Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Schenk' mir Flügel
Schenk' mir Flügel
Schenk' mir Flügel
eBook242 Seiten3 Stunden

Schenk' mir Flügel

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

»Wünsche sind etwas für Menschen mit Hoffnung und gehofft habe ich in meinem Leben schon zu viel.«

Nach dem Tod ihrer Mutter beschließt Mila Berlin zu verlassen und zu ihrer Patenfamilie nach Texas zu ziehen. Begleitet von ihren ständigen Panikattacken ist sie nun, am anderen Ende der Welt, auf sich allein gestellt. Jeder Tag ist eine einzige Qual für Mila, bis sie auf Sam trifft. Mit seiner Hilfe beginnt sie, sich ihren Ängsten zu stellen. Er öffnet ihr die Augen und Mila fängt an zu verstehen, dass Davonlaufen nicht immer die beste Option ist. Doch manchmal hat man einfach keine Wahl...

Ist die Liebe zu Sam stärker oder gewinnt ihre Angst letztendlich die Überhand?
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. Juli 2015
ISBN9783739275154
Schenk' mir Flügel
Autor

Ulrike Anders

Ulrike Anders wurde 1992 in Rostock geboren. Sie lebt mit ihrem Partner und ihren zwei Hunden in einem beschaulichen, idyllischen Dorf in der Nähe ihrer Heimatstadt. »Schenk' mir Flügel« ist ihr erster Roman.

Ähnlich wie Schenk' mir Flügel

Ähnliche E-Books

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Schenk' mir Flügel

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Schenk' mir Flügel - Ulrike Anders

    Lesenswert

    Prolog

    Mila

    „Bist du sicher, dass es das ist, was du willst?", fragt Hannah mich mit ihrer Berliner Schnauze, die ich wahnsinnig vermissen werde, während ich meine schweren Koffer auf einen Gepäckwagen hieve. Seit zwei Wochen versucht sie nun schon, mich zum Bleiben zu bewegen.

    „Mila, du bist achtzehn. Du musst das nicht tun", setzt sie schließlich hinterher, weil ich ihr noch immer nicht geantwortet habe. Vielmehr versuche ich mich ganz und gar darauf zu konzentrieren, nicht jeden Moment in Tränen auszubrechen und meinen Puls zu regulieren. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen… einfach immer weiter atmen!

    Hannah starrt mich eine Weile an und ich weiß ganz genau, was sie denkt. Das wusste ich schon immer. Als ihre bettelnden Blicke mich durchbohren, fühle ich mich gezwungen, etwas zu sagen. Das bin ich ihr schuldig. Schließlich ist sie diejenige, die immer für mich da war. Sie ist meine beste Freundin. Meine bessere Hälfte. Sie war es, die mir in den letzten Jahren zur Seite stand und mir die Kraft gab, die ich so sehr benötigte.

    „Ich muss es tun. Sie hat es so gewollt", kommt flüsternd über meine Lippen. Sie blickt auf den Boden und ich kann sehen, dass auch sie mit den Tränen kämpft. Einatmen, ausatmen… jetzt nur nicht die Nerven verlieren.

    „Du wirst mir fehlen, weißt du…" Ich sehe, wie eine kleine Träne über Hannahs rosige Wange kullert und dann ist es auch um mich geschehen. Mal wieder zerbricht mein Herz in tausend Einzelteile. Ich nehme Hannah in meine Arme und eine ganze Weile stehen wir einfach nur da, genießen die letzten kostbaren Momente, die uns bleiben. In diesem Augenblick nehme ich nichts mehr wahr, außer meiner besten Freundin, von der ich mich für eine ziemlich lange Zeit verabschieden muss. Das Leben kann so verdammt grausam sein. Meine Mutter hat immer gesagt, ich soll mich nicht unterkriegen lassen und kämpfen, bis zum bitteren Ende. So wie sie es tat…nur hat sie ihren Kampf verloren.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit, als ich endlich anfange mich zu entspannen, werde ich wieder von einer Welle meiner Gedanken überrollt und mein Puls beginnt zu rasen. Hannah merkt sofort, dass sich meine Atmung beschleunigt und ich verzweifelt versuche, ruhig zu bleiben. Ich setze alles daran, nicht die Nerven zu verlieren. Vergebens.

