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Tod eines Schmetterlings: Kriminalroman
Tod eines Schmetterlings: Kriminalroman
Tod eines Schmetterlings: Kriminalroman
eBook295 Seiten4 Stunden

Tod eines Schmetterlings: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

In den Rheinauen bei Oestrich-Winkel, wird ein verschnürtes Bündel angeschwemmt, welches sich im Ufergeäst einer kleinen Insel verfangen hat.
Beim Bergen des Bündels, macht die Wasserschutzpolizei einen schrecklichen Fund. Eine Leiche.
Eine unbekleidete junge Frau. Eingewickelt in eine Kunststoffplane und verschnürt .
Das beauftragte Ermittlerteam der Wiebadener Kriminalpolizei hat keine Anhaltspunkte.
Erkenntnisse erhoffen sie sich von der KTU. Die gebildete SOKO steht vor einem Rätsel. Wer ist die Tote?
Nach einem Aufruf in der Presse, meldet sich ein Zeuge, der unerklärliche Beobachtungen gemacht hat.
Dann geht ein anonymer Anruf bei der Wiesbadener Polizeizentrale ein: Suche Sie in Frankfurter Cocktail Bars .....
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum24. Nov. 2022
ISBN9783347676206
Tod eines Schmetterlings: Kriminalroman
Autor

Henning Jason

Henning Jason hat lange Jahre in Afrika gelebt und knapp 80 Länder auf dem Erdball bereist. Schwerpunkt war viele Jahre Afrika. Den Kontinent hat er auf einer Süd- Nord Durchquerung intensiv kennengelernt. Dadurch angeregt hat er mit kleinen Gruppen Saharatouren durchgeführt. In früheren Jahren wurden bereits Reiseberichte von ihm in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Über seine Reisen hat er Vorträge gehalten in Vereinen und bei Interessengruppen. Bilder seiner Afrikareisen hat er in einer kleinen Galerie ausgestellt. Im letzten Jahrzehnt weilte er häufig in Asien und unternahm 1-2 wöchige Fahrradtouren innerhalb Europas. Während der Flüchtlingskrise war er als freiwilliger Helfer tätig. Jetzt hat er seine Liebe zum Schreiben wieder entdeckt. "Der Kuss der Schlange", seine Erstveröffentlichung, ist ein Autobiographischer Erotik Roman.

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    Buchvorschau

    Tod eines Schmetterlings - Henning Jason

    Kapitel 1

    Bernd und Anja sitzen sich in der Nachmittagssonne gegenüber und stoßen mit einem Glas Wein an.

    Der „Schloss Vollrads - Riesling, feinherb" funkelt goldgelb im Glas, wenn sich das Sonnenlicht darin bricht.

    Es ist ein angenehmer Sommertag. Über den blauen Himmel ziehen vereinzelt weiße Wölkchen.

    Das etwas trübe, grünliche Wasser des Schlossteichs platscht leicht an die bemoosten Umgrenzungsmauern. Wer genauer hinschaut, kann einige der alten Karpfen sehen, die mit müdem Flossenschlag gemächlich hin und her schwimmen und sich im dichten Schilf an den Rändern wegducken. Ein paar buntgefiederte Enten wetteifern miteinander und heben mit lautem Flügelschlag ab, um dann wenig später wieder geräuschvoll zu landen.

    Der hohe gemauerte Wohnturm des Schlosses, zu dem eine schmale Brücke führt, spiegelt sich im Wasser.

    Nicht nur die beiden genießen die wärmenden Sonnenstrahlen und den köstlichen Wein, auch viele andere Gäste erfreuen sich an der gelösten Stimmung im Schlosshof und in den angrenzenden Gärten.

    Das Schloss Vollrads ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel im Rheingau. Nur wenige Kilometer von Wiesbaden und Mainz, und auch nur etwa vierzig Kilometer von Frankfurt entfernt, liegt das Schloss etwas verborgen in einem Tal, umgeben von Weinbergen und Mischwäldern. Die Entfernung zum Rhein beträgt etwa zwei Kilometer.

    Ursprünglich im dreizehnten Jahrhundert erbaut, benannt nach einem Ritter Vollradus, ist von der alten Bausubstanz nichts mehr erhalten. Der achteckige Wohnturm stammt aus dem vierzehnten Jahrhundert. Errichtet von der Familie Greiffenclau, den Erben des Ritters Vollradus in Winkel". In späteren Jahrhunderten wurde das Schloss immer wieder umgebaut und erweitert.

