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DER TANZENDE TOD: Der Krimi-Klassiker!
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eBook266 Seiten3 Stunden

DER TANZENDE TOD: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Bei der Havarie des Dampfers Pampas auf dem Amazonas scheint nicht alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein. Dennoch wird Brian Stenton das Kapitänspatent entzogen.

Eine Londoner Tageszeitung beginnt sich für den Fall zu interessieren. Schon nach dem ersten Gespräch mit Kapitän Stenton wird der Reporter Jerry Henshaw von Unbekannten niedergeschlagen und entführt.

Die Spur führt von London in den Dschungel Brasiliens. Im Mittelpunkt: Eine schöne, gefährliche Frau...

Der Roman Der tanzende Tod des schottischen Schriftstellers und Journalisten Thomas Muir (* 02. Januar 1918; † 8. Oktober 1982) erschien erstmals im Jahr 1952; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1960.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum4. Dez. 2020
ISBN9783748767022
DER TANZENDE TOD: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DER TANZENDE TOD - Thomas Muir

    Das Buch

    Bei der Havarie des Dampfers Pampas auf dem Amazonas scheint nicht alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein. Dennoch wird Brian Stenton das Kapitänspatent entzogen.

    Eine Londoner Tageszeitung beginnt sich für den Fall zu interessieren. Schon nach dem ersten Gespräch mit Kapitän Stenton wird der Reporter Jerry Henshaw von Unbekannten niedergeschlagen und entführt.

    Die Spur führt von London in den Dschungel Brasiliens. Im Mittelpunkt: Eine schöne, gefährliche Frau...

    Der Roman Der tanzende Tod des schottischen Schriftstellers und Journalisten Thomas Muir (* 02. Januar 1918; † 8. Oktober 1982) erschien erstmals im Jahr 1952; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1960.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DER TANZENDE TOD

    Erstes Kapitel

    Vor dem Spiegel des Ankleideraumes glättete Doris Shanklin noch einmal den Badeanzug. Was sie im Spiegel sah, befriedigte sie einigermaßen und steigerte ihr an sich schon stark ausgeprägtes Selbstvertrauen noch mehr. Aus verschiedenen Gründen hatte sie an dem Schönheitswettbewerb in Southpool teilgenommen. Erstens glaubte sie fest an ihre große Chance, als Siegerin aus dem Wettbewerb hervorzugehen, und zweitens winkten der Siegerin allerlei Abenteuer in Form von Filmverträgen und ähnlichen erregenden Möglichkeiten. Erregend jedenfalls für eine nicht gerade hervorragende Stenotypistin in einem kleinen Maklerbüro.

    Doris betrachtete ihre Reize mit Losgelöstheit und Selbstbeherrschung. Sie trug diese vor allem der anderen Bewerberinnen wegen zur Schau, die alle wie sie darauf warteten, vor den Schiedsrichtern zu erscheinen. In dem Buch Persönlichkeiten und ihre Entwicklung hatte Doris gelesen, wie man jene erfolgreiche innere und äußere Haltung gewinnt, die bei anderen einen Minderwertigkeitskomplex auslöst. Und dieser Haltung legte sie ganz besonderen Wert bei.

    Natürlich konnte sie auf allerlei stolz sein. Sie hatte eine auffallend gute Figur, deren Rundungen sich in richtigem Maß an den richtigen Stellen befanden. Ihr Gesicht war eher hübsch als schön, und die Unschuld ihrer großen blauen Augen wurde durch ein kleines, festes, gut geformtes Kinn ausgeglichen. Ihre Haut war zart und weiß, sie hatte keine Sommersprossen wie die meisten rothaarigen Frauen. Ihrer Meinung nach konnten es ihre Beine mit denen Betty Grables in jeder Hinsicht aufnehmen. Immer schon hatte sie es bedauert, so wenig Gelegenheit zu haben, diese Tatsache beweisen zu können.

