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Die Entwicklung der indogermanischen Religionen
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eBook1.000 Seiten11 Stunden

Die Entwicklung der indogermanischen Religionen

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Über dieses E-Book

Das Buch bietet eine Übersicht über die gesamten indogermanischen Religionen.
Der Schwerpunkt ist dabei die Herausarbeitung des roten Fadens, der die Entwicklung der religiösen Vorstellungen durchzieht: zunächst von der Altsteinzeit bis zur mittleren Jungsteinzeit, als sich die Vorfahren der Indogermanen von den mesopotamischen Ackerbauern trennten und zu nomadischen Viehzüchtern wurden, und dann weiter von der ursprünglichen indogermanischen Religion zu ihren Zweigen in den verschiedenen indogermanischen Völkern.
Zu diesen Völkern gehören die Kelten, Germanen, Römer, Balten, Slawen, Thraker, Griechen, Skythen, Hethiter, Luwier, Lyder, Palaier, Perser, Mitanni, Armenier und Inder.
Die Entwicklung beginnt bei solch grundlegenden religiösen Erlebnissen wie dem Nahtod-Erlebnis der Schamanen und führt dann u.a. über die Entwicklung der Mysterien um 600 v.Chr. bis heute.
Durch die Konzentration auf die innere Logik der Entwicklung entsteht ein Bild der Religionen, in dem die einzelnen mythologischen Motive als sinnvolle Beschreibung der Welt deutlich werden.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum16. Dez. 2014
ISBN9783738687064
Die Entwicklung der indogermanischen Religionen
Autor

Harry Eilenstein

Ich bin 1956 geboren und befasse mich nun seit 45 Jahren intensiv mit Magie, Religion, Meditation, Astrologie, Psychologie und verwandten Themen. Im Laufe der Zeit habe ich ca. 230 Bücher und ca. 50 Artikel für verschiedene Zeitschriften verfasst. Seit 2023 schreibe ich an einem achtbändigen Fantasy-Roman "Maran", in den auch alle meine Erfahrungen mit Magie, Meditation, Astrologie, Religion, Psychologie und ähnlichem miteingeflossen sind. Die ersten vier Bände sind bereits erschienen. Seit 2007 habe ich meine jahrzehntelange Nebentätigkeit ausgeweitet und bin nun hauptberuflich Lebensberater. Dies umfasst die eigentlichen Beratungen, aber auch das Deuten von Horoskopen, Heilungen, Rituale, Schwitzhütten, Feuerläufe, Hilfe bei Spukhäusern u.ä. Problemen, Ausbildung in Meditation und Feng Shui und vieles mehr. Auf meiner Website www.HarryEilenstein.de finden sich ein Teil meiner Artikel und auch einen ausführlichen Lebenslauf.

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    Buchvorschau

    Die Entwicklung der indogermanischen Religionen - Harry Eilenstein

    Literaturverzeichnis

    I Die Entwicklung der Religion – Teil 1

    Eine Beschreibung der Entwicklung der indogermanischen Religionen kann von einer sehr reichhaltigen Überlieferung ausgehen. In dem religiösen Schrifttum der Indogermanen finden sich viele Übereinstimmungen wie z.B. das Wort Dyaus für Gott, das sich Lateinischen als Dis, im griechischen als Zeus, im germanischen als Ziu/Tyr und im Indischen als Deva, die die Verwandtschaft dieser Religionen miteinander deutlich machen.

    Eine Ausnahme in Bezug auf die reichhaltige Überlieferung bilden die Tocharer, die in Westchina lebten – von ihnen sind keine frühen Überlieferungen erhalten geblieben, sondern lediglich Schriften aus der Zeit, in der sie bereits seit längerem den buddhistischen Glauben angenommen hatten.

    Die Verwandtschaft der indogermanischen Völker miteinander steht seit längerem außer Zweifel, da sich die Sprachen dieser Völker auf eine gemeinsame Ursprache, das Indogermanische, zurückführen lassen. Die indogermanische Sprache ist mittlerweile sowohl vom Wortschatz als auch von der Grammatik und der Aussprache her weitestgehend rekonstruiert worden ist. Ein weiterer Beweis für die Verwandtschaft der indogermanischen Völker ist ihre nahe genetische Verwandtschaft – so haben z.B. ein Spanier und ein Däne eine deutlich ähnlichere DNS als z.B. ein Engländer und ein Japaner.

    Die Grundlage des Versuches, die Entwicklung der indogermanischen Religionen zu beschreiben, ist zunächst einmal der Vergleich dieser Religionen, durch den die bestehenden Ähnlichkeiten deutlich werden. Durch diesen Ansatz kann man ähnlich wie beim Vergleich der Sprachen unterscheiden, welche Religionen sich stärker gleichen und welche weniger. Dabei sollte man im allgemeinen davon ausgehen können, daß sich Religionen, die sich sehr ähnlich sind, erst vor relativ kurzer Zeit zu selbständigen Religionen entwickelt haben, und solche Religionen, die sich stark unterscheiden, schon länger voneinander getrennt sind.

    Es besteht natürlich immer auch die Möglichkeit von gegenseitiger Beeinflussung oder von Parallelentwicklungen. Was jeweils vorliegt, muß man dann anhand der Situation von Fall zu Fall entscheiden.

    Auf diese Weise kommt man wie beim Vergleich der Sprachen zu einem Stammbaum der Religionen, der dem Stammbaum der Sprachen und auch dem genetischen Stammbaum weitestgehend entspricht.

    Die Grundvorstellung dabei ist recht schlicht: Die ursprünglichen Indogermanen haben sich immer wieder einmal in verschiedene Stämme aufgespalten und verschiedene Landschaften besiedelt. Wenn sich nun sowohl die Sprachen als auch die Religionen kontinuierlich weiterentwickelt haben, zeigen verschieden große Unterschiede auch verschieden nahe Verwandtschaften an.

    Um die Entwicklung der indogermanischen Religionen jedoch nicht nur statisch im Sinne eines Verwandtschaftsgrades beschreiben zu können, sondern dynamisch als eine einsichtige Folge von Veränderungen, ist ein anderer Ansatz notwendig: Für ein solches tiefergehendes Erfassen der Religionsentwicklung ist das Verständnis der Funktion der Religionen in einer menschlichen Gemeinschaft erforderlich. Dies bedeutet, daß auch die jeweiligen Lebensumstände der untersuchten Gemeinschaft mit in die Betrachtung einbezogen werden müssen.

    Wenn man davon ausgeht, daß Religion eine Funktion innerhalb einer Gemeinschaft hat, dann ergibt sich daraus, daß die Entwicklung von Religionen nicht zufällig verläuft, sondern einer inneren Logik folgt, die aufgespürt werden kann und in engem Zusammenhang mit den jeweiligen Veränderungen in den Lebensum-ständen steht.

    Einen ausreichenden Anfangsverdacht für die Vermutung, daß die Entwicklungen von Religionen einer inneren Logik folgen, liefert z.B. die Beobachtung, daß auf der ganzen Welt der Schamanismus zu finden ist, daß die Unterwelt überall mit dem Wasser verknüpft ist, Seelen als Vögel oder Menschen mit Flügeln dargestellt werden oder daß alle Ackerbauern das Gleichnis zwischen dem angebauten Getreide/ Reis Mais und den Menschen kennen und daraus einen Korn- und Totengott gestaltet haben – soviele Regelmäßigkeiten können nicht rein zufällig entstanden sein.

    Die Beschreibung der Entwicklung der indogermanischen Religionen von einem solchen Blickwinkel erfordert, daß der Ausgangspunkt der Entwicklung bekannt ist, also die religiösen Vorstellungen zum Zeitpunkt des indogermanischen Urvolkes, das sich noch nicht in die verschiedenen späteren Völker aufgeteilt hatte.

    Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, auch die den indogermanischen Religionen vorangegangenen Entwicklungsstufen der Religion zu betrachten, um zu einem Verständnis für die Ausgangssituation zu gelangen. Daher beginnt dieses Buch zunächst mit einer zusammenfassenden Darstellung dessen, was in religiöser Hinsicht über die Altsteinzeit und die Jungsteinzeit erschlossen werden kann.

    Die Beschreibung dieser Vorstellungen und Entwicklungen ist hier nur kurz gefaßt, da ich sie bereits allgemein in Muttergöttin und Schamanen, in Hinblick auf die Germanen in Odin und in Bezug auf die Kelten in Der Kessel von Gundestrup ausführlich dargestellt habe.

    I A Die Aufgabe der Religion

    Die Religion war lange Zeit schlicht und einfach das Weltbild der Menschen. Erst mit dem Entstehen der Philosophie seit ca. 500 v.Chr. und dann verstärkt mit der Entstehung der Naturwissenschaften ab ca. 1650 n.Chr. gab es ein nicht-religiöses Weltbild.

    Daraus ergibt sich, daß es die Aufgabe der Religionen war, die Welt zu beschreiben und dadurch den Menschen Orientierung zu geben. Daher waren Mythen zunächst einmal eine Darstellung der Welt und der Vorgänge in ihr.

