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Supposed to be Happiness: Roman. nexx edition – WIR BRINGEN BÜCHER IN DIE WELT
Supposed to be Happiness: Roman. nexx edition – WIR BRINGEN BÜCHER IN DIE WELT
Supposed to be Happiness: Roman. nexx edition – WIR BRINGEN BÜCHER IN DIE WELT
eBook369 Seiten5 Stunden

Supposed to be Happiness: Roman. nexx edition – WIR BRINGEN BÜCHER IN DIE WELT

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Über dieses E-Book

Wenn Du nur eine Marionette an fremden Fäden bist – woher weißt Du, welche Entscheidungen wirklich die Deinen sind?

June ist mit Stefan aus den Flitterwochen heimgekehrt. Heim, das bedeutet für sie triste Realität inmitten der hell funkelnden Lichter der High Society, deren fragwürdigen Glanz sie verabscheut. Durch ihre Unterschrift auf einem kleinen Stück Papier mit riesigen Auswirkungen hängt sie in Stefans Fängen – doch Daniel, stets als Schatten an der Seite ihres Mannes, wirft loderndes Licht in ihr düsteres Dasein.

Ist die flammende Leidenschaft zwischen ihnen eine gute Basis für das zarte Sprießen einer Zukunft oder wird der Sog aus düsteren Vergangenheiten, gepaart mit wahnwitziger Kontrolle und Eifersucht, alles zerstören?

Mit der nexx edition bringen wir Bücher in die Welt – ohne Umwege, vom Autor direkt zum Leser. Erleben Sie diese besonderen Bücher und entdecken Sie ihre faszinierenden Geschichten für sich!

nexx edition – WIR BRINGEN BÜCHER IN DIE WELT
SpracheDeutsch
Herausgebernexx verlag
Erscheinungsdatum26. Apr. 2024
ISBN9783958706989
Supposed to be Happiness: Roman. nexx edition – WIR BRINGEN BÜCHER IN DIE WELT
Autor

Madelaine Harder

Madelaine Harder wurde 1995 im schönen Schwarzwald geboren, wo sie auch heute noch mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Drogistin. Mit "Supposed to be Happiness" knüpft sie an ihren Debütroman an und arbeitet das Herzstück ihrer "Shaded Hearts"-Trilogie aus, fernab von festen Genres, mitten aus dem Leben und doch fiktiv.

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    Buchvorschau

    Supposed to be Happiness - Madelaine Harder

    Für dich, lieber Leser.

    Was immer du dir vornimmst, was immer du träumst zu tun, tu es. Lass dich nicht aufhalten, nicht einmal von dir selbst. Wenn du an dir zweifelst, dir sagst, du könntest das nicht – überrasche dich selbst doch einfach damit, dass du es tust.

    Ich glaube an dich.

    Stay safe und lies bitte die Triggerwarnung auf der letzten Seite.

    Prolog

    Wenn du in den Spiegel schaust – was siehst du?

    Nimmst du deine Reflexion als das, was sie ist wahr, ein genaues Abbild deines Äußeren?

    Oder ist es vielmehr so, dass deine Wahrnehmung das Bild verzerrt, beeinflusst von den Aussagen, die andere über dich tätigen? Von Werten, die von außen so oft auf dich eindringen, dass du sie als die eigenen manifestiert hast?

    Dass du dich selbst anders wahrnimmst, basierend auf dem, was du dir jeden Tag ansiehst, was du konsumierst, immer wieder aufs Neue, Models, scheinbar perfekte Menschen in den sozialen Medien, Filmstars?

    Neigst du nicht dazu, deine Normalität mit den perfekt in Szene gesetzten Inszenierungen von Instagram zu vergleichen? Siehst du plötzlich Mängel, wo eigentlich keine sind? Findest du dich zu dick oder zu dünn, obwohl du absolut in der Norm liegst?

    Betrachtest du dich voller Zweifel, voller Verachtung, wo doch du gerade der Mensch sein solltest, der dich bedingungslos liebt? Wo gerade dieser Körper, dein Körper, jeden Tag für dich da ist, dich atmen, das Leben erleben lässt?

    Wenn du in den Spiegel siehst, dann nimmst du nicht immer das wahr, was er dir wirklich zeigt.

    Du siehst, was du sehen willst.

    Siehst all deine Mängel, siehst deine Makel, vergisst, dass deine Imperfektionen dich perfekt, einzigartig machen.

    Ich weiß das, bin mir dessen jedes Mal bewusst, wenn ich die Reflexion meines Gesichtes in einer spiegelnden Oberfläche sehe.