    Jedenfalls bemühte Doris sich, ihre Beine heute ganz besonders zur Geltung zu bringen. Die Parade um das Schwimmbassin war bereits erledigt, und jetzt sollten die Bewerberinnen einzeln vor den Richtern erscheinen. Manche Mädchen waren nervös. Sie kicherten, sprachen laut und sahen, je nach ihrem Temperament, aufgeregt oder besorgt um sich. Auch Doris fühlte sich nicht gerade behaglich. Sie hatte Herzklopfen, aber um nichts in der Welt hätte sie ihre Erregung verraten.

    »Nummer neun! Los! Beeilen Sie sich! Lassen Sie die Herren nicht warten!«

    Ein junger Mann in gelbem Hemd und gestreiftem Flanellanzug erschien in der Tür, und Doris nahm in aller Ruhe das Pappschild mit der Ziffer 9 in die Hand. Sie warf noch einen letzten Blick in den Spiegel und folgte, äußerlich ganz ruhig, dem jungen Mann hinaus auf den Laufsteg.

    Die Bänke um das Schwimmbecken waren dicht besetzt, und Doris sah sich einem Meer von Gesichtern gegenüber, die sie gespannt und aufmerksam betrachteten. Sie kannte diese Gesichter schon von der Parade her, aber damals waren noch zwanzig andere Mädchen bei ihr. Jetzt aber kam sie sich sehr einsam vor als Zielscheibe aller neugierigen Blicke.

    Leichter Beifall erscholl. Aber sie wusste, dass ihre Vorgängerinnen in der gleichen Weise empfangen worden waren, so dass das weiter nichts bedeutete. Die Blicke der Zuschauer kühl erwidernd, dachte sie, wieviel Kenner wohl in der Menge saßen. Ein Herr mit einem großen Fernglas nahm sie ganz besonders aufs Korn. Warum nicht? Sie konnte ihm schon etwas bieten. Sie hatte auf einmal das Gefühl, als verlöre sie ihre Persönlichkeit. Ja, das war der einzig richtige Ausdruck. Für alle diese Menschen war sie nicht Doris Shanklin, sondern nur Nummer 9 in einem Schönheitswettbewerb. Ein Etwas, das im Badeanzug ganz verlockend aussah.

    Vorn saßen die Richter: ein Filmstar vierter Größe, ein Schauspieler, der in den zwanziger Jahren ein Idol gewesen war, und andere, weniger bekannte Persönlichkeiten. Was schrieben sie wohl auf die Punktkarte? Sie kam sich vor wie ein Pferd auf einer Pferdeschau. Am liebsten hätte sie laut gelacht.

    Die Stimme des jungen Mannes im gelben Hemd brachte sie wieder zu sich. Gehorsam tat sie alles, was ihr vorher gesagt worden war. Es war ihr Augenblick! Sie stand auf der Bühne. Aller Augen waren auf sie gerichtet. Sie war die einzig wichtige Person in der Menge. Ein leichtes Beben, und ihre Phantasie begann wild zu arbeiten. Sie spielte eine Rolle, sie packte die Zuschauer, verzauberte sie, und dieses Gefühl beherrschte sie so sehr, dass ihre Befangenheit wich, und sie glaubte, ihr Bestes herzugeben, während sie leicht über den Laufsteg schritt.

    Bald war es vorbei, und der junge Mann im gelben Hemd gab

    ihr zu verstehen, sie möge sich wieder in den Ankleideraum begeben. War der Beifall wirklich lauter gewesen als der, mit dem die Bewerberinnen vor ihr bedacht worden waren? Mit dem Beifall in den Ohren gesellte sie sich den anderen wieder zu, während Nummer 10, ein dunkelhaariges, empfindsames Mädchen, auf gerufen wurde, sich der gaffenden Menge zu stellen.

    »Es ist wirklich nichts dabei«, beruhigte Doris etwas von oben herab die blonde Nummer 11, die großes Lampenfieber zu haben schien. »Du gehst einfach über den Steg, wie es verlangt wird, und kümmerst dich dabei um keinen Menschen. Mir hat’s Spaß gemacht.«

    »Wenn ich das doch auch schon sagen könnte«, erwiderte Nummer 11.

