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1986 - UNTERNEHMEN STUNDE NULL: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman
1986 - UNTERNEHMEN STUNDE NULL: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman
1986 - UNTERNEHMEN STUNDE NULL: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman
eBook383 Seiten5 Stunden

1986 - UNTERNEHMEN STUNDE NULL: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman

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Über dieses E-Book

Sechs Menschen auf der Flucht vor dem Weltuntergang: Sie fliehen aus dem sterbenden, berstenden Wien - werden sie die rettende Burg Spaldenstein erreichen? Wird morgen wieder ein Erdentag sein?

Am 16. April 1986 beginnt das große Abenteuer, der Kampf ums Überleben im Chaos einer Stunde Null, das todbringend um die Erde rast.

Während Kontinente zu wandern beginnen, andere versinken, während tödliche Strahlen der Sonne und Kälte-Einbrüche aus dem Kosmos Fauna und Flora zerstören oder mutieren lassen, erwartet die sechs auf ihrer kleinen Insel im Meer der Vernichtung ein modernes Robinson-Schicksal inmitten einer Umwelt voller Überraschungen. Anders als dem historischen Vorläufer stehen ihnen dabei auch Mittel und Möglichkeiten der untergegangenen hochtechnisierten Zivilisation zur Verfügung; sie bieten ihnen unter anderem die Chance, mit Überlebenden in Verbindung zu treten; daraus schöpfen sie die Hoffnung, die Basis für eine Fortexistenz des Menschen zu gewinnen...

Der Roman 1986 - Unternehmen Stunde Null des Schriftstellers und Wissenschaftsjournalisten Gerhard R. Steinhäuser (geboren im September 1920 in Brünn, Tschechoslowakei; gestorben im September 1989) gilt als moderner Klassiker der deutschsprachigen Science-Fiction-Literatur und wurde erstmals im Jahre 1973 veröffentlicht. Der Roman überzeugt durch seine exzellent recherchierten und aufbereiteten Fakten wie die Glaubwürdigkeit des gesamten Szenarios, das inmitten Europas angesiedelt ist - weder Wissenschaft noch Abenteuer kommen dabei zu kurz. Unternehmen Stunde Null ist in Zeiten von Klimawandel und ungebrochener Umweltzerstörung heute - im Jahr 2020 - auf geradezu erschreckende Weise aktueller denn je.

Der Roman erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum1. Aug. 2020
ISBN9783748752240
1986 - UNTERNEHMEN STUNDE NULL: Ein dystopischer Science-Fiction-Roman

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    Buchvorschau

    1986 - UNTERNEHMEN STUNDE NULL - Gerhard R. Steinhäuser

    Das Buch

    Sechs Menschen auf der Flucht vor dem Weltuntergang: Sie fliehen aus dem sterbenden, berstenden Wien - werden sie die rettende Burg Spaldenstein erreichen? Wird morgen wieder ein Erdentag sein?

    Am 16. April 1986 beginnt das große Abenteuer, der Kampf ums Überleben im Chaos einer Stunde Null, das todbringend um die Erde rast.

    Während Kontinente zu wandern beginnen, andere versinken, während tödliche Strahlen der Sonne und Kälte-Einbrüche aus dem Kosmos Fauna und Flora zerstören oder mutieren lassen, erwartet die sechs auf ihrer kleinen Insel im Meer der Vernichtung ein modernes Robinson-Schicksal inmitten einer Umwelt voller Überraschungen. Anders als dem historischen Vorläufer stehen ihnen dabei auch Mittel und Möglichkeiten der untergegangenen hochtechnisierten Zivilisation zur Verfügung; sie bieten ihnen unter anderem die Chance, mit Überlebenden in Verbindung zu treten; daraus schöpfen sie die Hoffnung, die Basis für eine Fortexistenz des Menschen zu gewinnen...

    Der Roman 1986 - Unternehmen Stunde Null des Schriftstellers und Wissenschaftsjournalisten Gerhard R. Steinhäuser (geboren im September 1920 in Brünn, Tschechoslowakei; gestorben im September 1989) gilt als moderner Klassiker der deutschsprachigen Science-Fiction-Literatur und wurde erstmals im Jahre 1973 veröffentlicht. Der Roman überzeugt durch seine exzellent recherchierten und aufbereiteten Fakten wie die Glaubwürdigkeit des gesamten Szenarios, das inmitten Europas angesiedelt ist - weder Wissenschaft noch Abenteuer kommen dabei zu kurz. Unternehmen Stunde Null ist in Zeiten von Klimawandel und ungebrochener Umweltzerstörung heute - im Jahr 2020 - auf geradezu erschreckende Weise aktueller denn je.

