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ZWEITES BETT IM ZIMMER: Der Krimi-Klassiker!
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eBook268 Seiten3 Stunden

ZWEITES BETT IM ZIMMER: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Der Reporter Jimmy trifft in einem Ferienhotel in Irland den amerikanischen Privat-Detektiv Steve Silk. Für Jimmy... werden es anstrengende Ferien.

Erst schlägt ihn der Whisky k. o. … dann die grobknochige Faust von Sam Rhode, dem Filmschauspieler.

Und von Steve Silk bekommt er sogar eine Schrotflinte, um einen Mörder damit in Schach zu halten: ein gefährlicher Plan...!

Der Roman Zweites Bett im Zimmer des irischen Schriftstellers J. B. O'Sullivan erschien erstmals im Jahr 1960; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum19. Sept. 2019
ISBN9783748715856
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    Buchvorschau

    ZWEITES BETT IM ZIMMER - J. B. O'Sullivan

    Das Buch

    Der Reporter Jimmy trifft in einem Ferienhotel in Irland den amerikanischen Privat-Detektiv Steve Silk. Für Jimmy... werden es anstrengende Ferien.

    Erst schlägt ihn der Whisky k. o. … dann die grobknochige Faust von Sam Rhode, dem Filmschauspieler.

    Und von Steve Silk bekommt er sogar eine Schrotflinte, um einen Mörder damit in Schach zu halten: ein gefährlicher Plan...!

    Der Roman Zweites Bett im Zimmer des irischen Schriftstellers J. B. O'Sullivan  erschien erstmals im Jahr 1960; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    ZWEITES BETT IM ZIMMER

    Erstes Kapitel

    Es war der heißeste Sommer seit über hundert Jahren. Ich spreche nicht aus eigener Erfahrung, wohlgemerkt, sondern aufgrund prahlerischer Meldungen des Wetteramtes. An diesem bewussten Augustmontag, als die Hitze ihren Höhepunkt erreicht hatte, bekämpfte ich sie mit eisgekühltem Smithwick, Ich saß an einem Tisch unter einem bunten Schirm vor der Haçienda. Diese lag oberhalb des Lake Lacken - englische Version der irischen Bezeichnung Entensee - in den Wicklow Mountains an einer Stelle, wo ein sandiger Strandstreifen das von Kiefern eingesäumte Ufer unterbrach.

    Die Ortsansässigen, die sich in diesem Sommer auf die Suche nach Sonnenschein ins Ausland begeben hatten, waren dumm. Heutzutage konnte man Capri, die Riviera und Valencia bedeutend billiger auf der eigenen Türschwelle haben, und Paul Tyrrell machte gute Geschäfte mit seinem Ferienhotel. Es war nicht eigentlich ein Hotel, auch kein Feriencamp, sondern beides zusammen. Früher einmal war es ein langgestrecktes, niedriges Farmhaus gewesen, aber die ursprünglichen Bewohner hätten es nun kaum wiedererkannt.

    Tyrrell war ein großer, grobknochiger, aus der Gegend gebürtiger Mann, der zwanzig Jahre in Amerika verbracht hatte, schwerreich zurückgekommen war und sich aufs Hotelgewerbe geworfen hatte. Er ließ durchblicken, er habe in Texas sein Glück mit Öl gemacht - vielleicht war es auch Vieh gewesen -, aber die Einheimischen meinten augenzwinkernd, nach allem, was man von Paul wisse - er war als schwarzes Schaf der Familie im Jünglingsalter in die Staaten abgeschoben worden -, sei es eher wahrscheinlich, dass er eine Bank ausgeraubt habe - oder auch mehrere. Er war unterschiedlich als Texas oder Der Texaner bekannt, doch mit der Zeit wurde der Name einfach zu Tex verkürzt.

    Das Feriencamp-Hotel verdankt seine Entstehung dem alten Victor Conway, der es diesen Sommer an Tyrrell veräußert hatte, nachdem er so viel daran verdient hatte, dass er für den Rest seines von einer arg strapazierten Leber bedrohten Lebens versorgt war.

