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Spiele entwickeln für iPhone und iPad: Programmierung, Grafik, Sound und Special Effects
Spiele entwickeln für iPhone und iPad: Programmierung, Grafik, Sound und Special Effects
Spiele entwickeln für iPhone und iPad: Programmierung, Grafik, Sound und Special Effects
eBook1.262 Seiten7 Stunden

Spiele entwickeln für iPhone und iPad: Programmierung, Grafik, Sound und Special Effects

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Über dieses E-Book

Die erfolgreichsten Apps für iPhone und iPad sind einfache Spiele, die kurzweilige Unterhaltung bei schneller Erlernbarkeit bieten - sogenannte Casual Games.Patrick Völcker legt den Schwerpunkt seines praxisnahen Einstiegs in die iOS-Spieleprogrammierung daher auf diese Art von Spielen. In Workshops programmieren die Leser anhand von Klassikern wie 'Doodle Jump' oder 'R-Type' über 12 Spiele aus verschiedenen Casual-Games-Genres von Grund auf. Außerdem erlernen Sie das Handwerkszeug für die oft vernachlässigte Grafik- und Sound-Entwicklung und erhalten inspirierende Denkanstöße für eigene Projekte.
SpracheDeutsch
Herausgeberdpunkt.verlag
Erscheinungsdatum19. Okt. 2012
ISBN9783864911774
Spiele entwickeln für iPhone und iPad: Programmierung, Grafik, Sound und Special Effects

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    Buchvorschau

    Spiele entwickeln für iPhone und iPad - Patrick Völcker

    1 Der macht nichts, der will nur spielen ...

    »Der Mensch spielt nur, wo er

    in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist,

    und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«

    (Friedrich Schiller)

    Autsch! Ein Fachbuch über Spieleprogrammierung, das mit einem literarischen Zitat anfängt? Sind Sie sicher, dass Sie das richtige Buch in den Händen halten? Sie wollten doch nur etwas über die Entwicklung von Spielen lernen?

    Ich kann Sie beruhigen, Sie sind hier vollkommen richtig! Spätestens seitdem der Deutsche Kulturrat den Bundesverband der Entwickler von Computerspielen (G.A.M.E.) im August 2008 aufgenommen hat, dürfen wir Spieleentwickler uns als kreative Kulturschaffende bezeichnen. Und mit diesem Hintergrund (und der Tatsache, dass ich in Schillers Geburtsstadt geboren wurde) passt das Eingangszitat zu den folgenden Seiten, in denen Sie und ich eine ganze Menge über Spieleentwicklung für iPhones und iPads lernen werden.

    Dabei werden wir andere Wege gehen als vergleichbare Bücher. Normalerweise werden ein bis zwei Spiele von Anfang bis Ende durchprogrammiert, und zum Schluss haben Sie ein Spiel auf Ihrem Handy, welches alle wichtigen Elemente enthält ... außer dem Spaßfaktor. Es bringt Ihnen nichts, wenn Sie ein Jump’n’Run programmieren möchten, in einem Buch aber nur Kenntnisse darüber erhalten, wie Tetris-Steine am einfachsten zu steuern sind. Da allerdings kaum ein Spiel alle Anforderungen abdeckt, werden wir auf den folgenden Seiten insgesamt über 12 Spiele »nachbauen«, um diese Techniken eventuell in Ihre eigenen Ideen einfließen zu lassen. Diese Spielauswahl ist nicht nur zufällig gewählt, sondern orientiert sich stark an realen Vorbildern, die ihre Erfolge entweder im App Store oder ganz allgemein auf anderen Plattformen mehrfach bewiesen haben. Dabei geht es mir mehr ums A als ums O, also mehr ums KApieren als ums KOpieren der Strukturen, die einem jeden Spiel zugrunde liegen.

    Der Vorteil: Sie erhalten so einen großen Überblick über die verschiedenen Techniken und können sie auf Ihre eigenen Ideen anwenden. Den Nachteil dieser Methode möchte ich auch nicht verschweigen: Sie werden nicht alles vorgekaut bekommen, sondern müssen dabei viel Wissen transferieren, denn aufgrund der Vielfalt werden wir die Spiele auch meist nur als Fragment und nicht komplett zu Ende programmieren (z.B. nur die ersten zwei Level oder drei unterschiedliche Plattformen, die restlichen können Sie dann nach eigenen Ideen gestalten). Sie haben sicherlich sowieso schon Ihre eigenen Ideen im Kopf und benötigen deswegen nur die grundsätzlichen Spielprinzipien in Codeform. So werden Sie ein durchgestyltes Head-up-Display (HUD) nur einmal implementieren »müssen«. Es ergibt in meinen Augen keinen Sinn, dieses in jedem Spiel vollständig zu implementieren (wir werden uns stattdessen in den meisten Workshops auf die ästhetisch unanspruchsvolle, aber einfache Ausgabe per UILabel beschränken). Wir würden uns nur wiederholen, unnötig Seiten vollschreiben und wieder für ein paar Bäume weniger im Regenwald verantwortlich sein. Stattdessen verweise ich einfach auf die behandelnden Kapitel im Buch und belasse den Code einigermaßen kurz und übersichtlich.

    Hiermit lade ich Sie also ein, auf den folgenden Seiten einen Blumenstrauß an Grundlagen der Spieleprogrammierung zu erarbeiten, die sich doch beträchtlich von der Programmierung »normaler« Apps unterscheiden. Wer einen einfachen 2D-Shooter programmieren möchte, muss sich nicht nur in Sachen Prozessorleistung gut auskennen, er sollte auch perfekt mit der Speicherverwaltung jonglieren und flüssige Animationen programmieren können, mit ViewControllern arbeiten und Ahnung von Benutzerfreundlichkeit haben. Von der Anbindung der Spielerdaten an eine Datenbank samt Verwaltung und der Verbindung mit sozialen Netzwerken ganz zu schweigen. Wer dann noch gute Grafiken zeichnen und seine Titelbilder und Level mit flotter Musik unterlegen kann, hat aus technischer Sicht schon halb gewonnen. Doch die andere Hälfte hat es ebenso in sich: Wie werden gute Level entworfen, was muss ein gutes Leveldesign auszeichnen, damit die Spieler lange daran Spaß haben? Und vor allem: Wie kann man das Spiel so gestalten, dass es überhaupt Anklang in der Spielergemeinde findet?

    Na, wenn der das sagt ...