    Der Roman erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER.

    1986 - UNTERNEHMEN STUNDE NULL

      »Wenn ich die derzeitige Situation auf der Erde betrachte, drängt sich mir der Gedanke auf, dass die Menschheit in bezug auf die biologischen Vorgänge auf diesem Planeten viel Ähnlichkeit mit einer Krebserkrankung hat: sie wuchert hemmungslos, bildet überall Tochtergeschwüre (Metastasen) und vergiftet den gesamten Organismus.

    In einem solchen Fall würde jeder Human-Arzt zu einer Radikaloperation raten. Falls man der Natur so etwas wie ein Gesetz oder Vernunft zubilligen will (was angesichts ihrer Gesamtentwicklung - der Evolution - nur logisch wäre), wäre es also für die Natur an der Zeit, zu einer solchen Operation zu schreiten: zur Ausmerzung der sie tödlich bedrohenden Krankheit. Das Messer würde dann zwangsläufig nicht nur die erkrankten Teile, sondern auch viele gesunde mitnehmen. Es wäre eine Operation auf Leben und Tod...«

    (Notiz des Verfassers aus dem Jahre 1973)

      Die Insel der letzten Zuflucht

    Burg Spaldenstein, 20. September 1987

    Gestern hätte ich Geburtstag gehabt - den siebenundfünfzigsten. Aber wer rechnet noch so; nach unserer neuen Zeitrechnung bin ich (wie die anderen hier auch) erst ein Jahr, fünf Monate und vier Tage alt. Am 16. April vorigen Jahres hat es begonnen, als wir mit drei Wagen und sieben Menschen losfuhren. Hierher in die Wälder, zu unserer Burg. Wenn ich mich recht erinnere, war es auch ein 16. April - im Jahre 1972 -, als es im Osten Österreichs das erste starke Erdbeben seit Menschengedenken gab. An diesem Tag ist in mir der Plan entstanden, dem wir später den Namen Unternehmen Stunde Null, gaben.

    Ungefähr drei Jahre danach habe ich dann mit meinem letzten Geld die Burg gekauft. Meine Frau war nicht gerade begeistert, ein Grundstück bei Wien wäre ihr lieber gewesen, aber die Gelegenheit war günstig.

    Der dicke Viehhändler, der keineswegs, wie ihm der Vorbesitzer weisgemacht, mit der Ruine auch den Titel des Freiherrn von Spaldenstein erworben hatte (das krebsrote Gesicht, das er bekam, als er mir das heimlich beichtete, werde ich nie vergessen), war heilfroh, den nutzlosen Steinerhaufen, wie er ihn nannte, wieder loszuwerden. Solche Trümmer waren in den Jahren modischer Bungalows nicht sonderlich beliebt. Jetzt gibt es fast nur noch Steinerhaufen, und Spaldenstein dürfte einer der gemütlichsten und wohnlichsten sein.

    Von außen sieht man zwar nur verwitterte Mauern und leere Fensterhöhlen und, wenn man durchs vordere Tor kommt, überwucherte Schutthalden - aber dann kommt das innere Tor, und das ist fest und gut verschlossen. Für einen möglicherweise herumstreunenden Plünderer bietet sich die Burg sicher nicht als lohnendes Objekt an, und wenn er allzu neugierig sein sollte, dann gibt es in der inneren Wehrmauer noch ein paar Schießscharten, durch die man nicht nur eine alte Armbrust aus dem Rittersaal, sondern auch den Lauf einer Maschinenpistole jüngeren Datums stecken kann. Darüber ragt der Turm, der Bergfried. Er ist so massiv, dass er alle Beben, die es auch hier gab, überstanden hat. Nicht ein Riss hat sich gebildet. Was waren das früher für Maurer und Baumeister! Wie sorgsam wählten sie aber auch ihre Bauplätze aus. Die dicken Eichenbohlen der Treppe haben ebenfalls standgehalten; das kleine Fenster oben im Turm ist frisch verglast und selbst aus der Nähe nicht erkennbar. Dahinter steht der schwere Tisch, an dem ich sitze, und auf ihm das Funkgerät, dessen Antenne am Turmrand als dürres Bäumchen getarnt ist.

    Niemand soll merken, dass es hier Menschen, Vorräte und Waffen gibt - ja sogar noch meine gute alte Schreibmaschine...

