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Der Alltag der Wärter: Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen
Der Alltag der Wärter: Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen
Der Alltag der Wärter: Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen
eBook551 Seiten4 Stunden

Der Alltag der Wärter: Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen

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Über dieses E-Book

DIE VORKAMMER DES TODES
Im April 1944 wurde das Durchgangslager Bozen errichtet, 9.500 Personen waren darin inhaftiert, 3.802 wurden aus dieser "Vorkammer des Todes" in die KZs Mauthausen, Dachau, Flossenbürg, Ravensbrück und Auschwitz deportiert, wo der Großteil starb.
Der Blick auf das Wachpersonal zeigt, wie skrupellos gefoltert wurde, wie man sich nach der "Arbeit" vergnügte und u. a. eine satirische Bierzeitung herausgab.
•Biografien der Täter*innen, u. a. von Mischa Seifert, der "Bestie von Bozen", oder der Deutschen Hilde Lärchert, "Tigerin" genannt
•zahlreiche Fotos und unveröffentlichte Dokumente, u. a. einzigartige Drucksorten der Lagerdruckerei
SpracheDeutsch
HerausgeberEdition Raetia
Erscheinungsdatum25. Apr. 2024
ISBN9788872839430
Der Alltag der Wärter: Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen
Autor

Costantino Di Sante

COSTANTINO DI SANTE: Historiker, Autor zahlreicher Bücher u. a. über die Geschichte des Widerstands, die Internierung und Deportation aus Italien, die Besetzung Jugoslawiens und den italienischen Kolonialismus in Libyen. Er forscht und arbeitet an den Universitäten von Teramo und Roma Tre und ist derzeit Direktor des Historischen Instituts von Ascoli Piceno.

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    Buchvorschau

    Der Alltag der Wärter - Costantino Di Sante

    Costantino Di Sante

    Der Alltag der Wärter

    Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen

    Costantino Di Sante

    Der Alltag der Wärter

    Verbrechen, Gräueltaten und Vergnügungen des Wachpersonals im Durchgangslager Bozen

    Übersetzt von Michaela Oberhuber

    Die Drucklegung erfolgte mit freundlicher Unterstützung der Abteilung Deutsche Kultur der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol.

    Originaltitel: Costantino Di Sante. Criminali del campo di concentramento di Bolzano.

    Deposizioni, disegni, foto e documenti inediti. Bozen: Edition Raetia 2019

    Die Übersetzung basiert auf einer überarbeiteten Textversion, ergänzt um das Kapitel „Täter und Verantwortliche der jüdischen Verfolgung in Meran"

    © Edition Raetia, Bozen 2024

    Umschlaggestaltung: Philipp Putzer, www.farbfabrik.it

    Umschlagbild: Die einzige Aufnahme aus dem Lager, als es noch in Betrieb war. NARA, „War crimes. Bolzano", Box 2059, folder 1.

    Übersetzung: Michaela Oberhuber

    Korrektur: Gertrud Matzneller, Katharina Preindl

    Druckvorstufe: Typoplus, Frangart

    Printed in Europe

    ISBN 978–88-7283–916-4

    ISBN Ebook 978–88-7283-943-0

    Unseren Gesamtkatalog finden Sie unter www.raetia.com.

    Bei Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte an info@raetia.com.

    Inhalt

    Über die „normalen" Männer und Frauen (von Thomas Schlemmer)

    Zur deutschen Ausgabe (von Costantino Di Sante)

    Endlich Aufklärung (von Dario Venegoni)

