Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold: Die Babenbergerinnen und ihre Zeit
Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold: Die Babenbergerinnen und ihre Zeit
Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold: Die Babenbergerinnen und ihre Zeit
eBook379 Seiten4 Stunden

Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold: Die Babenbergerinnen und ihre Zeit

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Adel verpflichtet - Ein Leben zwischen Thron und Wochenbett

Was weiß man über das Leben einer österreichischen Adeligen im Mittelalter? So gut wie nichts. Um diese Wissenslücke zu schließen, hat die Historikerin Susanna Neukam zahlreiche verstaubte Urkunden und Chroniken längst vergessener, teils höchst misogyner Kleriker gewälzt und berichtet nun in unterhaltsamem, erzählerischem Ton vom beschwerlichen und dramatischen Leben der hochmittelalterlichen Damenwelt. Spannende Kapitel über die oft turbulente Hochzeitsnacht oder das öffentliche Gebären zeugen vom harten Schicksal der Babenberger-Frauen.
Die hohe Geburt garantierte im Mittelalter keinesfalls ein sorgenfreies und bequemes Leben: So brachte Agnes von Waiblingen tatsächlich 21 Kinder zur Welt! Agnes von Andechs-Meranien musste die Riegersburg gegen den Angriff ihrer eigenen Verwandten verteidigen und Eudokia Laskarina fand heraus, dass sie versehentlich ihren eigenen Neffen geheiratet hatte.

Eine Fülle weiterer Biografien und Schicksale zeichnen ein farbiges Bild des frühen Mittelalters.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Juni 2013
ISBN9783902862266
Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold: Die Babenbergerinnen und ihre Zeit

Ähnlich wie Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold

Ähnliche E-Books

Europäische Geschichte für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold - Susanna Neukam

    KAPITEL 1

    Ins Joch der Ehe gedrängt …

    iamge

    Wie alles beginnt

    EINE KURZE EINFÜHRUNG

    »Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und

    Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch,

    bevölkert die Erde.« (GENESIS 1,27–28)

    Die Ehe des Mittelalters war eine Einrichtung, die mit der heutigen Lebensgemeinschaft gleichen Namens wenig bis gar nichts gemein hatte. Durch die Vermählung wurde ein Bündnis zwischen zwei Familien geschlossen, nicht zwischen zwei Individuen. Demzufolge durften die Brautleute selbst auch nicht mitentscheiden, sondern Verhandlungspartner waren Väter, Mütter, Verwandte und auch die Adeligen des jeweiligen Herrschaftsgebietes. Dass die Mädchen keine freie Partnerwahl hatten, war kein Zeichen für die Unterdrückung der Frau, denn den jungen Ehemännern ging es in der Regel auch nicht besser. Bei den Babenbergern arrangierten beispielsweise die Väter von Ernst, Leopold II., Leopold IV., Leopold V. und Friedrich II. die Ehen. Sogar der König bzw. Kaiser fungierte bei Notwendigkeit als Heiratsvermittler. So fädelte Heinrich V. die Ehe zwischen Leopold III. und Agnes von Waiblingen ein, König Konrad III. wiederum ist bei beiden Ehen Heinrichs II. Jasomirgott als Initiator zu nennen. Nicht einmal Könige und Kaiser konnten ihre Braut selbst wählen, hier sieht man häufig den Papst als Kuppler. Die Ehe Friedrichs II. mit Konstanze beispielsweise wurde von seinem Vormund Papst Innozenz III. geplant, und die Ehe mit Jolanthe von Jerusalem geht auf Papst Honorius III. zurück. Papst Gregor IX. schließlich riet Friedrich II. zur Ehe mit Isabella von England und ergriff auch gleich die Initiative, indem er die ersten Erkundungen am englischen Hof einholte.³