    Die Gamer-Legende John Carmack, der Erfinder des ersten 3D-Ego-Shooters »Doom«, sagte Ende 2011 in einem mit spiegel.de geführten Interview: »Spielentwicklung ist viel anspruchsvoller als Raketenforschung. Das klingt lächerlich, stimmt aber. Wenn man die Programmierung zusammenrechnet, die für das Apollo-Programm nötig war, dann ist das ein winziger Bruchteil dessen, was wir heute in einem Spiel machen.« (www.spiegel.de/netzwelt/games/0,1518,787621,00.html)

    Viele wichtige Bereiche der Programmierung müssen also nicht nur unter einen Hut gebracht werden, sie sollten auch noch sehr performant miteinander harmonieren. Kurz: Wenn die Entwicklung von Kalendern und Kompassen zum Pflichtprogramm eines Programmierers gehört, dann ist die Spiele- neben der Demoentwicklung schon immer die Kür gewesen! Selbst Casual Games fordern Entwicklern einiges ab.

    Am Anfang eines jeden guten Spiels stehen natürlich immer erst mal eine sehr gute Idee und die technischen Grundlagen. Das Letztere bringen Sie mit, und mit dem Rest wie Ideenfindung und dem Game-Design-Dokument beschäftigen wir uns nun kurz auf den nächsten Seiten, bevor wir dann in »Level I« (ab S. 41) so richtig loslegen können.

    2 Loading ... Von der Idee bis zum Game-Design-Dokument

    2.1 Inspiration – Woher nehmen?

    Womöglich haben Sie bereits eine geniale Idee im Kopf, die Grafiken sind auch schon vorbereitet, und nun warten Sie nur noch auf den Startschuss? Herzlichen Glückwunsch!

    Oder haben Sie alle Pflichttutorials, die man als Programmiereinsteiger von Objective-C angeboten bekommt, nachprogrammiert und erweitert, vom Kompass über ein einfaches Adressbuch bis zur Kamera-App? Und nun möchten Sie endlich den Pflichtteil hinter sich bringen und mit der Kür – Ihrem eigenen Spiel – beginnen und brauchen dafür nur noch eine Idee?

    Von Tetris-Clones haben sicherlich nicht nur Sie genug, und wenn Sie mit Ihrem Spiel bei der Fülle an Konkurrenzprodukten Erfolg haben wollen, müssen Sie auffallen. Da spielen spätestens bei der Veröffentlichung natürlich auch Marketingstrategien eine Rolle, aber wenn man nur ein sehr geringes Budget hat, dann muss sich das Spiel auch ohne Werbung vom Rest durch etwas abheben, was auch gerne als der Heilige Gral bei der Entwicklung von Spielen betrachtet wird: der außergewöhnlichen Spielidee und einem kreativen Gameplay. Nur mit diesen beiden Zutaten erreicht man einen viralen Effekt (kostenlose Werbung in Form von Empfehlung von Freunden), der die Verkaufszahlen steigen lässt, weil die Spieler gerne weitererzählen, wenn ihnen etwas Spaß macht, sie andere daran teilhaben lassen wollen oder sich mit ihnen darin gar duellieren möchten.

    Die letzten Sätze klingen nun sogar für binsenweisheitliche Maßstäbe ziemlich abgedroschen, und man kommt nach den sehr vielen innovativen Spielideen, die in den ersten beiden Jahren nach der Einführung des iPhones auf den Markt kamen, schnell in Verlegenheit zu sagen, dass aus dem Gerät nicht mehr viel spielerische Innovation herauszukitzeln ist.

    2.1.1 Inspiration von der Technik

    Tatsächlich sind viele grundsätzliche Spielideen erst möglich geworden, weil das iPhone mit dem Touchscreen, dem Kompass, dem Accelerometer und dem Weglassen der üblichen Buttons und Tasten neue Interaktionsfeatures erforderte bzw. ermöglichte, die große Handhelds wie der Nintendo DS oder die Playstation Portable bis dato nicht boten. Klassiker wie »Flight Control«, »Doodle Jump«, »Mega Jump«, »Rope’n’Fly«, »High Noon«, »Fruit Ninja«, »Angry Birds« oder »Labyrinth« waren die Vorreiter einer anschließenden Flut von vielen kreativen Mobile Games, die vor allem Casual Gamer begeisterten und für extrem hohe Downloadzahlen im App Store sorgten (und ihren Erfindern ein paar Geldsorgen weniger bereiteten).

    Dank Apple kommt mittlerweile mindestens einmal im Jahr ein neues Gerät der mobilen Produktpalette heraus, das bislang immer ein derart innovatives Feature beinhaltete, dass sich völlig neue Spielgenres oder zumindest Steuerungsmöglichkeiten auftaten (z.B. »Siri«). Man kann darauf vertrauen, dass diese jähr-lichen technischen Updates weitergehen werden, zumindest so lange, wie Apple seine Spitzenmodelle nicht mit einem 3D-Display, einem eingebauten Scanner oder einen Beamer ausgestattet hat. Deren spielerisches Potenzial zu erkennen und darauf frühzeitig ein Spiel oder eine Fun-App zu entwickeln, welche nur mit diesem Feature (und nicht nur der reinen Innovation zuliebe) Sinn ergeben oder gar Spaß bereiten, das ist nach wie vor einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg eines iPhone-Games.

    Erst waren es nur der Touchscreen (»Flight Control«, »Fruit Ninja«) und der Accelerometer bzw. Beschleunigungssensor (»Labyrinth«, »Doodle Jump«, »Mega Jump«), die der mobilen Spielewelt neue Spielideen ermöglichten. Damit waren nun Mobile Games mit völlig neuen Bedienkonzepten möglich, vom einfachen Ziehen einer Figur mit einem Finger (Dragging) über Pinchen bis zur einhändigen Steuerung, indem man nur das Gerät in eine Richtung kippen musste. Auch wurde dem Spieler durch diese Techniken mehr (intuitives) Geschick bei der Steuerung abverlangt als bislang beim bloßen Drücken von Knöpfen oder Tasten wie bei anderen mobilen Endgeräten. Der Touchscreen beschleunigte generelle Spielweisen auch im Vergleich zu herkömmlichen Desktopspielen, denn nun kann der Spieler mit seinem Finger schneller auf Situationen reagieren und muss nicht erst umständlich den Mauszeiger grobmotorisch an eine bestimmte Position bringen, um dort reagieren zu können. Durch die Multitouchfähigkeit ist durch Gesten auch mehr Aktionsmöglichkeit als bislang mit nur einem Mauszeiger gegeben.

    Die sehr gute GPS-Ortsbestimmung des iPhones machte die bislang nur in Nerd-Kreisen bekannten LBS-Games (Spiele, die Location Based Services nutzen) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

    Durch den größeren Bildschirm des iPads wurde die Spielfläche größer, damit war es nun möglich, zu zweit gleichzeitig auf einem Spielfeld zu agieren. Ganze Brettspiele konnten damit nun mobil sinnvoll umgesetzt werden.