    Im Jahr 1935 wurde ein Nachkomme, Richard Graf Matuschka-Greiffenclau, Schlossherr. Dessen Sohn, Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau, übernahm den hochverschuldeten Besitz 1975, konnte diesen jedoch nicht halten und nahm sich auf Grund dessen das Leben.

    Heute befindet sich das Schloss im Besitz der ehemaligen Hausbank, die das Anwesen erfolgreich sanierte und dem Publikum zugänglich machte.

    Auf dem angrenzenden Parkplatz reihen sich Nobelkarossen aneinander und scheinen sich mit ihren PS-Stärken überbieten zu wollen.

    Fast alle Tische im Schlosshof sind besetzt.

    Bernd und Anja waren zu Fuß die etwa zwei Kilometer von Bernds Haus durch die Weinberge gelaufen.

    Sie folgten dem Pfingstbach ein kurzes Stück, überquerten diesen über einen Holzsteg auf die andere Seite, vorbei am ehemaligen Kloster Gottesthal, welches heute ein Wohnhaus ist und sich im Privatbesitz befindet.

    Der Weg führt weiter durch unterschiedlichste Weinlagen, die oftmals mit kleinen Schildern gekennzeichnet sind wie „Oestricher Gottesthal, „Klosterberg Spätburgunder oder „Winkler Edelmann".

    Die Rebzeilen bieten zu jeder Jahreszeit interessante Einblicke in das Wachsen des Weins. In den Wintermonaten mit dem Rückschnitt, bei dem traditionell nur zwei Ranken an den Spalieren gezogen und die alten Triebe entfernt werden. Zur Pflege der ersten kleinen Triebe in Frühjahr wird jede zweite Zeile gepflügt für das ökologische Gleichgewicht. An den Rändern werden oftmals Rosen oder Wicken gepflanzt. Diese dienen als Frühwarnsystem, da sie von den gleichen Schädlingen befallen werden, nur eher sichtbar. In früheren Jahren spritzte man chemische Abwehrstoffe, teilweise sogar mit Hubschraubern. Dafür wurden die Weinberge mit weißroten Bändern abgesperrt. Heute wird der Wein beinahe ausschließlich biologisch bearbeitet. Der Sommer bringt den kräftige Wuchs der Blätter und dann die vollen Trauben kurz vor der Lese im Herbst. Die teils verklärten Bilder der Vergangenheit, in denen lächelnde Helfer die Trauben abschnitten und die gefüllten Kiepen in den Trichter der Anhänger leerten, existieren nicht mehr. Heute wird mit großen Erntemaschinen gearbeitet, die mit einer speziellen Rütteltechnik die Trauben abernten.

    Auf ihrem Weg treffen Bernd und Anja auf eine Gruppe, die am Rand eines Weinbergs steht und kleine Probiergläser in den Händen hält. Ein Winzer zeigt der Gruppe unterschiedliche Weinlagen und erläutert, wie die Trauben verarbeitet werden. Aus einem mitgeführten Handwagen schenkt er jeweils Proben in die Gläser, damit nicht nur Augen und Ohren, sondern auch die Gaumen erfreut werden.

    Bernd grüßt den ihm bekannten Winzer und erklärt Anja, dass man solche Proben in den Weinbergen, seit einigen Jahren buchen kann, was für die Besucher immer ein besonderes Erlebnis bedeutet.

    Von den etwas erhöhten Wegen hat man einen herrlichen Blick auf das Rheintal und die andere Rheinseite.

    Deutlich zu sehen der historische, hölzerne Verladekran von 1745, der in vergangenen Jahren aufwendig restauriert wurde, die Kirchen von Oestrich und Mittelheim, die Fähre nach Ingelheim und die Winkeler Bucht mit dem kleinen Yachthafen und den mitten im Strom liegenden, unter Naturschutz stehenden kleinen Inseln.

    „Lass und zurückgehen. Ich bringe noch schnell die Weingläser zur Rückgabe, ist schließlich Pfand drauf", lächelt Bernd.