    Die Auswahl der Gemahlin eröffnete dem Mann gänzlich neue Möglichkeiten, die von ihrer Mitgift oder von ihrer Verwandtschaft herrühren konnten. Die Hochzeit Leopolds III. mit der Kaisertochter Agnes von Waiblingen ermöglichte dem österreichischen Markgrafen einerseits, weitreichenden Einfluss auf die Reichspolitik zu nehmen. Andererseits konnte er durch die umfangreiche Mitgift Bauprojekte in der Mark verwirklichen, die er sich sonst nicht hätte leisten können, wie beispielsweise die Errichtung des Stiftes Klosterneuburg. Durch die Verheiratung von Töchtern, Schwestern oder gar der eigenen Mutter war es den Herrschenden auch möglich, Gefolgsleute zur Treue zu verpflichten. Doch hatte der jeweilige Familienvorstand dafür zu sorgen, möglichst alle weiblichen Verwandten mit einer entsprechenden Mitgift auszustatten. Friedrich II., der letzte Babenberger, musste sowohl seine Schwestern als auch seine Nichte mit passenden Partien vermählen, es fehlte jedoch an entsprechendem Kapital. Dass er einen Teil der Mitgift seiner Schwester Margarete nicht bezahlen konnte, war einer der Gründe, weshalb sich deren Gemahl Heinrich (VII.) von ihr scheiden lassen wollte.

    Generell galt: Eine gute Familie sorgte für eine gute Heirat. Für Eltern, Verwandte und die Adeligen des Herrschaftsgebietes war das Eingehen einer Ehe für das Mädchen die beste der erreichbaren Lebensformen. Auf der einen Seite war dadurch natürlich politisch wie finanziell Kapital zu schlagen, auf der anderen Seite lag die unverheiratete Tochter einem nicht auf der Tasche. Freilich gab es da noch die Möglichkeit, unverheiratete Mädchen ins Kloster zu stecken – sei es, weil sie eine Hochzeit verweigerten, sei es, weil ihr Äußeres so wenig ansprechend war, dass nicht einmal eine großzügige Mitgift nachhalf. Eine Ehe war dem aber natürlich vorzuziehen, da auch die Klöster für den Eintritt eines neuen Mitglieds eine entsprechende Spende verlangten. Desgleichen waren die Bräute selbst mit der Aussicht auf eine Eheschließung meist ganz zufrieden. Die Mädchen wurden, seit sie denken konnten, auf ihre Rolle als Gemahlin und Mutter vorbereitet, und eine »gute Partie« bedeutete Wohlleben, Luxus, gesellschaftliches Ansehen und Macht. Der Königstochter Margarete machte man die beunruhigende Eheschließung beispielsweise mit der Aussicht auf schöne Kleidung und dem Hinweis, dass sie dann eine große Herrin sein würde, schmackhaft. Die Ehe war also ein Spiel um Besitz und Reichtum, Macht und Politik. Im Mittelalter hatte sie nichts mit der Verbindung zweier Individuen oder gar mit Liebe zu tun.

    Die heutige Sichtweise, dass arrangierte Ehen durch das Fehlen der ehelichen Liebe zwangsläufig zu freudlosen und unglücklichen Beziehungen führen mussten, wird in den Quellen nicht immer bestätigt. Es gibt viele Beispiele, dass getrennte Eheleute sehnsüchtig aneinander dachten, wie beispielsweise Elisabeth und Ludwig von Thüringen oder Wilhelm der Eroberer und seine Gattin Mathilde.⁴ Auch bei den Babenbergern gibt es zahlreiche Hinweise auf zufriedene Ehen, wie bei Heinrich II. und Theodora Komnena oder Leopold III. und Agnes von Waiblingen, die sich gegenseitig in Urkunden und Niederschriften mit den respektvollsten Beifügungen (»liebenswürdigste«, »süßeste«, »angebetete«, »edelste«, »verehrungswürdigste«, »geliebter« etc.) bedenken. Freilich treten in den Quellen auch unglückliche und vernachlässigte, sogar misshandelte Ehefrauen in Erscheinung. Jutta von Huy, die um 1200 lebte, sehnte beispielsweise bald nach der Eheschließung den Tod des Gatten herbei.⁵ Ihre wohl unangenehme, obgleich kurze Ehe dürfte zu ihrem Entschluss beigetragen haben, als 18-jährige Witwe ins Kloster zu gehen. Auch andere Beispiele gibt es für unglückliche Ehefrauen, von denen hauptsächlich deshalb in den Quellen berichtet wird, weil sie ihre leidvolle Situation nicht klaglos über sich ergehen lassen wollten und beim herbeigesehnten Tod des Gemahls auf die eine (Gift) oder andere (Totschlag) Art nachgeholfen haben.