    Mit dem Gyroskop im iPhone 4 kam die Bestimmung der Rotation hinzu, die sich allerdings bislang erst bei Location-Based-Services-Apps wie »Layar« oder Augmented-Reality-Apps sinnvoll einsetzen ließ. Und mit einer Kamera, die auch Bilder auf der Frontseite empfangen kann, tun sich völlig neue Spielideen auf, die mit der bisherigen Kamera nicht möglich waren, weil der Spieler nun sein eigenes Gesicht ins Spielfeld rücken kann, welches seit der Einführung des iOS 5 mit der Gesichtserkennung des Core Image Frameworks mehr an Bedeutung gewinnen wird und so den Spieler Teil des Spiels werden lässt (Stichwort »Augmented Reality«). Zukünftige Versionen des iPhones oder des iPads (oder AppleTVs) werden sicherlich weitere innovative Sensoren und Gadgets haben, für die es bislang keine herkömmlichen Spielideen oder -konzepte gab.

    Interessiert man sich als Game Designer und Programmierer ab der Präsentation neuer Geräte für deren neue Features und kann sich erste Gedanken über deren Funktionalität und deren Einsatz in einem Spiel machen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Early Adopters – also die ersten Besitzer der neuen Geräteversion – sich genau diese Software herunterladen, um ihren Freunden auf unterhalt-same Weise zu zeigen, was das neue Gerät kann.

    Wichtig bei all dem ist aber: Um langfristig Erfolg zu haben, muss die Steue-rung über den neuen Sensor sinnvoll und darf nicht nur Mittel zum Zweck sein (also nicht: »Schau mal, damit kann man es auch steuern. Ist zwar nicht so praktisch, aber es geht!«).

    In allererster Linie muss man sich bei der Entwicklung neuer Aktionskonzepte fragen, ob nicht eine der bisherigen gängigen Steuerungsmöglichkeiten wie Dragging, Touching oder über den Accelerometer je nach App sinnvoller wäre. Ist dies der Fall und fühlt sich die Steuerung damit intuitiver an, kann man die »neue« Idee getrost verwerfen, denn dann leidet die Benutzerfreundlichkeit, und das vermeintlich innovative Feature ist gar nicht mehr so toll und sorgt sogar für Frust beim Spieler.

    Technik als Selbstzweck

    Ein Beispiel für misslungene Benutzerfreundlichkeit ist z.B. das Konzept, mit dem iPhone Pingpong zu spielen und das iPhone dabei tatsächlich wie einen Schläger zu halten und zu nutzen, mit Rückhand, Schmettern und allem Drum und Dran. An sich eine tolle Idee, die ja auch auf der Spielkonsole Wii hervorragend funktioniert. Nur fallen bei intensiver Betrachtung gleich mehrere Nachteile auf:

    Wenn ich das iPhone wie einen Tischtennisschläger halte, sehe ich auf dem Display weder, wo sich aktuell der Ball befindet, noch habe ich als Spieler Übersicht über die Tischtennisplatte. Zudem sind Spiele mit solchen Steuerungskonzepten (und das ist für Casual Games fast zwingend erforderlich) in einer U-Bahn nur schwer spielbar, ohne andere zu verletzen. Und zu schlechter Letzt: Schneller kann man sein iPhone nicht schrotten, als wenn man es bei einem Schmetterschlag aus Versehen aus der Hand gleiten und an der gegenüberliegenden Wand oder im gegenüberliegenden Gesicht zertrümmern lässt.

    Aus diesen Gründen musste ich einmal einen lukrativen Programmierauftrag zurückweisen: Der Kunde wollte eine Art iPhone-Version des One-Player-Strand-tennis haben, also diese Tischtennisschläger, an denen direkt an der Schlagfläche ein Gummiball an einem Gummiband befestigt ist und mit dem man versuchen muss, den Ball so oft wie möglich im richtigen Takt zu schlagen und aufzufangen ... also sehr, sehr casual!

    Die Schlagtechnik wäre leicht umzusetzen gewesen, bei der minimalen Bewegung hätte noch nicht einmal die Gefahr bestanden, dass der Spieler das iPhone aus seiner Hand gleiten lässt, und über den Bewegungssensor hätte man sogar logisch feststellen können, in welche Richtung der Spieler den Ball schlägt und ob er ihn überhaupt trifft. Das Kernproblem war aber die visuelle Kontrolle: Der Spieler hatte bei der schnellen Bewegung keine Chance, den Ball optisch richtig auf dem Display wahrzunehmen, und somit wäre jeder Rekord, den er mit dem Spiel aufgestellt hätte, reiner Zufall gewesen, und damit hätte das Spiel schnell für Frust gesorgt. Und für Frust mag man noch nicht einmal 0,79 € im App Store bezahlen!

    Solche Geschichten sollte man also immer im Hinterkopf behalten, wenn man versucht, innovative Konzepte in seine Spielmechanik einzubauen.

    2.1.2 Inspiration vom Spielen

    Wenn Ihnen zu den neuen Hardwaremöglichkeiten partout kein innovatives und logisches Konzept einfallen will, selbst wenn Sie diese mit anderen Sensoren kombinieren (z.B. Touch und gleichzeitig kippen), ist das sicherlich kein Grund aufzugeben. Es gibt noch genügend andere Spielkonzepte, die auf »klassischen« Steuerungsprinzipien beruhen, völlig innovativ sind, richtig Spaß machen und die trotzdem noch keiner erfunden hat.

    Wer dafür Inspirationen sucht, sollte seinen alten C64, Amiga 500 oder Gameboy herauskramen und ein paar der alten Games darauf spielen, die einen früher begeistert haben und die rein technisch noch nicht mit aufwertender Grafik punkten konnten, so dass auf Entwicklerseite viel mehr Wert auf den Spielspaß und eine gesunde Game Balance als teilweise bei heutigen Spielen gelegt werden musste.

    Nehmen Sie sich unbedingt die Zeit, holen Sie Ihre alten Kisten wieder hervor, zocken Sie diese Spiele und lassen Sie sich dabei inspirieren. Machen Sie sich ein paar Gedanken darüber, warum Ihnen diese Spiele damals so viel Spaß bereitet haben und welche Eigenschaften sie haben, die sie besser als vergleichbare Spiele machten. Ob es die Steuerung, der Schwierigkeitsgrad, die Animationen oder der Humor des Spiels waren, das gesamte Gameplay, die gute Musik, die zugrunde liegende Spielidee oder die Grafiken, die Ihnen gefielen – notieren Sie es sich, machen Sie sich mit den alten Spielen noch einmal vertraut, denn in ihnen steckt nach wie vor die Essenz der meisten heutigen Spiele. Vielleicht werden Sie dabei erkennen, dass sich die grundlegenden Eigenschaften und Mechaniken von »Super Mario« und »Lara Croft« stark ähneln, und vielleicht bringen Sie diese Erkenntnisse auf eine neue, glorreiche Spielidee?

    2.1.2.1 Kreative Kombination alter Spielkonzepte

    Eine Möglichkeit, neuartige Spielideen zu kreieren, ist die Kombination zweier oder mehrerer Spielkonzepte. Suchen Sie sich zwei Computerspielklassiker aus, die eine gewisse Ähnlichkeit miteinander haben, wie z.B. »Tetris« und »Break-out«. Beide bestehen hauptsächlich aus Blöcken, nur wird mit beiden völlig unterschiedlich verfahren.

