spät sah ich Beas Augen aufblitzen.
Einen Tag später saß ich, eine Viertelstunde zu früh, im Café Moll. Eigentlich gehört es bei französischen Frauen zum guten Ton, immer etwas zu spät zu kommen. Meine Freundinnen hatten mich zu einem sehr eleganten, damenhaften Aussehen verdonnert. Silvia hatte mir ihr graues Kostüm und Stöckelschuhe dazu geliehen, aber ich kann mit hohen Absätzen und knallengem Rock überhaupt nicht laufen. Also musste ich Norman sitzend empfangen, um nicht gar so blöd dahergestöckelt zu kommen.
Ich war entsetzlich aufgeregt. Dass an allen Tischen in dem Café meine Töchter, meine Freundinnen und die Töchter meiner Freundinnen saßen, machte die Sache auch nicht einfacher. Wenigstens sah der Ober so richtig glücklich aus. So viel feminine Kundschaft auf einen Schlag hatte er wohl schon ewig nicht gehabt.
Norman sah einfach phantastisch aus. So … natürlich! Schlank, braungebrannt, die gleiche Jeansjacke, die ich sonst auch immer trage. Mit einem seltsamen Blick auf meine Stöckelabsätze, ich hatte diese natürlich gleich von Anfang an richtig in Szene gesetzt, erzählte er mir, dass er gerne wandern gehe, geschieden sei, zwei Hunde und eine neunzehnjährige Tochter habe. Diese war es, die ihn auf der Internetseite hatte registrieren lassen. »Sie möchte einfach, dass ich nicht mehr alleine bin und eine neue Frau kennen lerne.«
Nur Kinder sollte die Neue nicht haben, da sei seine Tochter sehr streng. Er musste meinen bestürzten Blick zu den Töchtertischen bemerkt haben, denn er meinte: »Ah, du hast ein Kind?«
»Nein«, antwortete ich ehrlich, »nicht ein Kind, vier!« Und um witzig zu sein, fügte ich hinzu: »Nun, zum damaligen Zeitpunkt wusste ich nicht, dass man es auch einfach nur zum Spaß machen kann.« Norman schien das keineswegs lustig zu finden, er sah eher etwas schockiert aus. Wahrscheinlich um Luft zu holen, machte er sich auf den Weg zum Klo. Vorbei an allen Tischen. Hinter seinem Rücken gingen sehr diskret die Daumen nach oben. Ich sagte ja schon, Norman sah phantastisch aus, und das fanden meine Freundinnen augenscheinlich auch. Irgendwie hatte ich trotzdem das Gefühl, dass das Treffen keineswegs so verlief, wie man sich das normalerweise vorstellt, in Büchern liest oder im Fernsehen sieht. Ja, und es geriet dann auch sehr schnell aus den Fugen. Als Norman von der Toilette kam, warf er einen verunsicherten Blick durch das Café. Die anwesenden Frauen schauten wie auf Kommando aus dem Fenster. »Triffst du dich eigentlich oft mit Männern aus dem Internet?«, fragte er. Es hörte sich irgendwie missbilligend an.
»Nein«, antwortete ich, »das hier ist das erste Mal.«
»Bei mir auch«, meinte Norman, und zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend hatten wir etwas Gemeinsames. »Du hast ja ganz schön Mut, dich so einfach mit einem Unbekannten zu treffen«, fuhr er fort. Ich bin mir sicher, er wollte nur etwas Nettes sagen. Manchmal rede ich schneller als ich denke und so entgegnete ich: »Ach, so mutig ist das nun auch wieder nicht. Schließlich habe ich ja meine Familie und alle meine Freundinnen hier im Café sitzen!« Noch nie habe ich einen Mann so schnell davoneilen sehen, sogar das Bezahlen hatte er vergessen. Schade!
Norman war im Übrigen sein Pseudonym. In Wirklichkeit hieß er Jean-François, also übersetzt etwa: Hans-Franz. Das rückt das Ganze doch wieder ein wenig ins rechte Licht, oder nicht?
Einige Zeit später traf ich mich mit Chantal zum Essen im Café Moll. Diese Essen mit Chantal sind immer etwas Besonderes, die Speisekarte im Café Moll dagegen nicht. Aber es liegt eben strategisch günstig, wir können es beide bequem zu Fuß erreichen (wenn ich es nicht in Stöckelschuhen versuche). Bei solchen Gelegenheiten bringt Chantal mir bei, welche französischen Worte man nicht in der Öffentlichkeit benutzen darf. Die Sache war nämlich die, ich hatte die französische Sprache von und mit meinem Ehemann gelernt, mal abgesehen von den total unbrauchbaren Schulvokabeln. Mein Mann redete allerdings ein sehr umgangssprachliches, um nicht zu sagen, vulgäres Französisch. Das blieb mir lange Zeit