    Das Anwesen bestand aus dem ehemaligen, nun umgebauten und erweiterten Farmhaus, Nebengebäuden, die in einen Speisesaal, drei Bars und einen Tanzsaal umgewandelt worden waren, und aus Reihen von in sich abgeschlossenen Bungalows als Schlafstätten. Ein Schwimmbassin war nicht nötig, denn der Lake Lacken erfüllte den Zweck ebenso gut.

    Ich hatte mit Tex ein Abkommen geschlossen. Er hatte sich bereit erklärt, mir für fünf Pfund die Woche - einen stark herabgesetzten Preis - Unterkunft zu gewähren, in einer Hütte am Rande des Anwesens, die ein Mittelding zwischen einem Bungalow und einem Hühnerstall darstellte. Für diese Vergünstigung sollte ich auch noch den Winter hier verbringen. Der Koch und die eine oder die andere Kellnerin würden zu vermindertem Lohn auch bleiben, um sich um eine Handvoll von Käuzen wie mich zu kümmern - ein paar Schriftsteller und Künstler, einen Bildhauer, einen pensionierten Testpiloten mit angeknacksten Nerven und etliche Subjekte, die aus irgendeinem Grunde das Bett des Sees vermessen wollten. Wir alle - Personal und zahlende Gäste - waren mit der Abmachung zufrieden.

    Mit dem geringen Betrag, der mir von den fünfhundert Pfund, die ich im Fußballtoto gewonnen hatte, übriggeblieben war, hoffte ich ein Jahr lang auszukommen und bis dahin mein Buch über Roger Casement fertiggestellt zu haben. Mit dem restlichen Geld hatte ich Schulden beglichen, einige Nichtigkeiten erstanden und meiner Schwester und deren Familie eine Zuwendung dafür gemacht, dass sie mich so viele Jahre ertragen hatte. Der Gewinn war zur richtigen Zeit gekommen. Ich und der Chefreporter der Zeitung, für die ich arbeitete, hatten eine Meinungsverschiedenheit gehabt, und zwar wegen des Eifers, mit dem ich mich Reportagen widmete, die mir nicht zugeteilt worden waren und über denen ich die gesellschaftlichen Veranstaltungen und politischen Kundgebungen vernachlässigte, die mir sehr wohl zugeteilt worden waren. Er hielt alle Trumpfkarten, und wir kamen überein, dass ich das Spiel irgendwo anders fortsetzen würde.

    Aber anstatt mir eine neue Stellung zu suchen, ließ ich mich auf ein Projekt ein, das mich seit Jahren gereizt, zu dem mir aber immer die Zeit gefehlt hatte. Doch jetzt, da ich zu den reichen Müßiggängern gehörte - wenigstens vorübergehend -, sah die Sache anders aus.

    Ich nahm einen Schluck von meinem vorderhand letzten Smithwick. Ich schloß die Augen halb und stellte mir vor, die Kiefern seien Palmen und die Umgebung ein tropisches Atoll im Pazifik. Wirklich, es war mir noch nie so gut gegangen. So war es viel besser, als in der Gluthitze herumzurennen und Berichte über Ereignisse zu schreiben, die von geringer Bedeutung und von keinerlei Privatinteresse waren. Ich dachte-kurz und voll Mitgefühl an meine Ex-Kollegen und bewegte genießerisch meine unbestrumpften Zehen in den Sandalen.

    In dem Moment erschien am Horizont eine Staubwolke - nicht größer als eine Männerhand - und kam rasch die Seestraße herunter. Sie zog an der Wiese vorbei und wurde langsamer, als sie in die Zufahrt einbog, die zum Hotel führte. Von da begab sie sich an die Seite des Gebäudes, und ich hörte sie vor dem Empfangsbüro kreischend anhalten. Im Kern der Wolke hatte ich einen jener langen amerikanischen Wagen ausgemacht, die wie eine Kreuzung zwischen einer Weltraumrakete und einem Flugzeugträger wirken. Schon wieder war einer der verflixten Yankees angekommen.