    Abb. 2–1 Ein Tetris-Stein als Jump’n’Run-Held? Nicht wirklich innovativ!

    Während bei »Tetris« die Steinformationen sinnvoll angeordnet werden müssen, werden sie bei Breakout durch das Jonglieren mit einem Ball eliminiert. Kann man diese beiden Spielprinzipien nicht miteinander kombinieren? Fällt ein Tetris-Baustein erst herunter, wenn man ihn vorher mit einem Ball getroffen hat? Muss man die herunterfallenden Steine durch das Abschießen mit einem Ball erst in die richtige Form bringen, damit sie nahtlos in das bestehende Gerüst eingepasst werden können? Müssen Tetris-Bausteine in ihr passendes Loch mit dem Schläger jongliert werden? Fragen über Fragen, die eventuell zu einer neuen Spielidee führen könnten. Versuchen Sie, die verrücktesten Ideen miteinander zu kombinieren, die als Ergebnis trotzdem spielbar bleiben und nicht absolut konfus und krampfhaft innovativ erscheinen. Verlassen Sie dabei gerne auch die Grenzen der Computerspiele, suchen Sie nach Möglichkeiten, Brett- oder Kinderspiele (Fangen, Verstecken etc.) mit einem Computerspiel zu kombinieren. Herauskommen wird dabei sicherlich ein Casual Game, denn die frühen Spiele sind konzeptionell und technisch allemal diesem Genre zuzuordnen und sind teilweise wie geschaffen für ein mobiles Endgerät mit einer übersichtlichen Displaygröße wie dem iPhone.

    Achtung, aufgepasst!

    Das Zocken alter Spieleklassiker als Inspiration ist eine hervorragende Brainstormingmethode, allerdings sollte als Endergebnis kein Spiel herauskommen, das einem zahlreiche Marken- oder Patentverletzungsklagen beschert. Manche Spielideen sind mittlerweile frei von Rechten, weil viele Softwarestudios nicht mehr existieren (und wo kein Kläger, da kein Richter), aber trotzdem sollten Sie beim Entwurf einer solchen Idee genauestens recherchieren, ob nicht irgendwelche Markenrechte verletzt werden könnten, weil bei der Insolvenz die Rechte an den Werken teilweise an andere Entwicklungsstudios verkauft wurden oder sie anderweitig geschützt sind. Vermeiden Sie z.B. unter allen Umständen einem Tetris-ähnlichen Spiel (das Konzept ist nicht geschützt) einen Namen mit der Endung »-tris« (der Name hingegen ist geschützt) zu geben und es in den App Store zu stellen, Sie werden garantiert schnell unerfreuliche Post in Ihrem Briefkasten finden.

    Um dem Erinnerungsvermögen ein wenig nachzuhelfen, welche Spielklassiker es auf verschiedenen Systemen gibt, hier eine kleine Auflistung, wobei die Liste schier unendlich erweitert werden kann:

    Tetris

    Pac Man

    Breakout

    Summer Games

    Sudoku

    Minesweeper

    Monkey Island

    Adventureland

    After Burner

    Archon

    Atomino

    R-Type

    Battle Chess

    Strip Poker

    BlockOut

    BoulderDash

    Bubble Bobble

    Burgertime

    Street Fighter

    Sim City

    Frogger

    Impossible Mission

    Zelda

    Nibbles

    Last Ninja

    Paperboy

    Pirates!

    Pole Position

    Q*bert

    Qix

    Rock’n’Roll

    Sokoban

    To Be On Top

    Worms

    The Great Giana Sisters

    Pokemon

    Donkey Kong

    Lemminge

    »Sudoku« mit »Minesweeper« kombinieren? Da lässt sich doch was machen. »Atomino« und »Frogger«? Schwierig, aber vielleicht trotzdem machbar? »Atomino« und »Sokoban«, das ginge schon eher! »Pac Man« und »Rock’n’Roll«? Da ließe sich doch prima der Accelerometer einbauen. Oder doch lieber »Pac Man« in »Last Ninja«-Optik? Wie wäre ein Jump’n’Run, bei der die Spielfigur »Tetris«-Blöcke erklimmen und von Stein zu Stein springen muss, bevor sie den Boden berührt, oder ein Frosch, der den Steinen ausweichen muss, um die andere Straßenseite zu erreichen?

    Wichtig ist dabei, dass das Spielprinzip verändert wird und Sie nicht nur die Akteure austauschen. Wenn beim letzten Vorschlag (Frosch, der Tetris-Bausteinen ausweichen muss) das Prinzip von »Frogger« beibehalten wird und statt Autos und Baumstämmen einfach nur Bauklotzvarianten kreuzen, mit denen weiter nichts veranstaltet werden muss, dann ist das nicht gerade innovativ, sondern wirkt verkrampft.

    2.1.2.2 Umwerfen alter Spielkonzepte

    Sie kennen sicherlich den Evergreen »Super Mario«, haben ihn entweder schon 1989 auf dem Gameboy oder erst kürzlich auf der Wii durch alle Welten gejagt und teilen bestimmt mit einem Großteil der Spieler die Meinung, in Sachen Jump’n’Run wurde alles programmiert, was man als Jump’n’Run spielen kann! Doch haben Sie schon einmal überlegt, das Spielkonzept einfach umzuwerfen? Erfinden Sie ein Spiel, in dem der Held daran gehindert werden muss, sein Ziel zu erreichen, in dem der Spieler nicht den Helden spielt, sondern die Gegner im Vorfeld innerhalb des Levels platziert, um dem Helden so das Leben schwer zu machen. So wird aus dem Jump’n’Run ein Action-Strategiespiel.

    Warum in »Tetris« immer alles abbauen? Warum daraus nicht mal eine Aufbausimulation entwickeln? Oder statt der Aufgabe, die Steine in die bisher gefallenen Klötze einzupassen, einfach die bereits gefallenen Steine so umherzuschieben, dass der herunterfallende Stein, den man nicht steuern und drehen kann, genau in die Lücke passt? Dazu noch ein bisschen physikalische Besonderheiten einbauen (Schwerkraft, Reibung) und wir haben ein perfektes Sandboxgame. Oder zumindest den Prototypen davon, denn ob das neue Spielprinzip dann immer noch Spaß macht, das ist leider schwer vorhersehbar.

    Abb. 2–2 Das Tetris-Prinzip als »echtes« Puzzlespiel wäre neuartig.

    Bei Umkehrideen geht es darum, entweder die Position des Gegners einzunehmen und dessen Aufgaben zu meistern oder aus Sicht des Spielers das gegenteilige Ziel zu erreichen (und damit gegebenenfalls die Grundstruktur des Levels anzupassen).

    Weitere Umkehrideen wären z.B.

