Länzelot: Das einarmige Känguru
Von Adrian Plitzco
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Über dieses E-Book
Der kleine Länzelot ist ein Joey – so sagt man in Australien zu einem kleinen Känguru. Leider ist seine Mutter bei einem Unfall ums Leben gekommen. Länzelot weiß nun gar nicht, wer er ist, was er ist und woher er kommt. Als ihn ein liebenswertes Farmerehepaar rettet, geht das große Abenteuer seines Lebens los. Er wächst auf der Farm auf, lernt in der Menschen- und Tiersprache zu sprechen und erlebt viele aufregende Abenteuer.
Eines Tages findet er durch Zufall eine Känguru-Meute – ein wahrhaft dramatischer Moment – denn jetzt merkt Länzelot, dass er gar kein Mensch ist, sondern ein Känguru! Unwiderstehlich zieht es ihn zu den anderen Kängurus, die ihn aber aufgrund seiner Nähe zu den Menschen nicht aufnehmen wollen. Und in der Wildnis muß Länzelot, der wohlbehütet auf der Farm aufgewachsen ist, viele gefährliche Abenteuer bestehen. Bei einem dieser Abenteuer wird Länzelots Arm so schwer verletzt, dass er abgenommen werden muß.
Die Dinge stehen schlecht für den kleinen Länzelot. Wird er es schaffen, in der Wildnis zu bestehen, damit ihn die anderen Kängurus aufnehmen? Zum Glück für ihn naht Hilfe: Rosblatt, die Nichte des Anführers der Känguru-Meute, ist neugierig, woher dieses sonderbare, einarmige Känguru kommt. Und endlich hat Länzelot einen Freund.
Dieses Buch erzählt eine lustige, abenteuerliche, aber auch ernsthafte Geschichte über Einsamkeit, Zusammengehörigkeit, die australische Wildnis und besonders darüber, wie unschätzbar wichtig echte Freunde sind.
Adrian Plitzco
Australian writer Adrian Plitzco was born in Switzerland and has a background in drama education for children. He is now an audio book producer as well as a producer and broadcaster at the multicultural radio station SBS in Melbourne/Australia. He hosts a monthly children’s show for the German language program and writes and produces radio plays. Adrian Plitzco also writes fiction (Der harte Engel – published in Germany).
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Buchvorschau
Länzelot - Adrian Plitzco
1. Kapitel
Ein mutiger Ritter
Es war Winter in Australien. Die Badestrände waren leer. Auf den Bergspitzen im südlichsten Zipfel des Kontinents lag Schnee. Ein eisiger Wind blies. Graue Wolken drängten sich am Himmel und rollten hier und dort so tief über die Weide, dass sie beinahe die Grasspitzen berührten. In den stacheligen Drähten eines Zaunes, der die Weide vom Wald trennte, hatte sich ein Känguru verfangen. Es hing schon seit Tagen darin und schien tief zu schlafen. Daneben lag im nassen Gras zusammengerollt ein Babykänguru. Oder Joey, wie es die Australier nennen. Das Joey zitterte erbärmlich vor Kälte und hatte Hunger.
„Hunger", rief es, doch der Wind trug seine klägliche Stimme davon, bevor sie jemand hätte hören können.
Ein Auto kam angefahren. Seine Kühlerstäbe blitzten wie scharfe Zähne und seine Scheinwerfer sahen aus wie funkelnde Augen, als wäre es ein gefräßiges Monster. Das Joey bekam Angst und wollte sich im Beutel seiner Mutter verkriechen.
„Mama", rief es und streckte seine Ärmchen aus. Doch die Mutter hörte es nicht. Ohne ihre Hilfe konnte das Joey den Beutel nicht erreichen. Es rannte stattdessen davon. Es rannte durch das nasse Gras und schlug dabei Haken wie ein Hase, nur derart ungeschickt, dass es über seine Beinchen stolperte und mit der Nase auf dem Boden aufschlug. Zwei riesige Hände hoben es sachte auf und eine Stimme sagte:
„Hab keine Angst. Ich tu dir nichts."
Das Joey blickte voller Staunen in ein sonderbares Gesicht. Der Mund war flach und die Nase klein. Die Ohren saßen nicht auf dem Kopf, sondern hingen an dessen Seiten. Wie furchtbar, dachte sich das Joey, weil es nicht wusste, dass es das Gesicht eines Menschen war.
„Ich bin der Farmer, sagte dieser Mensch. „Mir gehört die Weide. Hab keine Angst, du armes Ding. Ich nehme dich mit nach Hause. Dort kannst du dich am Ofen aufwärmen und meine Frau wird dir eine Flasche Milch zubereiten.