    Es war mir aufgefallen, dass sich die Haçienda bei Amerikanern großer Beliebtheit erfreute. Obwohl sie doch private, gleich an den Schlafraum stoßende Badezimmer bevorzugen, für die es in den Bungalows keinen Platz gibt, schienen sie mit den vorhandenen Duschecken zufrieden zu sein. Meine eigene Hütte konnte nicht einmal damit aufwarten, aber ich hatte das nie als einen großen Mangel empfunden.

    Die Leute an den Tischen auf dem Rasen begannen aufzubrechen, um sich fürs Abendessen fertigzumachen - und höchstwahrscheinlich auch unter anderem zu duschen. Bald war ich allein geblieben und überlegte mir, ob es ratsam sei, sich noch einen Smithwick als Wegzehrung zu genehmigen, als eine Stimme mich erschreckte.

    »Wusste ich doch, dass ich dich mit einem Glas in der Hand antreffen würde, alter Trunkenbold!«

    Die Bemerkung schien an mich gerichtet zu sein. Ich drehte den Kopf um und verlor fast das Gleichgewicht. Falls das ein Geist war, dann war er ziemlich solide gebaut und trug Schuhe Größe 12, die eilig über das Gras marschierten.

    Ich fühle mich immer unbehaglich, wenn ich mich Steve Silk gegenübersehe, Steve Silk, dem ehemaligen Berufsboxer der Schwergewichtsklasse und gegenwärtigem Privatdetektiv, der noch anderes ähnlich Zweifelhafte treibt. Nicht zum ersten Mal war mir, als sähe ich die Inkarnation meiner eigenen überhitzten Phantasie. Ich war ihm während meines vierjährigen Aufenthalts in Amerika begegnet und hatte' ihn allmählich gut kennengelernt. Ich hatte seine Abenteuer in Form von Zeitungsartikeln und Büchern publiziert, die seinen Namen von Küste zu Küste bekannt machten. Es war ein sonderbares Gefühl, einen namenlosen Burschen größten Ruhm einheimsen und immer mehr Anerkennung und Popularität erlangen zu sehen, nur wegen der Worte, die ein Journalist auf einer wackligen Schreibmaschine herunterhämmerte.

    Er setzte sich an den Tisch und betrachtete mich mit seinem freudlosen Lächeln. In dem eleganten grauen Anzug und dem weißen Popeline-Hemd mit der kirschroten Krawatte sah er vornehm aus und roch nach Erfolg. Doch irgendetwas an ihm war anders als sonst. Vor allem war seine Sonnenbräune um einen oder zwei Töne heller geworden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, und er hatte abgenommen. Deshalb war er noch lange nicht mager. Er mochte seine dreizehn Pfund verloren haben, aber er wog noch gut und gern neunzig Kilo. Eines jedoch hatte sich nicht geändert. Er war genauso hässlich wie eh und je, mit seiner schiefen, gebrochenen Nase und den schartigen Brauen. Das beruhigte mich einigermaßen. Wir brauchten keinen weiteren hübschen Bewerber um Rose Brentwoods Gunst. Doch dann erinnerte ich mich voll Unbehagen, dass seine Hässlichkeit - männlich-raues Aussehen, wie er selbst es bescheiden nannte - ihm bei Frauen noch nie im Weg gewesen war.

    »Willkommen«, sagte ich kühl. »Welchem Umstand verdankt das liebe, geplagte Irland diesmal die Ehre?«

    Er zog die Brauen hoch.

