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Drei dezente Kurzgeschichten
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eBook240 Seiten3 Stunden

Drei dezente Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

Drei dezente Kurzgeschichten aus meiner Feder,
zum vergnüglichen Lesen erdacht. Sie dienten mir als Fingerübungen.
In der Sprache der Musik nennt man sie auch Etüden.
Die sich eines Tages zu einer großen Sinfonie zusammenfügen werden.
Sie waren die Vorstufe zu der großen Oper, wie ich meinen ersten Roman
»Carmen und Cherubino« gerne nenne.

Zurzeit übe ich mich in Geduld, da die musikalischen Ideen beim Schreiben
auf sich warten lassen und ich nicht vorankomme.
Die Protagonisten und die Zeit lassen sich Zeit - und mich warten!
Doch! Seit heut' sind die Fingerübungen zum Lesen bereit.
Das Vergnügen kann beginnen.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Okt. 2018
ISBN9783743884403
Drei dezente Kurzgeschichten

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    Buchvorschau

    Drei dezente Kurzgeschichten - Uschi Gerster

    Rechte

    Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten. 

    November 2018

    Drei dezente Kurzgeschichten

      Aus meiner Feder zum vergnüglichen Lesen erdacht.

    Sie dienten mir als Fingerübungen. In der Sprache der Musik nennt man sie auch Etüden, die sich eines Tages zu einer Sinfonie zusammenfügen werden.

    Sie waren die Vorstufe zu einer großen Oper, wie ich meinen ersten Roman gerne nenne, dem bald ein zweites Werk folgen soll.

    Zurzeit übe ich mich in Geduld, da die >musikalischen< Ideen beim Schreiben auf sich warten lassen und ich nicht vorankomme.

    Die Protagonisten und die Zeit lassen sich Zeit und lassen mich warten!

    Doch! Seit heute sind die Fingerübungen zum Lesen bereit.

    Das Vergnügen kann beginnen.

    Uschi Gerster

    Drei dezente Kurzgeschichten

    Sternentage

    Ein klarer Oktobersonntag kündigte sich an, doch noch verschleierten weiße Nebel die Sonne. Als sie sich endlich durchgekämpft hatte, ein leichter Wind half ihr dabei, war es später Vormittag. Doro sah auf die leere zweite Betthälfte - kein Georg. Ob er schon auf war? Nein, Kopfkissen und Decke lagen ordentlich und wirkten ganz und gar nicht so, als habe er seinen morgendlichen Kampf mit ihnen ausgefochten. Ob er wieder einmal…? Doro sprang aus dem Bett. Zeit für das Frühstück. Ihr Magen knurrte schon länger und schlafen konnte sie auch nicht mehr. Schnell den Tisch gedeckt, Teewasser kochen, Kaffee ist auch gleich fertig. Georg lehnte am Türrahmen, unrasiert und zerknautscht.

      »Ich werde heut‘ nicht mehr richtig wach«, brummte er verschlafen.  »Ich bin auf dem Sofa beim Fernsehen eingenickt.«

    »Hättest doch mitgehen sollen. Wir hatten interessante Themen.«

      Georg winkte ab und ließ sich seufzend auf den Küchenstuhl fallen: »Frauengespräche!«

    Doro lachte, verwuschelte seinen lichten Haarschopf.

      »Nein, wir reden über Gott und die Welt und lästern - natürlich über die Männer.«

    Klack! Die Toastscheiben sprangen aus dem Toaster. Es klingelte. Im ersten Moment dachte Doro, es sei das Telefon, ehe sie ihren Irrtum bemerkte. Die Eieruhr.

      »Wo ist eigentlich die Zeitung vom Samstag?«, murmelte Georg.

