Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens
Von Sibyll Hähnel
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Sibyll Hähnel
Sibyll Hähnel wurde 1952 in Weimar geboren und verbrachte ihre frühe Kindheit an ihrem Geburtsort sowie in Dessau. 1959, nach dem Umzug ihrer Eltern nach Berlin, wurde diese Stadt ihre zweite Heimat. Hier studierte sie an der Humboldt Universität Biologie und lebte und arbeitete dort bis kurz nach der Wende. 1991 übersiedelte sie nach Bonn, wo sich ihr eine neue berufliche Chance eröffnete. Doch persönliche Krisenzeiten, in denen sie ihre kreativen Fähigkeiten wieder entdeckte, ermutigten sie, ihrem Leben nochmals eine neue Richtung zu geben. Und so absolvierte sie von 2006 bis 2010 berufsbegleitend die Ausbildungen zur Kunsttherapeutin sowie zur Heilpraktikerin für Psychotherapie und eröffnete eine eigene Praxis.
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Buchvorschau
Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens - Sibyll Hähnel
Prolog
In vielen Ratgebern werden wir angeleitet in der Gegenwart zu leben, im Hier und Jetzt. Es hilft uns nicht weiter, uns viele Gedanken über Vergangenes zu machen, das wir doch nicht ändern können, und uns auch nicht um die Zukunft zu sorgen, die nicht vorhersehbar ist. Doch wie macht man das?
Meditation ist eine gute Möglichkeit, doch ich bekomme meine Gedanken einfach nicht leer, so sehr ich mir diese auch als ziehende Wolken vorstelle oder sie in eine Flasche tropfen lassen, um diese dann auszuschütten. Deshalb habe ich beschlossen, den Gedanken Raum zu geben, die mir durch den Kopf gehen, einfach loszulassen und meinem Gedankenfluss zu folgen. Daraus entstand ein Tagebuch, in dem ich Erlebnisse reflektieren kann, die aus meinem Unterbewusstsein aufsteigen.
Nein, ich habe nicht die Absicht 365 Geschichten aufzuschreiben. Es gibt ja auch Tage, die so voller Ereignisse sind, dass sie erst einmal im Unterbewusstsein abgelegt werden, und deren Bedeutung ich erst später begreife. Beim Nachdenken reflektiere ich Ereignisse, Gefühle und Erinnerungen und bringe sie zu Papier, so über folgende Themen:
über den Alltag,
über das Spazierengehen, das Nordic Walking, das Autofahren und das Fahrradfahren,
über das Putzen, das Kochen und das Essen sowie über das Abnehmen,
über das Reden und das Zuhören,
über das Verzeihen sowie über die Verantwortung,
über das Schlafen und das Träumen,
über das Lachen und das Weinen sowie über das Trauern,
über den Ärger und die Angst,
über das Glück, die Liebe und das Vertrauen,
über das Geben und Nehmen,
über Hoffen und das Wünschen,
über eine Kinderfreundschaft, eine Seelenfreundschaft und die erste Liebe,
über die Rollen von Mann und Frau in der Gesellschaft, die Gleichberechtigung und die Ehe,
über das Altern,
über die Vergangenheit und die Zukunft.
An wen möchte ich mich mit meinen Geschichten wenden? An Menschen, wie du und ich. Dabei möchte ich meine Leser auch keinesfalls mit meinen Seelenergüssen langweilen. Nein, ich möchte erheitern, unterhalten und zu eigenen Geschichten inspirieren, und wenn mir das gelingen sollte, dann hat sich jede Mühe gelohnt.
Über den Alltag
Der Alltag ist grau, so sagen es die Dichter. Er ist eine Abfolge immer gleicher Tätigkeiten, der Notwendigkeit geschuldet, ohne Bezug zum wirklichen Leben. Ein Beruf, der Berufung ist, und eine Arbeit, die Freude macht, ist den wenigsten Menschen vergönnt. Und auch der Zeittakt, der mir mich in seinen Fängen hält, entspricht nicht meiner inneren Uhr.