    „Schau mich an, Mila!" Sie nimmt meine zitternden Finger in ihre warmen Hände und hält meinen Blick mit ihrem fest. So kann Hannah mich immer beruhigen, wenn meine Panikattacken wie aus dem Nichts auftauchen. Seit ungefähr zwei Jahren geht das nun schon so. Irgendwie hatte sie immer einen Weg gefunden, mich auf den Boden zurückzuholen. Schon der Gedanke daran, dass ich in Zukunft allein damit fertig werden muss, treibt mich in den Wahnsinn. Ich schließe meine Augen und versuche ihren Puls zu spüren, mich darauf zu konzentrieren, meinen mit ihrem zu synchronisieren. Als ich meine Augen wieder öffne, bemerke ich ein paar neugierige Blicke anderer Passanten. Sollen sie doch gaffen. Sie sehen doch ohnehin nur die Fassade. Niemand kann verstehen, was in solchen Momenten wirklich mit mir passiert. Niemand… Sie denken ohnehin nichts anderes als: Oh je, die Arme! Sie sieht furchtbar traurig aus! Abschiede sind immer schwer… Nun ja, ich muss es mittlerweile wissen.

    Ein letzter Blick über die Schulter verrät mir, dass Hannah noch immer dort steht, wo ich sie zurückgelassen habe. Um sie herum die hektische Flughafenatmosphäre des Berliner Flughafens. Hannah wird immer kleiner – wie alles im Leben, was mir wichtig ist. Und zurück bleibe ich mit einem Haufen zusammenhangloser, irrer Gedanken, Zweifel und Leere. Endlose Leere bis in die Tiefen meiner Seele.

    Im Flieger habe ich großes Glück, dass niemand neben mir sitzt. So kann ich mich wenigstens konzentrieren, nicht völlig auszuflippen. Normalerweise halte ich mir für solche Fälle immer eine Hintertür auf, so dass ich aus unangenehmen Situationen fliehen kann, wann immer ich will. Einfach weg, wenn es mir zu viel wird. Dumm nur, dass es in zehntausend Metern Flughöhe absolut keine verdammte Fluchtmöglichkeit für mich gibt. Die aufgesetzt freundliche Stimme der Flugbegleiterin dringt durch die Lautsprecher, doch höre ich kein einziges Wort, denn meine Tränen und das Zittern der Hände zu unterdrücken erfordert meine ganze Aufmerksamkeit. Als sich der Flieger in Bewegung setzt, fühlt es sich an, als säße ich in einem kleinen Raum, vor dessen einzigen Ausgang eine riesige Wand aus Metall herunter knallt. Das war es dann also, nun gibt es kein Zurück für mich, keinen Ausweg, der sich mir bietet, um zu fliehen.

    Mila

    Meine Güte, bin ich erleichtert – im wahrsten Sinne des Wortes – als ich die Flughafentoilette im Dallas / Fort Worth International Airport verlasse. Im Flieger konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen, die Bordtoilette aufzusuchen. Allein der Gedanke daran verursachte mir Herzrasen. Das ist das Problem meiner ständigen Panikattacken. Sie überwältigen mich ohne ersichtlichen Grund. Ich hätte doch einfach nur aufstehen müssen, wäre zwei Minuten für kleine Mädchen gewesen und säße dann wieder auf meinem Platz. Verdammt, das kann doch nicht so schwer sein… aber nein, ich verkniff es mir, um einer weiteren Attacke zu entgehen.

    Ich stehe in der riesigen Ankunftshalle mit meinem Koffer und dem Handgepäck, auf der Suche nach dem Ausgang. Ob Beatrice schon auf mich wartet? Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Vor einigen Jahren, als es meiner Mutter noch besser ging, kam Bea ab und an zu Besuch, um wieder ein wenig Heimatluft zu atmen. Damals entschied sie sich, Deutschland zu verlassen und zu ihrem Mann Berry nach Arlington in Texas zu ziehen, wo sie jetzt mit ihm und ihren zwei Kindern lebt. Sam und Lana, soweit ich weiß. Das ist aber auch schon alles, was mir über ihre Kinder bekannt ist. Ich würde zu gern wissen, ob sie in meinem Alter sind. Beatrice war die beste Freundin meiner Mutter. Ich durfte mir damals viele Geschichten der beiden anhören, selbst Dinge, die eine Tochter von ihrer Mutter nicht wissen möchte. Ihre wilden Partys und Männergeschichten waren wahrhaftig nichts für Kinderohren. Und als hätte meine Mutter all das, was passierte, vorausgeahnt, entschied sie sich damals, Bea zu meiner Patentante zu machen.