    Einleitung

    Die Geschichte des Lagers

    Der NS-Sicherheitsdienst in Südtirol

    Die Anfänge als Arbeitserziehungslager

    Die Verlegung des Lagers Fossoli nach Bozen

    Das Polizei- und Durchgangslager

    Zwangsarbeit und die Satellitenlager

    Die Hinrichtungen vom 12. September 1945

    Gewalt und Verbrechen im Lager

    Manlio Longon und die Partisanenbekämpfung

    Solidarität mit und Hilfe für die Internierten

    Der Lagerarzt Pittschieler und das Verzeichnis der Toten

    Die Auflösung des Konzentrationslagers

    Unterstützung für ehemalige Internierte, Heimkehrer, Displaced Persons

    Die Täter und Täterinnen

    Auf Spurensuche

    Rudolf Thyrolf: der KdS-Kommandeur

    August Schiffer: der Gestapo-Chef

    Heinz Andergassen: der Kriminalsekretär

    Albert Storz: der ausführende Kriminalfunktionär

    Karl Titho: der Lagerkommandant

    Hans Haage: der Zuständige für Disziplin und Zucht

    Walter Lessner: der Verwalter des Lagers

    Paula Plattner: Sekretärin und Geliebte

    Joseph König: verantwortlich für die Zwangsarbeit

    Karl Gutweniger: der Dolmetscher

    Heinz Winkler: an den Schalthebeln des Informationsdienstes

    Margarete Hatschock: Sekretärin beim Informationsdienst

    Albino Cologna: der SS-Wächter

    Otto Sain und Michael Seifert: die Peiniger

    Hilde Lächert: die Tigerin

    Renata Longo: die Zensurbeauftragte

    Gianna Zucchetti: Denunziantin im Lager von Meran

    Täter und Verantwortliche der jüdischen Verfolgung in Meran

    Die Freizeit der Täter und Täterinnen

    Fotos der Vergnügungen

    Die „Bierzeitung des Polizei- und Durchgangslagers"

    Die Druckerei des Lagers

    Die Geschichte der Druckerei „Francinetti" (von Dario Venegoni)

    Die wiedergefundenen Dokumente

    Von Fossoli nach Bozen

    Verhaftungen, zivile Angestellte, Arbeitseinsatz, Deportationen

    Krankenstation im Lager und Aufnahme ins Krankenhaus

    Bekanntmachungen, Hinweise, Verbote

    Danksagung

    Personenverzeichnis

    Bildverzeichnis

    Anmerkungen

    Über die „normalen" Männer und Frauen

    Täterforschung hat erst spät Einzug in die historische Forschung gehalten – das gilt für Italien ebenso wie für Deutschland, ganz gleich, ob es sich um die Bundesrepublik oder die Deutsche Demokratische Republik (DDR) handelt. In Italien hatte lange Zeit die Erforschung des antifaschistischen Widerstands und des Befreiungskriegs gegen die „nazifaschistischen Besatzer Priorität; die Strukturen der Besatzung in einem Land, das gespalten war und der 1939 geschlossenen faschistischen Kriegsallianz zumindest noch teilweise die Treue hielt, die Verantwortlichen für Massaker und Kriegsverbrechen, die fanatischen Gefolgsleute, die Mussolini bis zum bitteren Ende folgten – all das war in Italien bis 1990 von nachgeordnetem Interesse. In der DDR stellten sich die Fragen nach der Verantwortung für den Krieg in Italien zwischen 1943 und 1945 nicht, denn als Volksdemokratie realsozialistischen Typs stellte sie sich auf den Standpunkt, keine Verantwortung für die Verbrechen aus den Jahren zwischen 1939 und 1945 zu tragen; schließlich habe man ja mit der kapitalistischen Eigentumsordnung auch die Wurzeln des Faschismus ausgerissen. In der Bundesrepublik wurde dagegen der Schild der „sauberen Wehrmacht hochgehalten; in Italien hätten die deutschen Truppen einen Krieg nach den Regeln des Völkerrechts geführt – die Kunstschätze des Klosters Montecassino seien schließlich von den Deutschen gerettet worden, während die Alliierten das Kloster sinnlos zerstört hätten. Die Zonen der Vernichtung, die Wehrmacht und Waffen-SS in Italien schufen, Marzabotto oder Sant’Anna di Stazzema, hatten in dieser Meistererzählung keinen Platz. Das änderte sich erst im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, nach dem Ende des Kalten Kriegs, nach der Öffnung oder Wiederentdeckung von Archiven – erinnert sei nur an den sogenannten Schrank der Schande in Rom. Nun gerieten die Opfer einer terroristischen Besatzungspolitik (und in Italien die Opfer eines grausamen Bürgerkriegs), die Strukturen dieses Terrors und die Täter selbst zunächst in den Blick der Strafverfolgung und der Forschung und dann in den Fokus der Erinnerungskultur.

    Über das (Polizei-)Durchgangslager oder Konzentrationslager Bozen wusste man lange Zeit nur wenig, und man wollte davon auch nichts wissen. In Deutschland kennt man es bis heute kaum; ist von Konzentrationslagern die Rede, denkt man an Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen, Bergen-Belsen oder Ravensbrück. Orte des Schreckens wie die Risiera di San Sabba bei Triest, Fossoli oder eben das Lager in Bozen kannten nur Eingeweihte, obwohl etwa in Bozen ein grausames Lagerregime herrschte und Tausende von dort nach Dachau, Mauthausen, Flossenbürg, Ravensbrück oder auch Auschwitz deportiert wurden.