    Fand eine Frau in mittelalterlichen Quellen Erwähnung – was leider selten genug vorkam –, so üblicherweise in Form von: »Sie war die Enkelin/Tochter/Gemahlin/Schwester/Mutter von …« Oft war den Chronisten nicht einmal der Name der jeweiligen Dame eine Niederschrift wert. Nichts zeigt deutlicher, dass eine Frau im Mittelalter in erster Linie über ihre Verbindung zu einem Mann definiert und als politisches Kapital und Bündnismittel eingesetzt wurde. Schon im Kleinkindalter mussten die Mädchen als Spielball der Politik herhalten. Als blutjunges Mädchen, noch nicht einmal zehn Jahre alt, diente beispielsweise die byzantinische Prinzessin Theodora Angela, später Gemahlin des Babenbergers Leopold VI., ihrem Großvater Kaiser Alexios III. von Byzanz als Köder. Zunächst verlobte Alexios seine Enkelin circa im Alter von acht Jahren mit dem Befehlshaber Ivanko, der mit dem bulgarischen Zaren gegen Byzanz kämpfte. Durch die Verlobung und die Aussicht auf einen Friedensschluss lockte Alexios seinen zukünftigen Schwiegerenkel nach Byzanz, wo er ihn jedoch um 1200 hinrichten ließ. Bald danach, 1201 oder 1202, erfolgte die nächste Verlobung Theodoras, aber auch dem zweiten Gemahl, Dobromir Chrysos, einem Anführer der Walachen und Bulgaren, brachte sie wenig Glück. Offenbar wollte Alexios III. den aufrührerischen Walachen durch die Vermählung nur eine Zeit lang ruhig stellen, denn er unterstützte ihn keineswegs, als Chrysos vom bulgarischen Zaren bekämpft und offenbar hingerichtet wurde. Zumindest verschwindet der zweite Bräutigam Theodoras ab 1202 aus den Quellen und sie wurde am Heiratsmarkt als »noch zu haben« gehandelt, wodurch sie 1203 den österreichischen Herzog heiraten konnte.

    Nicht alle Nachkommen hatten jedoch dieselben Aussichten auf eine einträgliche Heirat. Während der älteste Sohn als Nachfolger und die Töchter möglichst alle verheiratet wurden, sah man die jüngeren Söhne lieber ledig oder bestenfalls als Kleriker. Je mehr Söhne heirateten, desto mehr Nebenlinien machten die Nachfolge streitig und gleichzeitig stieg die Gefahr der Zerstückelung des Besitzes. Bei den Babenbergern traten die jüngeren Söhne meist dem Klerus bei, wie zum Beispiel Erzbischof Poppo von Trier, Bischof Otto von Freising oder Erzbischof Konrad II. von Salzburg. Die unverheirateten jüngeren Söhne, die sich der Kirche verweigerten, zogen indessen auf der Suche nach einer reichen Erbin durch das Land. Von diesen Abenteuern berichten viele höfische Romane und Epen. Äußerst erfolgreich auf seiner Suche war Ernst, der jüngere Sohn von Markgraf Leopold I., der tatsächlich die Erbin des Herzogtums Schwaben für eine Heirat gewann. Durch diese Ehe mit Gisela von Schwaben um 1014 avancierte Ernst zum Herzog von Schwaben als Nachfolger seines Schwiegervaters. Durch die Tendenz, alle Töchter zu verheiraten, jedoch nur den ältesten Sohn, überstieg auf dem Heiratsmarkt das Angebot an Frauen die Nachfrage beträchtlich. Erst im 12. Jahrhundert lockerten sich die Heiratsbeschränkungen der jüngeren Söhne, wodurch vermehrt Nebenlinien entstanden. Sichtbar wird dies unter anderem an der Gründung der babenbergischen Nebenlinie von Heinrich »dem Älteren«, Herzog von Mödling, Sohn Heinrichs II. Jasomirgott, Mitte des 12. Jahrhunderts.