    Doris wartete voller Ungeduld, während die anderen Mädchen eine nach der anderen aufgerufen wurden. Als das letzte Mädchen im Ankleideraum erschien, geschah eine Zeitlang nichts, bis dann endlich, lebhaft und sprühend, wie immer, der junge Mann im gelben Hemd erschien.

    »Los! Kommt mit! Das Urteil wird verkündet«, rief er. »Wer gewonnen hat, weiß ich nicht, und wenn ich’s wüsste, dürfte ich es nicht verraten.« Er strahlte die Mädchen an, als fände er sie alle gleich reizend. »Bitte hierher! Lächeln und Haltung nicht vergessen! Wer nicht gewonnen hat, soll die Ohren nicht hängen lassen, sondern sich sagen, für einen in der Menge war ich sicher die Schönste!«

    Wieder trabten sie hinaus in die Sonne und stellten sich auf, während die Richter noch immer berieten. Dann winkten sie den jungen Mann herbei, und man überreichte ihm eine Liste. Er lächelte die wartenden Mädchen mit blitzenden Zähnen an, ging an das Mikrofon, und bald hallte seine Stimme aus den Lautsprechern:       

    »Meine Damen und Herren, die Richter haben es bei der Urteilsfindung nicht leicht gehabt, und dennoch wird zweifellos mancher glauben, er würde es besser gemacht haben als sie.« Pause für Gelächter. »Jede der Damen hat den Preis verdient, aber eine kann ja nur Siegerin sein, so schwer diese Erkenntnis für die Nichtsiegerinnen auch sein mag. Und nun hören Sie den Spruch der Jury: Nummer neun hat gewonnen! Siegerin in dem Schönheitswettbewerb von Southpool ist Miss Doris Shanklin.«

    Lang dauernder Applaus, während sich der Mann im gelben Hemd umdrehte und die Hand ausstreckte.

    »Kommen Sie rauf, Doris! Verbeugen Sie sich! Vielleicht erzählen Sie den Herrschaften, wie Ihnen als Siegerin zumute ist. Nur keine Angst, wir alle stehen auf Ihrer Seite!«

    In ihrer übergroßen Freude war Doris voller Zuversicht. Sie trat vor und fühlte, wie sie verlegen wurde. Statt des Lächelns und der beherrschten Sätze, die sie sich schon so oft zurechtgelegt hatte, stammelte sie ein paar unzusammenhängende Worte, während Fotoapparate und Kinokameras in ihrer unmittelbaren Nähe klickten und surrten. Die Menge schien sehr zufrieden, und Doris hatte das Gefühl, trotz allem einen Sieg davongetragen zu haben. Dann wurde ihr das blaue Band der Siegerin überreicht. Der Filmstar vierter Größe beglückwünschte sie und gab ihr einen Kuss. Der Kuss des einstigen Idols schmeckte nach Whisky, und der des Bürgermeisters war väterlich. Dann wurden ihr die Preise ausgehändigt: zehn Pfund in bar, ein kleiner Pokal mit Inschrift, ein Bon für einen zehntägigen Aufenthalt in London. Nach einer nochmaligen Parade um das Schwimmbecken, nach nochmaligen Aufnahmen war alles vorbei. Voller Freude und von ihrem Erfolg leicht berauscht, ging sie in den Ankleideraum und zog sich an. Alles war gut verlaufen. Es blieb jetzt abzuwarten, was sich weiter ereignen würde.

    Als sie den Ankleideraum verließ, warteten die Pressefotografen wieder auf sie. Aber Doris war nun schon daran gewöhnt, die funkelnden Linsen der Kameras auf sich gerichtet zu sehen. Sie lächelte anmutig, entschlossen, die kurze Zeit ihrer Berühmtheit zu genießen. Dann bemerkte sie im Hintergrund einen Mann; er wollte sie anscheinend sprechen. Jetzt bahnte er sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Menge. Er war trotz seiner Körperfülle sehr geschmeidig und hatte trotz seiner Jugend einen kahlen Kopf. Er sah aus, als wäre er in flüssigem Zustand in seinen tadellos sitzenden gestreiften Zweireiher gegossen worden.