    Vor zwei Tagen hat es zum ersten Mal seit Wochen wieder ausgiebig geregnet. Der Bach am Felsen, durch den ein langer Riss geht (deshalb der Name Spaldenstein), führt wieder Wasser und treibt das Schaufelrad des versteckten Generators und damit die Funkanlage, die unsere letzte Verbindung zur großen weiten Welt - so hieß es doch einmal in einer Zigaretten-Reklame? - darstellt.

    Im Übrigen beleuchten wir unsere Gemächer im Parterre sonst mit Öllampen oder Kerzen - es ist gut, wenn sich meine Söhne beizeiten an diese primitive Technik gewöhnen.

    Der Spannungsmesser am Apparat (ob ihn das österreichische Bundesheer inzwischen vermisst hat?) klettert über die Minimal-Marke; ich stülpe mir die Kopfhörer auf und schalte auf Empfang. Aus Gewohnheit, und weil es wieder einmal Strom gibt. Was soll es denn schon Besonderes zu hören geben?

    Aber da ist etwas: Ich drehe an der Feineinstellung, und jetzt kommt der Sender schwach herein: »...hier ist OXKW Freilassing... ich rufe alle, die mich hören können... ich befinde mich neben dem Krankenhaus. Wir haben siebzehn Typhuskranke und keine Medikamente, vielleicht kann jemand helfen... Die Autobahn Richtung Salzburg scheint noch frei zu sein, der Ort Freilassing ist zu fünfundachtzig Prozent zerstört, es gibt ungefähr neunzig Überlebende, vermutlich aber alle strahlengeschädigt... Die Strahlungsdosis beträgt derzeit... Freilassing OXKW, ich rufe alle...«

    Ich habe automatisch mitnotiert. Eine Notiz neben vielen anderen ähnlichen, ein sinnloses Notizbuch des Schreckens, denn wir können nicht helfen, selbst wenn wir wollten und die Medikamente hätten. Zwischen uns und dem Salzburger Land, in dem ja auch Freilassing jenseits der früheren deutschen Grenze liegt, erstreckt sich von Norden nach Süden eine riesige Lößwüste. Vom Abbruch der Berge des Waldviertels bis über die Gegend hinaus, wo einst Linz war. Wir müssten Kamele haben, um da durchzukommen. Woher aber sollten wir Kamele nehmen?

    Dass es so ist, haben meine beiden Söhne Johannes und Alexander und Dr. Jelinek erst kürzlich festgestellt, als sie mit dem Range-Rover vorzustoßen versuchten und trotz Vierradantrieb und 180 PS steckenblieben. Sie fanden nur totes Gebiet. Schade um den Sprit. Löß, Lehm, Sand - ganze Höhenzüge davon, die der Super-Sturm (ich finde keinen anderen Ausdruck für dieses Ereignis) im Sommer aus Sibirien oder der Sahara hierher getragen hat. Binnen 24 Stunden. Geologisch unmöglich, hätte man früher gesagt. Aber dieser Sturm war eine Realität. Vor einigen zehntausend Jahren soll es ähnlich gewesen sein; damals, als die Löß- und Lehmhügel am Rand der Donau entstanden, in die man später die herrlichen Weinkeller grub. Nun, jetzt ist es wieder soweit - aber wird diesmal jemand Weinstöcke auf der neuen Erde pflanzen und Keller graben...?

    Wein - drei Fässer liegen noch im untersten Turmverlies gut und kühl. Als Erinnerung sozusagen und als Medizin für besondere Fälle (ich bin öfter so ein Fall). An Bier wage ich gar nicht zu denken, und einen grässlich riechenden Schnaps habe ich mit einem zusammengestöpselten Destillierapparat im Winter gebraut, da waren offensichtlich Vor- und Nachlauf und zu viele ätherische Fuselöle mit hineingeraten. Im »Winter« - das darf man allerdings nicht mehr so wörtlich, sondern nur noch kalendarisch nehmen, denn die Jahreszeiten gehen kunterbunt durcheinander. Bald leiden wir unter meterhohem Schnee und können nur noch durch den halb eingefallenen Geheimgang der Burg hinüber zum Hueber-Bauer, neben dessen Kuhstall er endet bald sind wir von Wasser eingeschlossen, und dann wieder dörrt plötzlich einsetzende, wochenlange Hitze die Wälder aus, so dass fast jeder der ungezählten Blitzschläge zündet. Und Gewitter gibt es mehr als genug. Ohne die wolkenbruchartigen Regen wäre der Waldbestand längst vernichtet. Gerade zieht wieder ein Gewitter herauf. Der einsame Rufer aus Freilassing ist still geworden, ich schalte ab auf Erdung.

