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HOTEL DER TOTEN GÄSTE: Der Krimi-Klassiker!
HOTEL DER TOTEN GÄSTE: Der Krimi-Klassiker!
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eBook291 Seiten4 Stunden

HOTEL DER TOTEN GÄSTE: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Meine Kehle wurde heiß und trocken, meine Hände verkrampften sich. Selbst wenn man nicht wusste, dass heute der Vorabend des großen Rennens war, würde man doch die besondere Atmosphäre gespürt haben. Eine fiebrige Unruhe lag über dem Raum, die noch verstärkt wurde durch das monotone Klopfen des Schlagzeuges. Eben noch klang es schwach, wie dahinsterbend, um gleich darauf zu einem tobenden Crescendo anzuschwellen. In manchen Augenblicken hatte diese grelle Musik etwas Wahnsinniges an sich, sie brachte gesetzte, wohlbeleibte Männer dazu, lächerliche Jitterbugschritte zu riskieren. Es war ein seltsames, geradezu hektisches Bild. Die Fröhlichkeit ringsum wirkte übertrieben, die Gesichter gierig. Nur ein paar ältliche Herren hielten sich außerhalb des wirbelnden Strudels. Sie waren typische Spielernaturen, steif und ausdruckslos, denen nicht die kleinste Spur einer Gemütsbewegung anzumerken war. Ihre Wetten gingen nicht in die Hunderte, sondern in die Tausende. Morgen würden Vermögen verloren und gewonnen werden...

Heather Gardiner (* 1924; † 1954) schrieb nur zwei Romane, die jedoch zu weltweiten Bestsellern wurden: Hotel der toten Gäste (1951) und Wettlauf mit der Vergangenheit (1953). 1954 verunglückte sie bei einem Autounfall tödlich.

Ihr Roman Hotel der toten Gäste war überdies die literarische Vorlage für den gleichnamigen deutsch-spanischen Kriminal-Film aus dem Jahr 1965 (Regie: Eberhard Itzenplitz) mit Joachim Fuchsberger als Barney Blair, Karin Dor als Gilly Powell, Frank Latimore als Larry Cornell, Hans Nielsen als Inspektor Forbes und Gisela Uhlen als Ruth Cornell.

Der Apex-Verlag veröffentlicht die Romane von Heather Gardiner als durchgesehene Neuausgaben in seiner Reihe APEX CRIME und macht diese Krimi-Klassiker erstmals seit über fünfzig Jahren wieder in deutscher Sprache verfügbar.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum18. Mai 2020
ISBN9783748741756
HOTEL DER TOTEN GÄSTE: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    HOTEL DER TOTEN GÄSTE - Heather Gardiner

    Das Buch

    Meine Kehle wurde heiß und trocken, meine Hände verkrampften sich. Selbst wenn man nicht wusste, dass heute der Vorabend des großen Rennens war, würde man doch die besondere Atmosphäre gespürt haben. Eine fiebrige Unruhe lag über dem Raum, die noch verstärkt wurde durch das monotone Klopfen des Schlagzeuges. Eben noch klang es schwach, wie dahinsterbend, um gleich darauf zu einem tobenden Crescendo anzuschwellen. In manchen Augenblicken hatte diese grelle Musik etwas Wahnsinniges an sich, sie brachte gesetzte, wohlbeleibte Männer dazu, lächerliche Jitterbugschritte zu riskieren. Es war ein seltsames, geradezu hektisches Bild. Die Fröhlichkeit ringsum wirkte übertrieben, die Gesichter gierig. Nur ein paar ältliche Herren hielten sich außerhalb des wirbelnden Strudels. Sie waren typische Spielernaturen, steif und ausdruckslos, denen nicht die kleinste Spur einer Gemütsbewegung anzumerken war. Ihre Wetten gingen nicht in die Hunderte, sondern in die Tausende. Morgen würden Vermögen verloren und gewonnen werden...

    Heather Gardiner (* 1924; † 1954) schrieb nur zwei Romane, die jedoch zu weltweiten Bestsellern wurden: Hotel der toten Gäste (1951) und Wettlauf mit der Vergangenheit (1953). 1954 verunglückte sie bei einem Autounfall tödlich.