Er trug das Joey ins Auto, wickelte es auf dem Hintersitz in eine Wolldecke und fuhr los. Das Joey konnte sich nicht bewegen, weder mit den Beinchen strampeln, noch mit den Ärmchen boxen. Es blickte durch das Rückfenster hilflos zu seiner Mutter, die immer kleiner und kleiner wurde, je weiter sie sich von ihr entfernten.
„Mama, rief es mit letzter Kraft, „wach auf.
„Ist schon gut", beruhigte der Farmer das Joey. Seine Finger kraulten sachte seine Backe. Die Wolldecke fühlte sich weich an und wärmte das Joey. Bald fielen seine Augen zu und es fiel in einen Halbschlaf, in dem es davon träumte, im kuscheligen Beutel seiner Mutter zu liegen.
Als das Joey wieder aufwachte, räkelte es sich und glaubte, die Zitze seiner Mutter an seinen Lippen zu spüren. Es begann zu saugen. Die Zitze aber schmeckte eigenartig und es wollte auch keine Milch daraus fliessen. Das Joey öffnete die Augen und erschrak, als es in das Gesicht der Farmersfrau blickte.
„Es glaubt, mein Finger sei die Zitze", sagte sie.
„Das ist ein gutes Zeichen, erwiderte der Farmer. „Das kann nur bedeuten, dass es Hunger hat.
„Ich habe dir warme Milch zubereitet, sagte die Farmersfrau zum Joey. „Sei ein braver Junge und trink.
Sie steckte ihm den Sauger der Milchflasche ins Maul. Die Milch schmeckte dem Joey beinahe so gut wie die seiner Mutter. Sein Hunger war so groß, dass es die Angst vor der Farmersfrau vergaß. Trotzdem ließ es sie nicht aus den Augen, während es gierig an der Flasche sog.
„Wir sollten ihm einen Namen geben", schlug die Farmersfrau vor.
„Was hälst du davon, wenn wir es Länzelot nennen?, erwiderte der Farmer. „Länzelot war ein edler und mutiger Ritter. Und der Kleine da besitzt eine gehörige Portion an Mut.
„Klingt gut, pflichtete die Farmersfrau ihm bei und lächelte das Joey an. „Von nun an sollst du Länzelot heissen.
„Länzelot?, fragte sich Länzelot, „weshalb sagen die ständig Länzelot? Das muss das Zeug sein, das ich da trinke.
Die Milch schmeckte ihm, stillte seinen Hunger und wärmte seinen Bauch.
„Mmmh! Länzelot schmeckt lecker, sagte er sich und kratzte sich zufrieden den Bauch. „Ich könnte gleich nochmals eine ganze Flasche voll Länzelot trinken.
Die Farmersfrau legte Länzelot in einen Beutel, den sie eiligst aus einer alten Wolldecke zusammengenäht hatte und hängte ihn hinter den Holzofen an die Wand. Die Wärme kroch in Länzelots Knochen und er rollte sich zufrieden ein.
2. Kapitel
Griesgram
Der Frühling war ins Land gezogen. Die Tage wurden wärmer und Länzelot war zu einem stattlichen Kängurujungen herangewachsen. Das Erlebnis beim Weidezaun hatte er vergessen, so auch seine Mutter. Denn nichts anderes auf der Welt war für ihn klarer, als dass die Farmersfrau seine Mutter war. Er nannte sie Emm. Natürlich war der Farmer sein Vater. Ihn nannte er Pee. Aus dem Wollbeutel war Länzelot herausgewachsen. Er war groß und mutig genug, um in der Waschküche auf einem Ballen Stroh zu schlafen. Wie alle Kängurus schlief er nachmittags und blieb stattdessen fast die ganze Nacht wach. Er hatte auch gelernt, selber zu fressen und das tat er mit Vorliebe nachts. Er fraß, was ihm zwischen die Zähne kam. Äpfel, Birnen, Aprikosen und manchmal auch Melonen, die Emm ihm zuwarf, wenn sie ihn verwöhnte. Doch wie es sich für ein Känguru gehörte, fraß er vorwiegend Gras. Das gab es zu Genüge. Nicht nur im Garten, sondern vor allem auf der Pferdeweide.
Länzelot hatte auch Flausen im Kopf und tat Dinge, die verboten waren. Zum Beispiel frass er heimlich die Blätter von Emms Rosenbusch unter dem Küchenfenster.
„Wie soll er wachsen können, wenn du ihn ständig anknabberst?", schimpfte sie jedesmal, wenn sie ihn dabei erwischte.
Oder er schlich sich einem Pferd von hinten an