In die Ferne nach Hause: Erste Reise eines Ahnungslosen nach Peru, das Land, aus dem seine Ehefrau stammt …
Von Ulrich Seibert
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Über dieses E-Book
»In die Ferne nach Hause« ist im Wesentlichen ein Reisetagebuch, das während eines Peru-Aufenthalts 2016 in der Familie der Ehefrau des Autors geschrieben wurde. Für die Veröffentlichung war dieses Projekt eigentlich nie vorgesehen, allerdings hielt dieser Vorsatz aufgrund des Drucks von Freunden / Verwandten des Autors, die das Manuskript gelesen hatten, nicht lange.
Reisetagebuch - dabei denkt man zunächst mal an so etwas wie einen Reiseführer. Oder eine Geschichtensammlung, wie man sie zum Beispiel von Andreas Altmann kennt. Nun, das hier ist anders. Denn es geht hier nicht um Landschaften oder Sehenswürdigkeiten wie Machu Picchu und auch nur am Rande um Kultur, zumindest nicht in der Hauptsache. Es geht um die Menschen, insbesondere diejenigen, die in einem der ärmeren Stadtteile Limas leben. Dass auch Abstecher nach Lima oder zu dem ein oder anderen touristischen Point of Interest enthalten sind, ist ein eher zufälliges Nebenprodukt. Wenn also Reiseführer, dann einer zu den Menschen des Landes und ihren Gepflogenheiten.
Da der Autor versucht hat, mit einem neuen Schreibstil zu experimentieren, erinnert dieser weniger an die bisher veröffentlichten Werke, sondern geht stilistisch vielleicht eher in die Richtung des britischen Autors Bill Bryson, der eine sehr humorvolle Art zu schreiben hat, ohne sich über seine Mitbürger über Gebühr lustig zu machen. Dessen Spezialität ist es unter anderem, das Skurrile im Alltag herauszuarbeiten.
So nimmt der Autor den Leser mit auf einen unterhaltsamen Ausflug in den Teil einer Metropole, den der normale Tourist Zeit seines Lebens nie zu sehen bekommt.
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Buchvorschau
In die Ferne nach Hause - Ulrich Seibert
Vorwort
„Alles schön bunt … aber verrostet."
Das war die Antwort, die mein Schwager Juan von seinem dreijährigen Sohn Edward bekam, als er diesen fragte, wie ihm Peru gefallen hätte. Ich bin fast sicher, dass man ein Land kaum in so wenigen Worten treffender beschreiben kann. Peru ist ein reiches und ein armes Land zugleich. Reich, weil es über Bodenschätze und unglaubliche kulturelle Hinterlassenschaften verfügt, die es u.a. für den Tourismus interessant machen. Es gibt verschiedene Klimazonen von der Küste über das Hochland bis in den Amazonas-Dschungel, ein Umstand, dem Peru unter anderem reichhaltige Zutaten für die wohl beste Küche Südamerikas zu verdanken hat. Aber es gibt auch jede Menge Armut, die klassische Armut der sich selbst ausbeutenden Mini-UnternehmerInnen, die sich Tag um Tag abrackern, um ihren Kindern am Abend etwas zu essen bieten zu können und die extreme Armut von Leuten, die, unfähig, ihr Leben noch aus eigener Kraft geregelt zu bekommen, auf private Wohltätigkeiten angewiesen sind. Die meisten Peruaner versuchen stets, das Beste aus ihrer jeweiligen Situation zu machen – sei sie auch noch so schwierig oder bizarr – und sie müssen dabei ständig improvisieren. Das macht aus ihnen einen Menschenschlag, den man mit allerlei Eigenschaften belegen kann wie offen, spontan, liebenswürdig, humorvoll, widersprüchlich oder auch opportunistisch, ohne ihn damit jemals vollständig beschreiben zu können. Das können, wenn überhaupt, vielleicht Geschichten ein klein wenig bewerkstelligen. Und so ist auch dieses kleine Büchlein zu verstehen, als eine Sammlung selbst erlebter Episoden während einer Reise mit meiner Frau in ihr Heimatland. Vergeblich werden Sie hier Beschreibungen der großen Sehenswürdigkeiten suchen oder in Schwelgereien über landschaftliche Impressionen eintauchen können. Wenn dies hier schon als Reiseführer angesehen werden soll (was bitteschön keinesfalls in der Intention des Autors liegt), dann einer … zu den Menschen Perus. Falls Sie dann doch den ein oder anderen touristisch interessanten Tipp für sich entdecken, betrachten Sie ihn bitte als Dreingabe.