    »Sind das die hunderttausend Willkommensgrüße, von denen man so viel hört? Allzu erbaut klingen sie nicht, will mir scheinen. Ich habe mich gleich nach der Landung in die Wohnung deiner Schwester begeben, weil ich es kaum erwarten konnte, dich ans Herz zu drücken, hörte jedoch, du seist in die Wicklow Hills verzogen. Also habe ich mich nach einer Woche geselligen Lebens unverzüglich zu dir auf gemacht.«

    »Ich bin froh, dass du in Dublin eine Verschnaufpause eingelegt hast. Aber du hast dich ganz umsonst hierherbemüht. Ich habe nur Fünfhundert gewonnen. Die Hälfte ist schon ausgegeben, und der Rest streng eingeteilt.«

    »Beruhige dich, mein Bester, Ich bin versorgt. Ich hatte an Bord, auf der Überfahrt, eine lange Glückssträhne, und ich habe ganz schön einkassiert. Wenn, du etwas benötigst, brauchst du es nur zu sagen.«

    Das war auch wieder einer seiner aufreizenden Züge, dieses Talent, einen ins Unrecht zu setzen, die andere Wange hinzuhalten, so dass man sich ganz erbärmlich vorkam. Es war unverzeihlich. Ich wechselte das Thema.

    »Was führt dich wirklich her?«

    Er schaute weg, zur Mitte des Sees hinüber, wo ein Vergnügungsboot auf den Landungssteg zuhielt.

    »Ich bin unterwegs, um meine Gesundheit etwas wiederherzustellen.«

    Seine Stimme hatte ernst geklungen, und die Witzelei erstarb mir auf den Lippen,

    »Was fehlt dir?«

    Er lachte, aber nicht sehr überzeugend. »Nicht allzu viel. Ein paar altersschwache Ärzte sind der Meinung, ich sollte eine Weile ausspannen. Sie fanden, die Schweiz sei der rechte Ort dazu. Anscheinend glauben sie, ein Mann mit nur einer Lunge dürfe sich nicht einbilden, ein genauso aktives Leben führen zu können wie einer mit zweien. Kann sein, ich habe in letzter Zeit etwas übertrieben. Jedenfalls habe ich, um ihnen eine Freude zu bereiten, versprochen, Urlaub zu machen.«

    Damit waren wohl sein Gewichtsverlust und die leichte Blässe zu erklären. Und er hatte tatsächlich nur eine Lunge. Eine Woche vor dem angesetzten Kampf um die Boxweltmeisterschaft hatte er einen Autounfall erlitten - so wurde es jedenfalls registriert, aber eine Menge gescheiter Leute hatten ihre Zweifel angemeldet. Ein Nerv war durchtrennt worden, und Silks rechte Lunge funktionierte seither nicht mehr.

    »Ich möchte mich hier nur einige Tage aufhalten«, sagte er. »Das heißt, wenn du mich unterbringen kannst.«

    »Wenn ich dich unterbringen kann?«

    »Klar. Am Empfang hat man mir gesagt, man sei voll bis unters Dach. Ich habe dem Mädchen erklärt, ich sei ein Freund von dir, und sie meinte, wenn du einverstanden seist, könne sie mir ein Feldbett in deinem Bungalow aufstellen lassen.«

    Ich starrte ihn mit gemischten Gefühlen an. Einesteils wäre ich gar nicht abgeneigt gewesen, mich mit ihm ausgiebig über die alten Zeiten zu unterhalten, andererseits wollte ich nicht meine luxuriöse Behaglichkeit aufgeben, und meine Unterkunft war so schon eng.

    »Selbstverständlich zahle ich meinen Anteil. Und wenn es dir recht ist, möchte ich auch noch deine Rechnung für den 'Winteraufenthalt übernehmen.«

    Ich wand mich.

    »Das ist es nicht, Steve. Ich komme mit meinem Geld schon aus. Aber ich - also, diese dämlichen Dinger bieten nicht viel Platz und...«

    »Ich werde mich nicht beklagen.« Wieder so eine unerträgliche Angewohnheit von ihm, nämlich andere misszuverstehen, wenn es ihm passte. »Übrigens muss ich dir noch sagen, dass ich im Augenblick inkognito reise. Unter dem Namen Steve Grant.«

    »Warum?«

    Er grinste. »Du weißt doch, wie lästig einem Fans werden können, wenn man allein sein möchte.«

    »Du hast die Sonnenbrille vergessen.«

    Er stand auf und klopfte mir auf die Schulter.