    Das hat ja alles keinen Sinn. Wir wissen nicht einmal, ob es noch Überreste von Wien gibt, oder von München, Berlin oder anderen Städten. Das alles sind nur noch Namen. Der Funkempfang ist durch die dauernden magnetischen Stürme fast ununterbrochen gestört. Mit einem primitiven Sextanten, gebaut nach dem »Lehrbuch für Physik für die höheren Schulen Österreichs«, Jahrgang 1967, habe ich unlängst einmal versucht, unsere »Position« zu bestimmen, so wie es die alten Segelschiffkapitäne taten. Dabei kam ich - ich kann mich natürlich irren - auf ganz verrückte Werte. Wenn sie stimmen sollten, dann müssten wir uns samt unserer Burg und wahrscheinlich der ganzen alten Landmasse, auf der sie steht, gute einhundertfünfzig Kilometer nördlich und zwei- bis dreihundert Kilometer westlich bewegt haben. Zumindest Teile der Kontinente scheinen zu wandern und zu treiben; Alfred Wegener selig, der einst die Kontinentalverschiebungs-Theorie entwickelte, hätte seine helle Freude daran.

    Wie sich das alles wieder einmal einpendeln und ordnen wird - wer kann das sagen? Welche Lebewesen werden dann die veränderte Erde bevölkern und beherrschen? Menschliche Mutanten, oder...?

    Ich erinnere mich eines Fernsehvortrages, den ich vor vielen Jahren hörte und sah. Da hat jemand erklärt, die Reptilien, also Schlangen, Echsen usw., könnten als einzige höhere Organismen harte Strahlungen auf längere Dauer aushalten - und deshalb hätten sie auch bisher kosmische Katastrophen wiederholt überlebt, wenn der magnetische Schutzmantel der Erde zeitweise zerfiel, wie eben jetzt wieder, und die harten Strahlungen der Sonne und aus dem Kosmos weltweite Veränderungen der Fauna und Flora auslösten.

    Diesbezüglich bin ich übrigens erstaunt: entweder hat uns der Zufall maßlos begünstigt, oder der Untergrund aus Urgestein und vor allem die großen, tiefen Wälder wirken so stark abschirmend, wie man das früher nicht gewusst hat. Jedenfalls ist die Strahlung zurzeit bei uns nahezu wieder normal.

    Das war nicht immer so; im Vorjahr, als der Magnetschirm der Erde endgültig zusammengebrochen war und unvorstellbare Strahlungsstürme die letzte, schützende Hülle der Atmosphäre aufrissen und durchbrachen, da hockten wir tage-, ja wochenlang unter den meterdicken Mauern und Felswänden im Keller und warteten auf das Ende der tobenden Gewalten oder unser eigenes. Wer hinter einfachen Ziegel- oder Betonwänden saß, war verloren. Mein Sohn Johannes und der junge Neuner, den wir seinerzeit auf der Flucht aufgelesen hatten (er ist ein Klassenkamerad von Johannes), diese beiden Vorzugsschüler in Mathematik und Physik, hatten schon früher, auf meine düsteren Prophezeiungen hin, in Wien irgendein angebliches Ionisations-Abschirmgerät zusammengebastelt, das (nach ihren Behauptungen) in einem kleinen Bereich und mit relativ geringer Energie stärker strahlungsabweisend wirken sollte als Blei. Das etwas poppig-futuristisch aussehende Gerät, gespeist von vier hintereinander geschalteten Autobatterien, surrte und summte jedenfalls ganz vertrauenerweckend - und nachträglich behaupteten die beiden Abiturienten, sie hätten uns damit das Leben gerettet. Ob das stimmt, kann ich nicht sagen, ich bin ein Laie. Mir leuchten ihre Erklärungen insofern ein, als früher auch die Raumkapseln landender Astronauten bei ihrem Eintritt in die Lufthülle von einem Mantel ionisierter Moleküle umgeben wurden, die jeden Kontakt mit der Umwelt unterbrachen. Auf einem ähnlichen Prinzip sollte das Ding der jungen Leute auch funktionieren - wer weiß, vielleicht ist das Teil einer Technik von morgen? Tatsache ist, dass wir alle von Strahlungsschäden verschont blieben. Von den fünf Kühen des Hueber-Bauern sind übrigens jene drei, die auf dem dicken Stroh des Stalles bzw. unter dem Heu der Tenne standen, völlig gesund, die beiden, die auf der offenen Weide waren, aber so schwer geschädigt, dass wir weder ihre Milch noch ihr Fleisch verwenden werden können. Und: Hirsche, Rehe und Hasen, die während der Strahlungseinbrüche im dichten Wald waren, zeigen auch vorerst keine Veränderungen. Seltsam - vielleicht haben die alten Bauern doch recht gehabt, die behaupteten, dass Stroh und Reisig gegen »böse Geister« abwehrend wirken? Nun, die schlimmste Zeit scheint vorbei zu sein. Der Geigerzähler tickt nur noch ab und zu stärker, vermutlich dann, wenn unsichtbare Atomwolken aus China oder dem Pazifik noch vorüberziehen.