Geschrieben wurde dieser Text (abgesehen vom letzten Kapitel) während der drei Wochen in Peru selbst und zwar zunächst ausschließlich als Erinnerung für mich selbst und meine Familie. Die Idee zur Veröffentlichung kam erst später, insbesondere auf Zuspruch einiger Freunde / Verwandte, die ihn zu lesen bekommen hatten (damit ich mir langatmige Erzählabende schenken konnte). Einerseits wollte ich die Texte für die Veröffentlichung im Original belassen, um die Spontaneität und Frische des Erlebten möglichst zu erhalten, andererseits fehlen dem geneigten Leser damit wichtige Informationen, um gewisse Situationen / Zusammenhänge verstehen zu können. Daher habe ich den Kapiteln, bei denen mir dies nötig erschien, redaktionelle Anmerkungen vor- oder hintangestellt.
Wenn Sie nach der Lektüre dieses Büchleins auf Peru und seine Bewohner etwas neugieriger geworden sein sollten, würde mich das sehr freuen, denn … Land und Leute sind es wert!
Tag 1: 11.5.2016 (Mittwoch)
Es geht doch nichts über eine stressfreie Abreise. Erstaunlicherweise läuft alles glatt: Unser „Privat-Chauffeur" zum Flughafen hat nicht verschlafen, das Gepäck passt samt allen Passagieren in Gottfrieds Auto, kein Stau auf der Autobahn, keine Warteschlange beim Gepäck-Einchecken, gemütlich Zeit für ein kleines Frühstück am Flughafen. Dann ein pünktlicher Abflug zunächst nach Amsterdam mit der KLM. Auch in Schiphol keinerlei Stress, ein gemächlicher Fußmarsch vom Anflug- zum Weiterflug-Gate. Meine Frau Dina entdeckt eine Ladestation für Handys, die Strom liefert, wenn man sich auf einen Fahrradsitz setzt und kräftig in die Pedale steigt. Sehr sympathisch … aber wen wundert es, dass alle vier Ladestationen unbesetzt sind? Das heißt … nicht ganz. Ein Herr im mittleren Alter, geschäftsmäßig gekleidet, nähert sich, setzt sich, doch der Zweck der Pedale erschließt sich ihm nicht vollständig. Immerhin, seine Füße stellt er schon mal drauf. Nachdem aber nichts weiter passiert, packt er Kabel und Handy mit finsterer Miene wieder ein und geht seiner Wege.