    Es ist Costantino Di Sante zu verdanken, dieses heiße Eisen angefasst zu haben, das unbequem für die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland, aber auch für die besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Südtirol ist. Er deckt nicht nur die terroristischen Strukturen des nationalsozialistischen Lagersystems im letzten Kriegsjahr mit seinen tödlichen Konsequenzen auf, sondern gibt auch den Tätern – und den Täterinnen – in Südtirol eine Biografie und ein Gesicht. Mit Christopher Browning waren sie eben keine monströsen Existenzen, sondern „normale Männer und Frauen. Costantino Di Sante versucht zu erklären, warum sich diese „normalen Männer und Frauen zur Herrschaft über Leben und Tod aufschwangen und trotzdem versuchten, ein „normales" Leben zu führen. Das Kapitel über die Freizeitgestaltung der Täter und der – wenigen – Täterinnen gehört zu den verstörendsten Abschnitten in Costantino Di Santes Buch, dem ich zahlreiche Leserinnen und Leser wünschen möchte – vor allem in Deutschland, aber auch in Südtirol und in ganz Italien. Die Erinnerung an die Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus und des italienischen Faschismus im 20. Jahrhundert möge uns im 21. Jahrhundert eine Warnung sein.

    Thomas Schlemmer

    München im Januar 2024

    Thomas Schlemmer ist Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, Chefredakteur der „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte" und ehemaliges Mitglied der Deutsch-Italienischen Historikerkommission.

    Zur deutschen Ausgabe

    Die Übersetzung des Buches „Criminali del campo di concentramento di Bolzano. Deposizioni, disegni, foto e documenti inediti" ins Deutsche öffnet ein einzigartiges Fenster zur historischen Erinnerung für die deutschsprachige Leserschaft. Dank neuer Archivfunde beleuchtet es das Konzentrationslager von Bozen aus der Perspektive des Lageralltags und bringt bislang unbekannte Fakten über das Lager wie auch über die Täter und Täterinnen ans Licht. Die von amerikanischen Ermittlern unmittelbar nach dem Kriegsende gesammelten Zeugenberichte, Verhörprotokolle und Fotografien erzählen und zeigen die Lagerverantwortlichen bei geselligen Freizeitbeschäftigungen mit ihren Sekretärinnen – und eröffnen einen verstörenden Blick auf ihr Doppelleben. Sie werfen Fragen über die menschliche Natur auf und über die Fähigkeit, sich derart von der Wirklichkeit zu distanzieren.

    Die vorliegende deutsche Ausgabe wurde um ein Kapitel über die Verantwortlichen für die Deportation der Juden und Jüdinnen von Meran erweitert. Damit sollen auch diese Gräuel klar angesprochen und eine kritische Auseinandersetzung mit den dahinterliegenden soziokulturellen Mechanismen, die zur Gewalteskalation führten, angeregt werden. Zudem wurden für die deutsche Ausgabe Ungenauigkeiten präzisiert und Druckfehler des italienischen Originals korrigiert. Die Übersetzung griff, soweit möglich, auf deutsche Originaltexte zurück, manchmal ließ sich eine Rückübersetzung aus dem Italienischen jedoch nicht vermeiden.

    Über viele Jahre hinweg waren die Ereignisse innerhalb der Lagermauern weitgehend vergessen. Dies steht zum einen im Zusammenhang mit den Auswirkungen der erzwungenen Italianisierung und Unterdrückung durch das faschistische Regime und zum anderen mit der Optionsfrage und der Kollaboration während der NS-Besatzung. Nach dem Krieg erschwerte die Neugestaltung des Geländes, auf dem das Lager stand, die Erinnerung an die begangenen Gräueltaten zusätzlich.

    Doch wurde das Interesse an der Geschichte des Lagers von Bozen neu entfacht, wofür unter anderem der Prozess gegen den ehemaligen Wächter Michael „Mischa Seifert im Jahr 2000 ausschlaggebend war. Die Bemühungen, die Erinnerung zu bewahren, wurden intensiviert, etwa durch Informationstafeln, die 2004 von der Gemeinde Bozen aufgestellt wurden, oder durch die Errichtung der „Passage der Erinnerung anlässlich des Tages der Erinnerung 2012: Eine Gedenkinstallation erinnert an die Frauen, Männer und Kinder, die das Lager durchlebten. Einen bedeutenden Moment institutioneller Anerkennung stellte der Besuch des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella und des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen im Jahr 2019 dar. Zu diesem Anlass wurde eine Dauerinstallation in der Nähe der erhaltenen Lagermauer eröffnet, die an die 8.000 bis heute identifizierten Internierten erinnert und ein bedeutendes Mahnmal darstellt, um künftige Generationen über die Gefahren von Hass und Diskriminierung aufzuklären.

    Mit der Veröffentlichung dieser deutschen Ausgabe möchten wir das Wissen über die tragischen Ereignisse auch außerhalb des italienischen Sprachraums verbreiten und die Erinnerung daran wachhalten. Zugleich möchten wir einen Dialog zwischen den deutsch- und italienischsprachigen Bevölkerungsgruppen anregen. Dieser Dialog soll dazu beitragen, das Verständnis für die gemeinsame Vergangenheit zu vergrößern, deren Auswirkungen bis in die heutigen Beziehungen reichen.