    Wie viele Millionen Menschen hat es dort vor dem letzten Wahnsinnskrieg gegeben? Vierzehnhundert oder sechzehnhundert? Sie sind nicht mehr. Wie ich verstümmelten Funksprüchen von Amateuren aus Frankreich entnehmen konnte (die ihre Informationen wieder von Gott weiß wem erhielten), dürfte Indien zum Teil von der Landkarte verschwunden sein. Dass die Küstengebiete von Westeuropa langsam im höher steigenden Meer versinken, habe ich auch gehört. Da dort ohnehin kaum noch jemand lebt, ist das auch gleichgültig. Südamerika soll sich an der Westküste in eine einzige Kette von Vulkanen verwandelt haben - ein Zeichen dafür, dass dieser Kontinent ebenfalls wieder in Bewegung geraten ist. »Panta rhei« - alles fließt hat der griechische Philosoph Heraklit, den sie wegen seiner Ideen »den Dunklen« nannten, einmal gesagt. Damit behielt er jedenfalls recht.

    Eines steht fest: das Ernährungs- und Bevölkerungsproblem ist auch ohne UNO-Konferenzen nunmehr gelöst. Keiner hungert mehr. Die Hungernden sind tot.

    Wen und was werde ich hinterlassen, wenn ich sterbe? Zwei Söhne, jetzt achtzehn und einundzwanzig Jahre alt, deren einer vielleicht für immer ledig bleiben wird, weil es weit und breit kein jüngeres weibliches Wesen mehr zu geben scheint. Die Maria vom Hueber-Bauer haben wir im Frühjahr mit meinem Älteren, dem Alexander, in der kleinen Burgkapelle getraut.

    Und da ist noch meine Frau, Gertrude, geborene Stemmer, die mich später begraben oder verbrennen wird; da ist der alte Hueber mit seiner Frau, unser Dr. Jelinek, vormals praktischer Arzt in Wien-Brigittenau (Sprechstunden Montag-Freitag von 9 Uhr 30 bis 12 Uhr 30), und der junge Neuner, dessen Vater die längst fällige Verleihung des Hofrat-Titels nun doch nicht mehr erlebt hat.

    Er und Johannes werden sich, wenn sie eine Frau haben wollen, eines Tages aufmachen müssen. Sie werden dann drei Pferde haben - die noch rüstigen Wallache vom Hueber-Bauer (die Autos werden längst ohne Batterie und verrostet sein) und Bogen, Pfeile und Vorräte für einige Tage. Ein Gewehr, zwei Pistolen und eine MP mit hinreichend Munition. Das müsste genügen.

    Dr. Jelinek, obwohl er erst 39 Jahre alt ist, will nicht mitgehen. Seit er so gut wie nichts zu tun hat, außer uns ab und zu einen Zahn zu behandeln (man merkt, dass er das nie richtig gelernt hat), ist er ein Snob geworden und erklärt, er habe nicht die Absicht, eine Generation neuer Neandertaler zu begründen.

    Wir werden dann also zwei Reitern und drei Pferden nachwinken - und hoffen und warten, dass sie zurückkehren. Mit Frauen... Nicht anders, als es die Menschen vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden taten, wenn einige von ihnen ins Unbekannte und Ungewisse aufbrachen. Und alles wird wieder von vorne beginnen...

    Es könnte sein, dass jemand in dreißig oder fünfzig oder hundert Jahren diese unterdessen leicht vergilbten Blätter in die Hand bekommt (und dann noch lesen kann). Er könnte dann den Eindruck gewinnen, dass ich selbst snobistisch-zynisch-gemütlich - wie es in den siebziger Jahren vielfach Mode war - gedacht und geschrieben hätte. Dazu, und diesem eventuellen Leser, möchte ich folgendes erklären: Es gibt eine Grenze des Grauens, die keine Steigerung mehr zulässt. Wer sie in vollem Bewusstsein erlebt und überschritten hat, kehrt entweder krank oder verrückt wieder - oder mit einem Lächeln, das nicht mehr nach gewohnten Maßstäben zu messen ist. Es ist weder irre noch arrogant, noch zynisch - es ist mein Lächeln.