    Nicht, dass ich davor gefeit wäre, solche Gedanken zu haben. Ich sehe auch nicht, was der Spiegel zeigt. Ich sehe nicht die fein lächelnde junge Frau, nicht die strahlenden Augen, die beschwingten Bewegungen.

    Ich sehe eine Gefangene, grau und verhärmt.

    Eine Marionette an Fäden, gespielt und manipuliert.

    Ich sehe das, was andere aus mir machen. Ich sehe, wie andere mich biegen, wie nassen Ton in die richtige Form pressen.

    Was ich sehe, bin nicht länger ich.

    Und je länger ich in den Spiegel sehe, desto mehr verliere ich mich.

    Bis nichts mehr von mir da ist.

    Wer bin ich?

    Kapitel 1

    Die blonde Dame vor mir mit dem beinahe obszön tiefen Ausschnitt lachte ein wenig zu laut, zu schrill und winkte dann mit einer in einem samtigen weißen Handschuh steckenden Hand ab.

    Unwillkürlich erwiderte ich ihren gekünstelten Lachanfall mit einem milden Lächeln, das garantiert etwas säuerlich pikiert angehaucht war.

    Nichts von dem, was ich in den letzten Minuten geäußert hatte, war so amüsant gewesen, dass ein solches Spektakel gerechtfertigt schien. Ich war mir absolut sicher, dass sie mir noch nicht einmal zugehört hatte.

    Aber Victoria stand unglaublich gerne im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Vermutlich hatte sie für ihren Geschmack ein paar beiläufige Blicke zu wenig von den anderen Anwesenden erhascht, war zu wenig von der männlichen Prominenz mit schmachtenden Blicken bedacht worden und hatte somit das unaufschiebbare Bedürfnis ein wenig nachzuhelfen.

    „Meine Güte, was bist du nur witzig, June! Eine wahrhaftige Komödiantin", verkündete sie lautstark, noch atemlos von ihrem hellen Glucksen. Mit der einen Hand griff sie nach meinem Unterarm, um ihn gönnerhaft zu streicheln, mit der anderen wischte sie sich scheinbar Lachtränen aus den faltenfreien Augenwinkeln und nutzte die Gelegenheit, um sich unauffällig umzusehen.

    Ich seufzte lautlos und starrte auf meine Fußspitzen, gezwungen geduldig abwartend.

    Mein Gegenüber schien mit ihren Beobachtungen zufrieden, denn sie ließ meinen Arm ruckartig wieder fahren, als sei es unaussprechlich, mich zu lange zu berühren und räusperte sich mädchenhaft, blinzelte mich lächelnd an.

    „Nun, wo waren wir? Ach ja, ich erzählte soeben von Alessandro. Ach, was für ein Gott mit dem Pinsel!"

    Ich verkniff mir die scherzhafte Frage, von welchem Pinsel sie angesichts ihrer Schwärmereien denn genau sprach, um nicht wieder einen hysterischen Kicheranfall hervorzurufen und wartete müßig auf eine Fortsetzung ihres Monologs.

    Herrgott, wie lange konnte sich ein Abend ziehen?

    Wieso glich die Zeit mit einem Mal einem endlosen schwarzen Loch?

    „Unser Schlafzimmer glich einem Schlachtfeld, bevor er sich dessen annahm und nun ist es mein liebster Raum im ganzen Haus. Ich übertreibe absolut nicht, wenn ich behaupte, dass ich mich am liebsten den ganzen Tag darin aufhalten würde. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich sogar meine Gäste im Bett empfangen würde!"

    Ob sie sich wohl selber zuhörte? Oder schaltete ihr Gehirn ab, sobald sie den Mund öffnete, wie ein Notausschalter quasi?

    Ich starrte sie mit leicht zusammengekniffenen Augen an, versuchte ein weiteres Mal zu ergründen, was hinter den kornblumenblauen Augen lag, ob dort überhaupt etwas war. Aus Victoria Langley wurde man einfach nicht schlau. Entweder war sie dumm wie zwei Zentner Kieselsteine, oder aber – was unglaublich schockierend wäre – sie war intelligent genug, sich so dumm zu stellen, dass absolut niemand auch nur den Hauch einer Erwartung an sie hatte.

    Das Outfit, welches sie für den heutigen Abend gewählt hatte, bestätigte auf jeden Fall, dass sie nur zu gerne Gäste in ihrem Bett empfing. Bei jedem tiefen Atemzug befürchtete ich, das korsettartige Oberteil ihres Kleides würde den Kampf mit der Schwerkraft verlieren und mir mit lautem Knall ihre ausladenden Brüste um die Ohren hauen.