    Die Themen der Religion ergaben sich daher aus den Lebensumständen der Menschen. Letztlich hielten die Mythologien fest, welche Verhaltensweisen sinnvoll waren – und zum Teil auch, welche zu einem nicht erwünschten Ergebnis führen.

    Daneben muß man dann auch mit einer Darstellungen der Dynamiken rechnen, die sich aus den Veränderungen dieser Lebensumstände ergaben und eine neue Beschreibung der Welt erforderten. Mann darf in diesem Zusammenhang vermuten, daß die neuen Beschreibungen jeweils Weiterentwicklungen und Umdeutungen der alten Beschreibungen waren, sodaß sich in der Regel in einer neuen Mythen ihre Verwurzelung in einer älteren Mythen feststellen läßt. Dies liegt daran, daß es ganz allgemein so ist, daß sich das Unbekannte nur mit dem bereits Bekannten beschreiben läßt.

    Das zentrale Thema der Religion und vor allem des religiösen Kultes ist die Beziehung der Menschen zu den Ahnen, zu den Göttern bzw. zu dem Einen Gott. Genau dies ist die Bedeutung des Wortes Religion: Wiederanbindung.

    Die Auffassung von Religion an sich hängt (heutzutage) in sehr starkem Maße davon ab, ob man Ahnen, Gottheiten und den Einen Gott für etwas Reales und auch konkret Erlebbares hält. Wenn dies zutrifft, erscheint Religion als eine sinnvolle Beschreibung der Welt, wenn man jedoch zu dem Schluß kommt, daß es solche religiöse Wesen nicht gibt, dann erscheint die Religion als ein prälogisches, vornaturwissenschaftliches und somit falsches Weltbild.

    Um die Entwicklung der Religion zu verstehen, ist sinnvoll, sie (als geistiges Experiment) aus dem Blickwinkel eines Menschen zu betrachten, für den solche Wesen real sind, denn nur dann kann man die innere Logik der Entwicklung der Religionen begreifen.

    Die Frage, die von Menschen, für die Mythen und Götter real sind, an die Religionen gestellt wird, lautet somit Wie ist meine Verbindung zum Ganzen? Wie stehe ich innerhalb des Ganzen? Welche Verhaltensweisen sind daher sinnvoll und fördern mein Überleben und mein Glück?

    Diese Fragen sind auch heute noch von derselben Bedeutung für jeden Menschen wie früher, nur daß man sie heutzutage eher mit den Hilfsmitteln der Naturwissenschaften zu beantworten versucht. Früher wäre die eben genannten Fragen nur anders formuliert worden: In welchem Verhältnis stehe ich zu dem Einen Gott?, Wann stehen mir die Götter zur Seite? und noch früher Wann helfen mir meine Ahnen, die schon im Jenseits sind?.

    Um es einmal mit einem mythologischen und zugleich psychologischen Bild auszudrücken, ist das Thema der Religion die Suche nach der Verbindung zu dem Größeren, Wohlgesonnenen, Helfenden, Schützenden ... das Urbild der Religion ist somit die Nabelschnur des Embryos zu seiner Mutter ...

    I B Die Analogie zwischen Geschichte und Biographie

    Ein hilfreiches Werkzeug bei der Untersuchung der Entwicklung der Religionen ist die Analogie zwischen der Entwicklung der Menschheit als Ganzes und der individuellen Entwicklung eines Menschen. Kurz zusammengefaßt sieht diese Analogie wie folgt aus:

    In der Altsteinzeit haben die Menschen mitten in der Natur als Teil der Natur gelebt – alles war Teil eines Ganzen und man lebte von der Hand in den Mund.

    Dies entspricht der oralen Phase des Babys, das sich und die Welt auch nicht unterscheidet und erst alles einmal in den Mund nimmt.

    In der Jungsteinzeit entsteht die Unterscheidung von Ackerland und Wildnis, komplexere sprachliche und soziale Strukturen aufgrund der vielfach größeren Anzahl von Menschen, die zusammenleben und aufgrund der im Vergleich zur Jagd wesentlichen komplexeren Tätigkeit in der Landwirtschaft.

    Dies entspricht der analen Phase des Kleinkindes, das nun sprechen lernt und zwischen mein und nicht-mein, zwischen gut und böse unterscheiden kann und gerne und oft und vehement Nein! sagen kann.

    Während des Königtums wird alles auf den König ausgerichtet, der das ganze Land zentral lenkt.

    Dies entspricht der phallischen Phase, in der sich das Kind als Mittelpunkt der Welt sieht und in der sich seine wichtigste Entdeckung mit einem Wort zusammenfassen läßt: Ich!!!

    Die nächste Phase ist der Materialismus, in dem die verschiedensten Zusammenhänge entdeckt, Maschinen erfunden, Imperien gegründet und alle Möglichkeiten erprobt werden.

    Dies entspricht offensichtlich der Pubertät (genitale Phase), in der der Jugendliche seine Möglichkeiten erprobt.

    Die nächste Phase hat gerade in den letzten Jahrzehnten begonnen und ist durch die Erkenntnis der Verbundenheit aller Dinge miteinander geprägt: Die Notwendigkeit, gemeinsam Lösungen für die Abrüstung, die Überbevölkerung, die Umweltverschmutzung, die Ausbeutung der Rohstoffe usw. zu finden.

    Dies ist die adulte Phase, also das Erwachsenwerden, in dem man aus Vertrauen und Verantwortung heraus Teil einer eigenen Familie wird.

    Diese Phase ist von Sigmund Freud, von dem diese Einteilung der menschlichen Entwicklung in vier Phasen stammt, nicht mehr beschrieben worden.

    Wenn man davon ausgeht, daß sich auch die beiden letzten Phasen im Leben eines Menschen in der kollektiven Entwicklung widerspiegeln werden, kann diese Analogie noch weitergeführt werden:

    Man kann vermuten, daß in der Zukunft eine Phase folgen wird, in der die Kooperation erfolgreich an die Stelle der Konkurrenz getreten sein wird und in der daher ein großer Freiraum für den Einzelnen entsteht.

    Dies entspricht der geronten Phase, in der die Kinder aus dem Haus sind und die Lebensgrundlage gesichert ist und in der man sich seinen Hobbys und seinen alten Wünschen zuwenden kann.

    Schließlich könnte noch eine Phase folgen, die durch die Erkenntnis der Einheit hinter aller Vielheit geprägt ist.

    Dies könnte man in der individuellen Biographie die tutorale Phase nennen, in der der Einzelne als Weiser die jüngeren Menschen lehrt.

    Diese Analogie ermöglicht es, die Ergebnisse der Untersuchungen über die einzelnen Phasen der Religionsentwicklung von einem allgemeineren Standpunkt aus zu betrachten und zu prüfen, ob sich von dieser Warte aus der eine oder andere Zusammenhang deutlicher erkennen läßt.

    Wenn dieser Ansatz sinnvoll ist, würden die indogermanischen Religionen als eine Entsprechung zu der phallischen Phase erscheinen, in der die Menschen kollektiv nach der eigenen Mitte, nach Selbständigkeit und Eigenverantwortung gesucht haben. Dieses entstehen des „Ichs" läßt sich an drei Phänomenen leicht wiedererkennen:

    - der König der in dieser Phase gegründeten Reiche, der politisch der Mitte entspricht;

    - der Stammesgott, der kollektiv den selbstbestimmten Menschen darstellt; sowie

    - die Erneuerung der Religion um 600 v.Chr. durch Lao-tse, Kung-futse, Buddha, Jaina, Zarathustra, Zalmoxis, Sokrates, Plato und andere, die alle die Eigenverantwortung des Menschen betonten.

    Aus dieser Analogie ergibt sich nicht nur, daß die Religionen mithilfe der Entwicklungspsychologie besser verstanden werden können, sondern auch, daß die Religionen ihrerseits helfen können, die Entwicklung des Einzelnen besser zu erfassen. Die Mythologie der indogermanischen Religionen ist in diesem Zusammenhang dann u.a. auch eine Illustration der Vorgänge bei dem Streben des Menschen nach Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit.

    Diese Analogie wird im letzten Kapitel ausführlicher beschrieben.

    I C Der Stammbaum und die Sprache der Indogermanen

    I C 1. Der nostratische Stammbaum

    Der Stammbaum der indogermanischen Völker ist in einzelnen Punkten noch umstritten, aber im Großen und Ganzen besteht Einigkeit über die Verwandtschaften unter diesen Völkern. Dieser Stammbaum wurde vor allem aufgrund der Sprachen rekonstruiert, aber er wurde in den letzten Jahrzehnten auch durch genetische Vergleiche und archäologische Funde bestätigt.

    Am direktesten läßt sich dieser Stammbaum in seinen äußeren Zweigen erfassen, die schon in historischer Zeit liegen und durch schriftliche Quellen beschrieben werden. Für die Zeit davor bieten die Linguistik und die Genetik ein gutes Grundgerüst.