    Sie schlendern aus dem Schlossgarten heraus, entlang der Weinrebenzeilen und vorbei an einem kleinen Waldstück welches sich den Hang entlang hochzieht. Sie plaudern entspannt, biegen nach links ab um einen anderen Rückweg zu nehmen. Dann rechts in einen kurzen, leicht ansteigenden Hohlweg.

    Mit eiligem Schritt und schnell atmend überholt sie ein Mann mittleren Alters. Die beiden wundern sich etwas, als er dann nur ein bis zwei Meter vor ihnen, an einer Böschung, hinter einer dichten Brombeerhecke verschwindet. Sie hören eine Frauenstimme, können aber nicht verstehen, was sie sagt, achten auch nicht weiter darauf.

    Verdutzt und mit leichtem Kopfschütteln wegen des eigenartigen Verhaltens des Mannes, gehen sie den Weg weiter hinauf bis zu einer Sitzbank.

    Sie nehmen Platz, halten sich an den Händen und bewundern den Ausblick auf den Rhein, auf dem die späte Nachmittagssonne silbrig flimmert.

    Ein Glücksgefühl überkommt Bernd, dass er in dieser wunderschönen Landschaft wohnt.

    Auf einer Anhöhe ist deutlich Schloss Johannisberg zu erkennen und etwas im Hintergrund, Richtung Wald, die Burg Schwarzenstein. Heute ein Hotel mit gehobener Gastronomie.

    Dann ein lauter Knall unweit von ihnen. „Was war das? fragt Anja. „Ein Schuss, erklärte Bernd ihr. „Ich war ja ,Bürger in Uniform', ist zwar schon lange her, aber ich weiß noch ganz genau wie sich ein Schuss anhört."

    Verwundert schauen sie in die Richtung, aus der der Knall kam. Durch den Hang mit dem angrenzenden Wäldchen gab es ein leichtes Echo, sodass der Bereich aus dem sie den Schuss hören, nicht genau zu lokalisieren ist.

    Aufmerksam beobachten sie die vor ihnen liegende Umgebung, ohne dass sie etwas Auffälliges bemerken.

    „Komm, gehen wir weiter", meint Bernd.

    „Mir ist etwas unheimlich", antwortete Anja.

    Nach wenigen Metern kommt von oberhalb ein Auto auf dem schmalen Weinbergsweg entlang gefahren. Sie gehen etwas zur Seite, um Platz zu machen. Das Fahrzeug nähert sich und fährt sehr langsam an ihnen vorbei. Es ist ein dunkelgraues oder anthrazitfarbenes älteres Auto. Vielleicht ein Opel oder ein Ford, mittlerer Kategorie. Am Lenkrad sitzt ein Mann mit dunkler Sonnenbrille, der interessiert durch das offene Fenster auf der Beifahrerseite zu ihnen herüberschaut.

    Nach etwa fünfzig Meter stoppt das Auto und fährt rückwärts zwischen zwei Rebzeilen und bleibt so stehen, dass die Front noch zu sehen ist.

    Die Beiden sind jetzt etwas verunsichert und entschließen sich gleich in den nächsten, schmalen Weinbergsweg abzubiegen. Sie gehen nun forsch in Richtung Bernds Haus. Sie überqueren eine Seitenstraße, auf der kurz hinter ihnen erneut das dunkle Auto vorbei fährt.

    Anja bekommt es nun mit der Angst zu tun und will heimrennen. Bernd meint: „Wenn du dich so auffällig verhältst und da ist vielleicht etwas nicht in Ordnung, dann fallen wir erst richtig auf. Also, geh ganz normal weiter und renne nicht." Sie erreichten den schmalen Zugang zu seinem Haus. Kurz bevor Bernd die Haustür aufschließt, fährt das dunkle Fahrzeug abermals hinter ihnen auf der Straße vorbei.

    Nun macht auch er sich so langsam Sorgen. „Was hat das Verhalten des Fahrers zu bedeuten und was war das für ein Schuss? Besteht da ein Zusammenhang oder sind das nur Hirngespinste?"

    Drinnen angekommen beobachteten sie vom oberen Stockwerk aus die Straße, ohne dass sie das Auto noch einmal bemerken. Den ganzen Abend sind sie noch immer etwas unruhig. Über die Nacht wird ihr Gefühl dann besser und am nächsten Tag sind die seltsamen Vorgänge fast vergessen.