    Das wäre auf jeden Fall etwas Neues.

    Und vermutlich wäre jeder Mann hier im Raum neidisch auf mich. Ich rückte unauffällig ein wenig von ihr weg.

    Ihr Lobgesang auf ihren neuen Innenarchitekten schien kein Ende zu nehmen. Ich lächelte höflich und nickte ab und an, beantwortete etwaige Fragen schnell mit zurückhaltender Freundlichkeit, ohne meine wahren Gedanken preis zu geben (bei Frauen wusste man schließlich nie …). Dann und wann streute ich ein ‚Ah, interessant!‘ und ein ‚Oh, das klingt wundervoll, absolut bezaubernd!‘ ein, um ehrlich interessiert zu wirken.

    In Wahrheit war ihr Monolog so einnehmend, als würde sie aus einem Wörterbuch vorlesen. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich dabei mit Sicherheit etwas lernen würde.

    Es erstaunte mich selbst, wie leicht es mir fiel, Neugierde zu heucheln, mein Gegenüber in vollkommenes Wohlwonnen zu tauchen, wie einfach es war, eine Fassade zu errichten, eine komplett andere Rolle zu spielen. War das tatsächlich eine Frage der Übung oder verwandelte ich mich langsam in eine andere, deutlich dunklere und lebensmüdere Version von mir selbst?

    Andererseits war ich es seit frühester Kindheit gewohnt, dass ich – mein richtiges Ich – nicht angemessen, nicht erwünscht war. Ich versteckte mich doch schon immer hinter einer June, die gesellschaftlich akzeptabel war, was auch immer das bedeutete – war ich nicht genau deswegen in der Lage, in welcher ich mich nun wiederfand?

    Wie ein Wasserfall perlte ihr Wortschwall an mir ab, ohne mich auch nur im Geringsten zu berühren, so versunken war ich in meinem eigenen Gedankensumpf, bis ein Satz mich wieder an die Oberfläche zog.

    „Wirklich schade, dass sein Sexualleben so abstoßend ist", die Blondine seufzte theatralisch tief auf – Vorsicht, die Brüste, Achtung, das Oberteil! – und ich verschluckte mich augenblicklich an dem tiefdunklen Wein, an welchem ich geistesabwesend genippt hatte.

    Ich schaffte es geradeso, die brennende Flüssigkeit hinunter zu würgen, ehe ich husten musste. Prustend atmete ich aus, mitfühlend, aber federleicht, tätschelte Victoria meinen Rücken. Mit tränenden Augen räusperte ich mich ein letztes Mal.

    Sexuell abnorm? Von wem genau sprachen wir mittlerweile?

    „Ich muss dich wohl falsch verstanden haben, was sagtest du gerade?", keuchte ich, als ich endlich wieder Luft bekam.

    Verfluchter Wein. Verfluchter Tratsch.

    Victoria musterte mich mit großen, runden Augen und nickte dann verschwörerisch, verzog ihre perfekt geschminkten vollen Lippen zu einem perfekten kleinen Schmollmund, ihre perfekt gezupften Augenbrauen verschmolzen beinahe mit ihrem perfekten Haaransatz. Überhaupt schien alles an ihr so perfekt und makellos, ob das wohl sehr teuer gewesen war?

    „Aber ja, meine Liebe, der Gute ist vom anderen Ufer!" Sie seufzte wieder.

    Ach, wir redeten noch von dem guten Alessandro. Und die liebe Victoria hatte sich eben als gänzlich imperfekt homophob geoutet.

    Beruhigte mich das etwa?

    „Stell dir einmal vor, da bespreche ich gerade mit ihm die Farbauswahl für das Wohnzimmer, er sieht wie immer anbetungswürdig aus, mit seinem offenen Hemd, der bloßen Brust, den vollen Lippen, diesen halblangen, wilden Haaren und ich, ja auch ich sehe einfach bezaubernd aus mit meinen … Sie lächelte verschämt und verdrehte die Augen blinzelnd gen Decke „nun ja, ich bin einfach ich selbst mit all meiner überwältigenden Weiblichkeit, du weißt schon, und er scheint es gar nicht zu bemerken. Dann kommt mein Mann aus der Dusche und Alessandro, nun, er war gänzlich aus dem Häuschen, lief ihm direkt hinterher, wie so ein spitzer Hund, er müsse dringend mit ihm reden, ließ ihm nicht einmal Zeit, sein Handtuch gegen eine Hose zu tauschen!