      »Einzelne Blätter liegen noch im Wohnzimmer rum, wo du sie gestern Abend vergessen hast.«

      »Ich?« Georg schüttelte erstaunt den Kopf. »Ich soll die zerfledderten Überreste liegengelassen haben?  Du hast die Zeitung zuletzt in der Hand gehabt!«

     Doro rollte die Augen und schirmte ihre Gedanken gegen seine Vorwürfe ab, dass sie zu achtlos mit den Dingen umging. ›Zeitung kostet auch Geld‹, ergänzte sie im Stillen seine Tirade. Da sie wusste, dass sie die heutige Ausgabe erst einmal nicht zu Gesicht bekommen würde, holte sie die Nachrichten des Vortages aus dem Wohnzimmer und machte es sich an ihrem Platz gemütlich. Eine Weile aßen sie schweigend. Doro trank vorsichtig einen Schluck heißen, grünen Tee.

      »Das wird wieder ein Tag für Balkonien. Den sollten wir ausnutzen. Die Fußballer haben spielfrei. Da musst du heute Nachmittag nicht auf dem Fußballplatz rumstehen. Wir könnten einen Ausflug machen.«    Georg antwortete nicht.                                                                                                                                          

      »Gibt’s noch Kaffee?«, brummte er stattdessen hinter seiner Sonntagszeitung. Doro befühlte die Kanne.

      »Ja, der ist aber schon ziemlich kalt.«

     Als sie das Frühstück beendet hatten räumte Doro den Tisch ab und überlegte sich dabei, was sie zu Mittag kochen könnte. Nun, viel würde es nicht geben. Nach dem späten Frühstück sollte es nur eine leichte Mahlzeit sein. Den Nachmittag verträumten sie im Liegestuhl auf dem Balkon und genossen die Sonne in der milden Herbstluft. Das leise Plätschern des kleinen Wasserfalls im Teich untermalte die Musik der Natur. Falter flatterten um die Balkonblumen; im Apfelbaum turnten laut zwitschernd, geschäftige Meisen. Der Hahn drüben im Nachbarhof meldete sich gelegentlich laut zu Wort, um seine Hühnerschar zu sammeln. Nur selten störten vorbeifahrende Autos die sonntägliche Ruhe in dem kleinen Dorf inmitten der hügeligen Landschaft. Manchmal scheint hier die Welt zu Ende, dachte Doro, während sie den Stift übers Papier fliegen ließ. Der neue Roman sollte ja bald fertig werden.

     Die vereinzelt stehenden Gehöfte duckten sich unten an den Kirchenberg und in die Felder hinein. Doro und Georg gehörten zu den Ersten, die ihr Haus im Neubaugebiet am Dorfrand errichtet hatten. Landwirte gab es im Dorf nur noch wenige. Die meisten Leute arbeiteten in der nahen Kreisstadt oder in der Großstadt. Sie hatten sich bewusst für die ruhige Wohngegend entschieden, wollten weg aus dem Trubel. Die eine Buslinie fuhr nie, wenn man sie wirklich brauchte. Doro und Georg waren davon unabhängig. Mit dem eigenen Wagen waren sie nicht auf die Fahrzeiten angewiesen.

      Zeit für das Nachmittagskaffee. Doro stand mit einem Ruck auf und ging in die Küche, setzte die Kaffeemaschine in Gang, holte zwei Tassen aus dem Schrank und trug Milch und Zucker auf den Balkon. In diesem Moment war es mit der Sonntagsruhe vorbei.  Das Telefon in der Diele schrillte. Es wird doch nichts passiert sein, schoss ihr durch den Kopf. Die ganze Woche klingelt es nicht, nur gerade jetzt. Sie stellte die Kaffeemaschine wieder ab und meldete sich, ganz gegen ihre Gewohnheit, nicht mit ihrem Namen, sondern nur mit einem kurzen fragenden: »Hallo«. Eine sympathische, fröhliche Stimme am anderen Ende der Leitung fragte:  »Hallo, spreche ich mit Frau Doro Engels?«

    Doro zögerte kurz, wollte den Hörer schon wieder auflegen. Sicher wieder einer von diesen Werbeanrufen. Die geben ja selbst am Sonntag keine Ruhe, um an unser Geld zu kommen. Dann sagte sie aber doch: »Ja, am Apparat.«

      »Ja, liebe Frau Engels. Hier ist Malyra, und ich muss sie dringend sprechen! Ich habe zu Hause ein Problem, das nur sie lösen können.«

     Plötzlich klang die Stimme nicht mehr so fröhlich. Ein leiser Unterton von Trauer und Zorn, nur für einen Augenblick.