Ein kleiner Dämpfer im Flugzeug nach Lima: Just in unserer Sitzreihe gibt es kein Fenster. Nur Flugzeugwand. Und ich hätte mir so gerne die Karibik, Venezuela und Kolumbien angesehen. Auch die hübsche Latina, die neben mir am „Fensterplatz" sitzt, findet an dieser Situation wenig Gefallen und sie verlangt von der Stewardess, an einen richtigen Fensterplatz umgesetzt zu werden, ein Wunsch, der ihr erfüllt wird, weil gleich in der Reihe vor uns ein Platz frei geblieben ist. Und was macht diese blöde Kuh als Allererstes: Sie schließt die Jalousien beider Fenster und öffnet sie erst kurz vor der Landung in Lima wieder, um mit ihrem iPhone ein Foto vom Nachthimmel von Lima zu schießen. Immer wieder holt sie während des Fluges ihr Smartphone hervor, um sich Fotos anzusehen. Die meisten der Fotos – und diese scheint sie mit besonderer Hingabe zu betrachten – sind Fotos von ihr selbst. Es gibt Menschen, mit denen ich mich durchaus leicht identifizieren kann. Und dann gibt es diese anderen, deren Gedanken- und Gefühlswelt mir wohl auf ewig verschlossen bleiben werden …
Eine Neuerung auf Transatlantik-Flügen, die ich bis jetzt noch nicht kannte, sind kleine Multimedia-Stationen, die im Vordersessel installiert sind. Mit einer herausnehmbaren Fernbedienung, die auf der Rückseite gleichzeitig eine Spielekonsole und eine Miniaturtastatur enthält, kann man Computerspiele spielen, Filme oder Fernsehserien ansehen, telefonieren oder SMSen, Musik hören, die aktuellen Fluginformationen abrufen und ein halbes Dutzend Sachen mehr. Was ich mir noch gewünscht hätte, wären Einblendungen von einer im Flugzeugrumpf integrierten Kamera oder Internet.
Früher hatte man zu solchen Anlässen einen Roman dabei, der bei der Ankunft meist durchgelesen war. Heute … okay, ich gebe es zu … ich habe mir das erste Mal in meinem Leben vier Spielfilme angesehen. Fast wäre ich versucht zu sagen „das erste und das letzte Mal", aber ich will mal vorsichtig sein: Der Rückflug steht noch bevor.
Als das Flugzeug um 18:15 Uhr (mit nur zehn Minuten Verspätung trotz einer halbstündigen Verzögerung beim Start, weil die Flüge einiger Passagiere verspätet in Amsterdam angekommen sind) landet, ist es in Lima bereits dunkel. Wir warten etwa eine Stunde, bis unser Gepäck kommt und begeben uns in den Ausgangsbereich, wo Daniel, Dinas Bruder, schon auf uns wartet. Auf dem Weg nach draußen laufen wir an etlichen Taxistas vorbei, die ihre Dienste anbieten. Daniel ignoriert sie alle und sucht sich draußen selbst einen, mit dem er den Fahrpreis aushandelt. Soo selbstverständlich ist es nicht, einen geeigneten Taxifahrer zu finden, denn der soll ja nicht nur billig sein, sondern auch den Mut haben, uns in den berüchtigten Stadtteil Comas zu fahren … Mit modernem Fernost-Auto und Smartphone-Navi geht es schließlich durch eine Stadt, deren Verkehr mit vollem Recht berüchtigt ist. Nicht nur die Fahrzeuge sind abenteuerlich (Ich habe ein Auto gesehen, das mehr oder weniger nur noch aus einem Fahrgestell mit Motor bestand), sondern erst recht auch die Fahrweise. Insbesondere die Moto-Taxis (zu einer Art motorisierter Rikscha umgebaute Mopeds) nutzen jede Lücke, die sie finden können, ohne auf andere motorisierte Verkehrsteilnehmer zu achten, die vielleicht gerade mit deutlich mehr PS unter der Haube in dieselbe Lücke vordringen. Erstaunlicherweise werden wir ohne Crash (nur zwei Beinahe-Zusammenstöße) an Dinas altem Zuhause ankommen. Doch wie lange das Taxi es noch machen wird, steht auf einem anderen Blatt: In unregelmäßigen Abschnitten sind Geschwindigkeitsbarrieren (die der Amerikaner lautmalerisch „Bump" nennt) von bis zu 30 Zentimetern Höhe quer über die Fahrbahn angelegt. Unser Taxi rumpelt derart ungebremst über manche dieser Bumps, dass die Karosserie gelegentlich sogar Bodenkontakt bekommt. Spielt wohl keine Rolle … Hauptsache, man liefert den Kunden rasch an seinem