    Ihr Roman Hotel der toten Gäste war überdies die literarische Vorlage für den gleichnamigen deutsch-spanischen Kriminal-Film aus dem Jahr 1965 (Regie: Eberhard Itzenplitz) mit Joachim Fuchsberger als Barney Blair, Karin Dor als Gilly Powell, Frank Latimore als Larry Cornell, Hans Nielsen als Inspektor Forbes und Gisela Uhlen als Ruth Cornell.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht die Romane von Heather Gardiner als durchgesehene Neuausgaben in seiner Reihe APEX CRIME und macht diese Krimi-Klassiker erstmals seit über fünfzig Jahren wieder in deutscher Sprache verfügbar.

    Die Autorin

    Heather Gardiner (* 1924; † 1954).

    Heather Gardiner war eine australische Kriminal-Schriftstellerin.

    Sie studierte an der Universität von West-Australien in Perth und war anschließend als Buchhändlerin und Bibliothekarin tätig. Sie verfasste zwei Kriminal-Romane, die zu internationalen Bestsellern wurden: Hotel der toten Gäste (1951, verfilmt im Jahre 1965) und Wettlauf mit der Vergangenheit (1953). Kurz nach Veröffentlichung ihres zweiten Romans wurde der schriftstellerischen Laufbahn dieser höchst vielversprechenden jungen Autorin ein jähes Ende bereitet: Sie verunglückte 1954 bei einem Autounfall tödlich.

    HOTEL DER TOTEN GÄSTE

    Erstes Kapitel

    Im Spiegel des kleinen Zimmers im Hotel Austral starrte mir mein Bild aus großen, erschreckten Augen entgegen. Mit zitternden Fingern versuchte ich mein Kleid zu schließen.

    Dieses Kleid war ein Traum aus steifem, grauem Moiré, der in schimmernden Falten bis zu meinen Knöcheln herabfiel. Am Saum schaute eine kokette, winzige Rüsche hervor. Ein Modellkleid, das mich ein ganzes Monatsgehalt gekostet hatte.

    Ich schloss den seitlichen Reißverschluss und betrachtete mich kritisch. Braunes Haar, graue Augen, die Figur ein wenig zu schlank, der Mund ein wenig zu breit...

    Erst eine Zigarette, dachte ich, und dann hinunter in die Halle, wo Barney wartete, um mich ins Kabarett zu begleiten. Ich fand mein goldenes Etui - das erste Geschenk von Larry -, nahm eine Zigarette heraus und zündete sie an.

    Mein kleiner Reisewecker auf dem Schreibtisch tickte fröhlich die Minuten. Es war gleich acht. Barney wartete sicher schon, aber ich war später ins Hotel zurückgekommen, als ich vorausgesehen hatte. Die Cocktailparty bei Franesca hatte sich in die Länge gezogen. Und weil ich nicht zum Vergnügen, sondern beruflich dort war, musste ich ausharren, um der Sydney Daily Times einen genauen Bericht über die neuesten Modelle des Salon Franesca zu geben, der jedes Jahr am Vorabend des Großen Rennens um den Pokal von Melbourne eine Modenschau abhielt. Alle, was Rang und Namen hatte, gab sich bei Franesca ein Stelldichein.

    Heute Nachmittag war ich Lucy Grantham dort begegnet. Sie hatte mindestens fünf Jahre jünger ausgesehen als dreißig, wie ich sie geschätzt hätte.

    Sie hatte mir beide Hände entgegengestreckt und ausgerufen: »Gillian Amery! Darling, wir haben uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen! Warum kommen Sie nicht öfter nach Melbourne? Und Sie sehen einfach bezaubernd aus! Wo wohnen Sie?«

    Eine Unterhaltung mit Lucy bestand immer aus einem endlosen Schwall von allen möglichen Fragen, die sie sich aber meist selbst beantwortete.