    Einige Tage später

    Bernd Senner sitzt am Esstisch mit Blick in den Garten. Er hat eine köstlich duftende Tasse Kaffee und ein Brötchen mit Orangenmarmelade vor sich stehen. Sein Frühstücksritual. Fast immer das gleiche. Auf alle Fälle immer Kaffee, ohne „seine" Tasse genossen zu haben, geht er nicht aus dem Haus.

    Er schlürft etwas am Tassenrand, der Kaffee ist noch immer recht heiß, und beißt genussvoll in sein Brötchen.

    Die Tageszeitung hat er kurz vorher ins Haus geholt. Er schlägt wie immer zuerst die Sportseiten auf. Interessiert überfliegt er die ihm bekannten Ergebnisse und lenkte seinen Blick auf die Berichte über die regionalen Fußballvereine.

    Die nächsten Seiten, die er ansieht, sind den lokalen Ereignissen gewidmet. Auf der ersten Innenseite fällt ihm dann eine Überschrift auf: „Tote am Rheinufer angeschwemmt".

    Nur halb interessiert ließt er weiter: „Eine Frauenleiche wurde an einer Insel der Winkler Aue, bei Rheinkilometer 520, gegenüber der Winkler Bucht angeschwemmt".

    Die kleine Insel liegt im Naturschutzgebiet und das Betreten ist untersagt. Im Laufe der Jahre hat sich ein Weichholzwald gebildet, der verschiedenen Vogelarten Schutz bietet.

    „Die Leiche war in eine Plastikfolie eingewickelt und hatte sich wohl in den Zweigen des niedrigen Buschwerks verfangen. Entdeckt wurde sie von der Wasserschutzpolizei während einer regelmäßigen Kontrollfahrt. Näheres kann im Augenblick noch nicht gesagt werden".

    Bernd verweilt noch etwas bei dem Artikel und blättert dann weiter zur Weltpolitik.

    Er frühstückt während der Woche fast immer allein. Anja und er sind zwar seit einigen Jahren ein Paar, aber sie wohnt weiterhin in Frankfurt, wo sie auch arbeitet. Die tägliche Fahrt zu ihrem Arbeitsplatz, mit nervtötenden Staus, wäre ihr auf die Dauer zu mühsam, meint sie. Daher kommt sie fast immer an den Wochenenden. Bernd scherzt oft bei diesbezüglichen Nachfragen von Freunden: „Wir haben getrennte Schlafzimmer. Anja in Frankfurt und ich hier."

    „Irgendwann ziehe ich zu dir, meint sie, „wenn der Autoverkehr nicht mehr so stark ist.

    „Also nie, denkt Bernd, „der Verkehr nimmt ja fast täglich zu.

    Er hat sich damit arrangiert, weil sie sich sehr gut verstehen und harmonieren, wenn sie zusammen sind. Er weiß, sie will unabhängig bleiben, also schluckt er diese Kröte.

    Anja arbeitet bei einer Kosmetikfirma im Vertrieb und Marketing. Oftmals auch als Hostess bei Messen. Das macht ihr besonders Spaß. Bei den Gespräche mit Interessenten und anderen Ausstellern blüht sie richtig auf. Bernd weiß das, hatte er sie doch schon selbst als Messebesucher erlebt.

    Amüsiert nahm er ihre Flirts und Turteleien zur Kenntnis.

    Er erinnert sich noch gut, wie sie sich kennengelernt hatten. Auf eine Co-Präsentation, zu der er mit eingeladen war, stellte Anja Artikel ihres Kosmetikunternehmens vor, direkt neben dem Bereich seiner Versicherungsagentur. Ihre freundliche und professionelle Art hatte es ihm sofort angetan. Während der zwei Messetage lächelte sie ihn immer wieder mal an und plauderte mit ihm. Am letzten Abend verabschiedete sie sich: „Vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder." Nach ein paar Tagen entschließt sich Bernd in ihrem Unternehmen anzurufen. Ihren Namen hatte er sich anhand des Schildes an ihrer Jacke eingeprägt.

    Fast zwei Jahre lang versuchte er immer wieder sich mit ihr zu verabreden. Vergeblich. Sie hatte immer irgendwelche Ausflüchte. Also gab er auf.