    Die rechte Braut, die führt er heim

    VORVERHANDLUNGEN UND AUSWAHLKRITERIEN

    »Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine

    Frau und sie werden ein Fleisch.« (GENESIS 2,24)

    Langwierige Eheverhandlungen erfolgten von den jeweiligen Familien weit vor dem Ereignis – meist, bevor Braut und Bräutigam sich überhaupt artikulieren konnten und noch gar nicht wussten, was ihnen blühte. Bei den Babenbergern wird bei der Verbindung von Leopold V. mit der ungarischen Königstochter Helena eigens erwähnt, dass er in puericia, in der Kindheit, mit ihr verlobt worden war. Meist ging die Initiative von der Familie des Bräutigams aus, die zum Zwecke der Verhandlungen eine Abordnung von Brautwerbern zusammenstellte. Diese Gesandtschaft bestand üblicherweise aus Verwandten des Bräutigams und Vertretern des Adels. Bei Hochzeiten von Königssöhnen oder -töchtern schickte man als Brautwerber auch gerne Bischöfe. Zunächst wurden die infrage kommenden Familien – die also Töchter im passenden Alter zwischen zwölf und allerhöchstens 20 aufweisen konnten – auf ihre vermögensrechtliche und politische Situation geprüft. Die Babenberger holten sich ihre Bräute vorzugsweise aus außerösterreichischen Geschlechtern, was bedeutet, dass die Brautwerber oft weite Strecken zurücklegen mussten und die Verhandlungen dementsprechend lange dauerten.

    Der gute Eindruck, den das Mädchen machte, und ihr tadelloser Ruf waren selbstverständlich Voraussetzung. Zur Schönheit der Auserwählten gab es im Hochmittelalter eine ambivalente Sichtweise. Einerseits war sie erwünscht, denn eine schöne Frau verhieß mehr Nachkommen (da der Ehemann entsprechend eifrig das Schlafgemach heimsuchte), andererseits war man sich bewusst, dass Frauen von unscheinbarem Äußeren praktischer waren: Die Schönen machten Mühe bei der Überwachung, die Hässlichen waren dafür zu abstoßend. Dennoch steigerte Attraktivität den Wert der Braut erheblich. Der Klerus beklagte sich, dass die Väter ihre schönen Töchter verheirateten und die hässlichen dem Herrn als Nonnen überließen. Wünschenswert war auf alle Fälle eine junge Braut. Betrachtet man den Stammbaum der Babenberger, waren nur zwei der eingeheirateten Bräute nachweislich über 20, nämlich die verwitweten Kaisertöchter Agnes von Waiblingen (34) und Gertrud von Supplinburg (27). Beide Verbindungen bedeuteten für den jeweiligen babenbergischen Gemahl eine nicht unerhebliche Zunahme an Macht und Geld, was solch »alte« Bräute offenbar rechtfertigte. Eventuell war auch Mathilde vom Schweinachgau ein wenig älter, von ihrem Leben weiß man allerdings zu wenig.

    Hatte man eine passende Partie auserkoren, begann das Gefeilsche um die Mitgift, die Morgengabe, das Wittum (Witwengut) sowie das Vorweisen von mächtigen Verwandten. Manche Ehen bahnten sich allerdings ganz unvorhergesehen und ohne langwierige Verhandlungen an, wie die der Pfalzgräfin Mathilde von Lothringen um das Jahr 1000. Ihr Bruder, König Otto III., soll sie tatsächlich bei einem Schachspiel an Pfalzgraf Ezzo verloren haben.⁶ Nicht nur die Wahl der Braut, auch die Wahl des Ehemannes unterlag gewissen Kriterien. Ein anonymes Ehetraktat aus dem 12. Jahrhundert meint: »Bei der Wahl des Ehemannes werden vier Punkte berücksichtigt: seine Tugendhaftigkeit, seine Abstammung, seine Schönheit und Klugheit. Bei der Wahl der Ehefrau spielen vier Sachen eine Rolle, die den Mann bewegen: ihre Schönheit, ihre Abstammung, ihr Reichtum und ihr guter Lebenswandel.«⁷ Klugheit war hier offenbar kein Kriterium.