    Costantino Di Sante

    Campli im Februar 2024

    Endlich Aufklärung

    Das Konzentrationslager von Bozen wurde im Sommer 1944 von der SS eingerichtet und war bis Frühjahr 1945 in Betrieb. Es erfuhr ein eigentümliches Schicksal: Obwohl es für knapp ein Jahr neben dem Triestiner Lager Risiera di San Sabba einer der zentralsten Inhaftierungs- und Folterorte im nationalsozialistisch besetzten Italien war, fiel es schon wenige Monate nach der Befreiung einem kollektiven Vergessen anheim.

    Bereits unmittelbar nach dem Kriegsende 1945 wurden seine von Lagermauern umgrenzten Gebäude von zahlreichen Flüchtlingen, Obdachlosen, Vertriebenen und aus der Gefangenschaft Zurückgekehrten benutzt, bald von ganzen Vertriebenenfamilien dauerhaft besetzt, bis gegen Ende der 1950er-Jahre die Bozner Gemeindeverwaltung eingriff und für dieses Areal ein Wohnbauprogramm ausschrieb, um für die vielen Menschen, die in Bozen keine Wohnmöglichkeiten hatten, eine würdige Unterkunft zu schaffen. So wichen in den frühen 1960er-Jahren die Baracken und Zellen des ehemaligen Lagers neuen Wohnhäusern. Und über die Geschichte des Lagers legte sich ein Mantel des Schweigens.

    Zwar teilten einige Überlebende ihre Erfahrungen im Lager Bozen und in einigen lokalhistorischen Publikationen wurden Texte und Zeitzeugenberichte veröffentlicht, doch schienen die beiden Sprachgruppen der Stadt – die deutsche und die italienische – de facto übereingekommen zu sein, dieser belastenden Vergangenheit den Rücken zuzukehren. Die italienische Sprachgruppe war darauf bedacht, sich das 20 Jahre währende faschistische Regime samt der gewaltsamen Italianisierung in dieser Provinz vergeben zu lassen. Dabei hatte der Faschismus zum Ziel, die deutsche Kultur vollständig zu untergraben. Und die deutschsprachigen Südtiroler und Südtirolerinnen zogen es vor, nicht an ihre Begeisterung für die nationalsozialistische Besetzung zu erinnern, die von Gewalt, Folter und Mord innerhalb wie außerhalb der Lagermauern geprägt gewesen war.

    Erst 1975 – seit Kriegsende waren nunmehr 30 Jahre verstrichen – organisierte die Gemeinde Bozen gemeinsam mit dem lokalen Ableger des italienischen antifaschistischen Partisanenvereins (ANPI, Associazione Nazionale Partigiani d’Italia) und mit der Nationalen Vereinigung italienischer Ex-Deportierter (ANED, Associazione Nazionale Ex Deportati) eine Tagung, die einschneidende Wirkung zeigen sollte: Die in diesem Rahmen vorgebrachten Vorträge und Zeitzeugenberichte von Rednerinnen wie Franca Turra, Ada Buffulini oder Nella Lilli Mascagni blieben für die folgenden Jahrzehnte die maßgebliche Informationsquelle für jene, die mehr über das Leben im Lager Bozen wissen wollten.

    Vier Jahre später, 1979, erschien anlässlich des 30. Jahrestages des Widerstands und der Befreiung das Buch Il Lager di Bolzano von Luciano Happacher, das die bis dahin bekannten Informationen zum Bozner Lager erstmals zusammenführte. Dies änderte aber nichts daran, dass die Geschichte dieses Lagers in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht weiter erforscht wurde und die Lebensschicksale von Zehntausenden Deportierten weitestgehend in Vergessenheit gerieten. Als ich selbst in den 1980er-Jahren (vergeblich) versuchte, Spuren des Lagers in der Bozner Reschenstraße zu finden, konnte mir niemand (auch nicht ein Stadtpolizist) Auskunft geben, als ich nach dem Weg zur ehemaligen Lagermauer fragte.

    Erst gegen Ende des letzten Jahrtausends kamen die Forschungen zum Bozner Lager in Schwung, die Licht auf einige Teilaspekte werfen konnten und vor allem auf die Initiative von Historikern und Historikerinnen im Umkreis des lokalen ANPI und des Bozner Stadtarchivs zurückgingen. Der Prozess gegen den SS-Wachmann Michael „Mischa" Seifert vor dem Militärgericht von Verona im Jahr 2000 entfachte dann eine breitere Aufmerksamkeit für das Lager Bozen als Folter- und Todesort, dem Untersuchungen und Publikationen folgten.

