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Dunkelland
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eBook137 Seiten1 Stunde

Dunkelland

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Über dieses E-Book

Dunkelland ist die abgründige Heimat der menschlichen Seele. Hier regieren das Chaos, der Wahnsinn und das Unvorstellbare.
Alltägliches mutiert zum Fantastischen – und
ein Lächeln bringt den Tod.

Lassen Sie sich fallen und begeben Sie sich auf
die Reise durch Dunkelland. Genießen Sie diese
Sammlung von kleinen, geschmacklosen Geschichten – dennoch fein abgewürzt mit einer großen Portion schwarzem Humor.

Streifen Sie mit durch Dunkelland und erleben
Sie es, in all seinem Grauen.
Lehnen Sie sich zurück, vergessen Sie für ein paar Stunden Ihren Alltag und genießen Sie das Absurde.
Sie fragen sich, wo sich dieses Dunkelland befindet? – Es steckt in jedem von uns!
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum12. Feb. 2015
ISBN9783958309920
Dunkelland

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    Buchvorschau

    Dunkelland - Marco Witteck

    werden.

    Dunkelland - Heute

    Therapie

    Aus der Nachbarkabine geisterten die Klänge von chinesischer Entspannungsmusik herüber. Zwar leise nur, aber dennoch hörbar und störend. Frank Wenzel konnte sich nicht vorstellen, dass es Menschen gab, die dabei wirklich abschalten konnten. Er gehörte definitiv nicht dazu. Im Gegenteil. Das ewige Gedudel machte ihn langsam zappelig und es gelang ihm nur mäßig, sich auf die Geschichte in seinem Buch zu konzentrieren.

    Hinzu kam noch dieser süßliche, blumige Geruch eines billigen Raumsprays, oder eines Duftspenders, der den gesamten Raum mit seinem Aroma beherrschte. Wahrscheinlich versuchte man so den Ausdünstungen alter Menschen und verschwitzter Patienten Herr zu werden.

    Wenzel fragte sich, warum man hierfür nicht einfach ein Fenster kippte. Es war wirklich stickig und warm hier, und gepaart mit dem billigen Raumdeo verursachte dies allmählich ein flaues Gefühl in seinem Magen.

    Langsam blätterte er zur nächsten Seite um, darauf bedacht, sich nicht zu hastig zu bewegen. Jede unvorsichtige Bewegung bewirkte, dass sich die Akupunkturnadeln in seiner Haut schmerzlich bemerkbar machten. Wenzel lag bäuchlings auf einer Liege, nur mit einem T-Shirt und seiner Unterhose bekleidet.

    Acht Nadeln steckten in ihm. Jeweils eine in seinen Fußrücken, seitlich in seinen Knien und vier, an verschiedenen Stellen, in seinem Rücken. Wie vermutlich tausende andere Menschen auch in Deutschland, litt er an der Volkskrankheit: Bandscheibenschaden, der starke Rückenschmerzen verursachte.

    Nach einer Odyssee von Arzt Pontius zu Doktor Pilatus war er schließlich hier gelandet: Einer Praxis für Chinesische Akupunktur. Drei separate Kabinen befanden sich in diesem kleinen Raum, und in der hintersten lag er.

    Hinter ihm, auf einem kleinen weißen Tisch, tickte eine Eieruhr, die klingelte, wenn seine erste Sitzung vorüber war. Sehen konnte er sie nicht, um zu erkennen wann es endlich so weit war. Er hoffte nur, dass es nicht mehr allzu lange dauerte. Zwanzig Minuten konnten die Hölle sein, wenn man sich unbehaglich fühlte. Zwar sollte die Therapie bewirken, dass genau das Gegenteil eintrat, aber die gesamte Atmosphäre dieses Behandlungszimmers trug nicht gerade dazu bei.

    Vorsichtig richtete sich Wenzel etwas auf und versuchte seinen Kopf zu drehen, um doch einen Blick auf den tickenden Zeitmesser zu erhaschen. Sofort meldete sich die Nadel in seinem rechten Knie und stimulierte den dort ansässigen Nerv dazu einen krampfartigen Schmerz auszusenden.

    Zwecklos. Er konnte nicht sehen, wie lange er noch so liegen musste. Auch aus den anderen Kabinen war das leise Ticken der Uhren zu hören, so als wollte die eine die andere überholen, um zuerst zu klingeln. Dennoch vermochten die Uhren nicht die Musik zu übertönen, die durch den Raum waberte. Eine Geräuschkulisse, die Wenzel langsam wirklich auf die Nerven ging. Er schwor sich, beim nächsten Mal nicht nur ein Buch mitzubringen, sondern auch Ohropax.