    »Mercer ist mein Name«, stellte er sich vor. Er lächelte und zeigte dabei sein tadelloses Gebiss. »Herzlichen Glückwunsch! Ich hatte von vornherein auf Sie gesetzt. Den anderen meilenweit überlegen. Fraglos eine Persönlichkeit!«

    Doris errötete vor Erregung, aber sie verlor dennoch nicht den Boden unter den Füßen. Forschend betrachtete sie den dicken Mr. Mercer. War er Opportunist oder wirklich Kenner? Er sah aus, als wäre er aus der Filmbranche. Aber lieber Vorsicht!

    »Vielen Dank. Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte sie bedächtig.

    »Nett ist nicht das richtige Wort. Es ist einfach Tatsache. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, der Sie vielleicht interessiert.«

    »Ist das nicht ein wenig voreilig?«, erwiderte sie spöttisch.

    »Was ich Ihnen sagen möchte, ist durchaus ehrlich gemeint.« Er hob seine weiße, dicke Hand und schien über Doris’ Worte bekümmert.

    »Hier können wir nicht gut sprechen. Mein Wagen steht draußen. Wir wollen irgendwo Tee trinken. Eine Tasse Tee tut Ihnen nach all der Aufregung bestimmt gut.«

    Doris nahm die Einladung an. Der große Wagen, in dem er sie zum besten Hotel in Southpool fuhr, ließ vermuten, dass Mr. Mercer ein reicher Mann war. Und dass er mit dem gestrengen Oberkellner im Hotel auf du und du stand, machte auf Doris einen besonders tiefen Eindruck.

    Während der Fahrt hatte er mühelos in Erfahrung gebracht, dass sie in einem Maklerbüro arbeitete, dass ihre vierzehntägigen Ferien, die sie zusammen mit einer Freundin verbrachte, zu Ende waren, dass sie augenblicklich keinen Freund hatte, dass ihr Vater im letzten Kriege gefallen und ihre Mutter vor zwei Jahren gestorben war. Sie fanden einen Tisch im Palmenhof, und Mr. Mercer bestellte Tee. Dann stützte er die Ellbogen auf den Tisch, streichelte sein dickes Doppelkinn und betrachtete Doris nachdenklich.

    »Bei Ihrem Aussehen brauchten Sie sich wahrhaftig nicht in einem Maklerbüro abzurackern«, sagte er.

    »Meinen Sie?« Da Doris der gleichen Meinung war, konnte sie nur auf diese Weise zustimmen. Es stand für sie fest, dass, wenn Mercer für sie nicht einen Filmvertrag in der Tasche hatte, sie mindestens damit rechnen konnte, von ihm aufgefordert zu werden, Probeaufnahmen machen zu lassen. Das alles hatte sie sich schon mehr als einmal ausgemalt, aber sie wollte nicht so ohne weiteres zugreifen wie ein unerfahrenes Schulmädchen, sondern alles ruhig an sich herankommen lassen. Kühle Zurückhaltung und ein etwas spöttisches Lächeln zeigte sie jetzt.

    »Worauf wollen Sie hinaus? Vermutlich haben Sie gar nicht ernstlich die Absicht, mich aus meiner Tretmühle herauszuholen.«

    Mercer schüttelte den Kopf und seufzte. Seine dunklen Augen ließen ihr Gesicht nicht los.

    »Sie verstehen mich vollkommen falsch«, sagte er bekümmert. »Vielleicht glauben Sie, ich wollte mein Glück bei Ihnen versuchen.«

    »Was haben Sie also vor?«

    »Ich mache Ihnen ein durchaus ehrliches Angebot. Sie können es annehmen oder ablehnen. Aber hoffentlich nehmen Sie es an, etwas Derartiges wird Ihnen so leicht nicht wieder geboten.«

    »So?« Doris nippte an ihrem Tee. Sie konnte ihre Erregung kaum verbergen. Mercer beugte sich vor und stieß dabei mit seinem dicken Bauch gegen den Tischrand.