    Das Verdienst des vorliegenden Buches von Costantino Di Sante liegt vor allem darin, dass es einen bislang zu wenig beachteten Aspekt behandelt und den Fokus auf die Täter und Täterinnen des Bozner Lagers legt, die es zwischen 1944 und 1945 zu einem Ort des Schreckens machten. Von einigen kennen wir das Gesicht, wie auch jenes ihrer Freundinnen und Gefährten, da sie sich bei ihren Freizeitbeschäftigungen zwischen einer Gewalttat und der nächsten ablichten ließen. Wir können anhand der zitierten Verhörprotokolle ihre Worte und ihre Version der Ereignisse lesen. Endgültig können wir auch jenes Kapitel abschließen, das 75 Jahre lang ungeklärt blieb, nämlich das des vorgetäuschten „Selbstmords" von Manlio Longon, einem der Anführer der Widerstandsbewegung in Bozen, in jenen dramatischen Stunden, als er Gefangener der Gestapo war.

    Überraschend ist, dass einige der wichtigsten Offenbarungen dieses Buches eigentlich auf das Jahr 1945 zurückgehen, als die Alliierten in den Monaten nach der Befreiung diese Personen verhörten, Protokolle anfertigten und Fotografien beilegten – Dokumente, die jahrzehntelang in öffentlich zugänglichen Archiven lagen und nur darauf warteten, endlich eingesehen zu werden.

    Die hier zum ersten Mal gezeigten Druckerzeugnisse aus der Druckerei des Lagers Fossoli und des Lagers Bozen wiegen das Fehlen aller offiziellen Lagerverwaltungsdokumentationen, die im Zuge der Flucht der SS verbrannten, zumindest in Teilen auf.

    Dieses Buch erweitert unser Wissen über eine der wichtigsten NS-Haftanstalten in Italien maßgeblich. Costantino Di Sante gebührt großer Dank für seine verdienstvolle Forschungsarbeit, die es uns ermöglicht, der Tausenden Opfer der Bozner Schläger- und Foltertruppe zu gedenken. Die überwiegende Mehrheit dieser Frauen und Männer ist vergessen, doch dieses Buch lässt ihren Ängsten und Leiden Gerechtigkeit widerfahren.

    Dario Venegoni

    Mailand im Januar 2019

    Dario Venegoni ist ein italienischer Schriftsteller und Journalist, bekannt für seine Studien über Internierungslager. Er ist der Sohn von Carlo Venegoni und Ada Buffulini, die aus politischen Gründen im Polizei-Durchgangslager Bozen interniert waren. Venegoni ist Präsident von ANED, der Associazione nazionale Ex Deportati nei campi nazisti (Nationale Vereinigung der ehemaligen Deportierten in NS-Konzentrationslager).

    Einleitung

    Dieses Buch ist der Auffindung mehrerer umfangreicher Sammlungen von bislang unveröffentlichten Dokumenten zu verdanken. Ihre Analyse erlaubt es, die Befehlskette im Bozner Lager und in der NS-Kommandozentrale, welche aus dem ehemaligen Gebäude des Armeekorps agierte, zu rekonstruieren und einige der Verbrechen, derer sich die SS und die Gestapo schuldig machten, aufzuklären.

    Der Arbeit liegen als Quellenmaterial unter anderem die im Militärarchiv in Rom liegenden Akten¹ zugrunde, die das italienische Militär, genauer das Ufficio I dello Stato Maggiore dell’Esercito italiano, 1945 zu den im Konzentrationslager Bozen begangenen Verbrechen anlegte. Das Ufficio I (Büro I) des Generalstabs des italienischen Heeres ist eine Einrichtung, die die Auflösung des Militärischen Nachrichtendienstes (Servizio Informazioni Militari) überdauert hatte.² Bei den dortigen Archivunterlagen handelt es sich um Verhöre und Aussagen von Wach- und Verwaltungspersonal des Lagers gegenüber alliierten und italienischen Ermittlungsbehörden. Sie geben Aufschluss über verschiedene Gewalttaten, wie etwa die Hinrichtungen vom 12. September 1944, und nennen die Namen der Verantwortlichen.

    Unter den etwa 300 Dokumenten befinden sich auch einige von den Wärtern selbst verfasste handschriftliche Anmerkungen. Die Lektüre dieser Unterlagen war für die damaligen Ermittler gewiss keine leichte, doch waren sie wertvoll, um die Schuldigen an den im Lager begangenen Verbrechen und Misshandlungen ausmachen zu können. Zu den wichtigsten Erinnerungen und Vernehmungsprotokollen gehören jene des SS-Wachmanns Albino Cologna und der Sekretärin des stellvertretenden Lagerkommandanten Hans Haage, Paula Plattner, denn beide hatten von Anfang an im Lager im Dienst gestanden. Auf Grundlage ihrer Aussagen konnte mit Gewissheit das Datum der Eröffnung des Arbeitserziehungslagers von Bozen bestimmt werden: der 15. Mai 1944. Später sollte es dann in ein polizeiliches Durchgangslager umfunktioniert werden. Des Weiteren konnten durch ihre Aussagen auch Informationen zur Geschichte des Lagers sowie zur Funktionsweise seines Verwaltungsapparats samt den Namen des Führungspersonals in Erfahrung gebracht werden.