    »Sie sind natürlich zum Rennen hergekommen«, plapperte sie weiter. »Wir müssen uns unbedingt noch zusammensetzen und den neuesten Tratsch erzählen. Geben Sie  mir doch bitte Ihre Telefonnummer, Darling.«

    »Ich bin erst heute Morgen angekommen«, hatte ich gemurmelt. »Ich wohne im Austral

    Lucy stieß einen Freudenschrei aus. »Das ist ja wunderbar. Dort wohne ich auch. Gillian, Darling, dann treffen wir uns heute Abend unten im Kabarett! Sie müssen einfach kommen, alle werden dort sein.« Und dann hatte sie meine Hand mit festem Druck umschlossen, bevor sie das sagte, was die Welt rings um mich versinken ließ: »Larry und Ruth haben ebenfalls ein Appartement im Austral. Ruth kommt zu jedem Pokal her, Sie wissen ja. Schon seit Jahren.«

    Während sie mir diese Neuigkeiten beibrachte, beobachtete sie mich scharf. Ihren wachsamen Augen konnte nicht die Röte entgangen sein, die mir ins Gesicht schoss, und nicht die hastige Bewegung meiner Hand, die sich bei der Erwähnung von Larry um die blaue Handtasche gekrampft hatte.

    »Wie schön«, brachte ich mühsam heraus. Es sollte gleichmütig klingen, als ob Larry nichts mehr für mich bedeutete. Aber ich wusste, dass Lucy sich nicht einen Augenblick lang täuschen ließ. Sie hatte mich verschmitzt angelächelt.

    »Also gut, dann treffen wir uns heute Abend.«

    Dann wogten Leute um uns herum, die nach ihren Tischen Ausschau hielten, und ich hatte keine Gelegenheit mehr, noch ein Wort mit Lucy zu sprechen. Mrs. Edmondson steuerte auf mich zu und schob dabei ihre hausbackene, reizlose Tochter so vor sich her, dass ich sie auch ganz bestimmt sehen musste. Mechanisch hatte ich mir Kleider und Namen in meinem winzigen Notizbuch notiert und lächelnd gesagt: »Guten Tag, Mrs. Edmondson, guten Tag, Mrs. Wiltshire«, bis das Lächeln auf meinem Gesicht festzufrieren drohte.

    Bei der erstbesten Gelegenheit war ich bei Franesca auf gebrochen und ins Austral zurückgekehrt. Und nun saß ich hier, bereit, hinunterzugehen und Barney zu treffen und vielleicht... Larry.

    Ich drückte meine Zigarette aus und ging zur Tür. Dabei warf ich noch einen letzten Blick zurück in mein Zimmer, das überaus einladend wirkte mit seinen cremefarbenen Wänden, den fröhlich-bunten Vorhängen, deren Muster auf die Farben der schweren Clubsessel abgestimmt waren, dem großen, niedrigen Diwan, der sich nachts auf geheimnisvolle Weise in ein bequemes Bett verwandelte. Ich wünschte, ich könnte hierbleiben, in diesem behaglichen Raum, und den Abend ganz allein und in aller Ruhe verbringen.

    Aber das ging nicht, weil unten in der Halle Barney auf mich wartete. So schloss ich also energisch die Tür hinter mir und ging mit schnellen Schritten den langen, stillen Korridor entlang zum Lift.

    Butch, der kleine Liftboy, strahlte mich an, als ich den Fahrstuhl betrat. »Na, wer wird wohl den Pokal gewinnen, Miss Amery?«, fragte er mich.

    »Da wendest du dich am besten an Mr. Blair«, entgegnete ich ihm und lächelte über sein enttäuschtes Gesicht. »Er ist der Sportreporter. Ich kümmere mich nur um die Mode.«                                  

    »Glauben Sie, dass Mr. Blair mir einen Geheimtipp geben wird?«

    »Aber sicher - wenn er überhaupt einen hat. Aber das kann ich nicht garantieren. Verlass dich nicht zu sehr auf seine Tips.«

    Ich wusste, dass er Barney anhimmelte. Er widersprach auch sofort. »Aber Miss Amery, seine Tips sind prima...!« Dann wären wir im Erdgeschoss, wo Barney mich in der Halle erwartete.