    Sie schnaubte gänzlich undamenhaft und zog wieder diesen Schmollmund, ihre verrucht geschminkten Augen glänzten verräterisch. Garantiert bekam sie auf diese Weise immer, was sie begehrte, zumindest von der Männerwelt.

    „Eine unglaubliche Schweinerei, ich musste ihn natürlich sofort entlassen! Ach, ich bin so unglücklich, nun werde ich nie erfahren, was er mit seinem Pinsel alles hätte vollbringen können …"

    Okay, das konnte sie einfach nicht ernst meinen.

    Doch sie belehrte mich auf der Stelle eines Besseren.

    Sie errötete ganz entzückend und fächerte sich schniefend Luft zu, ihre Augenlider flatterten. Jetzt fehlte nur noch, dass sie sich eine Hand an die Stirn legte und ganz reizend in Ohnmacht fiel – was sich ein nicht unerheblicher Teil von mir tatsächlich wünschte, auf dass ich endlich von ihrem endlosen, nervtötenden Geplapper erlöst wäre.

    Warum genau tat ich mir das hier überhaupt an? Warum ging ich nicht einfach weg, weit weg, ganz weg, ließ all diesen falschen Glanz, das affektierte Zurschaustellen, hinter mir?

    Ich hatte die von ihr so bunt beschriebene Szene tatsächlich so lebhaft vor meinem inneren Auge, als sei ich selbst dabei gewesen. Die liebreizende Victoria in einem ihrer knappen Röcke, kaum breiter als ein Gürtel, die Bluse aus Versehen ein wenig zu weit aufgeknöpft – das konnte ja mal passieren – so weit über den Tisch gelehnt, dass ihr beinahe die mit ziemlicher Sicherheit falschen Brüste aus dem sündhaft teuren BH fielen, ganz entzückend an dem blondierten Haar zupfend – und ihr gegenüber ein stoisch dreinschauender Alessandro, den ihre Reize vollkommen kaltließen.

    Was für ein Schock für das sanfte Gemüt der zartbesaiteten Victoria.

    Fast, nur fast, empfand ich Mitleid für den wahrhaft tiefsitzenden Schock, dass nicht alle Männer ihr verfielen.

    Dass nicht alle Männer triebgesteuerte Idioten waren.

    Begütigend legte ich ihr nun meinerseits eine Hand auf den Arm und lächelte sie mitfühlend an. Es war vielleicht ein wenig herablassend von mir, aber irgendwie mochte ich ihre Gesellschaft doch ein wenig – sie war definitiv urkomisch und ich lachte gern, wenn sie ihre Geschichten erzählte.

    Natürlich mehr über sie und auch eher still und heimlich in mich hinein, aber auch das war doch eine Basis für … wie auch immer man unsere Art der Bekanntschaft nennen mochte.

    Sie war wie ein lebendiges Mahnmal für eine Person, zu der ich niemals werden wollte.

    „Victoria, mein liebster Sahnepo, stimmt irgendetwas nicht mit dir?"

    Nun kam der zweite Part des entzückenden Duos, ihr Mann, mit besorgtem Blick auf uns zugeeilt. Ich hatte seinen Namen nun bereits das dritte Mal vergessen, er langweilte mich über alle Maßen. Eigentlich war er recht ansprechend, groß und athletisch gebaut, mit kurzem, blondem Haar und stechend grünen Augen – wäre da nur nicht diese scheinbar bodenlose Dummheit gepaart mit einer allesübertreffenden Arroganz, was ihn unglaublich unattraktiv werden ließ.

    Wie nur, wie hatte es dieser Mann zum Anwalt gebracht?

    Nun gut, er hatte Geld wie Heu, was vermutlich auch die Ehe mit Victoria erklärte. Bestimmt hatte sie ihn hauptsächlich deswegen geheiratet, sie war auf ihre Art deutlich klüger als er.

    Vielleicht hatte er sich Noten und Abschlüsse erkauft, wer wusste das schon.

    Andere Vorzüge als seine Brieftasche und sein gutes Aussehen schien er nicht zu haben. Ganz im Vertrauen hatte Victoria mir – und den zehn anderen Frauen, die sich zufällig zu diesem Zeitpunkt auch im Zimmer aufgehalten hatten – lautstark erklärt, dass seine Fähigkeiten im Bett ebenso wie er selbst eher wenig interessant ausgebaut waren.

    Auch eine vernünftige Unterhaltung auf Augenhöhe schien nicht möglich, da er Frauen generell als ihm nicht ebenbürtig ansah, ein ganz charmanter Zeitgenosse also.