Ich stehe noch vor Sonnenaufgang auf, versorge meine Kinder und verlasse das Haus, um pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Ich erledigte das was erledigt werden muss und sitze danach meine Zeit bis zum Feierabend ab, denn die Stechuhr ist unerbittlich. Auf dem Nachhauseweg erledige ich Einkäufe, Behördengänge, Bankgeschäfte und alles, was sonst noch anfällt. Jeden Tag erlege ich mir auf, eine Aufgabe abzuhaken, damit mir nicht alles über den Kopf wächst.
Dann muss ich das Abendessen zubereiten. Den Kindern zuzuhören und ihre Sorgen und Nöte mit ihnen zu teilen, erfordert manchmal viel Geduld. Sie müssen sehr selbständig sein. Und dann sitze ich noch vor dem Fernseher, fülle mich mit Informationen und fremden Leben, ohne dass ich abschalten kann oder es mir nützt. Mein Alltag gleicht einem Hamsterrad.
Doch eines Tages geschieht etwas. Ich sitze gedankenverloren in der Straßenbahn und verpasse es, an der richtigen Haltestelle auszusteigen. „Na gut, denke ich. „Da muss ich die beiden Haltestellen zurück laufen. Es ist doch egal, ob ich zu spät zur Arbeit komme.
Als ich aussteige und mich umsehe bemerke ich, dass ich die Gegend um mich herum noch gar nicht kenne.
Hier ist ja ein kleiner Hafen am Fluss. Das ist mir neu. Und die Häuser – mehrstöckige Gebäude aus dem vorigen Jahrhundert teilweise im Jugendstil – sind schön anzusehen. Ich schlendere die Straße entlang und sehe mich um. Plötzlich überkommt mich eine große Freude.
Als ich in meinem Büro ankomme, lächelt mir die Sekretärin zu. Von diesem Tag an steige ich mit ganz anderen Gefühlen morgens in die Bahn. Ich sehe mir die anderen Fahrgäste an, überlege, was für Menschen sie sind, und was sie für einen Beruf haben könnten. Hoffentlich fällt meine Neugierde nicht zu sehr auf.
Mit dem Rücken zu mir steht eine Frau in einem roten Kleid mit einer sehr schönen schlanken Figur. Als sie aussteigt sehe ich ihr Gesicht und erkenne, dass sie mindestens 60 Jahre alt ist. Ist sie vielleicht eine Tänzerin? Auf dem Heimweg verwickelt mich ein älterer Mann in ein Gespräch. Er erzählt mir, dass er eine weltverändernde Entdeckung gemacht und diese auch dem Ministerium mitgeteilt hat. Bisher habe er keine Antwort erhalten, und so sei er auf dem Weg dorthin. Ich wünsche ihm viel Glück. Ich sehe ein junges Pärchen, ganz versunken in einen Kuss, und werde neidisch. Jeden Tag sehe ich den Menschen ins Gesicht und freue mich, wenn ich vertraute Gesichter wiedererkenne. Und auch die Außenwelt kommt mir neu entgegen, denn ich nehme viel mehr wahr, so auch Plakate, die Ausstellungen, Konzerte und andere interessante Veranstaltungen anzeigen. Vielleicht nehme ich mir die Zeit und gehe hin.
Aus meinem grauen Alltag ist ein bunter geworden.
Über das Spazierengehen
Der Wald ruft, und ich mache mich auf den Weg. Zuerst durchquere ich den Friedhof und begrüße die mir vertrauten Steine der Erinnerungen. Ja, da ich jetzt seit 22 Jahre in meinem Dorf wohne, habe ich einige der Verstorbenen auch gekannt. Die Familie Schneider ist hier sehr präsent. Mit der Witwe vom Vater und Mutter des verstorbenen Sohnes führe ich öfters ein „Wie geht’s, wie steht’s"-Gespräch, wenn ich durch den Ort laufe.
Auch die Grabsteine unbekannter Personen erzählen ihre eigene Geschichte. Nicht nur wer Pfarrer oder Ortsvorsteher war, auch Künstler und Politiker haben hier am Rande von Bonn gelebt. Man erfährt auch, dass kurz vor Kriegsende in der Weihnachtsnacht 1944 eine ganze Familie ums Leben