      »Am Telefon möchte ich aber nicht darüber reden. Wie wäre es, wenn Sie mich besuchen würden. Sie haben doch sicher Zeit?«                                                                     

      Doro musste sich erst mal setzen. Diesen Anruf hatte sie nicht erwartet. Sie kannte doch Malyra kaum, hatte sie nur einmal getroffen. Manchmal sah sie sie im Fernsehen. Sicher, sie hatten ein paar unverbindliche Briefe gewechselt. Sie atmete einmal tief durch, und zwang sich ruhig zu antworten.

      »Liebe Malyra, sie haben mich überrascht. Natürlich möchte ich ihnen helfen. Egal, bei welchem Problem. Das verspreche ich ihnen.«

      »Das ist sehr, sehr lieb von ihnen. Sicher müssen sie die Reise erst einmal planen. Sagen sie mir einfach, wann sie kommen. Ich hole sie gerne vom Bahnhof ab. Dann können wir alles in Ruhe besprechen. Rechnen sie ruhig mit ein paar Tagen. Ich freue mich schon sehr auf ihren Anruf. Also, dann bis bald!«

      Klick, weg war sie, die sympathische, fröhliche Stimme vom anderen Ende der Leitung. Doro blieb noch eine Weile sitzen, ordnete ihre Gedanken. Malyra brauchte ihre Hilfe. Doch warum? Das Haus war doch fertig. Sicher ging es um den Garten. Bei Beziehungsproblemen würde sie ihr nicht helfen können. Die musste Malyra alleine lösen. Da fiel ihr die Kaffeemaschine wieder ein – und Georg. Für einen Moment war sie in Gedanken weit weggewesen. Dringend musste sie mit Georg reden.

      Doro hasste es Koffer zu packen, weil sie sich nie entscheiden konnte, was sie mitnehmen sollte. Entweder ließ sich der Koffer dann nicht schließen, weil sie zu viel eingepackt hatte, oder sie stellte spätestens beim Auspacken fest, dass sie die falschen Sachen mitgenommen hatte. Diesmal überlegte sie nicht lange, und schon bald stellte sie den gepackten Koffer in die Diele. Am nächsten Morgen fuhr sie in die Stadt, um die Fahrkarte zu besorgen. Sie musste den Zug nehmen, da Georg das Auto brauchte.

      Das ›City Erlebnis‹ - Angebot der Bahn beinhaltete drei Übernachtungen mit Halbpension in einem guten Hotel, inklusive Stadtführung und Theaterbesuch. Theater war das richtige Stichwort. Doro konnte nicht widerstehen und griff zu, zumal es auch recht günstig war. Sie freute sich auf die drei Stunden Zugfahrt und auf die Begegnung mit Malyra.

      Wenige Tage später war es soweit. Sie hatte einen schönen Fensterplatz bekommen und ihren Koffer sicher verstaut. Nun kramte sie die Zeitung aus der Tasche und blätterte ziellos darin herum. Ah, das Kreuzworträtsel. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab, und die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen. Da hat das Horoskop doch Recht, auch wenn es erst für nächste Woche gilt und ich eigentlich nicht daran glaube, dachte sie belustigt. Jedes bunte Blatt schreibt ja doch etwas Anderes.