    Nicht, dass das zu den Dingen gehörte, die mich brennend interessierten, ohne deren Wissen ich nachts nicht schlafen konnte, aber Victorias Mitteilungsbedürfnis konnte man sich schwerlich entziehen.

    Sie schaffte es immer, sich Zuhörer zu verschaffen, nicht immer ganz freiwillig.

    Sein langweiliges Liebesspiel zusammen mit seiner plumpen Art und seiner langsamen Denkweise waren wohl auch der Grund für ihre ständig wechselnden Liebhaber, über die wahrhaft jeder Bescheid zu wissen schien, außer ihr Göttergatte selbst.

    Vielleicht war es ihm auch bewusst – und die Dankbarkeit, sie und ihr Geplapper, ihre zudringliche Art nicht immer ertragen zu müssen, überwog seinen Zorn über die Demütigung.

    Nicht nur einmal hatte sie mich auf eine unerhört intime Weise zu meinem eigenen Mann befragt, nicht nur einmal war ich Zeuge davon geworden, wie sie auch ihn versuchte zu bezirzen – und dabei nicht nur einmal auf Granit gebissen hatte.

    Man konnte Stefan vieles vorwerfen, aber er hatte eine gewisse Klasse, eine gewisse Würde und auch wenn ich das natürlich nicht beurteilen konnte, war ich mir sicher, dass sie weit außerhalb seines Beuteschemas lag. Nicht, dass sich Victoria davon abschrecken ließ, vielmehr fürchtete ich, dass ihr Interesse damit erst geweckt worden war. Die Aussicht auf eine kleine Jagd ließ sie mit Sicherheit die schweren Geschütze auffahren, und wie diese aussahen, wollte ich nicht unbedingt herausfinden.

    Victorias schwächliche, nasale Stimme riss mich erneut aus meinen Gedanken.

    „Mein Liebster, wie unglaublich aufmerksam und süß von dir, dass du dich sorgst! Mir geht es gut, mir wurde lediglich etwas schwindlig, als mir June so wahnsinnig schnell von all ihren Neuigkeiten berichtete. Da hat sich mein Kopf etwas gedreht, ich hab mich ganz schwach gefühlt."

    Ich war mir sicher, dass mein Gesicht für einen Moment genauso verwirrt und abgestoßen dreinschaute, wie ich mich fühlte. Eine Prise von ‚Was zur Hölle?!‘ gepaart mit ganz viel ‚Hat diese verhurte Kuh das gerade wirklich gesagt?‘

    Schnell hatte ich mich wieder unter Kontrolle.

    Nicht aus der Rolle fallen.

    Nicht die Augen verdrehen. Nicht kichern und dann schnell einen Hustenanfall vortäuschen.

    Böse June.

    Lass die Fassade oben.

    Ich zwang mich zu einem mitfühlenden, zustimmenden Nicken und lächelte Mr. Soundso liebenswürdig an.

    Lächeln, nicken, zustimmen, graziös den Kopf neigen, die Hände gefaltet.

    My life in a nutshell.

    Der Strohkopf ergriff die perfekt manikürte Hand seiner Frau und tätschelte sie eifrig, der gewaltige Diamantring an ihrem Finger blendete mich beinahe, garantiert absolut zufällig.

    „Meine Liebe, dein Hang anderen zu helfen, sich gut zu fühlen in allen Ehren, du bist so ein liebevoller, großherziger Mensch. Gott weiß das! Aber deine eigene Gesundheit immer aufs Spiel zu setzen, ist es das wert? Du weißt doch um dein angeschlagenes, schwächliches Wesen, du darfst dich nicht immer so sehr anstrengen! Niemandes Klatsch kann so wichtig sein!"

    Er schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich weiß noch genau, wie lange du auf deinen letzten Pfleger angewiesen warst, wie hieß der Mann doch gleich? Ein Herz von einem Menschen und so bedacht, dich gesund zu pflegen!"

    Hörte er sich selbst zu, war ihm bewusst, was er von sich gab? Was für eine schauerliche Komödie lief hier gerade? Und warum war ich Statist darin, hatte ich dafür unterschrieben?

    Nun musste ich wirklich kämpfen um das Lachen wieder herunterzuschlucken, welches mit Nachdruck meine Kehle emporklettern wollte. Rasch wandte ich mich ab, damit das dubiose Pärchen nicht Zeuge meines breiten Grinsens wurde.