    Ich fühle mich sehr unwohl bei dem Gedanken daran, schon bald meiner neuen Familie gegenüber zu stehen. Familie… bisher hatte ich nur meine Mutter und keine Ahnung, wie es sein wird, einen auf Mutter-Vater-Kind zu machen. Da ich keine andere Wahl habe, werde ich das wohl oder übel herausfinden müssen.

    Ich kämpfe mich mit meinem Gepäck zum Ausgang und trete nach draußen. Heiße, texanische Sommerluft umhüllt mich. Willkommen in Amerika – dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Allerdings komme ich mir, trotz der Euphorie, die ich mir einzureden versuche, ziemlich verloren vor. Alles ist so fremd. Ich bleibe eine Weile direkt vor dem Ausgang stehen und lasse die Gerüche und Eindrücke auf mich wirken. Gekonnt ignoriere ich die vielen Menschen, die kopfschüttelnd und mit missbilligenden Blicken um mich herumgehen, während ich langsam versuche, mir einen Überblick zu verschaffen. Ein Haufen Leute stehen mit Schildern in der Hand auf dem Gehweg und mein Blick bleibt auf einem Schild mit meinem Namen hängen. Ich schaue mich um, als könnte es für eine andere Mila bestimmt sein. Doch mir wird klar, wie blöd das eigentlich ist. Natürlich ist es für mich bestimmt. Der Mann, der offensichtlich auf mich wartet, muss Berry sein. Eigentlich habe ich mit Bea abgesprochen, dass sie mich vom Flughafen abholt, umso überraschter bin ich nun, dass sie doch ihren Mann geschickt hat.

    „Du musst Mila sein." Es ist mehr eine Frage, als eine Feststellung. Dass ich mich von jetzt an auf Englisch verständigen muss, wird eine krasse Umstellung. Ich fühle mich ertappt, da ich augenscheinlich dabei erwischt wurde, wie ich diesen Mann anstarre. Ein breites und freundliches Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, während er auf mich zukommt.

    „Ja, ich bin es." Schüchtern lächle ich zurück.

    „Ich bin Berry. Tut mir leid, du hast sicher meine Frau erwartet, aber sie kommt mit den ganzen Vorbereitungen für dich nicht hinterher. Sie möchte, dass alles perfekt ist, wenn du ankommst."

    „Oh…Äh… Schon okay. Ähm… ich meine, ich freue mich, dich kennenzulernen, Berry." Klasse Mila! Die Familie reißt sich den Arsch auf, um es dir so angenehm wie möglich zu machen und du stammelst nur rum!

    „Komm, wir bringen erst einmal dein Gepäck zum Wagen. Ich hoffe, du hattest einen angenehmen Flug?"

    „Ja, es war okay, danke." Mal davon abgesehen, dass ich ab der Hälfte des Fluges wie verrückt pinkeln musste. Berry schnappt sich meine Koffer und geht in Richtung eines großen Parkplatzes. Ich atme tief durch und eile ihm hinterher. Dabei fällt mir noch einmal auf, wie attraktiv Berry ist. Er ist ziemlich groß, hat breite Schultern und zwischen seinen kurzgehaltenen, dunklen Haaren, sind schon vereinzelt Graue zu entdecken. Ich weiß, dass er Geschäftsmann ist, aber seiner Kleidung nach zu urteilen hat er heute wohl einen freien Tag, denn er trägt Jeans und ein schwarzes Poloshirt. Nicht gerade das, was ich mir unter einem Geschäftsmann vorstelle.

    Der Gedanke an seine Kleidung lässt mich wünschen, auch endlich aus meinen Klamotten raus zukommen, denn es ist verdammt heiß. Da ich gehört habe, dass es in Flugzeugen nicht gerade warm sein sollte, zog ich mir neben einer bequemen Jeans und einem Kapuzenpullover auch noch eine Strickjacke über.

    Wir gehen an einigen Autos vorbei und Berry bleibt an einem schicken, schwarzen Ford Explorer stehen, dessen Kofferraum sich mit dem Drücken seines Autoschlüssels öffnet. Mit einem Blick über den Parkplatz wird mir bewusst, wie viel größer hier alles im Gegensatz zu Deutschland ist. Ich platziere meine Tasche im Kofferraum und schäle mich aus meiner Strickjacke. Den Pullover werde ich wohl anbehalten müssen, bis wir zu Hause sind.