    Butch flüsterte mir noch ins Ohr: »Da drüben ist er. Sie werden ihm doch sagen, dass ich einen Tip von ihm möchte?«

    Butch und ich waren alte Freunde, und darum wisperte ich ihm zu: »Aber gewiss. Also bis auf später.« Dann ging ich hinüber zu Barney, den ich inmitten einer Gruppe Herren entdeckt hatte.

    Als er mich sah, kam er mit großen, elastischen Schritten auf mich zu. In diesem Augenblick mochte ich ihn richtig gern. Er sah gut aus mit seinen breiten Schultern und dem jungenhaften Lächeln - der typische Australier, unkompliziert und offen. Barney wusste immer ganz genau, was er wollte. Manchmal war ich wütend auf ihn, wenn er mir zu offen den Hof machte, aber im nächsten Augenblick dachte ich nur noch daran, dass er ein wirklich netter Kerl war. Alle mochten Barney gern. Er war der Sportredakteur der Sydney Daily Times und der einzige vom ganzen Personal, der mit dem grantigen alten Perky, dem Herausgeber der Zeitung, fertig wurde.

    »Hallo, Gilly«, begrüßte er mich strahlend. »Du siehst entzückend aus.« Er führte mich durch die Halle zum Kabarett.

    Dieses Kabarett war ursprünglich eine kleine Nebenhalle gewesen. Jetzt war sie in eine winzige Tanzdiele verwandelt worden: Die Tische standen an den Wänden; eine dezente, indirekte Beleuchtung gab den Gesichtern der Damen und auf der kleinen Tanzfläche dem wirbelnden Farbenspiel ihrer Kleider aus Lame, Satin und Taft eine zauberhafte Tönung.

    Der Raum war gestopft voll, wie immer am Vorabend des großen Rennens. Alle verfügbaren Zimmer in Melbourne wurden für dieses Ereignis bereits Monate voraus bestellt. In Scharen kamen die Leute von den großen Weidegütern aus dem Innern des Landes, die Fluglinien und Züge waren überfüllt. Für die meisten Australier bedeutet das Pokalrennen den Höhepunkt des Jahres. Die Frauen haben Gelegenheit, Kleider und Schmuck vorzuführen, und die Männer eine Ausrede, sich ordentlich zu betrinken.

    Toni, unser Stammkellner, hatte uns einen Tisch in der Nähe der großen Schwingtüren reserviert, so dass wir einen Hauch frischer Luft aus der Halle genießen konnten. Barney bestellte für mich einen Martini und für sich selbst ein großes Bier.

    Meine Augen schweiften durch den Raum. Ich bildete mir ein, Gesichter und Kleider zu registrieren - aber das war Selbstbetrug.

    In Wirklichkeit suchte ich die überladene Tanzfläche nach Larry ab, halb hoffend, halb fürchtend, dass ich ihn sehen würde. Sein dunkles Haar, seine braunen Augen... Irgendwo in dieser Masse zappelnder Menschen hält er Ruth in den Armen, dachte ich.

    Meine Kehle wurde heiß und trocken, meine Hände verkrampften sich. Selbst wenn man nicht wusste, dass heute der Vorabend des großen Rennens war, würde man doch die besondere Atmosphäre gespürt haben. Eine fiebrige Unruhe lag über dem Raum, die noch verstärkt wurde durch das monotone Klopfen des Schlagzeuges. Eben noch klang es schwach, wie dahinsterbend, um gleich darauf zu einem tobenden Crescendo anzuschwellen. In manchen Augenblicken hatte diese grelle Musik etwas Wahnsinniges an sich, sie brachte gesetzte, wohlbeleibte Männer dazu, lächerliche Jitterbugschritte zu riskieren. Es war ein seltsames, geradezu hektisches Bild. Die Fröhlichkeit ringsum wirkte übertrieben, die Gesichter gierig. Nur ein paar ältliche Herren hielten sich außerhalb des wirbelnden Strudels. Sie waren typische Spielernaturen, steif und ausdruckslos, denen nicht die kleinste Spur einer Gemütsbewegung anzumerken war. Ihre Wetten gingen nicht in die Hunderte, sondern in die Tausende. Morgen würden Vermögen verloren und gewonnen werden.