    Natürlich wollen wir nicht, dass Victoria sich einen der falschen Nägel abbricht oder sich gar die aufgespritzten Lippen zerkaut! Es wäre unendlich tragisch, wenn sich nette junge Männer tagelang um sie und ihre falschen Brüste kümmern müssten, nur, weil sie etwas zu sehr zugehört hat!

    Keines der falschen Haare darf sich angesichts von haltlosem Klatsch aus der perfekten Frisur lösen, alleine der Gedanke daran, wäre ein Frevel unmenschlichen Ausmaßes.

    Für kurze Zeit erschien es mir nicht die schlechteste Wahl, selbst eine Ohnmacht vorzutäuschen, um dieser lachhaften Gesellschaft endlich entfliehen zu können.

    Ein tiefes Seufzen entwich mir, welches Mr. Ich-komme-einfach-nicht-auf-den-Namen natürlich falsch auffasste in seiner grenzenlos scheinenden Dummheit.

    „Oh, machen Sie sich keinen Kopf, June. Ich bin Ihnen absolut nicht böse. Nur bitte, denken Sie das nächste Mal an die kränkliche Natur meiner Frau und versuchen Sie, sie nicht zu sehr aufzuregen. Erzählen Sie das nächste Mal doch etwas von … von Blumen oder Tischdecken oder so, ja?"

    Waren das die Themen, welche er der Frauenwelt zutraute? Stricken, kochen, putzen, ein wenig Shopping?

    Ich biss mir auf die Lippe um ihm nicht laut ins Gesicht zu lachen und nickte mit gespielt bedrückter Miene. „Kommt garantiert nicht wieder vor, verzeihen Sie bitte mein unbedachtes Verhalten!"

    Er lächelte breit und begütigend, strich mir für meinen Geschmack etwas zu lang, etwas zu intim über die Schulter, ließ seine Hand dann etwas zu tief über meinen Rücken wandern, als er sich suchend umsah und sich dabei ein wenig zu dicht neben mich stellte. „Sagen Sie June, haben Sie Ihren Mann gesehen? Ich müsste noch die eine oder andere Sache mit ihm besprechen, bevor sich der Abend dem Ende zuneigt."

    Ich rückte zwei Schritte von ihm ab, entzog mich seiner unangenehmen Berührung, während ich ihn mit distanziertem Lächeln ansah. „Er stand vor wenigen Minuten noch an der Marmorsäule dort drüben, rechts von Ihnen."

    Stirnrunzelnd beobachtete ich seinen suchenden Blick, fragte mich unwillkürlich, ob er mich eigentlich für dumm verkaufen wollte. „Das ist links. Rechts ist dort." Er folgte meiner ausgestreckten Hand, tippte sich verlegen mit der rechten Hand an die Stirn.

    „Ach, wie peinlich, danke June. Ich hatte schon immer ein Problem mit den Richtungen, deswegen zieht Victoria auch jedes Navi mir vor. Verschwörerisch grinsend beugte er sich näher zu mir, wieder so nahe, dass ich den Alkohol aus seinem Atem, das Aftershave auf seinen Wangen riechen konnte. Warum musste er mir so auf die Pelle rücken? „Mein Glück, dass der Richter direkt vor mir sitzt, nicht wahr?

    Ich wusste, er wollte einen Scherz machen – mich verblüffte es aber durchaus, dass er noch nie aus Versehen versucht hatte, den Richter anzuklagen oder den tatsächlich Angeklagten mit ‚Euer Ehren’ und einer halben Verbeugung angesprochen hatte.

    Andererseits war dies vielleicht nur noch eine Frage der Zeit. Er zwinkerte mir noch einmal verschwörerisch zu, dann ging er mit beschwingtem Schritt dahin, wo er Stefan vermutete, ließ mich erneut mit seiner gelangweilt dreinblickenden Frau alleine, die unserem Gespräch mit sichtlichem Desinteresse gelauscht hatte, ohne sich über seine halben Annäherungsversuche zu echauffieren. Ich war mir nicht ganz klar darüber, ob ich glücklich darüber war …

    Während Victoria mich nahtlos in einen weiteren Schwall Erzählungen über ihren letzten öffentlich geheimen Liebhaber zu verwickeln versuchte, wanderte mein Blick durch den Raum, überflog dutzende Gesichter, ehe es an dem gesuchten Antlitz hängen blieb.

    Sein Blick verweilte bereits auf mir, seine grünen Augen bohrten sich in meine und ein leichtes, schiefes Grinsen zog sich über seine schönen Züge.

    Unwillkürlich und mit seltsam flatterndem Herzen erwiderte ich es.