    »Komm, altes Haus. Ich spendiere dir einen echten Appetitanreger, bevor wir essen.«

    Eigentlich brauchte ich ja keinen mehr, aber ich folgte ihm, wenn auch widerwillig, zum Farmhaus und in die Bunkhouse-Bar.

    Steve wandte sich an mich.

    »Wie wär’s mit einem Martini dry?«

    Ich nickte etwas weniger begeistert als sonst. Der Alkohol reichte mir ohnehin schon bis an die Mandeln, und die Aussicht auf die Störung meines Privatlebens, und sei es auch nur für ein paar Tage, bedrückte mich noch immer. Ich nahm also den Martini von ihm an, probierte und begann zu glühen.

    Bevor ich den zweiten ausgetrunken hatte, entsann ich mich des Rufes unserer Gastfreundschaft, mein Arm lag um Steves Schulter, und ich bestürmte ihn, eine Woche lang zu bleiben, obwohl ich trotz der Alkoholdämpfe in meinem Oberstübchen wusste, dass ich es kaum aushalten würde.

    Wir ließen das Feldbett in mein Hühnerhaus schaffen, und ich blickte mich um, bemüht, ein Gefühl hochgradiger Niedergeschlagenheit zu bekämpfen. Nicht ein einziges Huhn hätte mehr Platz gefunden.

    Wir hatten einen Tisch für uns allein beim zweiten Abendessen, das meine Alkoholladung aufsaugte wie Löschpapier. Und meine Trübsal begann sich wieder einzustellen.

    Ich fragte: »Wann fährst du in die Schweiz?«

    »Ach, ich weiß nicht. Ich reise in gemächlichen Etappen.«

    Da fiel mir auf, dass er an mir vorbeischaute. Seine Augen wirkten wie zwei Radarschirme, die ein ominöses Geräusch aufgefangen hatten.

    »Sag mal, wer ist die Puppe?«

    Ich brauchte mich im Grunde gar nicht umzudrehen. Es konnte sich ja nur um Rose Brentwood handeln. Ich wandte den Kopf und erkundigte mich überflüssigerweise: »Welche denn?«

    »Die dunkelhaarige mit dem aufgemalten gelben Kleid natürlich«, gab er ungeduldig zurück.

    »Ach, die?«, meinte ich gleichgültig. »Rose Sowieso. Ich glaube, sie ist Kleindarstellerin beim Film.«

    Er hatte ihr Kleid auf diese schlichte Art gut beschrieben. Es war schimmernd gelb und sah wirklich so aus, als sei es aufgemalt, und vielleicht war es das sogar - von einem Goldschmied, der seinen Beruf liebte. Roses Arme und Schultern waren unbekleidet und sonnengebräunt. Sie befand sich an einem nicht sehr weit entfernten Tisch mit drei Männern, die ihr fasziniert zuhörten. Auch Männer an anderen Tischen schienen das zu tun. Zumindest starrten sie sie alle an und schoben sich das Essen fast in die Ohren, statt in die albern aufgesperrten Münder.

    In dem Moment kreuzten sich unsere Blicke. Sie lächelte, hob die Hand und winkte mir mit den Fingern zu. Mir blieb beinahe das Herz stehen.

    »Ach, sie kennt dich?«, sagte Steve. »Das ist gut. Du kannst mich vorsteilen. Ihr Lächeln gefällt mir.«

    »Nicht jetzt gleich«, wehrte ich entsetzt ab. Meine schlotternden Beine hätten mich auch gar nicht so weit getragen.

