Puriysten auf Reisen: Berliner Weltsichten
Von puriy
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Über dieses E-Book
- von Gaunern, Heiligen, Lebenskünstlern, Hippies und Magiern, auf die man im Indien der 90er traf
- vom entschleunigten Reisen durch Afrika, wo Zeit keine Rolle spielt
- vom Kampf gegen die Höhenkrankheit auf 5.000 Metern in den Anden
- von Pleiten, Pech und Pannen im äthiopischen Süden
- von einer Interrail-Tour Anfang der 90er, kurz vor dem Ausbruch des Balkankriegs
- wie man auf dem Weg nach Bogotá unfreiwillig in Buenos Aires landet
- von einem Angsthasen auf Safari in der Serengeti
- vom Arbeiten im härtesten Land der Welt - Somalia
- wie man ins indonesische Fernsehen kommt
- von Erschwernissen des Reisens durch Dauer-Streiks während der Finanz- und Wirtschaftskrise in Ecuador
- vom Regen, der einen plötzlich in der israelischen Wüste heimsuchen kann
- von einem Besuch bei Berggorillas in Ruanda
- wie man 3.753 km Australien durchquert
- wie klein manchmal doch die Welt ist
Mit Reisegeschichten aus: Äthopien, Australien, Benin, Ecuador, Griechenland, Indien, Indonesien, Israel, Kenia, Malawi, Panama, Peru, Ruanda, Somalia, Spanien, Tansania
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Buchvorschau
Puriysten auf Reisen - puriy
www.puriy.de
GESTRANDET
PURI(Y)STIN:
MADLEN BRÜCKNER
UNTERWEGS MIT:
FLUGZEUG VON IBERIA
REIST NACH:
KOLUMBIEN UND LANDET IN ARGENTINIEN
STATIONEN:
(BOGOTÁ) – MADRID – (BUENOS AIRES)
REISEZEIT:
DEZEMBER 2010/ JANUAR 2011
ENTFERNUNG:
1.871 KILOMETER
Es ist Silvester 2010. Ich sitze in einem Starbucks im Zentrum Madrids. Widerwillig nippe ich an meinem Latte Soja aus der amerikanischen Kaffeekette. Den würde ich jetzt gern in einem Juan Valdez im Zentrum Bogotás trinken. Bogotá war mein Ziel, aber Bogotá ist weit. Schuld ist der Schnee. Oder vielmehr eine schlecht gewählte Airline. Oder vielmehr meine Unvernunft, mein Gepäck bei einem Zwischenstopp mit ins Hotel zu nehmen. Schuld ist... Es gibt viele Gründe, warum ich hier in Madrid festsitze. Ich starre hinaus in das Treiben der spanischen Metropole. Ich habe nichts gegen Land und Leute hier, aber jetzt, in diesem Moment, bin ich nur wütend und meine Wut richtet sich gegen alles, was ich sehe.
Anspannung lag bereits am Abend des 27. Dezembers in der Luft, als ich erschöpft mit dem Zug von Leipzig nach Berlin reiste. Auf der Reise von Leipzig hatte ich erfahren, dass dies der letzte Zug nach Berlin sein würde – aufgrund der Vereisungen. Ich war ein Glückskind! Beinah meinen Flug verpasst, aber eben nur beinah. Aber schon im Auto auf dem Weg nach Haus beschlich mich bereits ein ungutes Gefühl. Schneegestöber verwandelte Berlin gerade in eine froststarrende Zuckerlandschaft. Das verhieß nichts Gutes. Und wo äußern sich deutsche „Extremwetterlagen" als erstes? Auf Bahnsteigen und Flughäfen des Landes. Die Bahnsteignummer hatte ich bereits hinter mich gebracht, während die Flughafennummer noch auf mich wartete.
