DIE LUDER VON SKAGWAY: Hardcore-Western SPECIAL, Band 1
Von Ronald M. Hahn
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Über dieses E-Book
Robinet überflog interessiert die Zeitungsmeldung:
„Mehrere Offiziere des heute aus Skagway in Sattle eingetroffenen Dampfers Noyo“, las er, „haben geäußert, dass das Ausmaß der Gesetzlosigkeit in dieser Stadt jeder Beschreibung spottet. Ein gewisser Soapy Smith und seine Bande üben die absolute Herrschaft über Skagway und Umgebung aus. Kein gesetzestreuer Bürger traue sich, so die Offiziere, ein Wort über diese Leute zu sagen. Diebstähle, Betrügereien, Raubüberfälle und Schießereien sollen in Skagway an der Tagesordnung sein. Am 15. Februar fand man auf dem White Pass die Leichen acht ausgeraubter Glücksritter, die zu den kanadischen Goldfeldern unterwegs waren.“
Roy Robinet, genannt Doc, weil er schon mal ’n Buch gelesen hat, lockt nicht nur seine Reporterpflicht und das Abenteuer, als er sich in dieses Wespennest begibt. Er muss auch Dorothy finden, die Tochter seiner Schwester Ethel – und die verdorbenste Göre unter der Sonne...
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Buchvorschau
DIE LUDER VON SKAGWAY - Ronald M. Hahn
Das Buch
Robinet überflog interessiert die Zeitungsmeldung:
„Mehrere Offiziere des heute aus Skagway in Sattle eingetroffenen Dampfers Noyo, las er, „haben geäußert, dass das Ausmaß der Gesetzlosigkeit in dieser Stadt jeder Beschreibung spottet. Ein gewisser Soapy Smith und seine Bande üben die absolute Herrschaft über Skagway und Umgebung aus. Kein gesetzestreuer Bürger traue sich, so die Offiziere, ein Wort über diese Leute zu sagen. Diebstähle, Betrügereien, Raubüberfälle und Schießereien sollen in Skagway an der Tagesordnung sein. Am 15. Februar fand man auf dem White Pass die Leichen acht ausgeraubter Glückritter, die zu den kanadischen Goldfeldern unterwegs waren.
Roy Robinet, genannt Doc, weil er schon mal ’n Buch gelesen hat, lockt nicht nur seine Reporterpflicht und das Abenteuer, als er sich in dieses Wespennest begibt. Er muss auch Dorothy finden, die Tochter seiner Schwester Ethel – und die verdorbenste Göre unter der Sonne...
Der Autor
Ronald M. Hahn, Jahrgang 1948.
Schriftsteller, Übersetzer, Literaturagent, Journalist, Herausgeber, Lektor, Redakteur von Zeitschriften.
Bekannt ist Ronald M. Hahn für die Herausgabe der SF-Magazine Science Fiction-Times (1972) und Nova (2002, mit Michael K. Iwoleit) sowie als Autor von Romanen/Kurzgeschichten/Erzählungen in den Bereichen Science Fiction, Krimi und Abenteuer.
Herausragend sind das (mit Hans-Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke verfasste) Lexikon der Science Fiction-Literatur (1980/1987), die Standard-Werke Lexikon des Science Fiction-Films (1984/1998, mit Volker Jansen), Lexikon des Horror-Films (1985, mit Volker Jansen) und das Lexikon des Fantasy-Films (1986, mit Volker Jansen und Norbert Stresau).
Für das Lexikon der Fantasy-Literatur (2005, mit Hans-Joachim Alpers und Werner Fuchs) wurde er im Jahr 2005 mit dem Deutschen Fantasy-Preis ausgezeichnet. Insgesamt sechsmal erhielt Hahn darüber hinaus den Kurd-Laßwitz-Preis – dem renommiertesten deutschen SF-Preis - , u.a. für die beste Kurzgeschichte (Auf dem großen Strom, 1981) und als bester Übersetzer (für John Clute: Science Fiction – Eine illustrierte Enzyklopädie, 1997).
Weitere Werke sind u.a. die Kurzgeschichten-Sammlungen Ein Dutzend H-Bomben (1983), Inmitten der großen Leere (1984) und Auf dem großen Strom (1986) sowie – als Übersetzer – der Dune-Zyklus von Frank Herbert.
Ronald M. Hahn lebt und arbeitet in Wuppertal.