    Durch die Eheschließungen sollten Bündnisse entstehen, die meist gegen Dritte gerichtet waren. Die Ehe der byzantinischen Prinzessin Theodora Komnena mit dem Babenberger Heinrich II. Jasomirgott war beispielsweise gegen Ungarn gerichtet. Oft hielten die geschmiedeten Bündnisse jedoch einer Kraftprobe nicht stand und mussten sich erst in der politischen Realität und durch die Persönlichkeit der Partner bewähren.⁸ Ein Beispiel für das Scheitern eines solchen Bündnisses war die Ehe Leopolds VI. mit Theodora Angela. Bald nach der Hochzeit 1203 erfuhr die byzantinische Familie der Braut nämlich ihren Niedergang, ihr Großvater wurde aus Byzanz vertrieben und starb im Exil, somit war diese Ehe aus bündnispolitischer Sicht völlig wertlos geworden.

    Die Oberschicht war dünn, Verwandtenehen waren die Folge. Konflikte und Auseinandersetzungen gab es daher oft innerhalb der engeren Familie. Eine Eigentümlichkeit mittelalterlicher Heiratspolitik war, dass trotz aller Planung eine friedenssichernde Koalition oft nicht erreicht werden konnte. Helena von Ungarn, die 1174 den Babenberger Leopold V. ehelichte, sollte einen Frieden mit Ungarn garantieren. Schon zwei Jahre später jedoch kam es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung Leopolds mit dem ungarischen König, Helenas Bruder Bela III. Die Schwager schlugen sich also am Schlachtfeld die Köpfe ein, obwohl die Ehe der Schwester eigentlich Garant für einen Frieden hätte sein sollen. Leider gibt es keine Erwähnung in den Quellen, wie Helena, die sicher für eine versöhnliche Politik gewesen wäre, auf die Auseinan-dersetzung reagierte. Sie hatte sozusagen versagt. In einer ähnlichen Situation fand sich Gertrud von Supplinburg, die mit Heinrich II. Jasomirgott vermählt wurde. Sie sollte durch ihre Hochzeit die Welfen und die Babenberger bei ihrem Streit um das Herzogtum Bayern versöhnen. So erfolgreich ihre Verhandlungsführung auch verlief, der Frieden währte nur kurz, da Gertrud bereits ein Jahr nach ihrer Hochzeit im Kindbett verstarb. Auch hier legte man alles Gewicht auf die eheliche Verbindung Gertruds und ihr diplomatisches Geschick, das zwar Erfolg versprechend begann, sich aber leider nicht mehr entfalten konnte. Der Konflikt konnte erst über zehn Jahre später gelöst werden.

    Gut belegt ist die Brautschau Kaiser Friedrichs II. für seinen Sohn Heinrich (VII.). Hier gingen die Fürsten nach dem Prinzip »Wer bietet mehr« vor. König Heinrich III. von England wollte seine Schwester Isabella mit Heinrich (VII.) verheiraten und schickte aus diesem Grund eine Gesandtschaft unter der Führung von Bischof Walter von Carlisle. Ein halbes Jahr dauerten die Eheverhandlungen, bevor die englischen Brautwerber 1225 unverrichteter Dinge wieder abreisen mussten.⁹ Der böhmische König Ottokar I. Přemysl, dessen Tochter Agnes im passenden Alter für den künftigen König Heinrich war, hatte eindeutig mehr geboten. Er versprach als Mitgift 30.000 Mark Silber, wobei Agnes’ Onkel, Herzog Ludwig I. von Bayern, noch 15.000 Mark Silber beischießen wollte. Auch König Andreas II. von Ungarn bot dieselbe Summe, kam mit seinem Angebot jedoch zu spät – der Kaiser hatte sich schon für die Böhmin als Schwiegertochter entschieden. Herzog Leopold VI. von Österreich fungierte als Fürsprecher für die Hochzeit zwischen Heinrich (VII.) und der Königstochter Agnes. Sie wurde sogar an seinem Wiener Hof erzogen und auf ihre Rolle als zukünftige Königin vorbereitet. Im Frühjahr 1225 machte sich der Babenberger Leopold auf den Weg nach Italien zu Kaiser Friedrich II., um Details der Hochzeit zwischen seinem Mündel Agnes und dem Königssohn zu besprechen. Zu aller Überraschung jedoch entschied sich der Kaiser, die offizielle Verlobung seines Sohnes mit Agnes zu lösen und Heinrich stattdessen mit Leopolds Tochter Margarete zu verheiraten. Inwieweit Leopold selbst die Hochzeit seines Mündels sabotierte, oder ob allein der Kaiser Initiator dieses Umschwunges war, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Den Quellen ist lediglich zu entnehmen, dass für den Kaiser die Verbindung seines Sohnes mit der österreichischen Herzogstochter von großem Vorteil war, da ihm dadurch jederzeit ein Weg aus dem deutschen Reichsteil nach Italien offen stand.¹⁰ Andererseits gab es Gerüchte, der seit drei Jahren verwitwete Kaiser hätte selbst ein Auge auf Agnes von Böhmen geworfen.