Um 5 Uhr klingelt der Wecker. Mein erster Blick geht aus dem Fenster. Die Vorfreude auf die anstehende Reise will sich nicht trüben lassen. Vor neun Monaten hatte ich Bogotá verlassen. Und in dem Moment, in dem ich mich von der Stadt verabschiedete, wusste ich, dass ich noch in diesem Jahr zurückkehren würde. Um 6.30 Uhr bin ich in Tegel. Berlin ist verschneit, es ist kalt, es ist eisig. Aber der Blick auf die Anzeige beruhigt mich. Nahezu alle Flieger gehen in die Luft. Bis ich am Ende des Tableaus eine Flugverschiebung entdecke. Von 7.30 Uhr auf 11.00 Uhr. Iberia nach Madrid. Dumm nur, dass es sich bei dieser Maschine um unseren Zubringer handelt. Der Anschlussflug ist bereits jetzt nicht mehr zu schaffen, so viel steht fest.
Am Check-In hat sich bereits eine Schlange gebildet, in die ich mich nervös einreihe. Lars steht neben mir, wir reisen zusammen. Bald bemerken wir, der Iberia-Verkaufsschalter macht jetzt vielleicht mehr Sinn für Fälle wie den unsrigen. Ich will so viel wie möglich noch hier im „geordneten Deutschland abchecken und klären, bevor man sich in Madrid in die Hände planloser, unfreundlicher Iberia-Spanier begibt. Das sagt zumindest meine Erfahrung. Lars und ich teilen uns auf, er geht zum Verkaufsschalter, ich bleibe am Check-In. Nach anderthalb Stunden bin ich als erstes dran, rufe noch schnell Lars. Ganz einfach ist die Welt des äußerst freundlichen und ruhigen Bodenpersonals: Unser Gepäck wird nach Bogotá durchgecheckt, wir bekommen einen Essensgutschein über acht Euro ausgehändigt und der Rest soll das Problem von Iberia in Madrid sein. Befriedigen tut uns das nicht. Wir kehren schnell zum Verkaufsschalter zurück, wo sich unter den „Fern
-Reisenden schon ein gewisses Solidaritätsgefühl entwickelt hat und wo wir problemlos wieder die Stelle einnehmen können, die Lars vorher verlassen hatte. Nochmal anderthalb Stunden warten. Diese Schlange erscheint uns jedoch durchaus kurzweiliger, da man sich mit den anderen Betroffenen über deren Reiseziele – San José, Caracas, Buenos Aires – austauscht. Immerhin besser, als vier Stunden mit Gabi und Klaus über Mallorca zu quatschen. Irgendwie verbindet der Austausch. Eine gemeinsame Entschlossenheit entwickelt sich, nicht alles mit sich machen zu lassen.
Irgendwann verlieren die ersten die Geduld. Sie geben auf. Einer sagt, er will eine Nacht ausschlafen in Berlin, um morgen mit neuem Glück zu starten. Ich denke einen Moment über diese Lösung nach, um sie kurz darauf ins tiefe Tal meiner späteren Tränen zu werfen. Mit Engelsgeduld erklärt uns eine überaus freundliche Dame vom Iberia-Verkaufsschalter die Optionen. Unsere gewählte Option klingt nicht dumm: Wir fliegen heute, wenn die Maschine endlich abhebt, nach Madrid. Dort melden wir uns am Iberia-Schalter (immer ein Risiko), um uns eine Übernachtung „sponsored by Iberia" zu besorgen. Am nächsten Morgen würde es nach Bogotá weitergehen, und wenn wir Glück haben, klappt es sogar mit Business Class. Hört sich super an. Doch ein unwohles Gefühl bleibt. Problemlösungen in Madrid lassen bei mir seit meinem ersten Flug mit Iberia vor einigen Jahren immer die Alarmglocken klingen. Warum nur überquere ich hier die Grenzen meines gut funktionierenden Sicherheitssystems? Weil Urlaub ist, weil ich nicht deutsch agieren will, nicht panisch, alles easy, alles wird schon.