    Während Barney mich fachmännisch über die winzige Tanzfläche führte, notierte ich mir im Geist die dominierenden Moden und Farben. Nach einem trockenen Martini auf einen leeren Magen waren die Gesichter nicht so deutlich, wie sie eigentlich hätten sein sollen. Einen Augenblick lang konnte ich Lucy Grantham sehen. Sie bemerkte mich nicht, und als ich mich umwandte, um sie anzusprechen, war sie bereits in dem Mahlstrom schaukelnder Körper verschwunden.

    Die Musik setzte aus und Barney brachte mich an unseren Tisch zurück. Ich bemerkte Ned Harper von der Morning Mail und winkte ihm zu. Er schien leicht beschwipst und beugte sich tief über eine bösblickende Blondine, obwohl er doch eigentlich zu Hause hätte sein sollen, um seiner Frau beim Geschirrspülen zu helfen. Larry blieb unsichtbar.

    Barney winkte dem Kellner, der eifrig herbeigeeilt kam. Barney wurde stets bevorzugt bedient, weil er das ganze Personal kannte und unter der Hand Tips gab. Und seine Tips waren im allgemeinen nicht schlecht.

    »Toni, was können Sie uns gegen Trübsinn empfehlen? Ich glaube, Miss Amery hat’s heute Abend gepackt.«

    Toni beugte sich zu mir herab. »Für unsere hochverehrte Miss Amery werde ich etwas ganz Besonderes bringen.«

    »Viel und vor allen Dingen kühl«, gab ich zurück.

    Er verbeugte sich feierlich. »Überlassen Sie bitte alles mir!«

    »Du siehst aus, als wenn dir das Ganze keinen Spaß macht, Darling«, meinte Barney, nachdem der Kellner gegangen war. »Warum redest du dir nicht einmal alles vom Herzen, was dich bedrückt?«

    Ich lächelte matt.

    »Sieht man mir das an?«

    »Nur, wer dich gut kennt. Und ich rechne mich immerhin zu der Kategorie deiner guten Bekannten.«

    »Natürlich!«, sagte ich obenhin. »Meine Gedanken liegen wie ein offenes Buch vor dir.«

    Toni kam mit den Getränken. Barney gab ihm ein Trinkgeld und murmelte: »Fine Flight hat einen sicheren Platz.« Tonis Augen flackerten interessiert, dann eilte er zum nächsten Tisch.

    Ich nippte an meinem Drink. Er schmeckte vorzüglich.               

    Barney beobachtete mich. »Du hast immer noch nicht gebeichtet«, sagte er endlich. »Wenn du einen Rat brauchst - meine große Erfahrung stelle ich dir gern zur Verfügung.«

    Ich lächelte gezwungen. Er war genau wie mein Drahthaar-Fox - immer wollte er etwas von mir, war voller Zuneigung, besonders dann, wenn ich dafür keine Verwendung hatte.

    »Wusstest du, dass Larry und Ruth hier wohnen?« Meine Stimme schien von weit her zu kommen.

    Barney blickte schnell in sein Glas. »Woher willst du das wissen?«

    »Weil ich heute Nachmittag während der Kuchenschlacht bei Franesca Lucy Grantham getroffen habe. Sie will, dass wir heute Abend alle zusammen feiern...«

    »Ich verstehe«, murmelte Barney nur, und das bedeutete, dass er wirklich alles verstand.

    Jedenfalls wusste er nun, warum ich mich nicht gerade in Hochstimmung befand. Sicherlich war er verärgert, weil ich nach so langer Zeit immer noch unter Larrys Einfluss stand.

    Aber was immer er auch denken mochte, er ließ sich nichts anmerken. Stattdessen meinte er gleichmütig: »Die gute, alte Lucy! Die war also auch bei Franesca. Sieht ihr ähnlich! Sie hat den Dreh heraus, sich am rechten Ort zu zeigen. Sie versteht es, Reklame zu machen.«

    Barney wollte mir Zeit lassen, mich zusammenzureißen und nicht länger wie ein liebeskranker Backfisch herumzusitzen.           

    Ich nahm mein Glas und schüttelte es so heftig, dass die kleinen Eisstückchen an den Rand klirrten.

