Seewölfe - Piraten der Weltmeere 135: Der Sohn der Wüste
Von Kelly Kevin
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Rezensionen für Seewölfe - Piraten der Weltmeere 135
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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 135 - Kelly Kevin
12
1.
Die Galeone „Isabella VIII." ächzte und stöhnte im abflauenden Sturm wie ein lebendes Wesen.
Auf der Kuhl beschwor Ed Carberry, der narbige Profos, alle Dämonen von Wasser, Luft und Land und drohte der Crew sämtliche Höllenstrafen an, wenn sie nicht – beim gestreiften Wassermann – endlich die dreimal verdammte Fock klarierte. Philip Hasard Killigrew, den sie den Seewolf nannten, stand an der Schmuckbalustrade des Achterkastells und zeigte dem Wetter die Zähne. Tief im Bauch der „Isabella" rumorte etwas – und Ferris Tucker, der riesige rothaarige Schiffszimmermann, war losgezogen, um dieses ungehörige Rumoren zu untersuchen.
Seinem Gesichtsausdruck nach mußte jeden Augenblick das Kielschwein auseinanderbrechen oder der Großmast eine Verbeugung vollführen.
Der schlaksige Schiffsjunge Bill bereitete sich keine, übertriebenen Sorgen: er wußte inzwischen, daß der Schiffszimmermann in jedem Holzwurm den künftigen Ruin der „Isabella zu sehen pflegte. Ferris Tuckers zweiter Begleiter auf dem Inspektionsgang interessierte sich mehr für das Innenleben der Laderäume. Der Kutscher – denn Kutscher war er gewesen, bevor ihn vor Jahren eine Preßgang gewaltsam zum Seemann werden ließ – zeichnete als Koch und Feldscher für die Vorräte verantwortlich. Auch er blickte sorgenvoll drein. Der Sturm hatte die „Isabella
kräftig durchgerüttelt. Und so ein Wetter, das wußte jeder, konnte auch straff durchgesetzte Taue lockern und in Laderäumen, die von den Augen eines Ferris Tucker überwacht wurden, Verheerungen anrichten.
Nicht, daß der rothaarige Hüne tatsächlich solche Verheerungen befürchtet hätte.
So etwas passierte bei ihm nicht. Er pflegte schwache Stellen frühzeitig zu entdecken. Zum Beispiel jetzt, da der Sturm die „Isabella" geschüttelt hatte und man Vorsorge für den nächsten Sturm treffen mußte, der sicher nicht lange auf sich warten lassen würde.
Ferris Tuckers dritter Begleiter hieß Arwenack und war kein Seemann, sondern ein Schimpanse – vermutlich der einzige salzgewässerte, seekriegserprobte Schimpanse der Welt.
Arwenack hatte keine Pflichten, sondern hätte genausogut in den Wanten schaukeln können. Aber die Gerüche der Laderäume zogen ihn magisch an. Vor allem die Gerüche nach Feigen, Datteln und getrockneten Weinbeeren! Doch all diese Herrlichkeiten waren in fest verschlossenen Säcken und Fässern verstaut, und der Schimpanse lebte schon lange genug auf der „Isabella", um zu wissen, daß seine Chancen auf eine zusätzliche Mahlzeit unter diesen Umständen gleich Null waren.
Also beschränkte er sich auf sein zweitgrößtes Vergnügen: das Nachahmen.
Ferris Tucker durchmaß den Laderaum, zerrte an Tauen, prüfte Augbolzen und Belegklampen – und Arwenack, der Schimpanse, tat es genauso.
War es seine Schuld, daß er schneller als Ferris, Bill und der Kutscher an die einzige schwache Stelle geriet?
Es war ein Wasserfaß.
Das letzte Wasserfaß, das mit der Hälfte des vorletzten eigentlich noch bis zu den bretonischen Häfen reichen sollte. Aber das konnte Arwenack natürlich nicht wissen. Genausowenig, wie er wissen konnte, was man tat, wenn sich wegen eines ausgebrochenen Augbolzens ein Wasserfaß mitten im Sturm aus den Verankerungen zu lösen drohte – nämlich das Faß unter allen Umständen festhalten. Arwenack zerrte nur an den lockeren Tauen herum und kekkerte triumphierend – und Ferris Tucker, Bill und der Kutscher begriffen etwas zu spät, was vor ihren Augen geschah.
Genaugenommen begriffen sie es erst, als das Wasserfaß zu Boden krachte.
„Nein", sagte der Kutschter.
„Himmelarsch", flüsterte Ferris Tucker ergriffen.
Und der Schimpanse, stieß eine Folge von schrillen, triumphierenden Lauten aus, während das Wasserfaß quer durch den Laderaum polterte.
„Haltet es!" flüsterte Tucker – ziemlich leise und ohne große Überzeugungskraft, weil er nämlich sehr genau wußte, daß keine Macht der Welt das verdammte Faß mehr aufhalten konnte.
„Krach", sagte Bill.