Um 13 Uhr heben wir endlich ab. Zur gleichen Zeit denke ich an meine Maschine nach Bogotá, die gerade jetzt spanischen Boden verlässt. Gern würden wir uns jetzt stärken, etwas zu uns nehmen. Doch wir erleben den gewohnten Nicht-Service von Easyjet-Tourismus. Essen? Trinken? Fehlanzeige. Will man was haben, muss man es kaufen. Seit inzwischen sieben Jahren muss an Bord alles gekauft werden. Wie lange bin ich diese Airline nicht mehr geflogen? Aber bei meinem letzten Flug gab es für mich ja auch auf sechs Flügen (aufgrund von Zwischenstopps) kein Essen, da sich das Iberiapersonal enorm schwer mit meinem sicherlich nicht so besonderen Wunsch nach vegetarischem Essen tat, und mit Freundlichkeit übrigens noch mehr.
In Madrid kommen wir problemlos im Tryp Sol Melia unter. Die Hotelübernachtung ist also klar. Der Platz in der Business Class wird hingegen mit Unverständnis zur Kenntnis genommen und umgehend gestrichen. Und so dürfen wir uns auf den morgigen Flug in der rechtens erworbenen Economy Class freuen. Spanier verstehen keinen Spaß oder haben kein besonderes Herz für Backpacker-Phantasien. Na gut, weg ist weg, egal wie.
Dann rückt der Iberia-Mann noch mit einem verlockenden (oder doch eher verhängnisvollen) Angebot heraus. Unser bereits durchgechecktes Gepäck könnten wir problemlos in der unteren Halle für diese Nacht abholen. Aus Sicherheitsgründen und wegen meiner Medikamente finde ich die Offerte großartig. Wir stimmen zu. 15 Minuten später holen wir das Gepäck am Rollband Nummer sechs ab. Wie gut hier doch alles funktioniert. Meine Vorbehalte gegen Iberia lösen sich für ein paar Stunden in Luft auf. Bis zum nächsten Morgen. Da schlägt die Fluglinie zu und lässt mich gegen eine Wand laufen. Und wie!
Es beginnt alles ganz harmlos. Wir sind bestens gelaunt und wollen noch das Gepäck einchecken, die Boarding Cards haben wir bereits. Peter, ein Bekannter aus der Berlin-Schlange von gestern, begleitet uns. Sein Flieger nach Buenos Aires wird später abheben. Welchen Iberia-Schalter nehmen wir? Nahezu die ganze Halle vier glänzt rot-gelb. Ist es Zufall, Missgeschick, Unglück, höhere Fügung? Wir geraten an die Check-In-Mitarbeiterin mit dem klangvollen Namen Carmen Garcia Merina. Ihre Miene ist starr.
Bündig fragt sie nach unseren Rückflugtickets. Bereitwillig reichen wir sie rüber – von Rio nach Berlin Ende Januar. Denn unsere Reise ist als Gabelflug geplant und gebucht. Wir fliegen Bogotá rein und Rio raus. Lars hatte Ähnliches erst vor elf Monaten gemacht – Bogotá rein, La Paz raus. Kein Problem. Meine Schwester ebenso, Caracas rein, Rio raus. Oder La Paz rein, Rio raus. Gabelflüge sind üblich. Das stellte die Dame so gar nicht zufrieden. Wieder fragt sie nach, wie wir aus Kolumbien rauskämen. Wir scherzten und meinten zu Fuß, naja oder per Boot, wie man es eben genau sehen möchte. Auf jeden Fall über den Amazonas. Fakt ist, wir fliegen aus Rio raus. Aber unsere Carmen sieht das ganz anders. Eine solche Reise liegt völlig außerhalb ihres Erfahrungshorizontes. In schnippischem Ton teilt sie uns mit, wir müssten noch etwas anderes vorzeigen, etwas, das beweist, dass wir Kolumbien tatsächlich wieder verlassen werden. Na klar Mädel! Rio liegt nicht in Kolumbien, also, entiendes? Aber sie bleibt eisern. Sie kann uns nicht fliegen lassen. Plötzlich erstarrt mein Lächeln, denn ich bemerke die Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme. Wir sind wie vor den Kopf gestoßen und reden auf sie ein. Durchgecheckt sind wir schon, niemand hatte Einwände erhoben – egal, Carmen schüttelt mit dem Kopf. Schließlich verlangen wir nach ihrem Vorgesetzten.