    »Anti Minesweeper«, das Spiel, in dem die Bombe so schnell wie möglich gefunden werden muss.

    »Anti Sudoku«: Nehmen Sie bei einem fertig gelösten Sudoku-Rätsel so viele Ziffern wie möglich weg, so dass das Rätsel noch lösbar bleibt.

    »Anti R-Type«: Formieren Sie die Gegner, damit das Heldenraumschiff keine Chance hat auszuweichen.

    »Anti Pac Man«: Entwickeln Sie eine »Scotland Yard«-Version des Spieleklassikers, in der der Spieler die Geister steuert und Pac Man so in die Enge treibt.

    »Anti Street Fighter«: Lassen Sie zwei Friedensnobelpreisträger aufeinander los und lassen Sie die Spieler versuchen, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Oder lassen Sie den User einen Schiedsrichter spielen, der versucht, zwischen den beiden Kämpfern zu vermitteln und den Streit zu schlichten.

    Die Seite zu wechseln oder völlig andere Ziele zu verfolgen, ist sicherlich ein Spaß! Die Überlegung, wie lange dieser beim Spieler dann anhalten wird, führt zur nächsten Frage: Besticht das neu erfundene Spiel nur durch diese Idee? Und wie kann ich diese notfalls erweitern, damit das Prinzip nach drei Leveln nicht monoton wird und der Spielspaß schlagartig schwindet?

    Womöglich klingt eine solche verkehrte Spielidee zu Beginn ganz logisch, doch dann kommen mitten in der Entstehung neue Fragen auf: Wie soll gesteuert werden? Setze ich die Gegner rundenbasiert oder in Echtzeit? Wie steuere ich die Figur, die sonst der Spieler übernimmt, kann ich die dafür erforderliche Künstliche Intelligenz (KI) überhaupt ausreichend simulieren?

    Da Sie mit der Umkehr eines Spiels praktisch spielerisches Neuland betreten, gibt es dafür auch wenig Hilfe. Normalerweise gibt es für jede Programmiersprache und jedes Problem im World Wide Web Tutorials zu finden, weil irgendjemand schon einmal ein ähnliches Problem hatte und in einem Forum nach einem Lösungsweg dafür gesucht hat. Doch diese Hilfe wird Ihnen bei umgekehrten Spielkonzepten verwehrt bleiben, denn sonst gäbe es Ihr Spiel ja schon. Die Programmierarbeit könnte also sehr schnell ausufern und ungeahnte Dimensionen annehmen, bis Sie vielleicht irgendwann entnervt aufgeben (vielleicht ist das auch der Grund, warum es solche Spiele bislang nur wenig gibt).

    Deswegen ist hier das Anfertigen eines ausführlichen Game-Design-Dokuments vor der ersten Zeile Code das A und O, um solche Probleme rechtzeitig erkennen zu können. Auch die Fertigung eines einfachen Prototyps mit den ersten Ideen zum Testen der Spielidee ist unvermeidbar. Mit diesem werden Sie schnell feststellen, ob Ihr Konzept überhaupt längerfristig Spaß machen kann oder nicht.

    2.1.2.3 Erweiterung bekannter Spielkonzepte

    Sicherlich nicht allzu innovativ, aber doch unterhaltsam kann die Erweiterung eines bekannten Spielkonzepts durch zusätzliche Elemente sein. Wie wäre es denn, wenn einen Jump’n’Run-Helden während des Spiels die Kraft verlässt, er womöglich sogar stark altert, deswegen im Verlauf des Spiels immer weniger hoch springen kann und andere Lösungsansätze benötigt, um eine höhere Platt-form zu erreichen?

    Wie würde ein »Die Sims«-Spiel aufgebaut sein, bei dem ein Meteorit auf die Erde zurast und der Spieler nur noch eine Woche zu leben hat: Wie würden die Protagonisten reagieren, würde Chaos ausbrechen? Würde der Spieler all das in Kürze nachholen, was er bisher in seinem digitalen Leben verpasst hat? Und wenn der Meteorit dann doch die Erde um wenige Kilometer verpassen und der große Knall ausbleiben würde, wie würden die Menschen mit den Erlebnissen der letzten sieben Tage umgehen? Natürlich wären wir bei einem solchen Spielkonzept weit entfernt von Casual Games (und dafür ein ganz heftiges Stück tiefer im Bereich Kultur), die Produktion würde Jahre dauern, und außerdem wäre vor den kommerziellen Erfolg ein riesiges Fragezeichen zu setzen, aber mir geht es auch nur darum aufzuzeigen, dass bei Weitem noch nicht alle Spielideen umgesetzt wurden.

    Es geht bei der Erweiterung einer Spielidee um das Hinzufügen einer Situation, die man in einem Spiel nicht zwangsläufig erwarten würde. Erweitern kann man aber auch die Dimension, in der das Spielgeschehen stattfindet. »Tetris« in 3D gibt es schon, räumliches »Mine-sweeper« oder »Sudoku« könnte dem Spieler völlig neue Lösungskonzepte abverlangen. Davon gibt es als Desktopversionen im Internet zwar schon zahlreiche Gameplay-Experimente, die allerdings alle bislang mehr oder weniger gescheitert sind. Zumal die Dreidimensionalität einem Casual Game gerne seine Leichtigkeit nimmt und die Steuerung ebenfalls komplexer wird, was die typische Zielgruppe abstoßen könnte. Doch um einen 10×10×10 Blöcke großen »Mine-sweeper«-Quader in 3D lässt sich z.B. mit der Gyroskop-Steuerung prima herumnavigieren, die Blöcke, die in Ziffern die Anzahl der angrenzenden Bomben (0–26) enthalten, lassen sich dann mit einer einfachen Berührung entfernen bzw. aufdecken.

    Weitere Elemente für eine Erweiterung von klassischen Spielideen könnten sein:

    »Asteroids!« mit Schwerkraft

    »Tetris« ohne Schwerkraft oder physikalisch komplett korrekt (mit Schwerpunkt, ohne freischwebende Steine etc.)

    »Pac Man« oder »Sokoban« in einem dreidimensionalen Röhrensystem

    »Tron« mit schwebenden Bicycles, im endlosen Innenraum einer Kugel, auf einem Möbiusband oder mit stufenloser Lenkmöglichkeit statt auf 90 Grad eingeschränkte Abbiegemöglichkeiten

    »Super Mario World« im Nebel oder bei Nacht, so dass die Sicht stark eingeschränkt ist

    Die Möglichkeiten scheinen auch hier schier unendlich, doch das fertige Spiel wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Standardkost sein, weil die Innovation eher im kleinen Rahmen gestaltet wurde und ansonsten auf Spielkonzepte setzt, denen die Spieler schon zigmal in anderen Spielen begegnet sind.