    »Ich habe Lucy nichts davon erzählt, dass du auch hier bist. Das soll für sie eine Überraschung sein. Sie wird dir vor Freude um den Hals fallen. Sie hat dich ja so gern!«

    Barney lachte. »Lucy wohnt also auch hier?«

    Ich nickte. »Wenn Lucy hier ist, gibt es bestimmt keine Langeweile. Sie ist ein netter Kerl.«

    Den meisten Männern gefiel Lucy Grantham ausnehmend gut, und das war wohl der Grund, weshalb die wenigsten Frauen sie mochten. Man hatte in ihrer Gegenwart immer das leise Gefühl, dass Frauen Luft für sie waren. Und das stimmte auch. Lucys ganzes Leben drehte sich nur um die Männer.

    Barney zwinkerte mir belustigt zu. »Warum magst du Lucy eigentlich nicht, Gilly?«

    Aber noch ehe ich antworten konnte, hörte ich ihre Stimme dicht neben mir.

    »Herrschaften! Da seid ihr ja! Barney! Niemand hat mir gesagt, dass Sie in Melbourne sind! Gilly hat kein Wort verraten.«

    Barney erhob sich. »Gilly wollte Ihnen nicht die Überraschung nehmen. Sind Sie Immer noch so toll in mich verliebt, Lucy?«

    Sie lächelte schelmisch, und wenn sie lächelte, wirkte sie wie ein junges Mädchen.

    »Aber ja doch, Darling.«

    Sie wandte sich um, und ich bemerkte jetzt erst den Herrn, der neben ihr stand. In seinem tadellos sitzenden Abendanzug sah er geradezu übermäßig korrekt aus. Neben ihm wirkte Barney beinahe wie ein Landstreicher, den man soeben aus dem Straßengraben aufgelesen hatte.

    »Darf ich Sie mit Jack Courtney bekannt machen...?« Lucy hatte ihren Begleiter am Arm gefasst, ihre Stimme klang leise triumphierend.

    Courtney begrüßte mich mit einem tiefen Blick. Lucy stand beobachtend neben ihm, mit leicht zur Seite geneigtem Kopf, wie ein buntschillernder Vogel.

    Barney und Courtney schüttelten sich die Hände, und Lucy ließ sich in einen Sessel sinken. »Bringt mir was zu trinken«, rief sie. »Ich verdurste! Lieber Barney, Sie müssen mir unbedingt sagen, wer morgen das Rennen macht... War es heute Nachmittag bei Franesca nicht himmlisch, Gilly? - Für mich bitte Gin mit Zitrone.«

    Der Blich, mit dem sie sich gleich darauf von Courtney Feuer für ihre Zigarette geben ließ, war tief und sprechend. Gleich darauf waren ihre Augen wieder blau und voller Unschuld.

    »Wir haben überall nach Ihnen gesucht, Gilly«, wandte sie sich zu mir. »In diesem Durcheinander hier war es fast wie mit der berühmten Stecknadel im Heuschober.«

    »Lucy hat mir schon viel von Ihnen erzählt«, sagte Courtney galant. »Es ist schön für mich, alle ihre Freunde kennenzulernen.«

    Ich hoffte nur, dass sie ihm nicht alles erzählt hatte, was sie über mich wusste!

    Seine Stimme klang ruhig und warm, wie man es sonst kaum bei Australiern findet. Natürlich! Sein Akzent war ja eindeutig. Er musste Engländer sein.

    »Glauben Sie kein Wort von dem, was Lucy Ihnen erzählt.« Barney schüttelte mit gespielter Traurigkeit den Kopf. »Sie ist eine unverbesserliche Lügnerin. Aber sie kann nichts dafür - es kommt von ihrer zu regen Phantasie.«

    Lucys große Augen flackerten. »Das ist eine ganz schöne Verleumdung, mein Lieber. Als Zeitungsmann sollten Sie vorsichtiger sein mit derart gefährlichen Feststellungen - besonders über Ihre Freunde. Aber ich vergebe Ihnen großzügig, denn morgen ist ja der große Tag. Jade hat noch nie das Rennen um den Pokal von Melbourne erlebt. Er ist das erste Mal dabei.« Während sie sprach, berührten ihre schlanken Finger mit den korallenroten Nägeln Courtneys Arm.