Die Frau muss ein Sonderfall sein. Schlechter Tag einfach. Oder übereifrig. Das Missverständnis lässt sich sicher aufklären. Ein Fehler, wie sich herausstellt. Wir warten auf „el jefe, der eine verfrühte Siesta zu machen scheint. Carmen versucht indessen weiter, uns von unserem Unrecht zu überzeugen. Sie gibt nicht auf und bescheinigt dem Personal in Deutschland schlechte Arbeit. „They worked bad
– denn sie hätten uns gar nicht erst abfliegen lassen dürfen. Deutsche Arbeit, schlechte Arbeit? Ist das die Retourkutsche für unsere EU-Politik? Hassobjekt Deutsche? Verzweifelt, aber mit ruhiger Stimme rede ich auf sie ein, innerlich bebt mein Leib. Noch immer ist da die Hoffnung, der Chef würde aufklären. Schließlich schlägt Carmen vor, wir sollten uns ein Bogotá-Rückflugticket kaufen, refundable. In Kolumbien könnten wir es uns dann erstatten lassen. Ich lehne ab. Lars versucht es derweil an einem anderen Schalter.
Dann tritt Raul Sanchez auf mit seiner Assistentin Sara Munoz. Er: ganz Vorgesetzter, sie: kämpferisch an seiner Seite. Ein K(J)ammerspiel! Wie tausendfach eingeübt läuft nun ein Film ab, den ich nur noch traumatisiert erlebe. Raul legt uns einen Computerausdruck vor, der uns zeigen soll, weshalb wir nicht nach Kolumbien einreisen können. Er tut es mit einer Geste, als wäre es ein „Most Wanted-Plakat. Ist es aber nicht. Stattdessen steht da etwas von „Beweis, das Land wieder zu verlassen
. Wir drehen uns im Kreis. Rio ist nicht Kolumbien, versuche ich ihm noch einmal klarzumachen. Wir wollen definitiv zurück. Er bleibt abweisend. Dann kehrt Lars zurück. Ein dezentes Zeichen verrät mir, es hat geklappt. Der andere Schalter hat sein Ticket und Gepäck problemlos akzeptiert. He is on the flight.
Nur ich bin aktuell noch das Problem, das es zu lösen gilt. Vielleicht wirken wir plötzlich zu gelöst, vielleicht kommt denen doch etwas an Lars’ plötzlicher Rückkehr „spanisch vor. Vielleicht denken sie auch einfach nur nach. Uns ist jedenfalls nur noch daran gelegen, stressfrei von diesen drei Leuten wegzukommen, um einen anderen Schalter für meinen Rucksack zu finden. Und dann könnten uns Carmen, Raul und Sara den Buckel runterrutschen. Ich besinne mich Carmens Vorschlags. Freundlich gebe ich zu verstehen, dass ich die Idee von dem refundable Ticket nicht so dumm finde. Ich wolle das nun versuchen. Wir verlassen den Schalter. Carmen, die Problemfrau, lassen wir hinter uns zurück. Die Flughalle ist voll, es herrscht Gedränge. Sara und Raul sind zwei Schritte vor uns, Lars ist noch neben ihnen, ich mit Peter hinterher. Keine 20 Meter sind wir zwischen den Schaltern gelaufen, um den Leuten zu entkommen, als die Assi-Sara schreit „He kicked me!