    Spiele dieser Art müssten intensiver beworben werden, damit wenigstens die Chance besteht, dass die Herstellungskosten irgendwann wieder drin sind. Denn die günstigste Form der Werbung ist nach wie vor der virale Effekt, und der lässt sich bei bislang unbekannten Spielkonzepten leichter lostreten, weil die Blogs und Mobile-Games-Webseiten über solche Apps bevorzugt berichten (vorausgesetzt, sie sind auch gut umgesetzt). Im Gegensatz zur »Standardware«, von der die Betreiber und Redakteure aufgrund der massiven Konkurrenz auf dem Markt gerne mal absehen und die sie bei der Berichterstattung unter den Tisch fallen lassen.

    2.1.3 Inspiration im Alltag

    Es gibt auch in der heutigen Zeit Berufe, die als Computerspielsimulation Spaß machen könnten. Von der Adaption solcher Situationen leben Spiele wie »Paper Toss« oder »Flight Control«, bei denen der Alltag eines Beamten oder Fluglotsen vereinfacht und comichaft nachgespielt wird. Und es gibt zahlreiche weitere Berufe, die man szenenhaft als Spiel nachstellen kann: ein Verkehrspolizist, der auf je nach Level verschieden stark befahrenen Kreuzungen den Verkehr regeln muss, ein Postbote, der in kürzester Zeit komplizierte Routen ablaufen muss, oder – auch wenn in diesem Zusammenhang das Wort »real« vielleicht eher ungeschickt ist – ein Spiel, in dem der Weihnachtsmann am Vorabend von Weihnachten noch schnell die letzten Besorgungen in einem riesigen Kaufhaus erledigen muss, weil ein paar Wunschzettel verspätet eingetroffen sind.

    Wenn Sie selber ein Hobby haben, das Sie sich als Computerspiel vorstellen können, warum einzelne Szenen oder Situationen davon nicht auch auf seine Computerspieltauglichkeit testen? Es muss ja nicht gerade Fußball, Skifahren oder Golf sein, denn davon gibt es doch mittlerweile zahlreiche ComputergameAdaptionen.

    Doch wie wäre die Aufgabe als Caddie? Dem Golfsportler, über den man keine Steuerungskontrolle hat, die taktisch besten Schläger reichen und ihm so die Strategie vorgeben? Oder über das Grün mit einem der Karts heizen?

    Es sind meist die einzelnen Situationen, die ein Casual Game ausmachen, nicht die gesamte Abbildung eines komplexen Sachverhalts. Eine komplette Fuß-ballligasimulation hat mit Casual Game nicht mehr viel am Hut, ein einzelnes Torwand- oder Elfmeterschießen hingegen schon. Doch man kann selbst solche Situationen noch in kleine Casual-Games-Konzepte aufteilen. Wie wäre zum Beispiel ein Fußballspiel, in dem der Spieler den Schiedsrichter spielt, Fouls und Abseits erkennen muss und nach dem Spiel für jede korrekt bewertete Situation einen Punkt, für jede Fehlentscheidung drei Punkte Abzug bekommen würde? Kreativ sichtbar könnte man den Punktestand (der ja auch zugleich die Zufriedenheit der Fans abbildet) auch daran ablesen, wie die Fans das eigene Auto nach dem Spiel »behandelt« haben.

    Abb. 2–3 Schiedsrichterspiel: Entdecken Sie alle Fouls so schnell wie möglich.

    Halbwegs reale Situationen gibt es aber auch im Kino: Die spannendsten Situationen in U-Boot-Filmen wie »Das Boot« oder »Jagd auf Roter Oktober« sind diejenigen, in denen die Crew lautlos in der Kajüte bzw. im Kontrollraum sitzt und mangels Fenster am Radar abliest und nebenher der Unterwasserakustik lauscht, was sich draußen Gefährliches abspielt. Ließe sich eine solche Situation nicht auch großartig als Casual Game abbilden? Ein U-Boot fährt in absoluter Unwissenheit und bei jedem Ping (gesendetem Sonarsignal) wird in dessen Echofeld ein kleiner Teil der Unterwasserumgebung sichtbar. Je mehr man den Winkel des Signals ändert, desto mehr bekommt man ein Gefühl dafür, wohin man das U-Boot steuern kann, ohne auf Grund zu laufen. Das Ganze dann noch als Duell mit einem anderen U-Boot angelegt – das kann schon sehr spannend umgesetzt werden.

    Halten Sie die Augen offen, manchmal ist das wirkliche Leben tatsächlich spannender als die Computerspielewelt. Warum also nicht davon abkupfern – entschuldigen Sie – ich meinte »inspirieren lassen«?

    2.2 Casual Games: Wovon reden wir hier eigentlich?

    Bevor Sie in diesem Buch allerdings die Entwicklungslösungen zu einem Online-Multiplayer-RPG (MMORPG) erwarten, möchte ich noch kurz umreißen, was ein Casual Game überhaupt auszeichnet.

    Im Vergleich zu denen, die im besten Fall eine totale Immersion (Eintauchen) ermöglichen, weil sie den Spieler über mehrere Stunden am Stück fesseln können, und in denen über den einzelnen Spielabschnitten meist eine übergreifende Geschichte steht, sollen Casual Games die Gelegenheitsspieler ansprechen, die z.B. während einer kurzen U-Bahnfahrt kurzweilig unterhalten werden wollen. Das Hauptaugenmerk liegt also mehr auf der kurzfristigen Ablenkung statt auf dem Eintauchen in eine Welt, es schließt es allerdings nicht aus. Um diese Anforderung zu erfüllen, muss das Spiel schnell geladen werden und ebenso schnell auf den Punkt kommen. Dazu gehört, dass

    das Spiel jederzeit beginn-, unterbrech- und beendbar ist,

    das Spielprinzip leicht erlernbar ist,

    die Steuerung leicht zu erlernen und möglichst intuitiv ist,

    der Spieler schnell Erfolgserlebnisse hat,

    das Spiel Spaß macht.

    2.2.1 Charakteristik

    Die genannten Punkte klingen alle logisch? Sie sind aber einfacher formuliert als umgesetzt, denn wie will man als Programmierer diese Anforderungen nun in Code umsetzen? Um sich darunter etwas Konkreteres vorstellen zu können, fächern wir die einzelnen Merkmale in ihre technische Konzeption auf:

    Schneller Ein- und Ausstieg:

    kein langer Vorspann

    keine Zwischensequenzen zwischen den Leveln

    automatische Zwischenspeicherung der Zustandsdaten

    keine unübersichtlichen und verschachtelten Menüs (ähnlich der goldenen Usability-Regel für Internetseiten gilt: nicht mehr als 3 Klicks zum Spielstart)

    kurze und übersichtliche Level

    Leichtes Spielprinzip:

    sehr leichte Einstiegslevel (die meist als Tutorials aufgebaut sind und so den Spieler Schritt für Schritt in seine Aufgaben einweisen und in seine Möglichkeiten einweihen), darauf aufbauend wird das Spiel von Level zu Level schwerer, die Lernkurve des Spielers wird steiler

    einfache Steuerung

    leichtes und ohne externe Hilfe oder Anleitung verständliches Spielprinzip

    Keine großartig gestrickte Story um das Spiel. Falls doch ein großes Gesamtes existiert, sollte die Geschichte in Form von Leveln in sehr kleinen Häppchen präsentiert werden.