    »Wie gefiele Ihnen eine Arbeit, bei der Sie wie eine große Dame leben könnten? Reisen nach Nord- und Südamerika. Verkehr in der allerbesten Gesellschaft von New York, Rio, Buenos Aires - und dazu noch eine anständige Bezahlung?«

    »Und der Haken?«

    »Die Sache hat keinen Haken.« Mercer legte die Fingerspitzen leicht gegeneinander. »Sie sollen die Gesellschafterin einer Dame werden - keiner alten Witwe«, fuhr er schnell fort, als er Doris’ erschrecktes Gesicht sah, »sondern bei einer jungen - etwa dreißigjährigen Frau, die sehr gut aussieht und sehr reich ist. Sie heißt Natalie Manning und ist mehrere Millionen Pfund schwer - Pfund und nicht Dollar!«

    Doris’ Luftschlösser brachen zusammen. Sie hatte von Filmverträgen geträumt, und man bot ihr eine Stellung als Gesellschafterin an. Aber irgendwie schien ihr dieses Angebot doch außergewöhnlich. Eine Millionärin - das wollte heutzutage schon allerhand heißen. Reisen nach den Vereinigten Staaten und Südamerika! Wieder begann ihre Phantasie zu arbeiten.     

    »Nun?« Mercer schob ein Stück Kuchen in den Mund, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen.

    »Ich weiß nicht recht.« Nach kurzem Schweigen fragte sie sehr klug: »Weshalb will diese Mrs. Manning absolut die Siegerin in einem Schönheitswettbewerb als Gesellschafterin haben? Meiner Meinung nach gehört zu einer solchen Stellung doch bedeutend mehr.«

    »Ganz recht«, nickte Mercer. Er legte das Stück Kuchen auf den Teller und stäubte sich die Hand ab. »Mrs. Manning hat eine große Schwäche für alles Schöne, und nach dem, was sich auf ihre Zeitungsannonce hin bei ihr vorstellte, kam ihr der Gedanke, es mit der Siegerin in einem Schönheitswettbewerb zu versuchen. Vielleicht, so dachte sie, fände sie auf diese Weise die Richtige.«

    »Ein sonderbarer Gedanke.«

    »Mrs. Manning kann sich solche Gedanken leisten. Sie hat mich damit beauftragt, die geeignete Kandidatin zu finden, und ich glaube sie in Ihnen gefunden zu haben. Die letzte Entscheidung liegt natürlich ganz bei Ihnen und Mrs. Manning.«

    »Ein sehr ungewöhnliches Angebot«, erwiderte Doris langsam und nachdenklich.

    »Jedenfalls bietet sich Ihnen eine große Chance. Ich verlange nicht, dass Sie sich sofort entscheiden.« Mercer spreizte die Finger. »Natürlich müssen Sie sich das Angebot genau überlegen, es vielleicht mit diesem oder jenem besprechen. Vielleicht wollen Sie auch Genaueres wissen. Überschlafen Sie die Sache erst mal, und morgen treffen wir uns dann hier gegen elf Uhr wieder. Sollten Sie Interesse an meinem Angebot haben, dann erledige ich alles Notwendige für eine Reise nach London zu Mrs. Manning. Die Kosten trage natürlich ich, und sollte dieser Besuch zu beiderseitiger Zufriedenheit ausfallen, dann wäre alles gleich in Ordnung. Ich meine, Sie sollten die sich Ihnen bietende Chance wahrnehmen.«

    Doris erwiderte, sein Angebot erschiene ihr durchaus annehmbar, aber sie hütete sich wohl, Mercer zu zeigen, wie sehr es sie reizte. Schnell hatte sie ihre anfängliche Enttäuschung überwunden und redete sich schon ein, Mercers Vorschlag böte doch allerlei Möglichkeiten. Wieder arbeitete ihre Phantasie, wenn auch diesmal in anderer Richtung. Als Gesellschafterin einer Millionärin durch die Welt zu reisen, da konnte man die herrlichsten Abenteuer erleben.