    Das Gewitter hat sich nun doch hinter die nördlichen Waldberge verzogen; die Wolken reißen auf, geben das Bild einer sinkenden Sonne frei, die in einem Gemisch von Grün, Gelb und Blau irisiert. Natürlich hat sich die Sonne selbst nicht verändert, und ihre weiterhin starke Aktivität ist im Sinne ihrer Periodik nahezu normal; was sich verändert hat, ist die Atmosphäre und damit die Lichtbrechung. Man wird sich daran gewöhnen, man gewöhnt sich an vieles.

    Wenn ich daran denke, dass ich Spaldenstein erst vor etwas mehr als elf Jahren, im Grundbuch festgelegt, erworben habe... Damals war - nein: schien - die Welt wenigstens als Planet noch heil, und nicht einmal die ärgsten Pessimisten hätten geglaubt, dass alles so schnell gehen würde. Selbst sie unterlagen einem Irrtum des Denkens, den man nachträglich leicht festhalten kann: ein System, gleich welcher Art, bricht nicht erst dann zusammen, wenn es auf dem Nullpunkt angelangt ist, sondern schon viel früher.

    Ein Mensch erstickt nicht erst dann, wenn es kein einziges Sauerstoffmolekül mehr zu atmen gibt, sondern bereits dann, wenn ein großer Bruchteil der benötigten Menge fehlt.

    Die Ozeane sind nicht, wie es Jacques Cousteau und andere Forscher seit 1967/68 voraussagten, zwanzig Jahre später gestorben, sondern viele Jahre früher, als die Giftmenge eine bestimmte Grenze überschritt.

    Es geschah überhaupt manches, das die Naturwissenschaftler überrascht hätte (zum Teil haben sie es ja noch erlebt). Heute könnte ich anhand meiner Unterlagen ein Buch vom Untergang schreiben, das aber letztlich nur für die Untergegangenen von Interesse wäre.

    Alles, was ich seit nun gut siebzehn Jahren an diesbezüglichen Aufzeichnungen, Notizen, Ausschnitten, Tonbändern usw. gesammelt habe, liegt in einem Stahlblechkasten verwahrt, den meine Söhne »Die Bundeslade« getauft haben, denn ebenso eifersüchtig, wie einst die Juden ihre Gesetzeslade, habe ich diese Kiste gehütet. Sie war auch das erste, was ich ins Auto packte, als wir die Flucht vorbereiteten. Nicht der Eitelkeit wegen - wem gegenüber sollte ich jetzt schon Beweise anführen? -, sondern weil alle diese Vorgänge vielleicht doch später einmal den Nachgeborenen wichtige Hinweise geben können.

    Da sind zum Beispiel die Vorgänge im Magnetfeld der Erde, das es momentan in der alten Form nicht mehr gibt. Bis 1987 hatte es unseren Planeten wie ein Schutzmantel gegen die harte Strahlung der Sonne und aus dem Weltraum abgeschirmt und das Leben auf ihr bewahrt. Dass das nicht immer so war, stellten schon in den sechziger Jahren holländische und andere Forscher fest, und ich las erstmals in dem Buch Kinder des Weltalls von Hoimar von Ditfurth darüber.

    Für mich wurden die Ereignisse alarmierend, als ich 1971 in einem der Kosmos-Hefte, dem deutschen Naturwissenschafts-Magazin, eine relativ bescheidene Notiz las, dass die erdmagnetischen Observatorien von Wingst bei Cuxhaven und Fürstenfeldbruck bei München Messungen amerikanischer Gelehrter bestätigt hätten, wonach die Intensität des irdischen Magnetfeldes seit Beginn der Messungen um 1830 sich um fünfzehn Prozent verringert habe und weiterhin abnehme. Das bedeutete innerhalb dieses Nichts an erdgeschichtlicher Zeit unerhört viel. Seither verfolgte ich die Messungen, ich legte Tabellen an, verglich diese Zahlen mit der Zahl und Intensität der Erdbeben. 1973 bestätigte mir die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien, dass die Zahl und Stärke der Beben in Österreich 1972 dreimal so hoch gewesen war als in den Jahren zuvor, und als ab 1973 das Magnetfeld sich neuerdings prozentual rasch abschwächte, zweifelte ich kaum noch daran, dass der Countdown zum nächsten Polsprung, zum nächsten Weltuntergang begonnen hatte.