Ronald M. Hahn
DIE LUDER VON SKAGWAY
1.
Der Abend war jung, die Luft war lau. Die Bar an Bord des Dampfers Portland wimmelte von Glücksrittern, Goldsuchern und dunkel gekleideten Geschäftsleuten aus Seattle.
Trotzdem fiel Robinet, als er mit einer alten Ausgabe des Examiner unter dem Arm eintrat, die schlanke, vollbusige Rothaarige mit dem entzückenden Silberblick sofort auf. Sie saß in Gesellschaft einiger Gentlemen an einem Tisch in der Mitte und nippte an einem Champagnerglas.
Wo hab ich sie nur schon mal gesehen?
Als er einem kleinen Tisch an der Steuerbordseite Platz nahm und sich den obligatorischen Zigarillo zwischen die Zähne klemmte, fiel es ihm ein: Sadie O’Hara! Die kleine Irin war ihm vor fünfzehn Jahren in Leadville über den Weg gelaufen – als „Zofe" in einem teuren und nur von wohlhabenden Gästen besuchten Etablissement. Er erinnerte sich spontan an rotes Plüsch und lasziv gekleidete, sehr zutrauliche Ladys – sofern man genug Bares dabei hatte, um sich ihre Zuneigung erkaufen zu können. Robinet hatte damals an einer Reportage über Martha Jane Cannaray gearbeitet, die unter dem Namen Calamity Jane bekannter war: Ein hartes Weib, das Männerhosen trug, Tabak kaute und fluchte wie ein Kutscher.
Sadie O’Hara hatte er als knochige, sommersprossige Göre mit großen Ambitionen in Erinnerung. Sie musste jetzt Anfang dreißig sein. Außerdem hatte sie sich so prächtig entwickelt, dass Robinet, je länger er sie hinter der Zeitung hervor betrachtete, sich fragte, warum, zum Kuckuck, er sie eigentlich aus den Augen verloren hatte. Grips hatte sie gehabt, und zwar jede Menge. Und offenbar hatte sie in der Zwischenzeit Karriere gemacht: Ihre Kleider waren von erlesener Qualität. Dies galt auch für ihren Schmuck, ihre Frisur und ihre Schminke – wenn all dies auch an einem Ort wie Skagway sicher fehl am Platze war: Die Stadt existierte erst seit paar Jahren und galt als wenig komfortabel für Damen aus der Großstadt.
Wenn die Meldungen über den Ort stimmten, der das Ziel der Hunderttausende war, die zu den Goldfeldern des kanadischen Nordwest-Territoriums wollten, bestand er trotz seiner 10 000 Einwohner vorwiegend aus primitiven Hütten und Zelten. Aber der Mann, neben dem Sadie O’Hara saß und den Eindruck erweckte, er stünde ihr näher als nur eine Bar-Bekanntschaft, wirkte nicht arm und konnte sich vielleicht etwas Besseres als ein Zelt leisten.
Robinet registrierte stirnrunzelnd, dass der Gentleman mindestens vierzig war. Zwei Jahre älter als er. Was für ein alter Lustmolch. Er blätterte seufzend in der Zeitung, die er einem Steward abgeschwatzt hatte. Einige Schlagzeilen befassten sich jedoch mit dem Ziel seiner Reise und hatten deswegen sein Interesse erregt. Speziell jene Nachricht, die sich mit einem Menschen beschäftigte, den er in Bälde aus beruflichen und privaten Gründen aufsuchen musste.
„Mehrere Offiziere des heute aus Skagway in Sattle eingetroffenen Dampfers Noyo", lautete die Meldung, „haben geäußert, dass das Ausmaß der Gesetzlosigkeit in dieser Stadt jeder Beschreibung spottet. Ein gewisser Soapy Smith und seine Bande üben die absolute Herrschaft über Skagway und Umgebung aus. Kein gesetzestreuer Bürger traue sich, so die Offiziere, ein Wort über diese Leute zu sagen. Diebstähle, Betrügereien, Raubüberfälle und Schießereien sollen in Skagway an der Tagesordnung sein. Am 15. Februar fand man auf dem White Pass die Leichen acht ausgeraubter Glückritter, die zu den kanadischen Goldfeldern unterwegs waren."