    Irgendwann nach längerer Zeit nahm er in der Nähe seines Wohnortes an einer Schulung teil. Zum Abschluss traf er sich noch mit Kollegen zu einem Drink an der Hotelbar.

    In Begleitung zweier Männer betrat Anja die Bar und eilte sofort auf ihn zu, als sie ihn bemerkte, drückte freudig seine Hände und stellte die Männer vor: „Kollegen von mir."

    Bernd unterhielt sich angeregt mit ihr und vergaß dabei fast seine Kollegen, die sein Verhalten mit einem Schmunzeln quittierten.

    Anja wandte sich ihm wieder zu: „Du hast doch einmal vorgeschlagen, dass wir zusammen wandern gehen können. Wie wäre es an diesem Wochenende?"

    Bernd schaute sie ganz verdutzt an: „Ja, eine gute Idee."

    „Gib mir doch noch einmal deine Telefonnummer. Ich rufe dich morgen an." Anja legte ihm ganz vertraut die Hand auf seine Schulter und verließ die Bar.

    Neugierig fragten seine Kollegen: „Charmant, woher kennst du sie? „Von einer gemeinsamen Veranstaltung, antwortet er knapp.

    Auf dem Heimweg dachte er über das seltsame Verhalten von Anja nach. „Ob sie mich verwechselt hat? Wir waren doch nicht per Du. Mal sehen. Wahrscheinlich wird sie gar nicht anrufen."

    Er täuschte sich. Sie rief ihn tatsächlich an und am Sonntag machten sie ungeplant eine Wanderung von etwa drei Stunden. Anja erwähnte mit keiner Silbe, warum sie sich in der Vergangenheit nicht gemeldet hat. Sie verhielt sich so, als ob sie langjährige Freunde wären. Kurz bevor sie in ihr Auto stieg um heimzufahren, gab sie ihm einen Kuss. „Ich melde mich. Eine gute Woche später rief sie ihn abends an: „Ich habe ein Problem. Meine Schwester ist mit einem Busunternehmen in der französischen Schweiz. Beim Aussteigen aus dem Bus ist sie über ein loses Brett gestolpert und hat sich einen komplizierten Bruch des linken Ellenbogens zugezogen. Sie ist bereits operiert worden und der Arm ist eingegipst. Da sie die Reise nicht mehr fortsetzen kann, muss ich sie abholen. Das sind pro Strecke fast eintausend Kilometer. Das werde ich allein nicht schaffen. Würdest du mich begleiten? Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ich kenne sonst niemand, dem ich das zutraue. Bernd sitzt verstört auf seinem Sofa und fragt: „Wann willst du denn los fahren?"

    „Heute Nacht gegen drei Uhr, dann sind wir mittags dort." Bernd schaut auf die Uhr, es war schon nach zehn.

    „Ich schlage vor, wir schlafen jetzt noch etwas und dann hole ich dich ab", beendete Anja das Gespräch.

    Wie geplant fahren sie in die Schweiz, holten die Schwester ab, die ihnen äußerst dankbar war und machten sich gleich wieder auf den Rückweg. Jetzt fuhr Bernd das Auto und die beiden Frauen schliefen fast die gesamte Fahrt.

    Kurz vor Frankfurt übergaben sie Anjas Schwester ihrer Familie, die geduldig gewartet hatte. Sie wurden noch zu einem Teller Suppe genötigt und fuhren dann zum Haus von Bernd.

    Beide waren fast vierundzwanzig Stunden unterwegs und todmüde. „Ich schlage vor, du bleibst heute Nacht bei mir und fährst erst morgen nach Haus", meinte Bernd. Anja tappte hinter ihm her ins Haus.

    „Ich mache dir das Bett im Gästezimmer zurecht."

    Anja schaut ihn an und schüttelt den Kopf: „Nee, alleine schlafen kann ich auch zu Hause."

    So wurden sie ein Paar!

    Anja hat eine fast erwachsene Tochter, die schon beinahe ihr eigenes Leben führt. Die meiste Zeit verbringt sie während ihres Studiums bei ihrem Freund und arbeitet abends in einer Bar hinter der Theke.

    Anja war nie verheiratet. Ist ihr zu spießig.