    In dem früheren Bereich steht man dann vor der Aufgabe, die linguistisch und genetisch erfaßten Zusammenhänge in Einklang mit den archäologischen Befunden zu bringen. Der Vergleich der Religionen der indogermanischen Völker ist bisher kaum dazu benutzt worden, um ihre Verwandtschaftsbeziehungen zu klären.

    Die ideale Grundlage für die Beschreibung der Entwicklung der Religionen der indogermanischen Völker wäre natürlich eine sowohl örtlich als auch zeitlich detaillierte Beschreibung der Expansionen und Wanderungen dieser Völker von Anfang an bis in historische Zeit. Für diesen Vorgang gibt es bisher aber lediglich Skizzen mit recht hoher Plausibilität – die von Zeit zu Zeit immer wieder einmal korrigiert werden.

    Diese Skizzen liegen auch den folgenden Betrachtungen zugrunde. Da die Beschreibung der religiösen Entwicklung vor allem die tatsächlichen Verwandtschaften benötigt (auch wenn die Details der Wanderungen sehr willkommen wären), liegt den Betrachtungen in diesem Buch vor allem der linguistisch-genetische Stammbaum zugrunde.

    Die Frage, welche religiösen Ansichten die ursprünglichen Indogermanen hatten, macht es erforderlich, diesen Stammbaum noch weiter in die Vergangenheit bis zurück zu den Erfindern des Ackerbaus im sogenannten „fruchtbaren Halbmond" (Israel, Jordanien, Syrien, Südosttürkei, Nordostiran, Südwestirak) zu betrachten.

    Der Stammbaum der Indogermanen und die Herkunft der Indogermanen von den mesopotamischen Ackerbauern wird verständlicher, wenn man ihn in einem größeren Rahmen betrachtet. Die Menschen haben sich auf der Erde in fünf großen „Wellen" ausgebreitet. Jede dieser Ausbreitungen wurde dadurch verursacht, daß die Menschen an einem Ort etwas erfanden, was ihnen das Leben erleichterte und ihnen einen deutlichen Vorteil gegenüber anderen gab.

    Die erste Welle wurde durch die Entwicklung der höheren Intelligenz, die Erfindung des Faustkeils und die Benutzung des Feuers zu Beginn der Altsteinzeit vor 1.000.000 Jahren in Gang gesetzt. Damals gab es nur in Südafrika Menschen, die nach diesen Erfindungen nach und nach ganz Afrika und anschließend auch Asien, Europa und Australien bevölkerten.

    Die nächste Welle ging vor 100.000 Jahren wieder von Südafrika aus. Die Ursache war die Entstehung des Homo sapiens, dessen Vorteile möglicherweise seine differenziertere Sprache war. Er breitete sich sich schnell auf ganz Afrika, Asien, Europa und Australien aus. Von ihm stammen alle heute bekannten Sprachen ab. Man könnte sie die menschliche Ursprache nennen, deren Worte sich noch in vielen der heutigen Sprachen wiederfinden.

    Die dritte Welle begann um 14.000 v.Chr. am Übergang der Mittelsteinzeit (30.000 – 10.000 v.Chr.) zur Jungsteinzeit (10.000 – 3.000 v.Chr.). Sie ging vom nördlichen Kleinasien (Südosttürkei, Syrien, Israel) aus. Die Vorteile dieser Menschen war die bessere Nahrungsversorgung durch verstärktes Sammeln von den Körnern von Gräsern, die Benutzung von Pfeil und Bogen, die Zähmung des Hundes und der Steinschliff, durch den effektivere Werkzeuge und Waffen hergestellt werden konnten. Die Sprache der spätmittelsteinzeitlichen Menschen dieser Ausbreitungsphase wird Borealisch genannt. Sie dehnten sich vor allem nach Osten hin aus. Von dieser Sprache stammen u.a. das Chinesische, das Ozeanische und die Eskimosprachen ab.

    Die vierte Welle folgte kurz darauf durch die Erfindung des Ackerbaus um 10.000 v.Chr., die auch den Beginn der Jungsteinzeit markiert. Diese ersten Ackerbauern sprachen Nostratisch, das ein Zweig des Borealischen war. Mit der Ausbreitung des Ackerbaus von Mesopotamien aus in alle Richtungen wuchs auch die Bevölkerung und die Sprachen differenzierten sich, wodurch unter anderem auch die indogermanischen Sprachen entstanden.

    Die Erbauer des ersten Tempels der Menschen in Göbekli Tepe (10.000 v.Chr.) und die Erbauer von Jericho, der ersten Stadt der Menschen (9.500 v.Chr.), sprachen Nostratisch.

    Die fünfte Welle wurde dann ab 3.000 v.Chr. von den Indogermanen verursacht, die nördlich des Kaukasus allmählich zur halbnomadischen Viehzucht übergegangen waren und dabei das Pferd gezähmt und den Streitwagen erfunden hatten und durch ihre Lebensweise deutlich kriegerischer geworden waren.

    Der Stammbaum der Menschen und Sprachen, die von den spätmittelsteinzeitlichen Sammlern (borealische Sprachen) und ihrer Untergruppe, den jungsteinzeitlichen Ackerbauern (nostratische Sprachen) abstammen, sieht wie folgt aus:

    I C 2. Die nostratischen Sprachen

    Die folgende Tabelle gibt einen Eindruck von der Ähnlichkeit der nostratischen Sprachen miteinander. Diese Liste ist keineswegs vollständig, sondern enthält nur einige Beispiele.

    Die „Urworte" in der Liste sind die Worte, die man bisher für die Sprache des Homo Sapiens vor 100.000 Jahren hat rekonstruieren können. Diese ca. 30 Worte sind in der Liste vollständig enthalten.

    Die Worte in der nostratischen Sprache der frühen mesopotamischen Ackerbauern sind in einigen Fällen nur ungefähre Annäherungen. Es sind inzwischen über hundert Worte bekannt und in etwa auch die grammatischen Formen.

    Die sumerische Sprache ist dank der reichlichen Überlieferung gut bekannt. Ihre Einordnung in den nostratischen Stammbaum ist nach wie vor recht unsicher. Da sie aber viele mit dem nostratischen übereinstimmende Worte enthält, ist aber sicher, daß sie zu den nostratischen Sprachen zählt.

    Die indogermanische Sprache ist die ausgestorbene Sprache, die am genauesten aus den aus ihr entstandenen Folgesprachen rekonstruiert worden ist. Es sind über 1.000 Worte und auch sehr detailliert die Grammatik bekannt.

    Die Beispiele für die semitischen Sprachen stammen aus dem Akkadischen, der ältesten bekannten semitischen Sprache, aus der sich dann das Babylonische entwickelt hat. Lediglich das Wort „Adam" scheint den Akkadern nicht bekannt gewesen zu sein und ist hier aus dem Aramäischen (die Sprache, die auch Jesus sprach) eingefügt worden.

    Als Beispiel für die afroasiatischen Sprachen findet sich in der Liste das Altägyptische, das über die früheste schriftliche Überlieferung in dieser Sprachfamilie verfügt.

    Die Sumerer, Ägypter und Elamiter haben in etwa zur gleichen Zeit unabhängig voneinander die Schrift erfunden, weshalb auch die Elamiter hier als Beispiel beigefügt sind – diese drei Sprachen sind die frühesten durch die schriftliche Überlieferung direkt bekannten Sprachen. Die Schrift der Elamiter ist noch nicht vollständig entschlüsselt und es besteht noch Unklarheit darüber, an welcher Stelle sie innerhalb der nostratischen Sprachen stehen.

    Zur Rekonstruktion der Vorstellungen der frühen Ackerbauern, von denen die Indogermanen abstammen, wäre es nun eigentlich notwendig, die Mythologien aller nostratischen Völker, also aller Völker, die von den frühen Ackerbauern abstammen, zu vergleichen. Dadurch würde dieses Buch allerdings sehr umfangreich werden. Um einen Überblick über die religiösen Vorstellungen der nostratischen Bevölkerung Mesopotamiens zu erhalten, genügt jedoch ein Vergleich der von den nostratischen Ackerbauern abstammenden Völker, die als erste eine Schrift entwickelt haben (Ägypter, Sumerer, Elamiter) sowie ergänzend die semitischen Völker in Kleinasien. Die Mythen dieser Völker sind der Mythologie der mesopotamischen Ackerbauern am nahesten und daher für deren Rekonstruktion auch am wichtigsten.

    I C 3. Die frühe Geschichte der Indogermanen

    Die Geschichte der Indogermanen ist in etwa wie folgt verlaufen:

    Der Ackerbau selber wurde um ca. 10.000 v.Chr. in den Tälern der Südosttürkei erfunden und breitete sich von dort aus nach Südosten und nach Südwesten hin aus. Um 10.000 v.Chr. wurde in der Südosttürkei in Göbekli Tepe der erste Tempel der Menschen errichtet und um 9.500 v.Chr. wurde in einem Seitental des Jordans Jericho, die erste Stadt der Menschen gegründet, der bald weitere in der Südosttürkei folgten.