    »Hat Mrs. Manning noch ihren Mann?«, fragte sie Mercer, als sie das Foyer verließen.

    »Soviel ich weiß, ist Mr. Manning tot.«

    Doris fand diese Antwort irgendwie seltsam. Sie sah Mercer einen Augenblick lang forschend an.

    »Sonst noch eine Frage?«, sagte er.

    »Noch eins«, erwiderte Doris besonders freundlich, »gehören Sie auch zu den schönen Dingen, mit denen Mrs. Manning sich umgibt?«

    Mercers glattes Gesicht verzog sich, und er lächelte etwas gezwungen vor sich hin.

    »Das vergesse ich Ihnen so leicht nicht«, sagte er und reichte ihr dabei die Hand. »Ich glaube, sie behält mich nur des Kontrastes wegen. Ich bin ihr Privatsekretär und habe allerlei seltsame Aufträge wie zum Beispiel diesen für sie zu erledigen. Also auf Wiedersehen, Miss Southpool. Hoffentlich erhalte ich morgen von Ihnen eine Zusage.«

    Sie hätte ihm diese Zusage schon jetzt geben können, aber sie hatte, wie sie an diesem Abend zu ihrer Freundin Helen Weekes sagte, das Gefühl, dass sie an einem Kreuzweg in ihrem Leben stand und genau überlegen müsste, welchen Weg sie wählen sollte.

    »Ich glaube schon, dass sich mir eine ganz besondere Gelegenheit bietet«, fuhr sie fort, als sie über die breite Promenade gingen. »Ich habe wirklich keine Lust, mein Leben lang fehlerhafte Briefe für Gilby und Stevens über verkäufliche Häuser und Grundstücke zu schreiben und nur mit den Leuten aus dem Tennisklub zu verkehren. Es ist hier ja alles so öde und langweilig.«

    »Glaube nicht, dass ich dir die Sache verleiden will«, sagte die dunkelhaarige, ernste Helen. »Auf den ersten Blick sieht das Angebot wunderbar aus, so wunderbar, dass ich immer wieder meine, es müsste einen Haken haben. An deiner Stelle würde ich mich ganz genau erkundigen.«

    »Das tue ich bestimmt. Ich lasse mir so leicht nichts vormachen. Erst wenn ich alles genau weiß, unterschreibe ich den Vertrag.«

    Sie sah die Freundin fast hilfesuchend an. »Was meinst du, Helen, soll ich zugreifen oder nicht?«

    »Natürlich sollst du zugreifen. Und ich beneide dich sogar darum, dass du von hier fortkommst.« Helen seufzte, denn sie musste für eine kranke Mutter sorgen. »Du brauchst für niemand zu sorgen... Ich glaube, du solltest zugreifen.«

    »Gut. Ich tu’s.« Doris drückte Helen dankbar den Arm. »Ich fahre also zu der Besprechung nach London, und hoffentlich kann ich bald bei Gilby und Stevens kündigen. Darauf freue ich mich eigentlich am meisten.«

    Die unmittelbare Folge ihres Entschlusses war, dass Doris am nächsten Abend mit dem dicken Mr. Mercer, der mit Vornamen George hieß, in London weilte. Je mehr sie über ihre zukünftige Arbeitgeberin erfuhr, desto mehr wünschte sie, für die ihr angebotene Stellung geeignet zu sein. Mrs. Manning war gerade aus Südamerika zurückgekehrt, hatte in Paris kurzen Aufenthalt gemacht und würde schon sehr bald wieder auf Reisen gehen. Sie gehörte zu jenen Frauen, die in jedem Augenblick sagen konnten: »Morgen reisen wir nach Paris. Besorgen Sie die Flugkarten, Mercer.«

    »Weshalb heiratet sie nicht wieder?«, fragte Doris, als sie im Taxi nach South Kensington fuhren.

    »Sie hat kein Vertrauen zur Ehe.«

    Mercer zündete sich eine

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