    Die Tochter ist das Resultat einer kurzen Messeaffäre. Zu dem leiblichen Vater haben weder Mutter noch Tochter Kontakt. Anja ist Stolz darauf, es auch allein geschafft zu haben, ohne von einem Mann abhängig zu sein.

    Bernd Senner ist geschieden und alleiniger Inhaber seiner Agentur mit zwei jungen Mitarbeiterinnen. Zu der etwas Älteren hat er ein besonders enges Verhältnis.

    Sie sagt immer: „Du bist mein Ersatzpapa. Ihre Eltern sind geschieden und haben mit ihren neuen Partnern gemeinsame Kinder, so dass man sie im Laufe der Jahre einfach „vergessen hat, was sie natürlich sehr schmerzt. Manchmal sucht sie an Bernds Schulter Trost, was ihm schmeichelt.

    Ihre oftmals spontanen Urlaube verbringen Bernd und Anja hauptsächlich im Lande. Sie unternehmen intensive, tagelange Wanderungen, bei denen sie manchmal die Hotels vorab buchen. Gelegentlich nutzen sie dabei auch einen zur Verfügung gestellten Gepäcktransport.

    Sie sind beide überzeugt, zu Fuß komme man den Menschen, der Flora und Fauna ganz nah.

    Sie genießen die Natur und freuen sich immer auf das abschließende Abendessen bei einem Glas Wein.

    Kapitel 2

    Kommissar Franz Weller, ein leicht verknittert und mürrisch wirkender Endvierziger, dessen dünnes Haar an den Schläfen schon leicht ergraut ist, arbeitet bereits seit Jahren in der Wiesbadener Mordkommission.

    Durch die langjährige Tätigkeit hat er viele Kontakte zu anderen Dienststellen und zu Informanten. Er vertraut immer auf sein Bauchgefühl, obwohl er vergeblich versucht, den Bauchansatz unter seinen weiten Pullis zu verbergen. Seit seiner Scheidung, die einige Zeit zurückliegt, lebt er allein in einer Zweizimmerwohnung in der Innenstadt. Das ist äußerst praktisch für ihn, so kann er die kurze Distanz zum Kommissariat zu Fuß zurücklegen, da er auch kein Auto mehr besitzt.

    Ihm gegenüber sitzt sein Kollege, Kommissar Markus Schubert, Ende Zwanzig, 190 cm groß und sportlich.

    Er legt großen Wert auf sein Äußeres, trotz seiner etwas wilden schwarzen Locken, die eine südländische Abstammung vermuten lassen. Schubert ist bei allen sehr beliebt, nicht nur bei den Kolleginnen, weil er sich immer offen für Fragen und Einwände zeigt. Bereits in jungen Jahren bildete er sich intensiv bei Schulungen und Lehrgängen in der modernen Kriminalwissenschaft weiter.

    So ist er eine gute Ergänzung zu seinem Gegenüber, der mehr Kriminalist der alten Schule ist. Markus Schubert ist mit einer zwei Jahre älteren Journalistin verheiratet, mit der er zwei Kinder im Alter von drei und vier Jahren hat. Sie wohnen etwas außerhalb der Stadt in einem kleinen, gepflegten Einfamilienhaus.

    Das Familienleben ist für ihn das Wichtigste, auch wenn dieses manchmal hinten anstehen muss, wenn er ganz in seiner Arbeit aufgeht, wie bei diesem besonderen Fall.

    Beide Kommissare sind über die vorliegenden Berichte des Leichenfundes im Rhein bei Winkel gebeugt.

    Zunächst gehen sie die bekannten Einzelheiten durch.

    Die Frau war unbekleidet und in eine Plastikfolie gewickelt. Sie war mit einer Kordel wie ein Paket verschnürt. Am Ende der Kordel befand sich eine größere Schlaufe. Die Verknotungen wiesen keine besonderen Merkmale auf. Es waren einfache Knoten, wie sie von jedermann gemacht werden können.

    Der Leichnam der Frau befindet sich noch in der Rechtsmedizin und wird dort obduziert.

    Ergebnisse sollten noch ein bis zwei Tage auf sich warten lassen.

    Die Plastikfolie sowie die Kordel hatten sie zur Untersuchung in die Fachabteilung der KTU gegeben.

    Recht schnell gab es von dort erste Erkenntnisse.

    Die Plastikfolie könnte fast aus jedem Baumarkt stammen, war jedoch bereits älter und des Öfteren benutzt worden.