    Nicht weniger wichtig sind die Zeugenaussagen einiger Internierter und die von den Alliierten an das italienische Militär übergebenen Dokumente. In etlichen dieser Quellen tauchen die Namen jener Südtiroler und Südtirolerinnen auf, die nach ihrer Option für das nationalsozialistische Deutschland im Lager Wach-, Verwaltungs- oder Organisationsdienste tätigten. Unter diesen Dokumenten befindet sich auch eine vom Lagerarzt Karl Pittschieler angefertigte Liste jener Menschen, die im berüchtigten Zellenblock, dem Gefängnis des Lagers, zu Tode kamen. Pittschieler behauptete auch nach Kriegsende, dass viele eines natürlichen Todes gestorben seien, und machte sich in gewisser Weise wohl auch mitschuldig an der Verschleierung der wahren Todesursachen.

    In den Akten finden sich Druckerzeugnisse, welche die von den Nationalsozialisten bei der Auflösung des Lagers eifrig betriebene Zerstörung überlebt haben. Diese konnten unmittelbar nach der Befreiung aus der Druckerei des Lagers geborgen werden. Ebenso wurden Entwürfe von Zeichnungen gefunden, die in der satirischen „Bierzeitung des Polizei- und Durchgangslagers Bozen" abgedruckt worden waren. Es handelt sich um insgesamt an die 30 Aquarellzeichnungen, die einige Personen aus der Lagerleitung, ihre Laster und Verfehlungen in ironischer Manier darstellen.

    Von besonderer Bedeutung aber sind die wiedergefundenen Fotografien, die einige Mitglieder der Kommandogruppe, vor allem Hans Haage und Joseph König, bei ihren Freizeitbeschäftigungen in Südtirol zeigen, etwa bei Ausflügen aufs Land oder bei Trinkgelagen in Begleitung ihrer Sekretärinnen. Das wichtigste Foto in der Akte ist jenes, das Albino Cologna in SS-Uniform auf einem Motorrad zusammen mit drei anderen Kameraden zeigt. Es handelt sich um das einzige bislang bekannte Foto, das im Inneren des Lagers aufgenommen wurde, als dieses noch aktiv war (8. August 1944). Auch deshalb wurde es für das Cover dieses Buches ausgewählt.

    Schließlich wird auch unser Wissen über die Organisation des Widerstands im Inneren des Lagers bereichert dank der Protokolle, die zwischen Februar und Mai 1945 von den Internierten aus dem Umfeld des Partito Democratico Cristiano abgefasst wurden. Diese Protokolle geben uns nicht nur Aufschluss über die Funktionsweise des „internen Komitees" (Comitato interno), sondern auch über die Beziehungen zwischen den im Lager inhaftierten Parteivertretern (Kommunisten, Sozialisten, Christdemokraten oder jene der Partei Partito d’Azione), die dann dem Nationalen Befreiungskomitee CLN (Comitato di Liberazione Nazionale) beitraten.

    Eine zweite Sammlung unveröffentlichter Dokumente stammt aus den National Archives von Washington. Sie wurden von Roberta Cairoli, Forscherin am Istituto di storia contemporanea Pier Amato Perretta in Como, gefunden und mir großzügigerweise zur Einsichtnahme und Auswertung für dieses Buch zur Verfügung gestellt.

    Die in den National Archives aufbewahrten Akten des War Crimes Branch³ beinhalten unter anderem einen mehr als 500 Seiten starken Faszikel zum Konzentrationslager von Bozen. Er bezieht sich auf die erste, gegen Ende Mai 1945 eingeleitete Untersuchung zu den Vorfällen im Lager und beinhaltet auch etwa 30 unveröffentlichte Fotografien. Im Zuge dieser Ermittlungen konnte eine immense Fülle an Informationen gesammelt werden, etwa auf der Grundlage der Fragebögen und Verhöre der Täter und Täterinnen (Karl Titho, Albino Cologna, „die Tigerin" Hildegard Lächer), des Verwaltungspersonals (Paula Plattner, Renata Longo), des Arztes (Karl Pittschieler), der Führungsspitzen der Gestapo und des Sicherheitsdienstes (SD) Bozen (Rudolf Thyrolf, August Schiffer, Heinz Winkler, Karl Brunner) und natürlich mittels Zeugenaussagen ehemaliger Internierter wie Luigi Pirelli. Sie erlauben einen erschütternden Einblick in die Schrecken und Verbrechen, die im Konzentrationslager Bozen begangen wurden, von der systematischen Anwendung von Gewalt und Folter bis hin zu Morden und Massenerschießungen.