    Horoskop 1

    ›Sehnsüchte, Wünsche, Träume … Sie bewegen sich in diesen Tagen mehr in der wunderbaren Welt Ihrer Vorstellung als im Hier und Jetzt. Nicht wundern, wenn es immer einmal wieder zu leichten Konzentrationsstörungen kommt.‹

      Der Zug sauste durch einen Tunnel. Es blieb für ein paar Sekunden dunkel. Eine zu kurze Zeitspanne, um extra das Licht ein zuschalten. Auch die Bahn muss sparen, dachte Doro. Die zuvor flache Landschaft war nun geprägt von grünen Hügeln. Dazwischen kleine Dörfer und Felder. Silbern glitzernde Bäche schlängelten sich durch die Wiesen. Aber nun hatte sich die Sonne wieder versteckt. Halb so schlimm, solange es nicht regnete. Doro legte die Zeitschrift weg und schloss die Augen. Ihre Gedanken kreisten nur noch um Malyra.

    Horoskop 2

    ›Sie scheinen jemanden mehr zu vermissen, als Sie zugeben würden. Kein Wunder, das die Gedanken immer mehr abschweifen und Sie sichtlich Mühe haben, sich auf das zu konzentrieren, was gerade anliegt. Keine leichte Zeit.‹

      Georgs vorwurfsvolle Stimme drang durch einen Nebel zu ihr. Warum musst du jetzt dahinfahren? Was will diese Frau von dir? Du kennst sie doch gar nicht. Auf deinen letzten Brief hat sie doch immer noch nicht geantwortet. Warum diese unnötige Geldausgabe? Da war es wieder, das leidige Thema. Geld, Geld, Geld! Immer nur Geld. Sie konnte es nicht mehr hören, blieb ihm die Antwort schuldig. Es hätte doch wieder Streit gegeben, sie wären beide laut geworden. Doro hatte sich nichts vorzuwerfen. Den üblichen Schlusssatz ihres Mannes »…dann kannst du ja gehen…«, der in vielen Variationen jeden Disput in der Schwebe ließ, hörte sie nicht mehr, weil sie die Zimmertür hinter sich schloss. Sie wusste sowieso, was er damit meinte, nämlich, dass er sich scheiden lassen würde. Diese noch unausgesprochene Drohung lauerte seit langem hinter jeder ihrer Auseinandersetzungen. Sie schob die trüben Gedanken von sich, studierte weiter das                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Kreuzworträtsel.

     Sollte sie länger als geplant in Würzburg bleiben, ohne Georg zu benachrichtigen, ihn eine Weile auf kleinem Feuer schmoren lassen? Ob Georg dann seine Sprüche wahrmachen würde: alleine bleiben, sich eine Haushälterin suchen?  Ha- die würde Lohn für ihre Hausarbeit verlangen und sicher nicht zu wenig. Ein wenig Schadenfreude kam in ihr auf. Georgs Geldbeutel wäre in Gefahr. Letzten Endes ging es ihm ja nur um sein Geld. Kein Streit brachte etwas Neues. Ihre Argumente kamen nie an. Nur sein Wort galt. Andere Wege wurden von ihm nicht akzeptiert. Eines Tages war ein besonders heftiger Knatsch in einem neuen Schlusssatz gegipfelt:  >Dir steht doch gar kein Haushaltsgeld zu. < Sie solle sich gefälligst eine Arbeit suchen! Pfff, in meinem Alter! Seitdem nahm sie ihn nicht mehr ernst, wenn sie wieder mal ums liebe Geld stritten.                            .                                                                                                                                                     

      Doro sah Malyras zauberhaftes Lächeln vor sich, wie es von all den Fotos strahlte, und die trüben Gedanken verschwanden bis zum nächsten Tunnel. Als sie in den Zug gestiegen war, hatte sie noch ein zorniges Gefühl im Bauch gehabt, sich aber trotzdem liebevoll von Georg verabschiedet. Er hatte sie zum Bahnhof gefahren, er brauchte den Wagen.  Malyras Lächeln vertrieb den letzten Rest Groll. Der Zuglautsprecher schreckte Doro aus ihren Gedanken.