    Die deutliche Knick- und Knitterstellen deuteten darauf hin. Folien in dieser Größe und Stärke werden oftmals auf Baustellen verwendet zum Schutz gegen Staubentwicklung.

    Die Kordel war aus Kunststoff mit einem Durchmesser von etwa einem halben Zentimeter und insgesamt ca. drei Meter Länge.

    Die Schlaufe am Ende der Schnur erklärten die Kommissare sich so: „Wahrscheinlich war daran ein großer Stein oder ähnliches befestigt, der sicherstellen sollte, dass die Ermordete untergeht."

    „Ja, durch die starke Strömung und durch die Tatsache, dass sich das Kunststoffseil nicht vollsaugen konnte, hatte sich der Stein wohl gelöst. Die eingewickelte Tote wurde abgetrieben und blieb so im Geäst der Uferbüsche an der Insel hängen", erklärte Markus Schubert.

    Die Vermutungen ergaben nichts, was irgendwie bei der Aufklärung des Mordes helfen konnte.

    Sie mussten auf die Ergebnisse der Untersuchung der Leiche warten.

    Von der Rechtsmedizin erhielten sie dann zwei Tage später eine Fülle von Information. Einige davon gaben ihnen Rätsel auf.

    Die Frau war etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt, 1,75m groß und blond. Ihre Haare waren wohl mit einer stumpfen Schere gekürzt worden. Sie hatte etwa zehn Tage im Wasser gelegen und war bereits tot, als man sie im Wasser „entsorgen" wollte.

    Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass sie erschossen worden war. Der Schuss war seitlich, schräg in den Kopf abgefeuert worden, aus geringer Entfernung. Der Einschusskanal lief von unten leicht nach oben. Entweder war der Täter kleiner oder die Frau stand etwas erhöht als sie ermordet wurde.

    Das Besondere daran: Die Kugel war im Kopf direkt hinter der Stirnplatte stecken geblieben und nicht auf der anderen Seite ausgetreten.

    Ballistiker hatten die Patrone untersucht und erklärt, dass es ich dabei um .22 lfb Kleinkaliber Munition handelt, wie sie zum Beispiel bei Glock, Walther und Beretta Pistolen verwendet wird.

    Ein vielleicht wichtiger Anhaltspunkt.

    Der Körper der jungen Frau wies keine besonderen Merkmale auf, außer einer kleinen Wunde oberhalb des rechten Knöchels, etwa drei cm im Durchmesser. Eine Abschürfung der Haut oder Ähnliches. Sonst war sie unverletzt. Der Wunde am Knöchel schenkten sie zunächst keiner größeren Beachtung.

    Nach Besprechungen mit Oberstaatsanwalt Dr. Detlev von Rosenstrauch wird beschlossen sich über die Medien an die Bevölkerung zu wenden: „Kennt jemand diese Frau"?

    Von Rosenstrauch ist ein typischer Karrierist.

    Groß gewachsen, asketisch wirkend mit einem militärisch kurzen Haarschnitt. Die randlose Nickelbrille verstärkt seinen eindringlichen Blick. Seine „Wertschätzung" teilt sich in Ablehnung, da sehr unnahbar, und Bewunderung wegen seines steilen Aufstiegs. Über sein Privatleben weiß man so gut wie nichts. Nur, dass er mit einer Adeligen verheiratet ist und in einer großen Stadtvilla wohnt.

    Von Rosenstrauch hält nichts von „Bauchgefühlen" und Vermutungen. Für ihn zählen ausschließlich Fakten.

    Die Polizeibeamten sind der Staatsanwaltschaft direkt unterstellt. In früheren Jahren haben sich Staatsanwälte unmittelbar in die Untersuchungen von Straftaten eingeschaltet.

    Heute ist die Polizeiarbeit so speziell und anspruchsvoll, dass die Staatsanwälte sich nicht mehr bei den Ermittlungen einschalten und auch nur noch äußerst selten an Tatorten erscheinen. Sie verlassen sich da ganz auf die qualifizierten Polizisten. So hält es auch von Rosenstrauch.

    An die Presseorgane wird, neben einem aufbereiteten Foto vom Gesicht der Getöteten, nur die zusätzliche Information der Schusswunde

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