    Ich habe diese Einsichten ja keineswegs für mich behalten, weiß Gott nicht! Ich schrieb darüber, sprach darüber in Diskussionen: der größte Effekt, den ich erreichte, war ein zustimmendes Nicken - schließlich gab ich es auf. Ich fand mich mit den alten Worten ab: Wen die Götter strafen wollen, den schlagen sie zuvor mit Blindheit. Ein schwacher Trost, dass es nicht nur mir so erging, sondern prominenteren, wie Professor Dr. Grzimek in Deutschland, Dr. Koenig in Österreich, Jacques Cousteau in Frankreich sowie englischen, skandinavischen und sonstigen Fachleuten. Sie alle beschworen und warnten: sie predigten tauben Ohren wie einst die Kassandra in Troja.

    Hätte man noch etwas verhindern können? Ich glaube, ich fürchte ja. Ich fürchte für jene, für das Gewissen jener, die nicht hören und sehen wollten, denn zumindest eines wäre möglich gewesen: die äußerste Anstrengung, möglichst viele Menschen zu retten, das Menschenmögliche, um den Anteil der Menschheit am Untergang unserer Welt zu verringern.

    Nun, die Dinge nahmen ihren Lauf, man lebte weiter wie bisher. Industrie und Wirtschaft wurden entwickelt, wie es so schön hieß - sie expandierten ohne Rücksicht auf Verluste und auf die Natur -, und manchmal beschleicht mich das Gefühl, als wäre das alles nicht ganz ohne Einfluss auf die Katastrophe geblieben, die wir erleben mussten und müssen wie, das weiß auch ich nicht, aber die seltsame Parallele zwischen der Abnahme des Magnetfeldes und der wachsenden industriellen Expansion gibt mir zu denken.

    Ja, und dann geschah es - früher als zu erwarten gewesen wäre: 1980 war das Magnetfeld der Erde bereits um 20 Prozent schwächer, 1985 schon um 45 Prozent, und 1986 erfolgte der Kollaps. Bei etwa 60 Prozent. Da stand der Dynamo der Erde von einem Tag zum anderen still, brach ihr Schutzfeld zusammen. Ein Motor, ein Auto bremst aus voller Fahrt zunächst langsam ab, aber dann immer schneller und zuletzt ruckartig.

    Die kleine Lampe an der unverputzten Turmwand beginnt zu flackern, obwohl sie theoretisch noch genug Spannung hätte - auch da ist eben eine Minimalgrenze erreicht. Vielleicht klemmt auch das Wasserrad des Generators wieder, oder der Bach hat nicht mehr genug Kraft. Ich werde hinuntergehen zu den anderen in den wenigstens vom flackernden Kaminfeuer erhellten Saal des früheren Palas, in dem wir als seltsame Ritter des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts vornehmlich hausen und wohnen.

      Wettlauf mit dem Weltuntergang

    Burg Spaldenstein, 1. Oktober 1987

    Heute war ein großer Tag. Alexander, mein Älterer, frischgebackener Ehemann, ist einundzwanzig Jahre alt geworden. Nach einem Gesetz, das nicht mehr existent ist, wäre er somit großjährig. Wichtiger erscheint mir allerdings der Umstand, dass Alexander gerade heute sein erstes Kaninchen mit dem Pfeil erlegt hat. Mit dem schweren Komposit-Bogen trifft er beinahe jedes Ziel, und das allein ist jetzt entscheidend für ihn und seine spätere Familie. Bei der Gemeinde Wien, wo er bis zuletzt Dienst tat, wäre er vielleicht ein mittelmäßiger Beamter geworden, jetzt wird er in den Erinnerungen seiner Nachfahren vielleicht einmal als der »große Jäger« weiterleben. Nicht nur die Kontinente, auch die Maßstäbe haben sich verschoben.

    Das Kaninchen (zuvor mit dem Geigerzähler untersucht) war ein solennes Festmahl. Meine Frau, die früher nur auf ihre Stimme bedacht war, beginnt, noch gut kochen zu lernen.

    Wie hieß es in den alten Lesebüchern: »Unsere Vorfahren ernährten sich vor allem von der Jagd, dem Ackerbau und der Viehzucht.« So weit sind wir auch wieder.