      »Verehrte Reisende, wir erreichen in wenigen Minuten Würzburg. Sie haben Anschluss nach Frankfurt um 12:15 auf Gleis 7, nach Regensburg um 12:35 auf Gleis 8. Wir wünschen angenehme Weiterreise.«

      Das Gefühl in ihrem Bauch verwandelte sich in ein leises Kribbeln. Sie kannte es vom Theater, so eine Art Lampenfieber - oder war es bloß Hunger? Der Zug hatte ein bisschen Verspätung, nun hielt er mit einem Ruck. Also auf in die Bahnhofshalle. Hoffentlich ist sie da. Doro vergewisserte sich schnell, ob das Erkennungszeichen, die rote Schleife, noch an ihrer Jacke steckte. Bei den vielen Menschen, die durch die Halle eilten, war es nicht so leicht sich zu finden. Sie stellte den Koffer ab, um erst mal einen Überblick zu gewinnen. Da kamen zwei Leute eilig auf sie zu. Ein sportlicher Herr, um die vierzig und eine zierliche dunkelhaarige Frau, die ihr lachend mit einem roten Band zuwinkte.

      »Hallo Doro, schön, dass sie endlich da sind. Herzlich willkommen in Würzburg! Darf ich ihnen Max Busch vorstellen, den Mann für alle Fälle! Er wird uns nach Hause fahren. Sie wissen doch, zu meinem neuen alten Haus.«                                                                                       

      Und das alles in einem Atemzug, während Doro hilflos in ihrer stürmischen Umarmung versank. Max deutete eine Verbeugung an.

      »Herzlich willkommen ebenfalls.« Er lächelte.

      »Malyra hat ja schon alles gesagt. So schnell ist sie immer. Aber an unsere Mägen hat sie nicht gedacht. Ich schlage vor, wir gehen erst mal was essen. Mein Wagen steht drüben im Hotelparkhaus.«

      »Na, dann los. Sie sehen, Max denkt an alles.«

    Während der Fahrt sah Doro neugierig auf dem Fenster. Beim Anblick des großen Gebäudes, vor dem sie hielten, rief sie aus:

      »Das ist ja das Stadthotel, da werde ich wohnen, laut Bahnangebot.«

     Malyra wurde energisch. »Kommt nicht infrage, sie wohnen bei mir.«

      »Widersprechen sie lieber nicht«, warnte Max schmunzelnd und hielt den Damen höflich die Eingangstür auf. Das Mittagessen zog sich eine Weile hin. Die drei hatten sich viel zu erzählen, obwohl sie sich im Grunde fremd waren. Doro war glücklich. Endlich saß sie der Frau mit dem zauberhaften Lächeln gegenüber und wollte tausend Fragen auf einmal stellen. Doch sie brachte kaum ein Wort heraus, als wäre ihr ganzer Text auf einen Schlag weg.  Max bestellte noch drei Cappuccino und drängte dann zum Aufbruch. Immerhin war es schon später Nachmittag. Nach zwanzig Minuten schneller Fahrt bog Max in eine kleine Straße ein, dann in ein offenes zweiflügeliges Hoftor, und sie waren da. Malyra machte eine ausladende Armbewegung.

      »Noch mal willkommen, liebe Doro, in meinem neuen Reich. Im Haus ist so weit alles fertig. Demnächst will ich mit dem Garten anfangen, und auch darum brauche ich ihren guten Rat.«

     Doro sah sich um. Ihr gefiel das alte Fachwerkhaus sofort, und aus dem Garten ließ sich vieles machen. Zu zweit hat man viel mehr Ideen, dachte sie. Gegenüber stand ein kleineres Gebäude, dessen oberer Bereich früher wohl als Scheune, der untere sicher als Stall genutzt worden war. Am Ende des Hofes befand sich der Garten mit dem Hühnerhof. Die Hennen kamen gleich an den Zaun gerannt, neugierige Weiber eben. Ein Hahn stolzierte blasiert näher, legte den Kopf nach Hühnerart schief und musterte sie mit seinen blanken Augen, als wollte er sagen: Warum sollte ich krähen?  Zur Straße hin verbarg eine hohe Mauer den parkähnlichen Laubwald, der sich hinter dem Haus erstreckte. Ein Paradies mitten im Ort.