    Leicht erlernbare oder intuitive Steuerung:

    Verwendung von gelernten und bekannten Steuerungskonzepten (virtuelles Steuerkreuz, Steuerung durch Dragging oder Berühren der Spielfigur, über Accelerometer)

    keine Doppelbelegung von Buttons

    Ähnlich wie die Einführung in das Spielprinzip sollte auch die Steuerung Schritt für Schritt eingeführt werden. Dazu gehört, den Spieler nicht gleich zu Beginn mit allen Funktionen vertraut zu machen, wenn er manche davon womöglich erst ab späteren Leveln benötigt. Klüger ist es, zwischen den Level-blocks kurz eine neue Interaktionsmöglichkeit einzuführen und in den Folge-levels fast ausschließlich darauf einzugehen, damit der Lerneffekt größer ist, auch wenn die Levels dadurch kurzfristig etwas leichter werden.

    Schnelle Erfolgserlebnisse:

    »Forgiving Game Play«: Dem Spieler müssen kleine Fehler verziehen werden, das heißt, er darf nicht wegen einer kleinen Unachtsamkeit ein Leben verlieren, sondern die Möglichkeit haben, den Fehler sofort und konsequenzfrei zu korrigieren. Die Spielfigur sollte dabei möglichst nicht sterben, sondern nur »verbraucht« werden, andernfalls sollten dem Spieler so viele Leben wie möglich zur Verfügung stehen.

    nach Versagen des Spielers möglichst sofort zum Neustart des Levels übergehen

    mit sehr leichten Leveln beginnen und den Schwierigkeitsgrad stetig in kleinen Schritten erhöhen

    dem Spieler viele Bonusgeschenke (Items, Gems, Münzen, Punkte, Sterne, Medaillen etc.) ermöglichen

    einen Neustart-Button zur Verfügung stellen, damit der Spieler (z.B. in einem Logikrätsel) nach einem Fehler nicht erst »sterben« muss, um seinen Fehler zu korrigieren

    2.2.2 Zielgruppen

    Selbst wenn ein Spiel als Freeware und nur zum Spaß veröffentlicht werden soll, sollte man ein Auge auf die Qualität und die Zielgruppe haben, denn wenn man später irgendwann ein kostenpflichtiges Spiel planen sollte (und darauf wird es irgendwann sicherlich hinauslaufen), dienen die bislang veröffentlichten kostenlosen »Spaßspiele« natürlich auch als Referenz und somit als guter Informationslieferant für Käufer, die vor dem Download recherchieren, was von dem Entwicklungsstudio sonst geboten wird. Wenn Ihr Ziel also irgendwann darin liegen sollte, mit der Spieleprogrammierung Geld zu verdienen, sollten Sie wenigstens einen groben Überblick über den typischen iPhone-, iPad- und Casual Gamer haben. Wenn man sein Game dann dementsprechend anpasst und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe optimiert, dann kann sich das schnell positiv auf die Verkaufszahlen auswirken.

    Laut einer 2008 von MMetrics erhobenen Studie ist der typische iPhoneBesitzer (in den USA) zwischen 25 und 34 Jahre alt, hat ein Monatseinkommen von ca. 5.900€ und einen Collegeabschluss. Mit »Pokémon«-Spielen wäre diese konkrete Zielgruppe also sicherlich schwerer zu erobern als mit einem anspruchsvollen Logikspiel.

    Interessanter hingegen dürfte eine Studie von Intenium und Realnetworks sein, die zwar schon vor einigen Jahren (2006) erhoben wurde, aber trotz der vorherrschenden Schnelllebigkeit in der Branche nach wie vor volle Gültigkeit besitzt. Das Ergebnis: Erfolgreiche Casual Games müssen auch Frauen ansprechen. Denn in der Studie wurde das Spielverhalten in Bezug auf Casual Games der in der zumindest bei Core Games relativ schwach vertretenen Zielgruppe der über 40-jährigen Frauen untersucht. Die teilweise überraschenden Zahlen:

    47 Prozent der Frauen spielen täglich Casual Games.

    67 Prozent der Frauen spielen fast täglich Casual Games.

    Circa 60 Prozent der befragten Frauen würden eher Casual Games spielen als zu telefonieren, zu stricken oder andere Sachen zu Hause machen.

    Rund 50 Prozent würden Casual Games einem Kinobesuch oder Kochen vorziehen.

    In dieser Auflistung sind zugegebenermaßen ein paar skurrile Antworten dabei, zumal ich persönlich wenige Menschen kenne, die Spielen der Küchenarbeit nicht vorziehen würden. Doch unabhängig davon, wie die Umfrage erhoben wurde, wie repräsentativ das Ergebnis wirklich ist und was womöglich der Endzweck der Statistik sein sollte – ein Aspekt ist einzig und allein wichtig: Es gibt genügend Frauen, die gerne Casual Games spielen, und dieses Faktum gilt es zu beachten!

    Nun kann man sich natürlich als Alleinstellungsmerkmal seines eigenen Entwicklungsstudios auf die Fahne schreiben, dass man Spiele speziell nur für Frauen entwickeln möchte. Der Markt hierfür ist sicherlich vorhanden. Möchte man aber mehr Spieler erreichen (denn in absoluten Zahlen dominieren die männli-chen Zeitgenossen nach wie vor), sollte man sowohl Gameplay als auch Design geschlechtsneutral halten, um sowohl Männern als auch Frauen leichten Zugang zu dem Spiel zu gewährleisten und niemanden zu vergraulen. Oder besser: Das Spielkonzept und die Grafik sollten für beide Geschlechter Leckerbissen parat halten; idealerweise kann der Spieler zwischen einer Heldin und einem Helden wählen, wobei versucht werden sollte, die Heldin nicht durch »außergewöhnliche Extremitäten« zu charakterisieren, sonst wird das Vorhaben genau das Gegenteil bewirken. Am sichersten ist wohl die Verwendung von geschlechtsneutralen Protagonisten wie Strichmännchen (»Rope’n’Fly«), Tieren (»Angry Birds«), Fabeltieren (»Doodle Jump«) oder gar der gesamte Verzicht (»Tetris«).