    Endlich! Das schrille Klingeln der Eieruhr riss ihn aus seinen Gedanken. Wenzel atmete erleichtert aus. Nun würde es nicht mehr lange dauern, und der Arzt käme - ihn von den piekenden Nadeln zu befreien, so dass er endlich gehen konnte. Er klappte sein Buch zu und schob es behutsam zur Seite. Dann wartete er. Niemand kam. Wenzel hob den Kopf ein wenig an und lauschte, ob er etwas hören konnte. Eventuell eine Tür, die sich öffnete. Schritte auf dem Flur vielleicht. Nichts.

    Niemand kam, um ihn zu erlösen. Die Sprechstundenhilfen waren vermutlich beschäftigt und hatten das Klingeln überhört. Auch der Arzt, den er vorhin schon nicht richtig gesehen hatte, da er bereits bäuchlings auf der Liege lag, als dieser die Kabine betrat, und ihm die Nadeln in die Haut zu stechen, ließ sich nicht blicken.

    Wenzel wurde langsam unruhig. Schließlich hatte auch er seine Zeit nicht gestohlen. Auch kranke Menschen haben ab und an etwas zu tun, und nicht den ganzen Tag Zeit, um auf einer Liege, wie ein Nadelkissen bespickt, herumzuliegen.

    Er überlegte kurz und entschloss sich dann zu rufen. Erst zaghaft, denn er wollte die anderen Patienten nicht unnötig belästigen. Dann etwas lauter, als niemand auf sein erstes Rufen reagierte. Aber es blieb ruhig. Keine Menschenseele kam. Auch von den anderen Patienten erfuhr er keine Reaktion. Jeder schien mit sich beschäftigt zu sein, oder war von den chinesischen Klängen so eingelullt, dass man ihn nicht wahrnahm.

    Egal. Wenzel dachte nicht daran noch länger zu warten, bis sich jemand erbarmte, ihn von den Nadeln zu befreien. Langsam schob er sich etwas zur Seite und schaffte es, sich halb auf die linke Seite zu drehen. Dies gelang ihm aber nicht ohne, dass die Nadeln immer wieder bewegt wurden. Wie kleine Stromstöße durchzuckten die Stiche seinen gesamten Körper. Mit Mühe gelang es ihm endlich sich aufzusetzen. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet. Mit dem Handrücken wischte er ihn sich ab. Dabei rutschte sein T-Shirt über die Nadeln in seinem Rücken und brachten sich schmerzhaft in Erinnerung.

    Ruckartig saß Wenzel augenblicklich kerzengerade auf der Liege und atmete zischend aus, als der Schmerz nachließ. Er blickte an sich herab und sah die Nadeln an seinen Füßen, und jene, die seitlich in seinen Knien steckten. Zu gerne hätte er sie sich selbst heraus gezogen – verzichtete aber darauf. Er hatte Angst, dass wenn er unvorsichtig vorging, es noch mehr wehtat. Verdammt, es war auch nicht sein Job, sich die Nadeln selbst zu entfernen. Auch wenn er nur Kassenpatient war konnte er erwarten professionell behandelt zu werden. Wenzel ließ sich über den Rand der Liege rutschen und kam mit den Füßen auf dem kalten Steinfußboden auf. Fast schon erleichtert registrierte er, dass die Nadeln in seinem Fußrücken sich diesmal nicht über seine Aktion beschwerten.

    Er zog den Vorhang seiner Kabine zur Seite und blickte in den leeren Behandlungsraum. Rechts von ihm zwei weitere Kabinen mit zugezogenen Vorhängen. Aus einer davon drang immer noch die nervende chinesische Musik an seine Ohren. Hinter ihm ein Fenster, das verschlossen war. Leider, denn der Geruch, ein Mix aus Bahnhofstoilette und nasser Hund, gepaart mit einem Schuss Fichtennadelaroma, lag immer noch schwer in der Luft und reizte Wenzels Atemwege.

    An der Wand, links von ihm, befand sich ein weißer Medizinschrank mit verschiedenen Gerätschaften und einem Computer, zur Speicherung der Patientendaten, darauf. Aus den anderen Kabinen hörte er das stetige Ticken der Eieruhren - ansonsten war es ruhig. Vorsichtig machte er den ersten Schritt. Die Tür zum Flur stand offen und langsam, aus Respekt vor den Nadeln in seinem Körper, bewegte er sich mit steifen Schritten darauf zu. An der offenen Tür angelangt wurde ihm plötzlich seine Aufmachung bewusst. Es war ihm schon etwas peinlich, nur mit T-Shirt und Unterhose bekleidet, durch die Praxis zu laufen. Dazu noch mit einer Körperhaltung, die jeden Zombiedarsteller in einem George A. Romero-Film vor Neid erblassen ließ.