    »Ich fürchte, dass ich mich recht unerfahren benehmen werde«, hörte ich Courtneys faszinierende Stimme. »Aber Lucy hat mich in die Lehre genommen.«

    Innerlich musste ich lachen bei dem Gedanken, dass Lucy ihn in die Lehre genommen hatte - sie würde das gründlichst besorgen.

    »Schön, dass wir Barney und Gillian getroffen haben«, sagte Lucy gerade zu ihm, und ihre Stimme klang in diesem Augenblick direkt ernst. »Sie sind alte Freunde von mir. Außerdem weiß Barney praktisch alles über Pferde, alles, was man sich nur denken kann. Stimmt doch, mein Lieber? Sie sind für mich direkt ein Geschenk des Himmels. Ich bin nämlich pleite, restlos pleite. Ich muss morgen unbedingt gewinnen.«

    Das war nichts Ungewöhnliches bei Lucy. Ich hatte mindestens schon ein dutzendmal von ihr gehört, dass sie restlos pleite sei. Aber was sie in tiefster Armut leben nannte, schien für mich ein ganz angenehmes Dasein, Sie würde es doch nie lernen, richtig zu wirtschaften.

    »Ich dachte mir schon, dass Sie zum Pokal in Melbourne sein würden«, wendete sich Barney an Lucy.

    Sie gab ihm einen Klaps auf die Hand and lachte.

    »Ich habe noch nie einen Pokal verpasst. Ich kam jedes Jahr mit Don her.« Ihr Gesicht umwölkte sich einen Augenblick bei dem Andenken an ihren verstorbenen Gatten. Sie verstand das so wunderbar - nur ein leichter Schatten flog über ihre blauen Puppenaugen. Ich glaube, dass dieses Gefühl zum Teil echt war, obwohl Lucys Gefühle nie sehr tief gingen. Sie gehörte zu jener Sorte Frauen, die einen starken, energiegeladenen Mann um sich brauchen. Wenn der eine verschwand, füllte ein anderer die entstandene Lücke. Courtney schien der letzte zu sein, und ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass Lucy ihn nicht so leicht loslassen würde. Irgendwie unterschied er sich auch von der Schar, die sich vor ihm mit so erstaunlicher Schnelligkeit gegenseitig abgewechselt hatte.

    Barney hob sein Glas. »Auf unser Wohl. Gilly und ich, wir feiern nämlich.«

    »Was feiert ihr denn?«, fragte Lucy scharf.

    »Nun, wir feiern halt mal«, grinste Barney sie an. »Man muss ja nicht immer einen besonderen Grund dafür haben.«

    Lucy lehnte sich in ihren Sessel zurück und seufzte. Sie senkte die Lider und als sie uns wieder anschaute, schien der babyhafte Ausdruck ihrer Züge wie weggewischt. Ich war ein bisschen fassungslos, denn für einige wenige Sekunden blickten ihre Augen alt und resigniert ganz im Hintergrund glaubte ich sogar Furcht darin zu lesen.

    Sie musste wohl bemerkt haben, dass ich sie beobachtete. Sie fuhr zusammen und lächelte. Es war wieder die alte Lucy, die mich anlächelte. Ich musste mir alles nur eingebildet haben.

    »Es sollte Sie jemand vor Lucy warnen«, sagte Barney gerade zu Courtney. »Sie hat viel zu viel Energie. Sie ist ruhelos, stürmisch und unberechenbar.«

    Courtneys Mund verzog sich zu einem Lächeln, aber seine Augen verrieten Kühle und Teilnahmslosigkeit. Gerade diese Reserviertheit musste auf Lucy anziehend wirken. Ein Mann, den sie nicht um den kleinen Finger wickeln konnte, musste entschieden reizvoll für sie sein.

    Sie sprang auf. »Barney, Sie sind ein Biest, ich hasse Sie. Aber ich tanze für mein Leben gern mit Ihnen.« Sie zog ihn fort und ließ eine Wolke ihres aufreizenden Parfüms zurück.

    Barney schnitt mir über ihre Schulter hinweg ein Gesicht, und ich musste

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