. Who the hell kicked diese Tussi denn jetzt? Peter und ich verstehen nur Bahnhof. Wer schubst hier wen? Glaubhaftes Gezeter bringen spanische Tussen wahrlich gut rüber. Denn meine erste Reaktion ist, „Lars was haste denn jetzt für’n Mist gemacht! Das war doch nicht nötig. Lars winkt ab und beteuert: „Ich habe sie nicht berührt.
Überhaupt keiner sah, dass Sara gekickt wurde, außer natürlich Raul, ihr Chef. Er lief fernab auf der anderen Seite – und rechts von Sara sieht man natürlich vorzüglich, was links von Sara passiert. Einfach mal ausprobieren. Wir nennen es spanisches Geklüngel, aber bleiben dennoch nach wie vor freundlich, da wir wissen, was auf dem Spiel steht. Doch im Spiel sind wir bereits mittendrin. Oder vielleicht auch längst rausgeflogen. Die Regeln waren uns nie bekannt. Raul in seiner autoritären Ehre angekratzt übernimmt sogleich das Zepter. Er verlangt unsere Tickets. Diese seien ab sofort ungültig. Er wird uns auf die Sperrliste setzen.
Aggressivität schlägt uns entgegen. Wir seien für Iberia-Flüge gesperrt! Weshalb? Wegen eines nicht vorhandenen Kicks? Wo ist das Recht im sogenannten Rechtsstaat? Die ganze Welt könnte ich zusammenschreien. Raus aus der EU, sofort! Keinen Cent mehr für dieses Land! Meine paralysierten Gefühle, Zorn, Verzweiflung kamen mit einmal hoch. Das können die doch nicht machen? Meine Tränen bahnten sich den Weg.
Nochmal zu einem anderen Iberia-Schalter, vielleicht wird ja doch noch alles gut. Contenance bewahren. Ein letztes gequältes Lächeln setze ich auf. Die Iberia-Dame ist höflich, entgegenkommend, das komplette Gegenteil von Carmen, Sara und Raul. Servicewüste Spanien kann man da nicht sagen, sie scheint alles Geschehene fast vergessen zu machen. Nein, das Rückflugticket will sie nicht sehen, interessiert sie nicht. Nur meinen Rucksack verlangt sie. Immer nett, immer freundlich, immer mit einem Lächeln. Bis ihr beim Tippen meines Namens ins Computersystem das Lächeln gefriert. Sie kann mich nicht einchecken, es tue ihr sehr leid. Natürlich bin ich nicht überrascht! Aber ich will es dann doch noch mal hören. Weshalb kann ich nicht reisen? Höflich teilt sie mir mit, dass ich „rude" gewesen sei, also unhöflich und rüde, und mein Flugticket deshalb entwertet sei.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sippenhaft! Wann bin ich „rude gewesen? Ich habe diskutiert, aber mit Haltung. Rude war vielleicht das Kicken, aber das fand nicht statt und ich selbst hatte damit überhaupt nichts zu tun. Ich lief ja dahinter! Gibt es hier noch Anstand? Noch Recht? Ich bin ich, und er ist er. Was er gemacht haben könnte, kann nicht an meinem Namen kleben. Fest steht, ich darf nicht einchecken, die Dame bedauert, aber sie hat keine Wahl. Ich bedanke mich herzlich und gehe zum Customer-Service-Schalter von Iberia, um dort noch einmal die gleiche Aussage zu erhalten. Auch Lars ist natürlich vom Flieger genommen. Sein Gepäck steht zur Abholung bereit. Rollband Nummer sechs! Wir kehren noch einmal zurück um zu fragen, ob auch der Rio-Rückflug betroffen sei. Ja, alle Tickets sind gesperrt. Aber wir könnten gern bei Iberia neue Flüge buchen. Das tue ich gewiss nie mehr! Und wo liegt hier überhaupt die Logik. Wenn wir rude waren, dann sind wir auch weiterhin rude, oder? Wir waren wohl nur für diesen einen unserer Vermutung nach völlig überfüllten Flieger Gelegenheits-„Ruder
. Iberia hat uns rausgeworfen, aber schon bei den nächsten Flügen wären wir als zahlende Passagiere wieder gern gesehen. Nicht mit uns.