    Und wieder fragte ich mich, ob ich mich schon so gut in meine Rolle gefügt hatte, dass ich nur wegen eines Lächelns all den Zwist vergaß, der zwischen uns stand, uns nicht nur minimal trennte, sondern uns förmlich in unterschiedliche Galaxien beförderte, ohne Aussicht auf Zusammenkunft.

    Sehnte ich mich so sehr nach Liebe, dass ich bereit war, über unüberbrückbare Differenzen hinwegzusehen?

    Dass seine unverständliche Eifersucht, sein sprunghaftes, brutales Wesen, seine unvorhersehbar gewalttätige Seite vergleichbar gering erschienen, angesichts der Gefühle, die er vielleicht irgendwann einmal für mich hegen würde, der Gefühle, die eventuell immer noch tief in mir für ihn schlummerten?

    Nachdenklich verweilte mein Blick auf seinem schönen Gesicht, dem man all die düsteren Seiten nicht im Geringsten ansah.

    Vielleicht sollte ich mich um einen Termin bei einem Therapeuten bemühen. Das hier war kein einfaches Trauma mehr, welches ich aus meiner Kindheit bis hierher geschleppt hatte, das schien mir doch eine ausgewachsene Störung zu sein. Ein Stockholm-Syndrom? Verliebte ich mich in meinen Entführer?

    Ich prustete innerlich ob meiner verwirrten Gedanken, was genau sollte ich einem Psychiater denn erzählen? ‚Ich habe Probleme.‘ – ‚Und welche?‘ – ‚Oh, das kann ich Ihnen leider nicht sagen.‘

    Oder anders – das wäre doch eine großartige Idee für einen Actionthriller. ‚Oh, nur zu gerne erzähle ich Ihnen von all meinen Problemen – nur muss ich Sie leider nach Ihren Lösungsvorschlägen töten.‘

    Oder würde Stefan das übernehmen?

    Ich runzelte die Stirn. Nun, nach wie vor berief ich mich damit auf eine von Daniels Aussagen, ich selbst wusste nur, dass er zu Gewalt greifen wollte, mir gegenüber hatte er noch nichts bewiesen, mich nicht einmal angerührt.

    Was man von Daniel nicht sagen konnte.

    Ich atmete laut aus und schüttelte den Kopf, versuchte energisch all die Gedanken zu vertreiben – sie kreisten nicht das erste Mal durch meinen Verstand und auch dieses Mal würde ich zu keiner Lösung kommen. Warum also nicht einfach weitermachen, wie es von mir erwartet wurde?

    Noch immer ruhte mein Blick auf meinem Ehemann.

    Vor ihm stand der Dummkopf und erging sich in endlosem Palaver, was Stefan nur dann und wann mit einem halbherzigen Nicken quittierte, ohne dabei seinen intensiven Blick von mir zu nehmen. Das schien den blonden Hünen allerdings nicht zu stören, er redete unbekümmert weiter, ebenso, wie seine Frau es vor mir getan hatte.

    Ich sandte Stefan ein kleines Augenverdrehen, woraufhin sein Lächeln sich noch vertiefte. Ohne ihn anzusehen legte er dem Idioten eine Hand auf die Schulter und sagte etwas, ehe er ihn ohne sichtliche Anstrengung zur Seite schob und in meine Richtung strebte.

    Eine Hand hatte er locker in eine Tasche seiner Anzughose gesteckt, die andere schwang zwanglos in der Luft, der oberste Knopf seines blütenweißen Hemdes stand offen. Auf eine Krawatte hatte er heute gänzlich leger verzichtet, nur ein Knopf seines makellos sitzenden Sakkos war geschlossen.

    Er sah so unglaublich schön aus, so unverschämt anziehend, während er sich mit graziös-raubtierhaftem Gang näherte, unbeteiligt und zielstrebig zugleich. Das perfekte Chaos der halblangen Haare auf seinem Kopf zusammen mit dem leichten Bartschatten auf seinem scharf geschnittenen Kiefer machten seine unbestreitbar männliche Anziehungskraft perfekt.

    Es war so leicht, sich von all dem Glanz täuschen zu lassen, von all dem Schein und dem ‚Was wäre wenn …‘. Es war so leicht, in Schwärmerei zu verfallen und alles Negative für einen Moment hinter sich zu lassen, wenn man ihn so sah.

    So unfassbar leicht, sich in ihn zu verlieben ...