    Ab 6.000 v.Chr. wurde auch die Ebene zwischen Euphrat und Tigris besiedelt, in der für eine effektive Landwirtschaft im Gegensatz zu den Gebirgstälern Bewässerungskanäle, Staudämme u.ä. notwendig waren. Zu dieser Zeit hatte sich der Ackerbau bis nach Nordwestindien, Ägypten und über Griechenland auch entlang der Donau bis an den Rhein verbreitet.

    Für die weiteren Betrachtungen ist es von Bedeutung, daß die Bilder auf Krügen, Grabwänden u.ä. in der Zeit vor der Erfindung der Schrift von Harappa in Nordwestindien über Mesopotamien bis zu den vordynastischen Ägyptern sehr einheitlich waren, was vermuten läßt, daß auch die religiösen Vorstellungen in diesem Bereich sehr ähnlich waren – zumal sich diese Ähnlichkeit auch noch in den frühen schriftlichen Überlieferungen wiederfindet.

    Die Bewohner des östlichen Teiles von Mesopotamien blieben teilweise dort und gründeten später das Reich Elam im Südosten von Mesopotamien, während diejenigen, die weiter nach Osten gewandert waren und schließlich Indien erreichten, dort eine erste ackerbauende Bevölkerung bildeten, von denen die heutigen Drawiden abstammen. Um ca. 2.500 v.Chr. gründeten sie am unteren Indus die Städte der Harappa-Kultur.

    Ein kleiner Teil dieser Ackerbauern in Ostmesopotamien zog nach Norden nach Georgien an der Ostküste des Schwarzen Meeres: die Kartwelier.

    Die Völker, die im Südwesten des Nahen Ostens lebten, waren die Ahnen der späteren semitischen und der afroasiatischen Völker.

    Die Semiten teilten sich in zwei große Familien: die Ostsemiten im Zweistromland und die Westsemiten an der Mittelmeerküste. Der ostsemitische Zweig umfasste die Akkader und Babylonier, die den Bereich zwischen Euphrat und Tigris eroberten und dabei die Sumerer verdrängten. Der westsemitische Zweig teilte sich in drei Völker auf: Die Zentralsemiten, die Kanaanäisch, Aramäisch (u.a. Juden) und Ugaritisch sprachen, die die Neusüdarabischen Völker, die die arabische Halbinsel besiedelten (u.a. Araber), und die äthiopischen Völker, die vermutlich von Südarabien aus nach Afrika übersetzten.

    Die afroasiatischen Völker wanderten schon spätestens um 6.000 v.Chr. über den Sinai nach Afrika und besiedelten das Niltal und wurden zu den späteren Ägyptern, während ein anderer Teil dieser Einwanderer als Nomaden in den Steppen links und rechts des Niltales lebten und die Vorfahren der heutigen Berber waren. Ein Teil der Bewohner des Niltales wanderte weiter nach Süden und siedelte sich schließlich im Bereich des damals noch sehr großen Tschadsees an.

    Die ursprünglichen Indoeuropäer lebten während der Kupferzeit von 7.000 bis 4.000 v.Chr. in der Ebene nördlich des Kaukasusgebirges zwischen der unteren Wolga, die ins Kaspische Meer mündet und dem unteren Dnjepr, der ins das Schwarze Meer mündet.

    Um 2.500 hatten sie sich nach Osten bis an den Aral-See, nach Süden bis ins nördliche Anatolien und nach Westen rings um das Schwarze Meer ausgedehnt. Von dort aus hatten sie sich um 1.000 v.Chr. auf ganz Europa außer Spanien, Großbritannien und Skandinavien ausgedehnt, nach Südwesten auf die ganze Türkei, nach Osten bis nach Westchina und nach Südosten auf Persien und Indien.

    Die Indogermanen waren ursprünglich Ackerbauern, die letztlich von den Erfindern der Landwirtschaft in Mesopotamien abstammten. Sie hatten um ca. 6.000 v.Chr. von Mesopotamien aus nach Norden hin die Landwirtschaft über den Kaukasus hinaus in die südrussische Ebene hinein ausgedehnt. Um ca. 5.000 v.Chr. spezialisierten sie sich zunehmend auf die Viehzucht – was bei den großen Steppen nördlich des Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres sehr nahelag. Dabei entwickelten sie im Gegensatz zu den Ackerbauern eine zunehmend nomadische Lebensweise und begannen auch mit der Pferdezucht.

    Sie entwickelten das um 3.200 v.Chr. in Sumer erfundene Rad, mit dem zunächst schwerfällige, von Ochsen gezogene, vierrädrige Karren ohne bewegliche Deichsel gezogen wurden, zu dem leichten Streitwagen weiter – dem „Panzer" der damaligen Zeit. Das Reiten auf Pferden wurde viel später gegen 1.000 v.Chr. von den indogermanischen Skythen erfunden.

    Die nomadische Lebensweise, die im Vergleich zum Ackerbau viel beweglicher ist und durch den Kampf gegen die Raubtiere, die die Herden bedrohten, auch einen deutlich kämpferischeren Charakter hat, führte in Kombination mit dem Streitwagen zu einer eher kriegerischen Expansion. Dabei wurden die Ackerbauern, die zwischen 6000 und 4000 v.Chr. Europa urbar gemacht hatten und von denen unter anderem auch die Megalithe an der gesamten europäischen Küste errichtet worden waren, von den Indogermanen unterworfen bzw. integriert.

    Von diesen Bauern stammen die vereinzelten nichtindoeuropäischen Sprachen in Europa wie Rätisch, Etruskisch, Baskisch, Ungarisch, Finnisch usw. ab. Zum Teil findet sich diese Begegnung mit den vorindogermanischen Ackerbauern auch in den Mythen der Indogermanen wieder. Diese „Eroberungen" müssen also nicht immer kriegerisch vor sich gegangen sein, sondern werden z.T. auch friedlich vonstatten abgelaufen sein.

    Es ist ziemlich sicher, daß die Indogermanen Gefangene als Sklaven hielten und sie wie ihre Kühe und Schafe als ihr Eigentum betrachteten.

    Die Indogermanen waren vor allem patrilinear orientiert, während die (eroberten) Ackerbauern noch die alte matrilineare Orientierung hatte, die sich auch bei den frühen historischen mesopotamischen Kulturen z.B. von Elam, Sumer und Ägypten findet.

    Die Indogermanen lebten vor allem von ihren Rinder- und Schafherden. Die Schafe wurden vor allem wegen ihrer Wolle gehalten, aus der Filz für Kleidung hergestellt wurde.

    Die Indogermanen hatten eine Vielzahl von Gottheiten und sahen den Himmelsgott Dyaus als die Höchste dieser Gottheiten an. Der Kult bestand vor allem aus Opferungen. Der Fürst war wahrscheinlich zugleich der oberste Priester. Die Indogermanen gingen davon aus, daß ihre verstorbenen Ahnen mit ihnen Kontakt aufnehmen konnten.

    Die Priester waren neben den Kriegern und den Bauern der dritte eigenständige Stand. Zu ihrer Aufgabe gehörte neben den Opferungen auch das Bewahren der Tradition in der Form von Epen und Liedern, die die Götterwelt und die Geschichte des eigenen Stammes beschrieben. Vermutlich waren diese Priester wie ihre späteren Nachfolger, die indischen Brahmanen und die keltischen Druiden, die einzige stammesübergreifende Organisation, die auch bei anderen Stämmen Autorität genoß.

    Der Kriegerstand wurde von dem König angeführt und bestand wahrscheinlich aus den unverheirateten jungen Männern. Die sehr reiche indogermanische Überlieferung über Werwölfe, Wolfsmänner u.ä. legt die Vermutung nahe, daß sich diese Krieger als Wölfe angesehen haben. Da solche Wolfs-Krieger auch noch aus historischen Zeit bekannt sind, ist es sehr wahrscheinlich, daß diese Krieger auch Ekstasetechniken kannten, durch die sie sich wie die späteren „Ulfhedinn"-Wolfsmänner (und Berserker) der Germanen durch die Anrufung der Wolfsgeister in einen Kampfrausch versetzten konnten.

    Die Fürsten konnten ihre Stellung wahrscheinlich nicht weitervererben, sondern wurden für eine bestimmte Zeit oder Aufgabe gewählt und konnten daher auch wieder abgesetzt werden. Diese Tradition ist unter anderem von den späteren Römern, Kelten und Griechen gut bekannt. Aus diesem Fürstentum hat sich dann (vermutlich wie bei Cäsar aufgrund besonderer Fähigkeiten bei der Eroberung) das lebenslange Königtum und damit verbunden auch die Weitervererbung dieser Vormachtstellung entwickelt.

    Wie in Mesopotamien und dem frühen Ägypten war die größte Organisationseinheit der Stamm – wie dies allgemein in der Jungsteinzeit gewesen sein wird. Aus dem Stamm entwickelte sich die Stadt und aus dem Zusammenschluß der Städte schließlich das Königreich.

    Die folgende Tabelle gibt einen groben Überblick über die geschichtliche Situation im Umfeld der frühen Indogermanen. Die indogermanischen „Ereignisse" sind der besseren Übersicht halber fett und kursiv gedruckt.