    »Natürlich nicht. Erst müssen wir diese Parasiten verscheuchen.«

    Meine Eiscreme schmeckte plötzlich schal. Ich verschüttete den Kaffee und bot Steve eine Zigarette an, ganz vergessend, dass er ja nicht rauchte. Er lächelte mich grübelnd an, und meine Finger zitterten, als ich mir selber eine anzünden wollte. In der Hölle sollte er schmoren! Er war in Eroberungslaune und würde kaum zu bremsen sein. Er war entschieden überflüssig hier, und ich hatte diese Viper auch noch bei mir aufgenommen. Auf solche Weise schafft man sich selber sein Unglück.

    »Sie gehen«, sagte Steve. »Wir müssen sie einholen, bevor sie das Mädchen entführen.«

    Ich ließ ihn zuerst zur Tür gehen und hoffte, sie würde entschlüpfen. Dann hätte er auf dem Trockenen gesessen, denn er war ja auf mich angewiesen. Aber es kam anders. Sonderbarerweise rutschte ihr die Abendtasche aus Goldlamé aus der Hand, und sonderbarerweise blieb Rose hinter ihren drei Begleitern zurück, die sich fast überschlugen, um ihr die Tür zu öffnen. Und sonderbarerweise war es allein Steve, der die Tasche auf dem Boden liegen sah und sie aufhob, um sie ihr zurückzugeben. Ich gab es angewidert und geschlagen auf, und als ich bei ihnen ankam, waren sie schon gute Bekannte. Roses Begleiter hielten sich im Hintergrund, begafften die Szene und wussten nicht, was sie tun sollten.

    »Wie ich sehe, kennt ihr euch bereits«, bemerkte ich.

    Steve schenkte mir ein nettes Lächeln. »Ich habe ihr gesagt, dass ich Steve Grant heiße. Nun ist nur noch eine formelle Vorstellung fällig.« Er gab sich also als Grant aus. Doch falls er meinte, Rose zählte zu seiner Verehrer-Schar, dann schmeichelte er sich.

    Es gab keinen Ausweg. Ich machte sie miteinander bekannt, fügte jedoch boshaft hinzu: »Steve konnte es kaum erwarten, Sie kennenzulernen, Rose. Er war vom ersten Augenblick an von Ihnen fasziniert.« Indem ich es so darzustellen versuchte, als handelte es sich um eine Jungenschwärmerei, hoffte ich, sie würde, echt Frau, das Interesse verlieren. Ich wandte mich finster an ihn: »War das dein Schuh, an dem ich mir das Schienbein angeschlagen habe, Steve?«

    »Wenn du Faust für Schuh einsetzt und Schienbein für Kinn, kannst du das als Prophezeiung werten.«

    Rose fand das anscheinend komisch und zeigte all ihre Grübchen.

    »Da haben Sie’s, Jimmy«, sagte sie zu mir, aber ihre großen dunklen Augen verweilten dabei auf Steves hässlicher Visage. »Wir wollten zum Tanzen gehen. Tanzen Sie, Mr. Grant?«

    «Nicht sehr gut, aber ich bin ein gelehriger Schüler.«

    Wieder die Grübchen. »Ich könnte es ja einmal mit Ihnen versuchen. Ach, hier sind ein paar Freunde, mit denen ich Sie bekannt machen möchte, Mr. Grant.« Das Trio an der Tür sah nicht so aus, als beruhte dies auf Gegenseitigkeit.

    Ich verlor ebenfalls das Interesse. Als wir alle durch die Tür gingen, sagte ich zu Steve: »Ich habe zu arbeiten. Weck mich nicht auf, wenn du hereinkommst. Und bedenke, dass du ein kranker Mann bist.«

    Vor der Tür zum Speisesaal gibt es eine Halle, wo man nach den Mahlzeiten herumsitzen und Atem schöpfen kann, bevor man sich zu neuen Lustbarkeiten aufmacht. Als ich den anderen folgte, bemerkte ich zufällig in einem der Lehnsessel einen zeitunglesenden Mann. Die Zeitung senkte sich langsam, und ich sah seinen Blick zu der Gruppe schweifen, deren Hauptanziehungspunkt Rose bildete. Seine Augen weiteten sich. Dann hob sich die

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