    Exkurs: HEINRICH (VII.),

    auch Klammerheinrich oder Klammersiebter genannt

    Der Staufer Heinrich (1211–1242) war der Sohn von Kaiser Friedrich II. und Konstanze von Aragón. Schon als Einjähriger wurde er von seinem Vater als römisch-deutscher König eingesetzt. Heinrichs Kindheit und Jugend verliefen großteils fern von seinen Eltern, eine liebevolle Eltern-Sohn-Beziehung war daher, wie so oft im Hochadel, zum Scheitern verurteilt. Immer wieder stellte Heinrich sich gegen die Entscheidungen seines Vaters und paktierte mit dessen Gegnern. Kaiser Friedrich sah sich schließlich gezwungen, seinen eigenen Sohn gefangen zu setzen und ihn seiner Würden zu berauben. Heinrich fand schließlich in Gefangenschaft seines Vaters ein ruhmloses Ende, im Alter von 31 Jahren. Über die Todesursache herrscht Uneinigkeit, einige sprechen von einem Sturz vom Pferd, weitere von Selbstmord, andere wiederum von einer Lepra-Erkrankung. Heinrich übte die Herrschaft also nie selbstständig, sondern in Regentschaft aus, wurde vom eigenen Vater abgesetzt und starb noch zu dessen Lebzeiten. Aus diesem Grund schreibt man die »(VII.)« als etwas ruhmloses Zeichen Heinrichs immer in Klammer, woher die wenig schmeichelhaften Beinamen »Klammerheinrich« bzw. »Klammersiebter« stammen.

    Generell waren die Babenberger bei der Anbahnung von Hochzeiten nicht zimperlich. Im Jahr 1166 reiste Heinrich II. Jasomirgott mit seiner Gemahlin Theodora Komnena in diplomatischer Mission nach Sofia. Auf der Rückreise machte der österreichische Herzog am Hofe des ungarischen Königs Stephan III. Halt. Während seines Aufenthaltes überredete der Babenberger König Stephan, dessen Verlobung mit der Prinzessin von Halicz zu lösen und stattdessen die babenbergische Herzogstochter Agnes zu heiraten, was noch im selben Jahr geschah.¹¹ Auch die Hochzeit von Heinrichs Vater Leopold III. mit Agnes, der Tochter des Kaisers, entsprang nicht den allerfeinsten Umständen. Heinrich, der Sohn von Kaiser Heinrich IV., rebellierte gegen den Vater, was schließlich zum Aufmarsch beider Heere im Jahre 1105 am Fluss Regen bei Regensburg führte. Wichtige Verbündete des alten Kaisers waren Leopold III. von Österreich und dessen Schwager Herzog Bořivoj II. von Böhmen. Der Kaisersohn versuchte, die Verbündeten des Vaters auf seine Seite zu ziehen, und bot dem österreichischen Herzog aus diesem Grunde die Hand seiner verwitweten Schwester Agnes an. Diese hatte sich nach dem Tod ihres ersten Gemahls in die Obhut ihres Bruders begeben. Es kam zu einer Einigung Leopolds mit dem jungen Rebellen Heinrich, woraufhin der österreichische Herzog mitsamt seinem Gefolge am Vorabend der Schlacht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Seiten wechselte. Selbst seinen Schwager, den böhmischen Herzog, nahm er mit auf die gegnerische Seite. Heinrich IV., der sich also von einem Großteil seines Heeres verlassen sah, musste daraufhin zugunsten seines Sohnes abdanken. In den zeitgenössischen Chroniken wird der Treuebruch und Seitenwechsel Leopolds III., noch dazu unmittelbar vor einer entscheidenden Schlacht (Fahnenflucht!), sehr ambivalent gesehen. Selbst Leopolds Sohn Otto von Freising verurteilte das Vorgehen des späteren Kaisers Heinrich V. aufs schärfste und erwähnt die Vorgeschichte der Ehe seiner Eltern eher ungern. Die Ehe Leopolds III. mit Agnes wurde trotz des holprigen Anfangs eine sehr fruchtbare und langjährige; sie gebar dem Babenberger 17 Kinder.