      »Na, kommt erst mal rein. Ich mache gleich einen Kaffee. Max bist du so lieb und bringst das Gepäck nach oben? Wo ist denn meine Katze?«

      Malyra ging zum Sessel hinüber und nahm die kleine Tigerkatze auf den Arm, die erst ein wenig strampelte. Katzen mögen sanft geweckt werden. Dann reichte sie den Stubentiger an Doro weiter, die sich mit dem Fellbündel in einen Sessel setzte. Das war für die Katze das Signal zum Schnurren. Gegenüber vom Kamin standen - Rücken an Rücken mitten im Raum – zwei große Sofas.

      »Meine Spezialaufteilung. Das Sofa zum Schlafen vor dem Kamin und das andere zum Schlafen vor dem Fernseher. Man muss nur rechtzeitig wechseln. Am liebsten schlafe ich aber vor dem Kamin.«

      »Aber meistens verpasst sie den Wechsel«, brummte Max, der gerade Holz im Kamin aufschichtete.

      »So, der Kaffee läuft. Ich zeig ihnen noch schnell das Zimmer, dann können wir gemütlich plaudern. Nehmen sie die Katze ruhig mit. Sie heißt übrigens Dorabella.«

      »Darum ist sie so verschmust. Bei mir strampelt sie nicht einmal. Sie haben sie zu unsanft geweckt, Malyra.«

      »Och, dass ist sie gewohnt. Sie wartet geradezu darauf, wenn ich heimkomme. Meine Liebe, bitte sehr, hier können sie sich von der Reise erholen.«  Sie öffnete die Tür.

       »Also, bis gleich.«

    Leichtfüßig lief Malyra die knarrende Holztreppe wieder hinunter, wirbelte im Vorübergehen Max‘ Frisur durcheinander und fragte gleichzeitig:

      »Willst du nicht noch zum Essen bleiben?«  Max ließ die Zeitung sinken.

      »Tut mir leid, Malyra. Der Termin ist wichtig und es ist ein Arbeitsessen. Du wirst das schon alleine hinkriegen. Macht euch einen schönen Abend, das bringt dich auf andere Gedanken.«

    Er stand auf und nahm sie in die Arme.

      »Du hast das bis jetzt immer geschafft. Ich bin sicher, Frau Engels wird nichts dagegen haben, mit dir allein zu sein. Deinem zauberhaften Lächeln wird sie auf der Stelle verfallen! Jetzt muss ich aber los, Tschüs!«

     Dem bin ich schon lange erlegen, dachte Doro, die gerade die Treppe herunterkam. Seit dem Moment, als ich durch Zufall in die Sendung hinein gezappt habe. Und nicht nur dem Lächeln, auch der Stimme.

      Die Damen machten es sich nach dem Essen auf dem Sofa vor dem Kamin gemütlich. Kühler Rosé funkelte in den Gläsern. Dorabella behauptete ihren Platz zwischen ihnen, und ließ sich nicht mehr vertreiben. Vor dem knisternden Feuer plauderten sie bis spät in die Nacht. Kein Telefon störte die Vertraulichkeit, und auch die Haustürklingel blieb stumm. Manchmal schwiegen sie einträchtig, schauten ins Feuer, sahen sich an und verstanden sich ohne Worte, errieten die Gedanken der anderen, denn sie waren gleich den eigenen. Dorabella hatte sich mittlerweile in ihren Lieblingssessel zurückgezogen, es war ihr zu eng geworden auf dem Sofa. Malyra stand auf.

      »Wollen wir nicht endlich die hinderlichen Nachnamen weglassen?«

    Sie holte noch eine Flasche Rosé aus dem

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