    In dem Moment, als Berry den Motor startet, bin ich überglücklich, dass irgendwann einmal die Klimaanlage erfunden wurde. Zwar sehne ich mich nach wie vor nach einer ausgiebigen Dusche, doch das Schwitzen lässt nach und ich fange langsam an, mich zu entspannen. Darüber hinaus bin ich Berry sehr dankbar, dass er mich nicht mit Fragen löchert und mir die Zeit gibt, die ich brauche. Es ist kein unangenehmes Schweigen. Ich habe nicht das Gefühl, dass es ihn nicht interessiert, wie es mir geht und in den letzten Monaten ergangen ist. Ich denke, er will mir so ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, was ihm durchaus gelingt. Das macht ihn umso sympathischer.

    Die Landschaft zieht an mir vorbei, während ich mit einem Tunnelblick aus dem Fenster starre. Ich bin viel zu K.O., um mir irgendetwas davon genauer anzuschauen. Ein lautes Knurren bringt mich aus meiner Trance und Berry schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an, als könne er nicht glauben, was er gerade gehört hat.

    „War das etwa deiner?", fragt er mich, immer noch ungläubig starrend. Entschuldigend versuche ich mich in einem Lächeln.

    „Großer Gott, ich habe noch nie einen Magen so laut knurren hören. Wann hast du zuletzt etwas gegessen, Mila?" Ich zucke mit den Schultern und versuche mich angestrengt daran zu erinnern. Ich weiß nur, dass ich den letzten Abend vor dem Flug vor lauter Aufregung alles wieder ausgekotzt habe, was ich so mühevoll in mich rein geschaufelt habe. Unter den streng kontrollierenden Blicken meiner besten Freundin, versteht sich. Sie hat sich immer schon Sorgen gemacht, dass ich wegen der Pflege meiner Mutter das Essen vergesse. Darum haben wir mindestens zwei Mal pro Woche einen Pizzaabend mit ihrem Bruder Chris veranstaltet. Der Gedanke daran lässt mich beinahe wieder in Trauer versinken. Ich werde jedoch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als Berry seinen Wagen auf eine Tankstelle mit einem Bistro lenkt.

    „Wir sind zwar gleich zu Hause, aber ich will nicht riskieren, dass du mir umkippst, während Bea dich in Beschlag nimmt. Es gibt auch noch Abendessen, aber eine Kleinigkeit kannst du sicher vorher vertragen." Was hätte ich nur für einen Vater wie Berry gegeben. Trotz Müdigkeit lässt es sich nicht verhindern, dass ich vor Rührung Tränen in den Augen habe. Schnell steige ich aus, um mein Gesicht vor ihm zu verbergen. Aber wahrscheinlich hat er es längst gesehen, ohne es sich anmerken zu lassen. Sehr taktvoll von ihm. Das Bistro in der Tankstelle ist recht klein gehalten. Ich bin so hungrig, dass mir selbst die Fliegen egal sind, die es sich in ihrem persönlichen Schlaraffenland bequem gemacht haben.

    „Was darf es sein, Kindchen?", fragt mich die rundliche Dame hinter der Theke, mit einem mütterlichen Lächeln auf ihren schmalen Lippen. Das Käse-Puten-Sandwich hat schon meine Aufmerksamkeit erregt, als wir die Tankstelle betreten haben. Ich drücke meinen Zeigefinger gegen das Glas.

    „Das da, bitte." Vor lauter Vorfreude zieht sich mein Magen zusammen. An der Kasse krame ich ein paar Dollarnoten aus meiner Jeans, um das Sandwich zu bezahlen. Berry kommt mir jedoch zuvor und legt einen Fünfdollarschein auf den Tresen.

    „Passt so, danke". Er dreht sich zu mir und schüttelt mit dem Kopf.

    „Mila, du gehörst ab jetzt zu meiner Familie. Du brauchst dir dein Essen nicht von deinem Geld kaufen. Bea und ich sind ab sofort für dich verantwortlich, was heißt, dass wir auch für deine Verpflegung aufkommen werden, okay?" Ich bin nicht fähig zu antworten und nicke nur. Draußen schmeiße ich das Sandwichpapier in den Mülleimer und gehe zum Wagen.

    „Darf ich im Auto essen?"

    „Na klar!" Oh man. Das wird ja immer besser. Zufrieden verputze ich das letzte Stück meines Sandwichs. Berry scheint zu merken, wie glücklich er mich gerade gemacht hat, denn ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen.