    Nicht alle Eheverhandlungen waren jedoch erfolgreich. Es kam einerseits durch die hohe Kindersterblichkeit, andererseits durch die sich oft rasch verändernde politische Situation zu zahlreichen geplatzten Eheversprechen. Bis zu drei Verlobungen waren im Hochmittelalter nicht unüblich. Wo sich die Fehlschläge häuften, sanken gleichzeitig die Heiratschancen der Töchter. Je älter die Braut wurde, desto höher war auch die Gefahr, dass sie nicht jeden ihr vor die Nase gesetzten Bräutigam akzeptierte und ihre Hand verweigerte. Der Weg zur passenden Braut gestaltete sich also nicht immer leicht und führte, bei geplatzten Verhandlungen, nicht selten zu einer Brüskierung der zurückgewiesenen Schwiegereltern. Die Babenbergertochter Margarete von Österreich stand Anfang des 13. Jahrhunderts ohne ihr Zutun im Brennpunkt eines solchen Konfliktes. Der böhmische König Ottokar I. Přemysl sah bereits seine Tochter Agnes als zukünftige Königin, als sich Kaiser Friedrich II. aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen gegen diese Hochzeit entschied und seinen Sohn Heinrich stattdessen mit der österreichischen Herzogstochter verheiratete. Heinrich selbst hatte bei seiner Eheverhandlung genauso wenig mitzureden wie Margarete.¹² Durch die Brüskierung des böhmischen Königs wurde ein folgenschwerer Konflikt mit den Babenbergern heraufbeschworen, der kriegerische Einfälle der Böhmen und Verwüstungen des österreichischen Herzogtums mit sich brachte. Ausbaden musste die Auseinandersetzung schließlich Leopolds Sohn Friedrich II. der Streitbare. Dieser war von Haus aus mit wenig diplomatischem Geschick gesegnet und konnte den böhmischen König nicht befrieden. Er ließ als letzter Babenberger in der Schlacht an der Leitha 1246 sein Leben.

    Generell erwies es sich als politischer Nachteil, wenn bei der Partnerwahl persönliche Motive mitspielten. Der junge Graf Balduin II. von Hennegau, der Ende des 11. Jahrhunderts lebte, war mit der Nichte des Grafen von Flandern verlobt. Als er diese jedoch zum ersten Mal sah, »verschmähte und verachtete er ihr durch übergroße Hässlichkeit entstelltes Aussehen«, und heiratete stattdessen eine andere. Die Folge war, dass der Graf von Flandern, durch die Zurückweisung seiner Nichte persönlich beleidigt, Balduin einen großen Teil seines Besitzes aberkannte.¹³ Anfang des 12. Jahrhunderts hat sich in Sachsen ein ähnlicher Fall zugetragen. Markgraf Udo von der Nordmark war mit der Tochter des letzten Billunger-Herzogs Magnus von Sachsen verlobt. Als er jedoch die schöne Ermengarda sah, führte er diese stattdessen heim, was einen Entrüstungssturm unter seinen Vasallen auslöste. Sie waren empört darüber, weil die Familie Ermengardas der des Markgrafen nicht ebenbürtig war.¹⁴ Dies beweist, dass nicht nur die Verwandten, sondern auch die Adeligen des herrschaftlichen Einflussbereiches bei der Vermählung ihres Herrn ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatten.