    Die Indogermanen entstanden inmitten einer Ackerbauernkultur, an deren Rändern in den trockeneren Bereichen auch ausgiebiger Viehzucht betrieben wurde. Berichte über Auseinandersetzungen zwischen eher friedlichen Ackerbauern und kriegerischen Viehzüchtern sind aus Mesopotamien gut bekannt. Im Allgemeinen schient die Landwirtschaft jedoch zu einem deutlich größeren Anteil aus Ackerbau bestanden zu haben.

    Die erste größere Expansion der Indogermanen richtete sich nach Süden: die Lydo-Hethiter zogen über das Kaukasusgebirge nach Anatolien, wo die Hethiter im mittleren Norden und im Osten ein Reich gründeten und die Lyder später ein kleineres Reich im Westen.

    Als nächstes zogen die Thraker und die Griechen im Norden um das Schwarze Meer herum bis hinunter in den südlichen Peloponnes. Kurz darauf trennten sich die Indoiraner von ihrer alten Heimat und brachen nach Südosten hin auf, wo sie das Hochland des Iran (Perser) und den Norden Indiens besiedelten, wo sie bereits die viel früher nach dort gezogenen Ackerbauern der Drawiden (Mittel- und Südindien) und die Harappa-Kultur (Nordwestindien) vorfanden.

    Die nächste Auswanderungswelle richtete sich wieder nach Westen: Zunächst die Germanen nach Nordosten und die Baltoslawen nach Norden, dann die Italier, die am Schwarzen Meer entlang und dann ein Stück die Donau hinauf wanderten, um dann südlich der Alpen entlang nach Italien zu gelangen. Als nächstes zogen die Kelten denselben Weg wie die Italier, aber wanderten dann nördlich der Alpen weiter an der Donau hinauf weiter bis ins Quellgebiet von Donau, Rhein und Rhone.

    Die Armenier zogen nach Süden, aber nicht so weit wie vor ihnen die Hethiter und Lyder. Da das Land südlich des Kaukasus-Gebirges war inzwischen sehr dicht besiedelt war, zogen sie die Bergtäler des Kaukasus vor.

    Die Indogermanen, die in den Ebenen vom Schwarzen Meere bis hin zum Baikal-See blieben, wurden dann später die Skythen, die das größte indogermanische Volk waren. Ein Teil von ihnen ließ sich in den Gebirgstälern Westchinas nieder: die Tocharer.

    Ausbreitung der Indogermanen

    violett: bis 4.000 v.Chr. - rot: 2.500 v.Chr. - orange: 1.000 v.Chr.

    Ab 1.000 v.Chr. besiedelten die Kelten fast das gesamte Europa vom Balkan bis Irland mit Ausnahme von Skandinavien und den südlichen Teil von Italien und Griechenland.

    Danach eroberten die Römer den gesamten Mittelmeerraum sowie ganz Westeuropa mit Ausnahme von Island und Irland.

    Schließlich eroberten die Germanen von Skandinavien aus Europa. Die beiden letzten Expansionen fanden schon in historischer Zeit statt.

    Der vor allem linguistisch hergeleitete, aber archäologisch und genetisch bestätigte Stammbaum der Indogermanen und ihrer nächsten Verwandten in Mesopotamien, der den Betrachtungen in diesem Buch zugrundeliegt, ist in der folgenden Übersicht dargestellt.

    Der Stammbaum der indogermanischen Völker bzw. Sprachen ist zwar weitgehend sicher, aber über einige Aspekte wird nach wie vor diskutiert. Es lassen sich daher in der Fachliteratur auch einige andere Stammbäume finden, die sich in einigen Punkten von dem hier benutzten unterscheiden.

    I C 4. Der Charakter der indogermanischen Sprache

    Es liegt auf der Hand, daß ein Hirtenvolk kriegerischer ist als ein Bauernvolk, das vor allem Weizen anbaut, da das Getreide auf dem Acker und das Gemüse im Garten ein sehr viel friedlicheres Umfeld abgeben als die Rinder auf der Weide und die Wölfe, die ab und zu ein paar von ihnen reißen.

    Der generelle Charakter und die Eigenschaften der Kultur dieser indogermanischen Viehzüchter läßt sich anhand der Betrachtung der Struktur ihrer rekonstruierten Sprache noch differenzierter darstellen als nur „kriegerischer als Ackerbauern".

    Die frühesten schriftlichen Überlieferungen der indogermanischen Völker, aus denen die ursprüngliche gemeinsame indogermanische Sprache hergeleitet wurde, stammen aus recht verschiedenen Zeiten. In der folgenden Tabelle finden sich die frühesten Daten von Texten, die mehr als nur kurze Besitzerangaben o.ä. sind:

    Zunächst einmal kann man feststellen, daß das die indogermanische Sprache unserer fernen Vorfahren um 4.000 v.Chr. eine „Sprache der Handelnden ist, da die allgemeine Satzstellung „Subjekt – Objekt – Verb war. Der Handelnde kommt zuerst – auch in der Satzstellung. (Das Altägyptische beginnt z.B. mit dem Verb.)

    Zu dieser starken Stellung des Handelnden paßt auch, daß es keine eigenständigen Aktiv- und Passiv-Formen gibt – jedes Ereignis ist eine Tat, also „aktiv. Stattdessen wurde die „Richtung einer Handlung durch Pronominal-Endungen an den Verben verdeutlicht. Es wurde also eine Handlung dargestellt und deren Richtung angegeben.

    Als Genus gibt es nicht wie im Deutschen männlich, weiblich und sächlich, sondern nur andere Formen: Animata, die alles Lebendige, also vor allem die Menschen bezeichnen, und Inanimata, die alles Nicht-Lebendige bezeichnen. Die Animata wurden erst später in männlich und weiblich differenziert. Interessant ist dabei, daß die Inanimata niemals das Subjekt eines Satzes sein konnten – sie konnten also nicht die Handelnden in einem Satz sein, sondern nur die Objekte. Die Inanimata konnten zudem nur im Plural auftreten – sie wurden also nicht als etwas Individuelles angesehen, sondern sozusagen als die „Masse", auf die sich das Handeln der Menschen (und anderer Lebewesen) bezieht.

    Auf einer sehr frühen Stufe des Indogermanischen gab es sogar zwei Klassen von Verben, von denen die eine, die die „Aktivverben genannt werden, mit den Animata (Lebewesen) verbunden sind, die in den Sätzen das Subjekt bildeten; und die anderen, die „Stativverben, mit den Inanimata (Dinge) verbunden sind, die in den Sätzen die Objekte bildeten.

    Diese Konstruktion stellt den Menschen (und andere Lebewesen) als den Handelnden in den Mittelpunkt, der mit den Objekten seiner Umwelt nach seinem Belieben umgeht. Die indogermanische Sprache hatte eine sehr ichbezogene Grammatik …

    Die Veränderungen der Vokale der indogermanischen Worte in den verschiedenen grammatischen Fällen ist ebenfalls recht interessant. Die indogermanischen Worte bestanden aus einer in der Regel dreibuchstabigen Stammsilbe (Konsonant – Vokal – Konsonant), an die evtl. ein die Bedeutung der Stammsilbe genauer festlegendes Vorsilbe (ein Nomen, Verb o.ä.) sowie eine Endung, die Kasus, Genus, Numerus usw. angibt, angefügt war. Der Stammvokal zwischen den beiden Konsonanten der Stammsilbe der indogermanischen Worte blieb in einigen Fällen ein klangvoller Vokal (a, o, i, u) und in anderen Fällen verblaßte er zu einem klanglosen „e" oder fiel ganz fort.

    Die aufgrund ihres Vokals „klangvollen Wort hoben sich beim Sprechen hervor – und waren daher die wichtigeren Worte innerhalb des Satzes. Der wichtigste dieser „klangvollen Fälle war der Nominativ, der denjenigen darstellt, der in dem Satz der Handelnde ist. Der zweite Fall ist der Vokativ, durch den eine andere Person oder eine Gottheit direkt und in der Regel auch ehrfürchtig angesprochen wird. Schließlich bleibt das Verb auch im Akkusativ-Singular „klangvoll" – dies ist der Fall, in dem sich der Sprecher auf eine andere Person (Animata) bezieht, denn Dinge (Inanimata) standen immer im Plural.

    Es werden also die Verben hervorgehoben, die sich auf den oder die Handelnden (Nominativ) oder einen oder mehrere angesprochene Menschen beziehen (Vokativ, Animata-Akkusativ). Schon der Klang der Verben hebt also die handelnden Personen und die angesprochenen anderen Personen hervor und stellt sie in das Zentrum der Aussage. Diese Sprache entspricht ganz Goethes Ausspruch „Am Anfang war die Tat. ... oder vielleicht noch besser: „Am Anfang war der Täter.

    Die fünf Formen der Zeit (Tempus) und der Art und Weise (Modus) der indogermanischen Sprache hat eine gut zu den bisherigen Beobachtungen passenden Charakter.