    So geht etwa aus einem Bericht von Artur Schoster⁴, Kommissar der amerikanischen Kriminalpolizei, vom 5. Juni 1945 hervor, dass das Durchgangslager auch von der Gestapo und dem SD für die Inhaftierung von politischen Gefangenen genutzt wurde. Diese wurden im Zellenblock inhaftiert, dem Lagergefängnis, das einer geradezu rechtsfreien Zone gleichkam und wo die Häftlinge wiederholt misshandelt wurden.

    Häufig wurden die politischen Häftlinge, Männer wie Frauen, abgeholt und in das Gestapo-Hauptquartier im ehemaligen Gebäude des 4. italienischen Armeekorps (das Gebäude wird in den Quellen oft kurz „Armeekorps" genannt) in Bozen gebracht, wo sie nach langen und zermürbenden Verhören in den Keller gebracht und gefoltert wurden. So erging es zum Beispiel Isabella Selvi, Lebensgefährtin eines Partisanen, die als Geisel festgehalten und am 19. Dezember 1944 von der deutschen Polizei verhaftet worden war. Der Bericht von Schoster gibt auch Aufschluss über den Tod von 19 Häftlingen, die alle identifiziert werden konnten. In den meisten Fällen waren Folterungen die Ursache für den Tod, in anderen die unmenschliche Behandlung. Die ärztlichen Totenscheine aber führen allesamt natürliche Todesursachen oder Suizide an, wie etwa im Fall von Manlio Longon, herausragende Figur der lokalen Widerstandsbewegung. Insbesondere aus dem Verhör von Christa Roy, Schiffers Sekretärin, geht hervor, dass Longon am 31. Dezember 1944 zum Gestapo-Sitz gebracht, dort im Keller auf Befehl von Schiffer gefoltert, erdrosselt und schließlich aufgehängt wurde, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Seine Leiche wurde ins Lager zurückgebracht, wo der Arzt den Tod feststellte. In der Liste der 19 Personen steht auch der Name von Giulia Bianchini Fano, einer 78-jährigen Jüdin.

    Ein Bericht vom 6. Juni 1945 dokumentiert den verdächtigen Tod des US-Agenten Roderick G. S. Hall und von sechs weiteren amerikanischen und britischen Luftwaffenoffizieren, die im Lager inhaftiert waren. Auf der Grundlage der Verhöre, insbesondere des Arztes Karl Pittschieler und des Dolmetschers Karl Gutweniger, erhielten die Alliierten bereits 1945 erste Informationen zu den Hinrichtungen vom 12. September 1944. Auch stießen sie auf Hinweise auf die Erschießungen im Konzentrationslager von Fossoli vom 12. Juli 1944.

    Die Vernehmungsprotokolle ermöglichen es uns nicht nur, die Verbrechen im Lager, sondern ebenso die Profile der Täter, ihr familiäres und soziales Umfeld, ihre politischen Tätigkeiten vor und nach ihrer Ankunft in Bozen sowie die Organisations- und Funktionsweise der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes zu rekonstruieren. In diesem Kontext kommt den Aussagen der Sekretärinnen der NS-Leitung große Bedeutung zu, aus denen auch ihre Rolle bzw. Beteiligung an den Misshandlungen der Häftlinge hervorgeht. So etwa im Fall von Christa Roy, Sekretärin und Geliebte des SS-Sturmbannführers August Schiffer, die vergnügt den Folterungen beiwohnte. Sie erhielt den Beinamen „die Königin" gerade wegen ihrer Machtposition und ihrer Verbindung zu Schiffer, die ihr unbestreitbare materielle Vorteile verschaffte.

    Die vom War Crime Branch durchgeführten Ermittlungen sind eine wertvolle Quelle, und gemeinsam mit weiteren in diesem Buch vorgelegten Dokumenten erlauben sie es endlich, ein umfassendes Bild von der Geschichte des Bozner Lagers, seiner Funktionsweise und den darin begangenen Verbrechen sowie den beteiligten Personen zu zeichnen. Doch es gibt noch weitere bislang unveröffentlichte Dokumente, die einem Zufallsfund zu verdanken sind: Im Jahr 2000 kamen sie in Mailand inmitten alter Unterlagen aus der Druckerei des katholischen Antifaschisten Sady Francinetti, in der für den Widerstand Untergrundmaterial gedruckt worden war, zum Vorschein. Alle für den Druck notwendigen Maschinen und Materialien waren im April 1944 von den deutschen Nationalsozialisten eingezogen und zunächst im Lager von Fossoli, dann in jenem von Bozen eingesetzt worden. In den 1960er-Jahren waren sie zum Teil an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben worden, gemeinsam mit einer Mustersammlung von den in den beiden Lagern angefertigten Drucken. Diese Blätter liefern uns zum ersten Mal einen detaillierten Einblick in die Bürokratie, den Alltag und die Zeitpläne des Lagers.