    Außerdem war es anstrengend, immer nachzudenken. Jeden Schritt zu hinterfragen. Müßig, immer auf den Verstand zu hören, ganz gleich, wie richtig dieser lag. Manchmal tat es gut, sich ganz in ein fernes ‚Vielleicht‘ fallen zu lassen, vollkommen egal, wie unrealistisch dieses war.

    Ich schluckte unwillkürlich, als er schließlich vor mir stand und mir seine freie Hand entgegenstreckte. Ohne seine Augen von den meinen zu nehmen, unterbrach er Victorias wortreichen Wasserfall mit absoluter Bestimmtheit. „Seien Sie mir nicht böse, Victoria, aber ich muss meine Frau nun entführen."

    Schwungvoll wandte sie sich ihm zu, ihr permanent offenstehender Mund klappte endlich einmal zu. Ihre blauen Augen leuchteten auf, als er ihren Namen aussprach und beinahe automatisch leckte sie sich die rot geschminkten Lippen, als hätte sie soeben etwas besonders Leckeres erblickt.

    Ich kannte diesen Blick – sie war auf der Jagd. Der Panther war im Begriff, sich an das wehrlose Beutetier anzuschleichen. Nun, an diesem würde sie sich zweifelsohne die gebleichten Zähne ausbeißen, nicht zuletzt, weil es sich bei der angeblichen Antilope vielmehr um einen verkleideten Löwen handelte.

    Dieser ‚Leckerbissen‘ gehörte zudem mir, zumindest in dieser Gesellschaft, an diesem Abend.

    „Oh, Stefan, ich könnte Ihnen doch niemals böse sein", schnurrte sie mit samtiger Stimme und warf ihm einen verführerischen Wimpernaufschlag zu.

    Pikiert rümpfte ich die Nase, weniger aufgrund der Tatsache, dass ich, seine Frau, verdammt nochmal direkt neben ihr stand, als vielmehr deswegen, dass ich selbst wirkte, als bekäme ich soeben einen Schlaganfall, wenn ich etwas in der Art versuchte. Meine Verführungskünste, so musste ich mir eingestehen, beliefen sich wohl auf einfaches Kleidungausziehen, ohne dabei im Hosenbein hängen zu bleiben und hinzufallen. Eventuell würde ich auch noch die Wollsocken weglassen, wenn es mir wirklich ernst war.

    „Sie können auch mich entführen, zwei Frauen sind immer besser, für den Fall der Fälle, zur Sicherheit gewissermaßen", fügte das Raubkätzchen unterdessen ganz ungeniert hinzu.

    Stefan gönnte ihr nun doch einen Blick aus schmalen Augen, der vor Entrüstung nur so troff. Also ruderte sie schnell ein wenig zurück, doch empfahl sich nicht gänzlich aus diesen zwielichtigen Gewässern. So leicht gab ein passionierter Jäger wie sie nicht auf. „Ich gebe mich auch mit einem Tanz zufrieden. Sie treten mir mit Garantie nicht so oft auf die Zehen, wie mein Mann es immer tut." Nun wagte sie sich noch einen Schritt näher an ihn heran und zwinkerte verschwörerisch, während sie ihm eine Hand auf den Arm legte.

    Ihre Unverfrorenheit nötigte mir einen gewissen Respekt ab, immerhin benötigte es einiges an Mut. Ihr war schon bewusst, dass ich sie sehen konnte, dass ich nicht blind und taub war?

    Wäre ich nicht zu tausend Prozent sicher gewesen, dass Stefan sie nicht bis aufs Blut verachtete, wäre ich garantiert nicht so ruhig geblieben. So allerdings lehnte ich mich nur entspannt zurück und genoss die Show.

    Mit einem unverbindlichen Lächeln schüttelte Stefan ihre zarte Hand wie eine penetrante Fliege ab und zog mich besitzergreifend an seine Seite. Sanft strich seine Handfläche über meine Flanke.

    „Nun, das liegt nicht in meiner Hand, liebe Victoria. Da müssen Sie schon meine Frau fragen. Allerdings nicht jetzt, wenn Sie gestatten", erwiderte er galant und schenkte mir ein strahlendes Lächeln.

    Irgendetwas in meinem Bauch flatterte wie verrückt und ich versuchte mir krampfhaft einzureden, dass es sicherlich keine Schmetterlinge waren, sondern uralte Tauben.

    Da war es wieder, dieses verführerische Vielleicht …

    Ohne Victorias Antwort abzuwarten, zog er mich mit sich.

    „Dir ist bewusst, dass ich ihr keinen einzigen Tanz mit dir gönnen werde, jemals, in unserem ganzen Leben, auf keinem

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