    Zunächst einmal ist die Zeit immer die Gegenwart, also das Hier und Jetzt. Wenn man damals betonen wollte, daß eine Handlung schon abgeschlossen ist oder schon lange her war, dann stellte man dem Verb ein Adjektiv mit der Bedeutung „damals voran. Es gab also keine eigenständige „Vergangenheitsform, sondern nur die zusätzliche Bemerkung, daß das, worauf sich das Verb bezieht, nicht mehr aktuell ist.

    Ähnlich steht es mit der Zukunft, denn auch für diese gab es keine besondere Verbform – es gab für die Indogermanen in diesem Sinne keine Zeit, sondern nur die Gegenwart, die allein wichtig war. Wenn man etwas Vergangenes ausdrücken wollte, sage man eben dazu, daß es schon vorbei ist. In derselben Weise gab es nun drei verschiedene Möglichkeiten, sich auf die Zukunft zu beziehen: Man konnte etwas beabsichtigen, wollen und planen (Konjunktiv), man konnte einen Wunsch haben oder eine Möglichkeit sehen (Optativ) oder man konnte seine Willen auf ein Ziel ausrichten und anderen, um dieses Ziel zu erreichen, einen Befehl erteilen (Imperativ).

    Die Menschen standen also gewissermaßen zeitlos da, wo sie gerade standen, waren sich des „damals" bewußt und richteten ihre Aufmerksam auf das, was sie als Möglichkeiten sahen (Optativ), wozu sie sich entschlossen (Konjunktiv) und befahlen dann unter Umständen anderen, das zu tun, was ihren eigenen Zielen förderlich war (Imperativ).

    Auch bei der Betrachtung der „Zeitformen" in der indogermanischen Sprache erscheint wieder das Bild des Handelnden.

    Das bisherige Ergebnis der Betrachtung des Charakters der indogermanischen Sprache wird durch die Flexionsformen des Verbes bestätigt. Das Verb wird nicht in Bezug auf die Zeit verändert (wie wir das heute gewöhnt sind), sondern in Bezug auf das Verhältnis des Verbes zu dem Sprecher. Diese Art der Flexion wird „Aspekt" genannt.

    Es gibt drei verschiedene Formen des Verbs, die unterschieden wurden und die den Handelnden in drei verschiedenen Zuständen darstellen: Der Handelnde ist gerade mitten in seiner Handlung und sagt etwas über sie aus („imperfekter Aspekt), der Handelnde hat die Handlung bereits abgeschlossen („perfekter Aspekt) oder der Handelnde sagt etwas darüber aus, was er erreichen will („resultativer Aspekt").

    Auch hier steht wieder der Handelnde im Mittelpunkt. Man könnte das Indogermanische als eine sehr „aktive" Sprache bezeichnen.

    In der indogermanischen Sprache gab es nicht, wie im Deutschen nur vier, sondern acht Fälle (Kasus). Diese Fälle lassen sich in vier Gruppen unterteilen.

    Die erste Gruppe besteht aus dem Nominativ, also dem Handelnden selber, sowie seinem Gegenüber, den er direkt anspricht (Vokativ). Dies ist sozusagen der „zentrale Fall" in der sehr Täter-bezogenen indogermanischen Sprache. Der Nominativ ist der archaischste aller Kasus-Arten, da er ein Wort als es selber, als aus sich heraus existierend (und als handelnd) darstellt. Dieser Kasus entspricht den allerersten Worten, die einfach nur Bezeichnungen der wichtigen Dinge waren – ohne sie umgebende Adjektive, Verben und Grammatik.

    Die zweite Gruppe von Fällen umfaßt nur den Genitiv, der benutzt wird, um ein Zugehörigkeits- oder Besitzverhältnis anzuzeigen (mein Vater, mein Pferd). Dieser Kasus wird gebraucht, um Verwandtschaftsverhältnisse oder Eigentumsverhältnisse darzustellen. Bei genauerer Betrachtung erscheint der Genitiv als der Kasus der Assoziation, der die Zusammengehörigkeit zweier Dinge bezeichnet, wobei er allerdings schon die beiden Dinge in ein „Zentrum (den „Besitzer) und ein „Dazugehöriges (den „Besitz) unterteilt.

    Die dritte Gruppe von Fällen enthält die drei Arten von Kasus, die sich auf ein Objekt beziehen. Diese Art von Fällen wird gebraucht, wenn es einen so deutlich ausgeprägten Handelnden in der Grammatik gibt, denn worauf sollten sich seine Handlungen ohne Objekte beziehen? Das Objekt kann direkt ergriffen und verändert werden (Akkusativ: „Auf wen richte ich meine Tat?"), das Objekt kann das Hilfsmittel sein, mit dem man seine Handlung ausführt (Instrumental: „ Womit führe ich meine Handlung aus?) und schließlich kann sich die eigene Handlung auf ein Objekt beziehen, ohne jedoch das Objekt direkt zu verändern (Dativ: „Wem schenke ich etwas?).

    Die vierte Gruppe von Fällen enthält drei Arten von Kasus, die alle mit der Bewegung zu tun haben. Der Lokativ beschreibt Vorgänge am Ort des Objektes, der Ablativ beschreibt Bewegungen, die von dem Objekt fortführen, und der Allativ, der sich nur im Hethitischen erhalten hat, beschreibt Bewegungen, die vom Objekt fortführen. Diese drei letzten Fälle sind recht interessant, da sie grammatische Möglichkeiten sind, die für eine Ackerbauern nicht von besonders großem Nutzen sind, da die Obstbäume und die Salatköpfe da bleiben, wo er sie eingepflanzt hat. Für den Viehhirten sind sie hingegen ausgesprochen nützlich, da sich seine Rinder und Schafe ständig bewegen und er sie auf saftige Weiden treiben muß, damit sie gedeihen – und auch die Bären, Wölfe und Löwen, gegen die er immer wieder kämpfen muß, bewegen sich.

    Das Indogermanische war eine noch recht „altmodische" Sprache, in der die einzelnen Worte noch sehr für sich standen. Es gab also keine Hilfsverben, kaum Präpositionen, die logische Zusammenhänge verdeutlichten, und einen eher einfachen Satzbau.

    Auch der Satzbau selber war nicht völlig festgelegt: Man konnte Satzglieder an den Anfang stellen, um sie hervorzuheben.

    Ein sehr archaisches Merkmal war der Dual, der sich in so gut wie allen alten Sprachen neben dem Singular und dem Plural findet. Er steht in engem Zusammenhang mit dem noch aus der Altsteinzeit stammenden Binärzahlensystem, in dem die „2 die zentrale Rolle spielt. Zudem gab es viele Paarbildungen in der Altsteinzeit (Mutter der Lebenden, Mutter der Wiedergeborenen) und in der Jungsteinzeit (Korn-/Totengott, Wildnisgott) sowie in den frühen Bestrebungen am Anfang der Epoche des Königtums, die Welt zu systematisieren (Yin und Yang). Natürlich gab es auch sonst viele „natürliche Paare, für die der Dual angewandt werden konnte wie Augen, Ohren, Arme, Beine usw.

    Ein recht archaisches Merkmal ist es auch, daß Sätze nicht unbedingt ein Verb enthalten müssen – es genügte völlig „Sonne heiß." zu sagen. In gleicher Weise ist es ein Merkmal der meisten alten Sprachen, daß kein eigenständiges Subjekt auftreten muß, sondern daß es genügt, wenn die Endung des Verbes den Handelnden kennzeichnet.

    Der „substantivische Charakter des Indogermanischen zeigt sich darin, daß die meisten Fragen, das Wort „und sowie der größte Teil der Verneinungen durch Nachsilben und nicht durch eigenständige Worte wie „wer, und, nicht" gebildet werden.

    Die Substantive selber wurden offenbar als eigenständig angesehen, da man Zusammenhänge in aller Regel mit dem Genitiv formulierte und nur in seltenen Fällen zwei Substantive direkt aneinanderhängte. Man sagte also „Tür des Hauses und nicht „Haustür.

    Die Ausnahme von dieser Regel war die Bildung von Personennamen, die fast immer durch die Kombination von zwei Substantiven gebildet wurden (Friedhelm = Frieden + Helm; Heinrich = Heim + Rix, d.h. König).

    Diese archaischen Sprachmerkmale finden sich z.B. auch alle in der altägyptischen Sprache wieder, die aber ansonsten einen deutlich anderen „Stil" hat als das Indogermanische.

    Unter den Nachsilben, durch die die Indogermanen aus einem Wort ein neues Wort mit einer verwandten Bedeutung bilden konnten, gibt es zwei interessante Silben. Die eine ist „-yo, die die Zugehörigkeit zu jemandem bezeichnet (Vater => väterlich), und die andere ist „-ter, die das Verwandtschaftsverhältnis zu der bezeichneten Person betont. Durch sie wird z.B. aus dem indogermanischen Wort „mut („Mutter) das indogermanische „mut-ter" mit der Bedeutung „das ist meine, mir wichtige Mutter In gleicher Weise entstand durch diese Silbe aus indogermanisch „pa das Wort „pater. Beide Endungen („-yo und „-ter") haben den Charakter einer Assoziation und sind zumindest von ihrer Bedeutung sehr alt. Beide Nachsilben dienen vor allem der Betonung eines Verwandtschaftsverhältnisses.

