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ANI: Essay eines Lebens
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eBook100 Seiten50 Minuten

ANI: Essay eines Lebens

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Über dieses E-Book

Ani kommt 1971 mit 16 Jahren allein aus Bosnien nach Österreich, ein Ziel klar vor Augen: dem Elend und der Armut zu entkommen. Unermüdlich schuftet sie für ein besseres Leben, gewinnt viel und verliert schlussendlich doch alles. Susanne Preglau zeichnet Anis Leben nach - eine Biografie stellvertretend für die der vielen Menschen, die als Gastarbeiter oder Flüchtlinge nach Österreich kommen und ein Leben lang mit schweren Traumatisierungen zu kämpfen haben, denn freiwillig verlässt keiner seine Heimat.
SpracheDeutsch
HerausgeberLimbus Verlag
Erscheinungsdatum18. Jan. 2014
ISBN9783990390177
ANI: Essay eines Lebens

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    Buchvorschau

    ANI - Limbus Verlag

    Susanne Preglau

    ANI

    Essay eines Lebens

    Ich bin am 13. März 1954

    auf die Welt gekommen.

    In meinem Elternhaus,

    eine halbe Stunde zu Fuß von Brajkovići,

    einem kleinen Dorf in Bosnien.

    Ich bin die Zweite von sechs Geschwistern.

    Drei Mädchen und dann drei Buben.

    Mein Vater ist,

    da war ich sechs Jahre alt,

    mit 36 Jahren gestorben,

    an einer Lungenkrankheit.

    Zwei Monate

    vor der Geburt meiner Zwillingsbrüder.

    Meine Mutter Luca hat auch

    eine Zwillingsschwester gehabt:

    Ana.

    Sie ist immer ledig geblieben

    und hat meiner Mutter geholfen,

    nach dem Tod meines Vaters

    die sechs Kinder durchzubringen.

    Nach ihr bin ich

    benannt.

    Zwei Brüder meiner Mutter

    sind im Zweiten Weltkrieg gefallen.

    Sie waren bei der Ustascha

    und sind von Partisanen erschossen worden.

    Sie haben sich geweigert,

    mit einer weißen Fahne zu kapitulieren.

    Einige hundert Ustascha-Kämpfer

    sind getötet worden.

    Aber sie haben keine einzige Leiche gefunden.

    Der Tod ihrer Brüder

    hat meine Mutter sehr getroffen.

    Ich kann mich erinnern,

    dass sie immer

    an den Geburtstagen ihrer Brüder ganz traurig war.

    Uns Kindern hat sie gesagt, sie weint,

    weil sie Zahnweh hat.

    Ein anderer Bruder meiner Mutter

    hat eine Getreidemühle gehabt.

    Er ist von einem Muslim umgebracht worden.

    Das war 1952,

    zwei Jahre vor meiner Geburt.

    Es ist nur darum gegangen,

    das Getreide zu stehlen.

    Es war nur aus Hass.

    Mein Onkel war dreißig Jahre alt.

    Er hat seine Frau

    und zwei kleine Kinder hinterlassen.

    Sie leben heute noch in Bosnien.

    Ein Sohn arbeitet im Kohlebergwerk,

    der andere ist Maurer.

    Der Mörder ist nie vor ein Gericht gekommen.

    Weil unsere Familie sich immer geweigert hat

    kommunistisch zu sein,

    weil für uns der katholische Glaube

    alles war.

    Mörder von Kroaten

    hat die kommunistische Polizei nie verfolgt.

    Die Kroaten haben auch keine Arbeit gekriegt.

    Du hast Kommunist sein müssen,

    sonst hast du keine Arbeit gekriegt.

    Die muslimischen Dorfbewohner

    haben den Mörder bejubelt,

    weil’s wieder ein Kroate weniger war.

    Das hat eine Gruppe

    kroatischer Arbeiter beobachtet,

    die gerade nach dem Schichtwechsel

    in der Kohlegrube

    am Heimweg waren.

    Vor dem Zweiten Weltkrieg hat mein Opa,

    der Vater meiner Mutter,

    auch einen Muslim erschossen –

    hat meine Mutter gesagt.

    Damals hat mein Opa zwei, drei Kühe gehabt

    und eine Kuh verkaufen wollen,

    weil er Geld gebraucht hat.

    Er ist mit der Kuh nach Travnik

    zum Markt gegangen,

    ungefähr zwanzig Kilometer durch die Berge.

    Nach zwei kroatischen Dörfern

    ist er im Morgengrauen

    durch ein muslimisches Dorf gekommen.

    Da waren auf einmal zwei junge Männer,

    die wollten,

    dass er ihnen die Kuh gibt.

    Mein Opa hat gesagt, nein,

    aber im nächsten Dorf waren sie mit Verstärkung

    wieder da,

    und diesmal haben sie Gewehre gehabt.

    Mein Opa hat aber eine Pistole gehabt

    und hat sich gewehrt.

    Ein Muslim war tot und einer verletzt.

    Die Kuh haben sie ihm weggenommen,

    aber mein Opa

    hat davonrennen können.

    Das war Ende der Zwanzigerjahre.

    Meine Mutter war damals drei Jahre alt.

    Meine Oma ist bei der Geburt meiner Mutter

    und ihrer Zwillingsschwester gestorben.

    Mein Opa hat dann fünf Kinder

    allein großgezogen.

    Tiere haben wir gehabt,

    eine Kuh, ein Pferd und

    zwei Schweine

    und 15, 16 Hendeln.

    Davon haben wir gelebt.

    Das Pferd war ganz klein,

    fast so wie ein Esel,

    nur Haut und Knochen.

    Im Frühling hat das Pferd

    den Pflug auf dem steinigen Boden gezogen.

    Aber der Kukuruz und das Getreide

    sind nicht richtig gewachsen.

    Entweder hat der Regen

    die Erde weggeschwemmt

    oder die Sonne hat die Erde verbrannt.

    Außerdem haben wir das Pferd gebraucht,

    um im Sommer Erde mit Wasser

    in einer Holzform festzustampfen.

    Daraus haben wir Ziegel gemacht

    und verkauft.

    Das waren aber keine gebrannten Ziegel,

    die waren nur aus Lehm und Wasser.

    Im Herbst hat das Pferd

    das Holz aus dem Wald getragen,

    das wir zum Heizen gesammelt haben.

    Schweine waren eigentlich verboten

    wegen der Muslime.

    Aber es ist nicht aufgefallen,

    weil unser Haus war weit weg

    vom Dorf.

    Die Felder waren unfruchtbar

    und voller Steine.

    Es hat Hunger geherrscht,

    die Böden haben nicht genug hergegeben,

    um die Familie zu ernähren.

    Nach dem Tod des Vaters

    hat die Mutter sechs Kinder

    allein durchbringen müssen.

    Ohne die Hilfe ihrer Schwester

    hätte sie das nie geschafft.

    Wir haben,

    als ich ein Kind war,

    jeden Tag in der

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