Robinet runzelte die Stirn. Der Examiner-Redakteur war ihm persönlich bekannt. Er wusste, dass er alle Artikel sehr genau recherchierte, bevor er sie in Druck gab. Natürlich wusste jeder, dass Boomtowns keine Kinderbewahranstalten waren – dass sich in solchen Orten der Abschaum der Erde sammelte, um von jenen zu profitieren, die einer ehrlichen Arbeit nachgingen. Aber acht Tote an einem Tag... Robinet konnte nur hoffen, dass die Meldung übertrieben war – oder vielleicht sogar eine Ente. Wenn die Umstände in Skagway so schlimm waren, konnte er nur darum beten, dass Dorothy nicht unter die Räder gekommen war.
„Doc? Bist du das etwa?"
Robinet schreckte aus seinen Gedanken auf. Vor ihm Sadie O’Hara. Dass sie ihn erkannte, konnte nur bedeuten, dass er sich in den vergangenen zwanzig Jahren nicht verändert hatte. Es schmeichelte seinem Stolz.
„Ich hätte dich fast nicht erkannt, so alt bist du geworden. Sadie setzte sich ungefragt an seinen Tisch. In ihren grünen Augen blitzte freilich der Schalk, sodass Robinet, der schon erschreckt nach Luft geschnappt hatte, sich wieder abregte. „Was treibst du so, alter Knabe? Noch immer hinter den Röcken der Welt her?
„Sadie O’Hara, murmelte Robinet. Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie beiseite. „Wie schön, dich wieder zu sehen.
Er begutachtete flink ihre prächtigen Lungenauswüchse, und als er ihre zu einem listigen Grinsen verzogenen roten Lippen sah, stellte er fest, dass die Flamme noch in ihm brannte. Schlagartig fiel sein letzter Abend in dem teuren Etablissement ein, an dem er... Ja, er hatte die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und die Sadie in einem von Kerzenlicht erhellten Korridor an die Wand gestellt. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie ihre Zungen einander umspielt, wie ihre Hand in seinen Hosenbund geglitten und er im Begriff gewesen war, ihr das kurze schwarze Zofenröckchen bis zum Bauchnabel hochzuziehen. Leider war in diesem erhitzten Moment Madame Yvette hinter ihnen aufgetaucht und sie hatten ihre Bemühungen einstellen müssen.
„Sadie McTuff, wenn ich bitten darf." Sadie schenkte ihm einen verdorbenen Blick. „Genau genommen Lady Sadie McTuff. Mein Gatte ist nämlich ein Sir, und in England ist das eine ganze Menge." Sie deutete kurz zu dem Tisch hinüber, an dem der vierzig Jahre alte Lustmolch und seine Begleiter vornehm – ohne das Gesicht zu verziehen – über einen Witz lachten.
„Lady Sadie, wiederholte Robinet. „Es reimt sich sogar.
Er beugte sich vor. „Was machst du in diesem abgelegenen Teil der Welt – vorausgesetzt, man kann Alaska zur Welt zählen?"
„Wir sind auf einer Geschäftsreise: Mein Gatte, seine Unterlinge, sein Butler und ich. Sadie spitzte die Lippen. „Sir Harvey – so heißt er, wenn ich mich nicht irre – gehört dem Vorstand einer britisch-amerikanischen Minengesellschaft an, die herausfinden möchte, inwiefern es sich lohnt, am Klondike zu investieren. Außerdem interessiert er sich mehr für Pferdeärsche und Polo als für knackigen Rundungen seiner ansehnlichen Ehefrau.
Robinet lachte. „Ich bezweifle, dass er noch Chancen hat, sich am Klondike einen Claim abzustecken. Mein Freund Rex hat mir schon vor Wochen geschrieben, dass da oben jeder Quadratzentimeter, der was verspricht, längst in festen Händen ist - und auch jeder Quadratzentimeter, der nichts verspricht. Er seufzte. „Der alte Rex hat leider nur zwei Pfund Katzengold gefunden.
„Großkapitalistenhirne funktionieren anders", erwiderte Sadie. „Sir Harvey und die seinen stecken keinen Claim ab. Sie geben Leuten Kredit, die Bargeld brauchen, um das Gold aus dem Boden zu holen, und wenn die ihre Raten nicht pünktlich bezahlen, reißen sie sich den Claim unter den Nagel. Warte nur ab; die bringen im Nu alles an sich, was sich verwerten lässt.