Noch bevor er aussprechen konnte, krachte es tatsächlich. Das Wasserfaß rammte einen Stapel anderer, kleinerer Fässer. Die waren zwar ordnungsgemäß festgezurrt, aber nicht für den Fall, den der Schiffsjunge sehr treffend als „Krach" bezeichnet hatte.
Zwei Dutzend kleiner, handlicher Fässer machten sich selbständig.
Mindestens ein halbes Dutzend davon fegte über die Säcke mit den Kokosnüssen. Natürlich tat das den Kokosnüssen nicht besonders gut. Einige Säcke öffneten sich, die Nüsse begannen zu tanzen, und gleichzeitig breitete sich im Lagerraum ein Geruch aus, der sehr entfernt, aber auch nur sehr entfernt, an die Ausgabe von Zitronensaft gegen den Skorbut erinnerte.
Das Wasserfaß hatte die Essigfässer in Bewegung gebracht, und die Essigfässer brachten so ziemlich alles in Bewegung, was sich in dem Laderaum überhaupt bewegen konnte.
„Unser Öl!" schrie der Kutscher verzweifelt.
„Mann, seufzte Ferris Tucker. „Der Mensch denkt an Öl, wenn die Rumfässer auslaufen!
„Rum und Öl, meinte der Schiffsjunge verächtlich. „Ich meine …
„Was?" knirschte Ferris Tucker erbittert.
„Na ja, die Mehlsäcke …"
„Die Mehlsäcke!" schrie der Kutscher im Tonfall eines Schwerkranken, dem man die lebensrettende Medizin geklaut hat.
„Mann, oh Mann", stöhnte Ferris Tucker.
Währenddessen verwandelte sich der Inhalt der Mehlsäcke in einen gleichmäßigen Nebel, der zu allem möglichen geeignet war, nur nicht mehr zum Brotbacken.
Für eine Weile standen die drei Männer still.
So still, wie es auf einer Galeone im abflauenden Sturm überhaupt möglich war.
„Wißt ihr was?" fragte der Kutscher schließlich.
„Nun, sagte Ferris Tucker. „Was denn?
„Wißt ihr, was ihr die nächste Zeit zu essen kriegen werdet?"
„Nein", wiederholte Ferris Tucker, jetzt allerdings sehr interessiert.
„Pfannkuchen mit Staub und Bilgewasser, sagte der Kutscher erbittert. „Schwarzmehl-Pfannkuchen mit Linseneinlage und Essig-Aroma! Viel Vergnügen!
Ferris Tucker schluckte.
Bill, der Schiffsjunge, legte seinen Arm um den schuldbewußten Arwenack. Der Kutscher, der mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor ihnen stand, schien ein gewisses Vergnügen daran zu finden, die zu erwartende Verpflegungssituation auszumalen.
„Bilgewasserwasser-Suppe mit Kakerlaken, behauptete er. „In Essig eingelegte Rosinen. Und Kokosmilch! Jede Menge Kokosmilch, weil wir ja kein Wasser mehr haben.
Ferris Tucker warf noch einen schicksalsergebenen Blick auf das Chaos, dann wandte er sich Bill zu.
„An Deck mit dir! knurrte er. „Ich brauche mindestens fünf Mann, um diesen Saustall aufzuräumen. Und ein bißchen plötzlich, du Hering, sonst gibt’s Zunder!
Die spanische Galeone „Santa Lucia" schwankte schwerfällig wie eine kranke Kuh in der hohen Dünung.
Der Sturm war abgeflaut, die handige Brise trieb nur noch wenige Wolkenfetzen über den Himmel. Auf dem Achterdeck versuchte Mercedes del Rios ihr zerzaustes schwarzes Haar in Ordnung zu bringen. Unten in dem Laderaum, den man ihnen als provisorisches Quartier zugewiesen hatte, war die Luft kaum zu atmen. Zwanzig Frauen hatten sich während des Sturms zitternd vor Angst aneinandergeklammert. Frauen, die schon einmal einen Schiffbruch erlebt hatten und wußten, was sie erwartete, wenn die „Santa Lucia" kenterte.
Mercedes schlug schauernd die Arme um ihren Körper.
Sie dachte an die „Regina Maris", mit der sie vor Wochen in Spanien aufgebrochen waren. Sie und mehr als fünfzig andere Frauen, die meisten davon unterwegs, um ihren Männern oder Verlobten zu folgen, die in den Kolonien eine neue Existenz aufgebaut hatten. So optimistisch und voller Hoffnung waren sie gewesen!
Auch Mercedes, obwohl auf sie in der neuen Welt niemand wartete. Sie war vor den Verhältnissen in Spanien geflohen, vor der Tyrannei ihrer alten, aber verarmten Familie, vor der Aussicht, ihr Leben im Kloster beschließen zu müssen, weil es ohne Mitgift keine standesgemäße Heirat gab und eine Frau aus guter Familie nur die Wahl zwischen Ehe und Kloster hatte. Die Neue Welt erschien Mercedes wie so