    Doch aus welchen Gründen greifen Casual Gamer zum iPhone, um damit zu spielen? Laut der Studie von Intenium und Realnetworks steht bei den über 18-Jährigen an erster Stelle die Entspannung, was 64% der Befragten angaben. 53% bewältigen mit Casual Games ihren Stress (vor allem bei Arbeitsplätzen, bei denen das Internet nur eingeschränkt nutzbar ist, vermutet man, dass sich eine hohe Dunkelziffer der Arbeiter regelmäßig auf die Toilette verdrückt, um sich dort für kurze Zeit mit Handyspielen abzulenken oder abzureagieren). Der Durchschnittsspieler will sich innerhalb der 5 Minuten dann sicherlich nicht mit Zweiter-Weltkriegs-Problematiken beschäftigen. Ein gutes und bekanntes Beispiel für die Verharmlosung eines Spielprinzips durch Verwendung niedlicher Grafiken ist sicherlich das bekannte »Angry Birds«: Hier werden Vögel per Katapult auf schweineähnliche Gegner in Holz-, Stein- und Glasgebäuden geschossen. Das Spiel hat sich über Monate hinweg in den Top 10 der meistgekauften Spiele im App Store festgesetzt. Doch wäre der Erfolg auch so groß geworden, wenn man statt der Vögel Bomben verwendet hätte und statt Schweinen Soldaten umbringen müsste? Die Antwort ist rein spekulativ, aber durch die Verwendung harmloser, im Comicstil gezeichneter Figuren wird dem Spieler bei der Ablenkung zumindest gewährleistet, dass er sich während des Spielens keine Sorgen um sein politisch korrektes Verhalten machen muss, was der Entspannung hilft.

    Was Casual Games sind, dürfte nach den letzten Seiten einigermaßen klar sein. Wer sich noch genauer mit der Thematik beschäftigen möchte, dem empfehle ich an dieser Stelle die Lektüre des »Casual Games Whitepaper«, das 2008 von der International Game Developers Association (www.igda.org) niedergeschrieben wurde, der unter anderem auch so namhafte Branchengrößen wie Crytek, Electronic Arts, Eidos oder Epic Games angehören. Es ist unter www.igda.org/sites/default/files/IGDA_Casual_Games_White_Paper_2008.pdf online zu finden.

    2.3 Garantierte Flops – Apples No-Gos

    Im Gegensatz zu anderen Plattformen herrschen bei der Entwicklung von iOS-Apps strikte Inhaltsvorgaben. Zwar kann Apple nicht bestimmen, was Sie für Ihr eigenes persönliches iPhone programmieren, aber sobald Sie Ihre App im App Store veröffentlichen wollen, müssen Sie ein paar Regeln beachten, damit Apple Ihr Programm auch in den App Store übernimmt.

    Da viele Jugendliche und Kinder einen iPod oder ein iPhone besitzen, legt Apple als amerikanischer Konzern besonders Wert auf die Beachtung der gängigen Tabus. Dazu gehören:

    kein Sex

    keine übermäßige Gewalt

    keine Verletzung religiöser Gefühle

    keine Geschmacklosigkeiten

    keine Anstiftung zu Alkoholmissbrauch, Drogen oder Tabakkonsum

    keine Spielgegner, die ausschließlich auf bestimmten Personen- oder Volksgruppen beruhen

    keine detaillierte Darstellung von Waffen

    keine Spiele, die auf dem »Russisches Roulette«-Prinzip beruhen

    keine Spiele, in denen Pflanzen abgebildet werden

    Okay, der letzte Punkt war erfunden! Kurz gesagt: Im weitesten Sinne sollten unsere Spiele kinderfreundlich sein. Wenn Sie in Ihrer Spielidee einen Drogendealer durch ein Bordell steuern wollen und dessen Hauptaufgabe darin liegen sollt, möglichst viele finnische katholische Zuhälter mit Migrationshintergrund zu erschießen, dann wird die App Ihr eigenes iPhone nie verlassen! Unabhängig davon sollten Sie sich dann auch ernsthaft überlegen, ob Sie selbst noch einigermaßen zurechnungsfähig sind.

    Auch legt Apple sehr viel Wert auf Qualität. Für halbfertige Demoversionen oder Apps, die unter bestimmten Umständen einen Systemabsturz verursachen, brau-chen Sie sich ebenfalls gar nicht erst um eine Einreichung zu bemühen. Zu den formalen Kriterien, unter denen Apple eine eingereichte App nicht in den App Store übernehmen wird, gehören u.a.:

    Shareware-, Demo-, Trial- oder Testversionen Ihrer App. Benutzen Sie stattdessen unbedingt das Schlüsselwort »Lite« im Titel, wenn Sie trotzdem eine kostenlose oder Billigversion Ihres Spiels veröffentlichen möchten, die Appetit auf die eigentliche App machen soll. Das ist zwar pure Augenwischerei, denn schließlich handelt sich bei einer Lite-Version ja trotzdem um eine funktional eingeschränkte Testversion, aber was macht man nicht alles, um Apple zu gefallen? Aber aufpassen: Die Icons für den Shop müssen sich dabei unterscheiden, damit zwischen den beiden Versionen keine Verwechslungsgefahr besteht!

    Schnell zusammengeschusterte Apps! Apple achtet darauf, dass die Apps qualitativ hochwertig sind. Spiele, die auf gängigen Tutorials beruhen und kaum erweitert wurden oder gar mit echt mieser Grafik aufwarten, haben theoretisch keine Chance auf eine Veröffentlichung. Doch auch für miese Grafiken haben findige Programmierer mit »Doodle«-Grafik mittlerweile eine Methode gefunden, trotzdem die Qualitätskontrolle zu passieren, indem sie die Grafik einfach als eigenen Kunststil definiert haben. Doch darüber mehr im Kapitel »Grafik«.

    Apple mag mit Ihrer Software zwar Geld verdienen, aber sonst in keinerlei Verbindung zu Ihnen gebracht werden. Dazu gehört auch, dass Sie Funktionen, wie z.B. die Verbindung zum Apple Game Center, nicht missbrauchen. Deswegen gilt für alle Apps:

    • keine Verwendung des Apple-Logos

    • keine übermäßige Internetnutzung bei der Verbindung mit dem Game Center, damit die Onlinekosten des Benutzers nicht unkontrollierbar teuer werden.

    • kein Missbrauch der Player-ID des Spielers für das Game Center

    Die Verwendung undokumentierter Funktionen ist so ziemlich der sicherste Weg, seine App beim Approval-Prozess nicht bestehen zu lassen. Immer wieder findet man in Blogs versteckte Funktionen, die von Apple allerdings nicht freigegeben sind. Werden diese benutzt und bei der Qualitätskontrolle entdeckt, wird die App zurückgewiesen.

    Zu guter Letzt: Erstellen Sie die Default.png-Datei als finalen Schritt. Sie dient nicht dazu, einen Startup-Screen zu ersetzen, sondern sollte ihn nur vorbereiten. Letztendlich suggeriert die Anzeige der Grafik dem Spieler, dass die App schnell startet, und vermeidet so, dass er sich darüber wundert, warum das iPhone wäh-rend des Ladevorgangs vermeintlich nicht mehr reagiert. Die Default.png sollte also

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