Kunden sind wir seither keine mehr. Um Spanien und Iberia machen wir einen großen Bogen. Kolumbien soll erst ein Jahr später Ziel unserer Reise sein, dann aber mit Air France. Doch aktuell sitzen wir in Madrid fest. Was sollen wir tun? Wohin soll nun die Reise gehen? Wieder zurück? Unter Tränen gehen wir die Verkaufsschalter im Flughafengebäude ab. Am 29. Dezember herrscht Reisestimmung und somit Flug-Peak-Zeit. Unsere Abfrage klingt in etwa so: Wir brauchen so schnell wie möglich einen Flug Richtung Südamerika, außer mit Iberia. Alle bedauern, heute und morgen gibt es gar nichts, und wenn: sauteuer. Wir lehnen dankend ab. Die Zeit vergeht im Flug, während unsere Geschichte wie von außen gesteuert abläuft. Wir haben sie längst nicht mehr selbst in der Hand. 950 Euro, Argentinien, Südspitze unseres Wunschkontinents. Startzeit Silvester 22.05 Uhr. Na, Prosit.
Wir buchen Aerolineas Argentina. Die Verkäuferin versucht uns ein letztes Mal, von der Sicherheit und den kulinarischen Vorzügen Iberias zu überzeugen. Iberia? Nein. Den Service haben wir gerade kennengelernt. Sicherheit? Darauf scheißen wir! Und vegetarisches Essen hat Iberia auch nie auf die Reihe bekommen! Und dass wir auf der temporären Blacklist Iberias stehen, verschweigen wir ihr lieber ganz.
Das schwerste in dieser Situation ist, drei weitere Tage in diesem Land zu bleiben. Während alle im nachweihnachtlichen Kauf- und Friede, Freude, Eierkuchen-Rausch sind, müssen wir weiterhin die zickigen Spanierfressen erdulden. Da sitze ich nun im Starbucks mitten in Madrid und hasse still vor mich hin. Überall Arroganz, Ignoranz und Unfähigkeit, so kommt es mir vor. Ich ertrage dieses Land nicht und die Menschen, die meinen Jahresurlaub um einer Laune willen zerschlagen haben. Von Herzen wünsche ich ihnen alles Unglück dieser Welt.
Einen Monat später, Auszug aus meinem Tagebuch: „Der Kreis schließt sich. Es ist keinen Monat her, dass ich hier am Terminal 4 vom Flug nach Bogotá ausgeschlossen wurde. Wir sind in diese Halle zurückgekehrt, obwohl wir es nicht mussten. Denn unser Flieger kam vor zwei Stunden am Terminal 1 an und unser nächster Flug dann mit Easy Jet wird in fünf Stunden auch von dort abfliegen. Wir hätten also wirklich nicht hierher kommen müssen, um die Wunde wieder aufzureißen. Unser Flug aus Rio – der, der uns eigentlich zurückbringen sollte – wird morgen hier landen. Wie gern wäre ich durch Kolumbien gereist! Ich liebe die Menschen dort, ihr Temperament, die Natur. Wie gern hätte ich die Amazonas-Tour gemacht. Ja, Carmen und der falsche Check-In! Eine einzige Fehlentscheidung, mein Gepäck für eine Übernachtung noch einmal herauszuholen, hat mich alles gekostet: meinen Urlaub, tausend Euro, die ersehnte Reise, viele Erfahrungen, Freuden, Momente... Werde ich sie je nachholen? Ich sitze hier im Café ARS und warte auf Lars, der noch einmal an den Iberia-Schalter zurückgekehrt ist. Ich hoffe, er macht keinen