    „Na, jetzt fühlst du dich doch fast wieder wie ein Mensch, wusste ich´s doch." Ich meine, ein wenig stolz in seiner Stimme zu hören.

    „Wir sind übrigens gleich da."

    „Okay." Ich kann nicht verhindern, dass ein wenig Angst in meiner Stimme mitklingt. Also räuspere ich mich, in der Hoffnung, er könne es überhört haben.

    Wir fahren durch ein Wohngebiet, dessen Häuser mich an die aus meiner Heimat erinnern. Normale Einfamilienhäuser eben. Umso überraschter bin ich, dass Berry keine Anstalten macht, irgendwo in eine Einfahrt abzubiegen. Stattdessen fährt er weiter und die Häuser werden größer, je weiter wir fahren.

    Ich blicke aus dem Fenster und starre auf die gigantischen Villen, an denen wir vorbeikommen. Die Rasen der jeweiligen Grundstücke sehen aus, als hätte der Gärtner Grashalm für Grashalm mit der Nagelschere geschnitten. Berry wird langsamer und lenkt den SUV in eine große, circa 50 Meter lange Auffahrt aus hellen Pflastersteinen. Schon am Tor erkenne ich Teile des riesigen Hauses, wobei Haus einfach kein Ausdruck dafür ist, was ich zu Gesicht bekomme. Diese Villa ist gigantisch und ich frage mich, wie viele Menschen darin wohl wohnen. Jedenfalls bin ich nun eine davon. Zwei weiße Säulen ragen auf der Veranda empor und weisen auf den Eingang in der Mitte des Hauses hin. Es sieht einfach wunderschön aus. Ich wollte schon immer in einem solchen Haus wohnen. Die Fassade besteht aus Naturstein. Im Vorgarten steht tatsächlich ein kleiner Springbrunnen. Fast wollte ich Berry fragen, welche Königsfamilie wir besuchen, bevor wir nach Hause fahren, als sich links neben dem Hauptgebäude eine von drei Garagentoren öffnet, durch das Berry gekonnt den Wagen lenkt. Wir stehen mit dem SUV ganz außen und ich werfe ein Blick durch das Fenster. Neben Berrys Wagen steht ein kleines, rotes Cabrio, ein Audi TT soweit ich erkennen kann, und daneben parkt ein weiterer SUV, der allerdings silbern und nicht schwarz, wie Berrys, ist.

    Ich wage es nicht auszusteigen, bleibe deshalb einfach sitzen und starre geradeaus an die weiße Wand. Auch Berry bleibt sitzen. Er holt Luft, als möchte er mir etwas sagen, bleibt aber stumm. Guter Berry. Schließlich breche ich das Schweigen, da ich doch etwas neugierig bin, was und vor allem wer mich in dieser Villa erwartet.

    „Danke nochmal für das Sandwich Berry.", bringe ich leise hervor.

    „Keine Ursache. Mila, du sollst wissen, dass wir wirklich froh darüber sind, dass du zu uns ziehst. Bea könnte den Gedanken nicht ertragen, wenn du ganz alleine wärst. Und ich könnte Bea dann nicht mehr ertragen.", fügte er scherzhaft hinzu. Fast hätte ich gegenargumentiert. Doch das verklemme ich mir, denn ich sollte dankbar sein. Und das bin ich, auch wenn ich es mir weder eingestehen, noch meiner neuen Familie zeigen kann. Ich öffne die Beifahrertür, atme noch einmal tief ein und wappne mich für das, was auf mich zukommt.

    Sam

    „Wann kommt denn deine neue Schwester endlich?", fragt mich Jonas belustigt. Seit er erfahren hat, dass die Tochter von Moms verstorbener Freundin zu uns zieht, lässt er keine Gelegenheit aus, mich damit aufzuziehen. Genervt werfe ich einen Dreizehner Maulschlüssel nach ihm. Er lacht noch immer und zuckt unschuldig mit den Schultern.

    „Was ist?"

    „Alter, du weißt genau, dass sie nicht meine Schwester ist. Außerdem hab ich dir schon tausend Mal gesagt, dass du mich mit diesem Thema in Ruhe lassen sollst. Lana ist schon schlimm genug und dann auch noch zwei davon in meiner Nähe… das wird der blanke Horror!" In Gedanken male ich mir schon die schlimmsten

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1