    Auf Grundlage all dieser neuen Quellen ist dieses Buch entstanden, unterteilt in fünf Kapitel:

    Das erste setzt mit der Darstellung der Organisation der NS-Polizei in der Operationszone Alpenvorland ein, um dann chronologisch die Geschichte des Lagers und der dort begangenen Verbrechen darzulegen.

    Das zweite Kapitel widmet sich den Biografien der wichtigsten Täter und Täterinnen, es greift dafür beinahe ausschließlich auf Verhörprotokolle zurück und liefert somit den Blick der Beteiligten, also die nationalsozialistische Innensicht auf das Lager.

    Das dritte Kapitel widmet sich der Judenverfolgung in Meran.

    Das vierte Kapitel rekonstruiert auf Grundlage von Fotografien die Freizeitbeschäftigungen des Führungs- und Wachpersonals, das sich bei Ausflügen aufs Südtiroler Land mit Freundinnen amüsierte, dann aber im Lager folterte und tötete. Dieses Kapitel zeigt auch Aquarellzeichnungen, die aus der pseudosatirischen Zeitschrift des Lagers stammen, deren Lektüre ebenso zur Freizeitbeschäftigung der Täter und Täterinnen zählte. In dieser sogenannten Bierzeitung wurde vor allem über Kollegen und Kolleginnen hergezogen. Die Zeichnungen sind von vortrefflicher Qualität, aber es ist nicht klar, wer sie angefertigt hat.

    Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Geschichte der Lagerdruckerei und mit den Originaldokumenten, die in der bereits erwähnten Druckerei „Francinetti" aufgefunden wurden. Die getroffene Auswahl der Abbildungen soll ein Bild der deutschen Bürokratie und ihres Räderwerks vermitteln, das Tausende Menschenleben zermalmte.

    Einige der Originaldokumente, wie die Erinnerungen von Paula Plattner, Albino Cologna und Karl Pittschieler, wurden von ihnen selbst auf Italienisch voller Fehler niedergeschrieben, während einige Verhörprotokolle, wie jene von August Schiffer und Karl Titho, vom Deutschen ins Englische und danach ins Italienische übersetzt wurden, sodass einige Textstellen verunklärt wurden. Wo es das Sinnverständnis oder das Abgleichen mit dem englischen Original ermöglichte, wurden Korrekturen vorgenommen; wo es möglich war, wurde der in den Archiven erhaltene Text beibehalten.

    Die Geschichte des Lagers

    Der NS-Sicherheitsdienst in Südtirol

    Bereits vor dem 8. September 1943 waren deutsche Truppen und Polizeiverbände in Italien präsent, etwa in der Institution des Polizeiattachés. Unmittelbar nach dem 8. September gab der Reichsführer SS und Reichsminister des Inneren, Heinrich Himmler, den Befehl, Leute der Sicherheitspolizei (SiPo) und des Sicherheitsdienstes (SD) in das gesamte besetzte Gebiet in Italien einzuschleusen.¹

    SS-Obergruppenführer Karl Wolff² wurde zum Höchsten SS- und Polizeiführer in Italien und Wilhelm Harster³ zum Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) in Italien mit Sitz in Verona ernannt. Letztgenannter hatte die gleiche Position bereits in den Niederlanden innegehabt, wo er ein dichtes Unterdrückungsnetz gesponnen hatte und für die Deportation von Hunderttausenden Juden und Jüdinnen, vorwiegend nach Auschwitz, verantwortlich gewesen war. In Italien ging er nach dem zuvor in den Niederlanden erprobten Schema vor und richtete dem BdS unterstellte „Außenkommandos (AK) und „Außenposten (AP) ein.⁴ Ihm unterstanden auch das Konzentrationslager Fossoli bei Carpi in der Nähe von Modena und später jenes von Bozen. Harster gehörte zu den Hauptverantwortlichen für die Deportationen und Massaker, die in Italien während der deutschen Besatzung verübt wurden. Er nahm Einfluss auf die Ernennungen von SD-Funktionären, um mit den von ihm gewünschten Leuten eine schlagkräftige und ihm gegenüber loyale Polizeistruktur aufbauen zu können. So hatte er auch die Peripherien effizient unter

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