    Eine unvorsichtige Bewegung verursachte, dass Wenzels Shirt über die Nadeln in seinem Rücken streifte. Abrupt blieb er auf der Stelle stehen und hätte fast laut aufgeschrien. Was man ihm hier zumutete war eine bodenlose Frechheit, und dies würde er den Verantwortlichen auch unmissverständlich zum Ausdruck bringen.

    Im Flur musste er sich nach links wenden. Während sich zu seiner Rechten der Ausgang befand, steuerte er die Tür am Ende des Flurs an. Hoffentlich kam jetzt niemand rein, dachte er. Wissend, wie er auf eine alte Dame wirken musste, die nichts ahnend die Praxis betrat, um einen ihrer Termine wahrzunehmen.

    Er hatte Glück. Die Eingangstür blieb geschlossen, und niemand schien jetzt einen Termin zu haben. Aber noch war Wenzel nicht am Ziel. Und dieses Ziel, in Form einer großen, weißen Holztür, am anderen Ende des Gangs, war noch in weiter Ferne. Mindestens noch viereinhalb Meter. Eine Strecke, die jedes krabbelnde Kleinkind schneller überwinden konnte, als er in seiner momentanen Lage. Vorbei an vier Rattanstühlen, links an der Wand, bewegte sich Wenzel weiter auf die Tür zu.

    Je näher er ihr kam, desto deutlicher hörte er die Stimmen dahinter. Er konnte zwar nicht hören, was gesprochen wurde, aber er war sich sicher, dass die Stimmen den Sprechstundenhilfen gehörten, die ihn vor knapp einer dreiviertel Stunde in der Praxis in Empfang nahmen.

    Toll, dachte Wenzel. Während er sich hier einen abkasperte, hielt man seelenruhig ein Schwätzchen. Der Griff zur Türklinke wurde mit einem Stechen in seinem Rücken bestraft. Wenzel drückte mit zusammengekniffenen, tränennassen Augen die Klinke nach unten und ließ die Tür nach innen schwingen. Die Vorzimmerdamen, sitzend an einem großen Schreibtisch, sahen Wenzel verwundert an, der halb nackt und mit verkrampfter Körperhaltung, im Türrahmen stand.

    „Äh, Entschuldigung, sagte er. „aber ich bin fertig.

    „Herr Wenzel! Was machen Sie denn da?" Die empörte Frage kam von der jungen Frau mit den schulterlangen, schwarzen Haaren, die Wenzel zirka zehn Jahre jünger schätzte, als er selbst war - also so um die 25 sein musste.

    „Nun, ja…, stotterte Wenzel. Sein Selbstbewusstsein schien auf ein Minimum geschrumpft zu sein. Verständlich in Anbetracht seines Auftretens. „Die Uhr – sie hat geklingelt und da niemand…

    „Ja, ja. Ist schon gut!, fuhr ihm die andere ins Wort, die schon etwas älter war, ihr braunes Haar zu einer straffen Hochfrisur gesteckt hatte und von ihrer Ausstrahlung her auch als die strenge Schulmeisterin, in einem alten amerikanischen Film aus den Fünfzigern, durchgehen würde. „Sie sind noch nicht fertig, Herr Wenzel!

    „Doch, weil meine Uhr hat nämlich…" Weiter kam er nicht.

    „So, Herr Wenzel. Nun gehen Sie mal zurück und legen sich wieder auf die Liege, fuhr ihm die Schwarze erneut ins Wort. „Der Herr Doktor kommt dann gleich.

    „Ja, aber… Könnten Sie mir vielleicht schon einmal die Nadeln abnehmen?", fragte Wenzel.

    „Das macht dann alles der Herr Doktor!", keifte die Braune. Die beiden waren wirklich ein eingespieltes Team, wenn es darum ging unfreundlich zu Patienten zu sein.

    Wenzel gab auf. Es hatte keinen Sinn weiterhin mit den Damen zu diskutieren. Er würde sich beim Doktor über die Art beschweren, wie man hier mit ihm umging. Eins war sicher, hier würde man ihn nicht mehr sehen.

    Wie ein gescholtenes Kind trottete er langsam zurück. Im Behandlungsraum tickten immer noch die Uhren

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