    Eine Kuriosität, die möglicherweise mit dem in der Altsteinzeit so wichtigen Assoziation-Prinzip zusammenhängt, ist, daß die Indogermanen nicht zwischen „Enkeln und „Neffen unterschieden, sondern für beide dasselbe Wort benutzten. Wenn beide mit demselben Wort bezeichnet wurden, bedeutet dies, daß Neffen als genauso wichtig angesehen wurden wie die eigenen Enkel. Daraus folgt, daß man die Kinder seiner Geschwister zwar nicht als so wichtig ansah wie die eigenen Kinder, aber doch als so wichtig wie die eigenen Kindeskinder. Eine solche Ansicht ergibt einen Sinn, wenn man von einem starken Sippenbewußtsein ausgeht, das zwar noch die eigenen Kinder hervorhebt, für die man direkt verantwortlich ist, daß man aber darüber hinaus die Enkel und Neffen als die „näheren Verwandten" ansah, mit denen man ebenfalls verbunden war. Diese sprachliche Kuriosität weist also auf ein starkes Sippenbewußtsein hin.

    I C 5. Zusammenfassung

    Insgesamt läßt sich also sagen, daß die Indogermanen eine Gemeinschaft von Stämmen waren, die hauptsächlich von der Viehzucht lebten, an den Flußufern etwas Ackerbau betrieben und einzelne befestigte Lager oder Siedlungen anlegten. Die einzelnen Stämme wurden jeweils von gewählten Fürsten angeführt. Es gab einen starken Sippenzusammenhalt, der auch die Totengeister mit einbezog und es gab eine Priesterkaste, die für die Opferungen und wohl auch für die Verbindung zu den Ahnen und zur Vergangenheit, also für die Bewahrung der Mythen und der Stammesgeschichte zuständig waren. Die oberste Gottheit der Indogermanen war der Himmelsgott Dyaus.

    Wie es sich aus dem Charakter eines Hirtenvolkes natürlicherweise ergibt, waren sie sehr handlungs- und willensorientiert und deutlich kriegerischer als die Ackerbauern. Dies zeigt sich auch in der Eigenbezeichnung der Krieger als Wölfe und in der Erfindung des Streitwagens, der damals das mit Abstand effektivste technische Kampfmittel war.

    Weitere Eigenschaften der Indogermanen sowie konkretere Einzelheiten der Mythologie werden sich aus den folgenden Betrachtungen über die Mythologien der einzelnen indogermanischen Völker sowie über die Entwicklung der Religion während der Vorgeschichte der Indogermanen, also während der Jungsteinzeit und der Altsteinzeit ergeben.

    II Altsteinzeit: Assoziation und Jenseits

    Die Altsteinzeit umfaßt den weitaus größten Teil der menschlichen Geschichte: Sie reicht von ca. 1.600.000 bis 10.000 v.Chr.

    In dieser Zeit lebten die Menschen von der Jagd und vom Sammeln eßbarer Beeren, Wurzeln, Nüsse u.ä. Sie erfanden in dieser Zeit die Benutzung von Stöcken als Waffe, dann die Verwendung von Steinen und später das Zuschlagen von Steinen zu Faustkeilen u.ä. sowie die Benutzung des Feuers. Seit spätestens vor 600.000 Jahren bauten sich die Menschen im kalten Nordeurasien auch einfache, runde oder ovale Hütten. Ab 40.000 v.Chr. Sind die ersten Höhlenmalereien bekannt, durch die das erste mal die Ansichten der frühen Menschen deutlicher zutage treten.

    Ab ca. 30.000 v.Chr. wurden im Nahen Osten vermehrt die Körner von Gräsern gesammelt. Diese Phase, die Mittelsteinzeit genannt wird, führte letztlich zum Ackerbau, der den Beginn der Jungsteinzeit um 10.000 v.Chr. markiert.

    Die Jungsteinzeit endete mit der Gründung der ersten Königreiche und der Erfindung der Schrift.

    Im folgenden wird beschrieben, was sich über das Weltbild der Menschen in der Altsteinzeit erschließen läßt.

    II A Assoziationen

    Die einfachste und daher auch älteste Form der Strukturierung der Inhalte der Psyche besteht in der Assoziation: Durch sie wird z.B. Feuer und Schmerz oder auch Brennessel und Brennen miteinander verbunden. Die Assoziation ist die Erinnerung daran, daß bei einem bestimmten Ereignis auch bestimmte Wahrnehmungen zusammen aufgetreten sind. Die Assoziation ist daher variabler als die Instinkte, die aus bereits vorgeprägten Verbindungen bestehen wie z.B. der Reaktion auf ein kleines Baby (beschützen) oder auf ein Raubtier (verteidigen/fliehen).

    Die Instinkte bilden den Grundstock der menschlichen Verhaltensmuster, während die Assoziationen den Menschen die Lernfähigkeit geben: Neue Situationen können erinnert werden, wodurch auch neue Verhaltensweisen ermöglicht werden. Durch die Assoziationen hat der Mensch die Möglichkeit, einen Fehler nicht immer wieder machen zu müssen, weil er die Ähnlichkeit einer Situation mit einer früheren Situation wiedererkennen kann.

    Diese Form der Strukturierung findet sich auch in den Träumen heutiger Menschen, also im Unterbewußtsein, sowie auch im Verhalten von sehr kleinen Kindern.

    Man kann davon ausgehen, daß die Assoziation auch die psychische Grundstruktur der Menschen in der Altsteinzeit gewesen ist. Dieses Mindestmaß an Lernfähigkeit ist notwendig gewesen, da sonst nicht die Möglichkeit besteht, z.B. das Feuer zu nutzen oder gezielt einen Faustkeil herzustellen. Dieses Lernen durch Assoziationen ist auch von einigen Tieren bekannt.

    Da sich die wichtigen Assoziationen aus dem Erleben konkreter Situationen und dem dabei auftretenden Erfolg bzw. Mißerfolg ergeben, folgt aus der Assoziationsstruktur der Psyche das Bedürfnis nach dem Erlernen eines sinnvollen Verhaltens. Folglich führt die assoziative Datenverarbeitung zur Nachahmung von (erfolgreichen) Vorbildern, d.h. Zunächst einmal der eigenen Eltern. Diesen Zusammenhang kann man an der Wichtigkeit der Eltern für das kleine Kind und in dem Nachahmen der Eltern durch das kleine Kind deutlich erkennen. Diese Eltern- Familien- und Ahnenorientierung ist ein Merkmal aller einfachen Kulturen und kann auch für die Altsteinzeit angenommen werden. Das zentrale Bild in der Assoziationsstruktur ist daher die eigene Mutter.

    Die Wichtigkeit der Ahnen ist nicht nur ein veraltetes Konzept einer früheren Epoche, sondern der Einfluß der Verfahren ist auch heute noch bei den Menschen ausgesprochen wirksam – wie sich in fast jeder Psychotherapie zeigt. Diese Wirkung der Ahnen auf das eigene Leben kann man am deutlichsten bei Familienaufstellungen erleben, die eine Therapiemethode sind, die ihr Begründer Bert Hellinger von afrikanischen Medizinmännern erlernt hat, die sie dazu benutzt haben, den Frieden eines Menschen mit seinen Ahnen wiederherzustellen und auf diese Weise körperliche und soziale Störungen bei dem betreffenden Menschen zu heilen.

    Aus der Assoziation als Ordnungsprinzip ergibt sich, daß nicht grundlegend zwischen der eigenen Person und der Umwelt unterschieden wird. Dies führt zu dem gut bekannten Aspekt aller primitiven Weltanschauungen, daß alle Dinge als lebendig und bewußt angesehen werden. Dies entspricht der Nicht-Unterscheidung zwischen Innen und Außen in der oralen Phase des Babys. Eine der bekannteren praktischen Auswirkungen dieser Weltanschauung ist die Sitte der Jäger in primitiven Kulturen, sich nach dem Töten der Beute bei ihr zu entschuldigen.

    Aufgrund dieser Überlegungen kann man davon ausgehen, daß das Weltbild der Menschen in der Altsteinzeit durch Assoziationen strukturiert gewesen ist – so wie dies auch heute noch bei Babys in der oralen Phase der Fall ist.

    Diese altsteinzeitlich-orale Ebene der Assoziationen liegt auch bei jedem erwachsenen Menschen als erste Schicht über dem Fundament der Instinkte.

    II A 1. Tiere = Adjektivfunktion

    Wenn man betrachtet, in welcher Folge kleine Kinder Worte erlernen, dann wird man feststellen, daß sie zunächst einmal nur Substantive benutzen. Auch die von dem Linguisten Greenberg gefunden ca. 30 Worte, die sich in fast allen Sprachen der Erde wiederfinden lassen, sind ausschließlich Substantive. Dies ist leicht verständlich, da es deutlich weniger Abstraktionsvermögen erfordert, eine konkrete Person oder einen Gegenstand zu erfassen als z.B. eine Qualität (Adjektiv) oder einen Vorgang (Verb).