    Eine standesgemäße Hochzeit des Regierenden war folglich von großer Bedeutung. Bei den Babenbergern kam es mehrmals vor, dass der Rang der Braut höher war als der des Bräutigams, wie beispielsweise bei den Kaisertöchtern Agnes und Gertrud, der Königstochter Helena oder den byzantinischen Prinzessinnen. Anlässlich der Hochzeit der byzantinischen Prinzessin Theodora Komnena mit dem österreichischen Herzog Heinrich II. wurden in ihrer Heimat Gedichte verfasst, die nahelegen, dass man den Bräutigam als weit unter ihrem Rang bewertete:

    Frohlocke, Deutschland, leuchte auf und Scherz und Spiel nun treibe!

    Denn sieh, der Herzog hochberühmt, er nimmt sich froh zum Weibe

    Heut’ des Sebastokrators Kind, das schönste auf der Erden,

    Wird glänzender von ihrem Glanz, durch sie berühmter werden. […]

    Heil Bräutigam, Königsbruder Du und Herzog voller Ehren,

    Du Glücklichster! Nun wird Dein Ruhm, Dein Glanz sich immer mehren. […]

    Der Herzog, Königsbruder ist nun eingeschlossen

    Ins Herrscherhaus des Basileus, des Purpurs kecken Sprossen,

    Von ihm, dem Schwager, kommt ihm Kraft, von ihm erhält er Ehre;

    So wird er glänzend, wird berühmt, mehr als er je es wäre …

    Zwei weitere Gedichte, die bereits ein paar Jahre nach Theodoras Hochzeit anlässlich ihres Besuches in Byzanz verfasst wurden, werden deutlicher. Hier ist die Rede davon, dass die Prinzessin an einem schrecklichen Tag (dem Hochzeitstag) von einem Raubtier aus dem Westen (Heinrich II.) verschleppt und unerwarteterweise nun aus dem Hades (Österreich) zurückgekehrt wäre.

    Und ist sie nicht willig, so brauch ich Gewalt!

    ENTFÜHRUNGSEHEN

    »Er schnappte sich die Jungfrau wie ein Wolf, der aus seinem Versteck

    hervorbrechend ein Lamm raubt, und eilte, der Tat sich bewusst,

    mit gesenktem Schweife davon.«

    (COSMAS VON PRAG, BÖHMENCHRONIK, UM 1100, KAP. 40)

    Eine weitere, im Mittelalter nicht unbeliebte Form der »Brautwerbung« war die Entführungs- oder Raubehe. So mancher ungestüme, junge Bräutigam, der entweder keine Aussicht hatte, das begehrte Mädchen zu heiraten, oder schlicht keine Lust auf langwierige Verhandlungen, nahm die Sache selbst in die Hand. Ein besonders eifrig getätigtes Wagnis war es, seine Zukünftige zu entführen und vor eilig zusammengetrommelten Zeugen sofort zu heiraten. Da sich erst im Laufe des Spätmittelalters bei Hochzeiten die Miteinbeziehung eines Priesters durchsetzte, war eine solche Raubehe großteils durchaus rechtens, jedoch nicht immer ungefährlich. Gertrud von Haldensleben, Alleinerbin des gesamten Haldenslebener Besitzes, wurde von ihrem ersten Gemahl, Graf Friedrich von Formbach, Mitte des 11. Jahrhunderts entführt. Dieser konnte sich seiner Tat aber nicht lange rühmen, da ihn sächsische Standesgenossen aus Rache für seine Tat erschlugen. Der kurzen Ehe entsprang eine Tochter Hedwig, die, in die Fußstapfen ihrer Mutter tretend, ebenfalls von ihrem ersten Gemahl entführt wurde. Von diesem, nämlich Gebhard von Supplinburg, empfing Hedwig Kaiser Lothar III., den Vater der Babenbergerin Gertrud von Supplinburg.¹⁶

    Sehr beliebt, wenn auch ungleich schwieriger, war die Verschleppung der Braut direkt aus dem Kloster. Eine besonders abenteuerliche Entführung trug sich um das Jahr 1020 zu. Judith von Schweinfurt, Tochter von Markgraf Heinrich vom Nordgau, war laut der Böhmenchronik des Cosmas von Prag eine überaus schöne junge Frau: »Ihr war an Schönheit nirgends, so weit

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1