    In der versteckten Waldschneise habe ich einen Kartoffelacker angelegt. Wenn wir Glück haben, bringt er Früchte, die nicht radioaktiv sind. Einmal müssen wir von den Vorräten unabhängig werden, wenn sie auch noch lange Zeit ausreichen würden.

    Niemand wird uns je wieder Konserven verkaufen, und auch die Schachtel mit den Farbbändern für meine Schreibmaschine wird einmal leer sein. Dann werde ich eben mit einer Kielfeder weiterschreiben, solange ich will und kann. Bei aller Voraussicht haben wir doch nicht an alles gedacht. Zum Beispiel nicht daran, dass es niemanden gibt, der einen Farbfilm entwickeln und kopieren könnte. Was ich seit dem 16. April 1986 in Farbe fotografiert habe, kann ich wegwerfen.

    Schade darum. Denn was sich jetzt an Color-Effekten am Himmel abspielt, ist unbeschreiblich. Fluoreszierende Wolken in den bizarrsten Formen rasen dahin, Nordlichter ziehen gigantische Vorhänge wallender Lichtschleier hinter sich her, und immer wieder sieht man jene hellen trichterförmigen Wirbel, die noch vor zwei Jahrzehnten als UFOs missverstanden wurden.

    Wie hat man damals darum gestritten und debattiert!

    Vor allem, nachdem am 18. März 1972 der Chefpilot der AUA (Austrian Airlines) Alexander Raab und sein deutscher Lufthansa-Kollege Brouwer solche Erscheinungen von ihren Flugzeugen aus gesehen und genau beschrieben hatten. Die UFO-Jünger jubelten - die Meteorologen erklärten kühl und bestimmt (wenn auch falsch), dass es sich um Teile eines Meteors gehandelt habe. Keiner von beiden hatte recht. Weder waren es die kleinen grünen Männlein vom Mars, die landen wollten, noch Relikte eines Himmelskörpers.

    Was es wirklich war - nämlich Vorboten überdimensionaler Energie-Einbrüche in die Atmosphäre, wie wir sie seither, häufiger als uns lieb ist, erlebt haben -, habe ich damals als einer der ersten vermutet. Aber davon wollte niemand etwas wissen, und schon gar niemand wollte es drucken. Jetzt wird es erst recht keiner mehr tun; die Verleger sind wohl mit den meisten anderen Lebewesen für lange Zeit ausgestorben.

    Nein - es ist unterdessen keiner jener »Götter« gelandet, die früher einmal unseren Planeten heimgesucht haben sollen (und vielleicht auch heimgesucht haben), und auch der Heiland der Christenheit ist nicht strahlend und triumphierend auf den Wolken erschienen, wie es so manche erhofften. Als in Europa wie anderswo die Städte und Dome zusammenbrachen, flehte der letzte Papst vergebens seinen Gott um Beistand an.

    Allein im Stephansdom zu Wien dürften es fünfzehnhundert gewesen sein, die zu einem Gottesdienst versammelt waren, als der mächtige gotische Turm und die Mauern des »Steffel« einstürzten, die selbst der U-Bahn-Bau nicht erschüttert hatte.

    Die Staubwolke, die sich erhob, war höher als die der anderen einstürzenden Gebäude. Man sah sie wie ein Fanal selbst bei uns im XX. Bezirk. Sie war auch das letzte, was wir von Wien, der Stadt, die einst den Türken getrotzt hatte, bewusst wahrnahmen. Denn in diesem Augenblick - es waren bestimmt noch keine drei Minuten nach dem Einsetzen des Bebens vergangen - traten wir die Gaspedale unserer Wagen bis zum Anschlag durch und rasten, zwischen im Zeitlupentempo einfallenden Häusermauern, parkenden und brennenden Fahrzeugen kurvend, über die wie in schwerem Seegang schlingernde Nordbrücke zur Stadt hinaus.

    Man sagt, Sterbende erlebten ihr ganzes bisheriges Dasein nochmals wie in einem Zeitraffer - nun, ich erlebe als Beinahe-Gestorbener die letzten Stunden und Minuten in Wien und unsere Flucht auch immer wieder wie in einem Stummfilm...

    Rückblende auf den 16. April 1986,12 Uhr

    Wir sitzen in Wien in unserer Wohnung beim Mittagessen. Meine Frau und ich, die beiden Buben und unser Hausarzt und Freund Dr. Jelinek. Diese Gruppierung hat sich seit längerem so eingebürgert und gehört - ohne besonderen Aufwand - mit zu

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