    Auch eine Sprache, die nur aus 100 Substantiven besteht, ist sehr nützlich: Wenn ein Mensch in der Altsteinzeit z.B. laut „Löwe!" schrie, war es nicht notwendig, das noch weiter auszuführen ...

    Das älteste und auch einfachste aller Worte ist ein Substantiv. Es bezeichnet naheliegenderweise auch das Wichtigste: ma, die Mutter. Dieses Wort entsteht, sobald man mit geschlossenem Mund einen Ton von sich gibt und dann, damit der Ton lauter wird, den Mund öffnet – das Kind ruft nach der Aufmerksamkeit der Mutter.

    Es existiert jedoch eine sehr einfache Art der Adjektiv-Bildung: die Assoziation. Wenn man z.B. die Stärke eines Jägers preisen will, ist es in einer von der Jagd lebenden Gemeinschaft naheliegend, diesen Jäger mit dem größten Raubtier zu vergleichen: Dieser Jäger ist dann der Löwe-Jäger, d.h. er ist so stark wie ein Löwe. Die bildliche Darstellung eines solchen Jägers wäre dann ein Mann, der ein Löwenfell trägt, oder ein Mann mit einem Löwenkopf. Kleine Elfenbein-Statuetten eines solchen Löwenmannes finden sich bereits in der späteren Altsteinzeit.

    In gleicher Weise kann eine andere wichtige Qualität ausgedrückt werden: die Fruchtbarkeit der Mutter, die alle Menschen gebiert. Wenn ein Tier besonders fruchtbar ist, muß es von ihnen auch sehr viele geben. Dies trifft für die hörnertragenden Herdentiere zu, insbesondere für die Rinder, die z.T. riesige Herden bildeten (Büffel), und in abgeschwächtem Maße auch für die Hirsche. Eine fruchtbare Frau konnte man daher als Kuh-Mutter bezeichnen.

    Diese Überlegung wird dadurch bestätigt, daß bereits in den Höhlenmalereien Frauen dargestellt wurden, die in die Gestalt einer Kuh übergehen. Es gibt auch Darstellungen, in der eine Frau ein Kuhhorn in ihrer Hand hält, das wohl als Teil die gesamte Kuh darstellt und zudem assoziativ mit dem Mutterschoß verbunden sein wird. Aus diesem Kuhhorn wurde dann später in den Mythologien das Füllhorn.

    Eine weitere wichtige Assoziation war die zwischen dem roten Blut und dem roten Ocker, der in der Altsteinzeit sehr ausgiebig benutzt wurde, da er bei den Ausgrabungen reichlich auf den Böden ihrer Wohnplätze gefunden wurde. Da Rötel keinen praktischen Nutzen hatte, kann man davon ausgehen, daß er als Lebenssymbol eine rituelle Bedeutung als Lebenssymbol (Blut) hatte. Auch bei den frühesten Bestattungen findet sich oft eine Lage Rötel auf dem Skelett, die vermutlich dem Toten Leben geben sollte. Die Anordnung des Rötels bei einer Bestattung legt die Vermutung nahe, daß der Rötel auch mit dem Atem assoziiert wurde.

    Wahrscheinlich wird auch das Feuer, daß seit der Besiedlung des kalten Eurasiens vor 600.000 Jahren überlebenswichtig war, eine Lebenssymbolik gehabt haben.

    Die Tiere als Qualitätsbezeichnungen könnten dazu geführt haben, daß man jeden Menschen mit dem Tier verglich, das ihm am ähnlichsten war. Diese Assoziation wird dann bald (wie es das Wesen einer Assoziation ist) als tatsächliche Verwandtschaft aufgefaßt worden sein. Eine solche individuelle Verwandtschaft zu einer bestimmten Tierart findet sich noch heute bei verschiedenen Naturvölkern als Krafttier oder Totem wieder.

    II A 2. Mutter = Zentrum

    Sehr wahrscheinlich war die Mutter das Zentrum der altsteinzeitlichen Weltanschauung. Dafür sprechen verschiedene Dinge.

    Da man davon ausgehen kann, daß das einfachste und somit am leichtesten zu erlernende Wort auch das Wichtigste bezeichnet, kann man aus der Bedeutung „Mutter für ma, das das einfachste aller Worte ist, schließen, daß die Mutter (nicht nur damals) auch das Wichtigste war. Das Wort „ma findet sich mit der Bedeutung „Mutter" in allen Sprachen wieder.

    Für Säuglinge und kleine Kinder trifft es ebenfalls zu, daß die Mutter das Wichtigste überhaupt ist, da sie bei ihr Geborgenheit, Wärme und Nahrung finden.

    Aufgrund der Strukturierung der Psyche durch Assoziationen kann man davon ausgehen, daß das wichtigste Vorbild eben die naheste Person, also die Mutter ist – was jeder Psychologe ohne zu zögern bestätigen wird.

    Die Häufigkeit der Mutterstatuetten in der Altsteinzeit, die Darstellungen der Mutter in den Höhlenmalereien sowie die Verwendung des Horn-Schoß-Symboles bestätigt ebenfalls die Annahme, daß die Mutter im Mittelpunkt des altsteinzeitlichen Weltbildes stand. Der wichtigste Aspekt der Mutter ist, wie die Kuhassoziation zeigt, das Gebären.

    Man kann daher recht sicher auch davon ausgehen, daß die Mutter auch das Zentrum der Familie bzw. der etwa ein Dutzend Personen umfassenden altsteinzeitlichen Sippe bildete. Dafür spricht auch, daß sich in den ältesten Kulturen (Ägypten, Elam, Sumer) und in den einfachen, primitiven Kulturen eine Orientierung der Herkunft an der Mutter (matrilineare Orientierung) sowie matriarchale Strukturen finden.

    Es ist gut denkbar, daß man bereits die Vorstellung hatte, daß auch jede Tierart eine Große Mutter hatte. Dieses Motiv ergab sich sozusagen von selber aus dem Erleben von Tieren und Menschen als lebenden Wesen, was zu der Übertragung der „Mutter der Menschen" auf die Tiere einlud. Solche Tiermütter finden sich in den Mythen vieler Naturvölker: die Weiße Wölfin, die Weiße Stute, die Weiße Büffelfrau usw.

    II A 3. weitere Symboliken

    Es lassen sich neben der Stellung der Mutter, dem Großraubtier als Symbol der Stärke, der Kuh als Symbol der Fruchtbarkeit, dem Kuhhorn als Symbol der Vagina sowie dem Rötel und auch dem Feuer als Symbol des Lebens noch weitere Bestandteile der altsteinzeitlichen Weltanschauung feststellen.

    Der Kannibalismus läßt sich bis zu den frühesten Menschen zurückverfolgen. Da er nur sporadisch auftrat, kann man davon ausgehen, daß das Verspeisen der Toten nicht die Regel war. Man könnte nun vermuten, daß dies in besonders schlimmen Hungerzeiten geschah, aber dagegen spricht die Auffassung über den Kannibalismus in geschichtlicher Zeit. Die älteste Überlieferung findet sich in den ägyptischen Pyramidentexten, in denen der längste aller Texte, der zugleich auch der erste längere religiöse Text der Menschheit überhaupt ist, beschreibt, wie der Pharao alle Götter verspeist und dadurch ihre Kräfte erlangt.

    Diese Übertragung der Kräfte und Fähigkeiten des Toten auf diejenigen, die seinen Körper verspeisen, findet sich in allen Zusammenhängen von Kannibalismus wieder, weshalb man ihn auch für den gelegentlichen Kannibalismus in der Altsteinzeit annehmen kann.

    Dieses Verständnis des Kannibalismus beruht auch auf der Assoziation: Durch das Verspeisen des Toten gehen die Eigenschaften des Toten auf den, der ihn verspeist, über. Diese Symbolik findet sich auch bei den indogermanischen Skythen.

    Aus dem Leben der altsteinzeitlichen Menschen in dem kalten Eurasien seit 600.000 Jahren ergab sich die Notwendigkeit, ebenso wie die Tiere in diesen kalten Gegenden die Kinder zu einem Zeitpunkt zu zeugen, der sicherstellte, daß sie zum Beginn des Frühjahrs geboren werden, da sie dann bis zum nächsten Winter schon wachsen und stärker werden konnten und dadurch eine bessere Überlebenschance hatten.

    Aufgrund der neunmonatigen Schwangerschaft der Menschen (die damals evtl. noch etwas kürzer gewesen sein könnte), müßte dieses kollektive Zeugen der Nachkommen (Brunftzeit) etwa zur Sommersonnenwende gelegen haben. In den Bräuchen der Völker, die in diesem Klima gelebt haben (Europäer, Sibirier, Indianer), läßt sich in fast allen Fällen ein solches Zeugungsfest nachweisen – die europäische Variante ist das von der Kirche verteufelte

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