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DIE FRAU, DIE KEINER KANNTE: Der Krimi-Klassiker!
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eBook225 Seiten3 Stunden

DIE FRAU, DIE KEINER KANNTE: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Im weißen Jaguar des Regisseurs Marvin Conners liegt eine tote junge Frau: durch Kohlenmonoxyd vergiftet.

Privatdetektiv Bill Wallace erkennt nicht, dass er von Anfang an alle Beweise gegen den Mörder in der Hand hat. Als er es begreift, kann er den nächsten Mord gerade noch verhindern - den Mord an sich selbst...

Ed Lacy (* 25. August 1911 als Leonard »Len« S. Zinberg in New York City; † 7. Januar 1968 in Harlem) war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der in Deutschland vorrangig durch seine Kriminalromane und Detektivgeschichten bekannt wurde. Er nutzte zusätzlich das Pseudonym Steve April und schrieb in frühen Jahren auch unter seinem Geburtsnamen. Ed Lacy wurde mehrfach mit dem Edgar-Allan-Poe-Award ausgezeichnet.

Der Roman Die Frau, die keiner kannte erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1969.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum5. Apr. 2021
ISBN9783748779315
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    Buchvorschau

    DIE FRAU, DIE KEINER KANNTE - Ed Lacy

    Das Buch

    Im weißen Jaguar des Regisseurs Marvin Conners liegt eine tote junge Frau: durch Kohlenmonoxyd vergiftet.

    Privatdetektiv Bill Wallace erkennt nicht, dass er von Anfang an alle Beweise gegen den Mörder in der Hand hat. Als er es begreift, kann er den nächsten Mord gerade noch verhindern - den Mord an sich selbst...

    Ed Lacy (* 25. August 1911 als Leonard »Len« S. Zinberg in New York City; † 7. Januar 1968 in Harlem) war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der in Deutschland vorrangig durch seine Kriminalromane und Detektivgeschichten bekannt wurde. Er nutzte zusätzlich das Pseudonym Steve April und schrieb in frühen Jahren auch unter seinem Geburtsnamen. Ed Lacy wurde mehrfach mit dem Edgar-Allan-Poe-Award ausgezeichnet.

    Der Roman Die Frau, die keiner kannte erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1969.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DIE FRAU, DIE KEINER KANNTE

    Erstes Kapitel

    Der Tag begann völlig verkehrt.

    Carla kam auf dem Weg ins Bad durch das Wohnzimmer, und als sie mich auf der Couch schlafen sah, legte sie ihre kleine Hand auf meine Stirn. Ich schreckte hoch.

    »Kein Fieber«, rief sie. »Hältst du einen ganz gewöhnlichen Schnupfen für so gefährlich, dass du nicht bei Mama schlafen kannst?«

    Ich hob den Arm und streichelte ihr über den Kopf. »Ich huste nachts manchmal und wollte deine Mutter nicht aufwecken.«

    »Aber ich höre dich nie husten, Daddy.«

    Ich gab ihr einen Klaps auf das Hinterteil. »Es ist viel zu früh, um Fragen zu stellen. Geh ins Bad!«

    Sie beugte sich vor und küsste mich. Dann lachte sie und blickte mich spöttisch an. »Was amüsiert dich so, Carla?«

    »Wieso darf ich dir einen Kuss geben, wenn du erkältet bist? Siehst du, ich bin beinahe ein so guter Detektiv wie du.« Sie lachte noch einmal und hüpfte ins Bad.

    Ich setzte mich auf, reckte mich vorsichtig und zählte den Puls. Mein Herz schien gleichmäßig zu schlagen. Wie hieß der Satz, der mir die ganze Nacht nicht aus dem Kopf gegangen war? Ich musste ihn irgendwo gehört oder gelesen haben. Aber was grübelte ich darüber nach! Es gab nur eins, woran ich mich erinnern musste: an das, was letzte Nacht zwischen Vilma und mir passiert oder vielmehr nicht passiert war. Carla durfte nichts davon erfahren. Kinder wissen heute schon so verdammt viel. Außerdem war es mein Einfall gewesen, hier im Wohnzimmer auf der Couch zu schlafen.

    Als hätte sie meine Gedanken erraten, tauchte Vilma in der Tür zum Schlafzimmer auf. Sie trug nur ein kurzes Nachthemd, das knapp über die Hüften reichte. Gähnend und sich träge streckend, wünschte sie mir lächelnd guten Morgen - ein Bild, wie aus dem Reklamekalender eines Herrensalons.

    Einen Augenblick lang betrachtete ich die kräftigen Rundungen, die festen Beine, jede vertraute Linie ihres Körpers, den ich so begehrte. Und doch hatte ich tödliche Angst, ihn zu berühren.

    »Guten Morgen, Liebling«, sagte ich. Als sie sich noch einmal rechte, sah ich weg und suchte umständlich nach meinen Pantoffeln. Am liebsten hätte ich ihr zugeschrien, dass sie mich nicht länger quälen solle, dass sie Geduld haben müsse. Es waren erst vier oder fünf Monate vergangen, seit ich aus dem Krankenhaus gekommen war. Ach, Unsinn! Ich war es ja, der sie quälte.

    Carla kam eilig aus dem Bad gelaufen, küsste Vilma und stürzte in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. Ich drehte das Radio an und erfuhr, was ich bereits wusste - dass der Tag wieder sehr warm werden würde. In diesem Jahr war der Juni viel zu heiß.

    Schließlich war ich an der Reihe, ins Bad zu gehen. Ich duschte und stellte mich auf die Waage. Wieder hatte ich nur hundertdreiundsiebzig Pfund. Einen Augenblick dachte ich: Wie schön wäre es doch, wenn ich einfach immer weiter abnehmen würde, bis ich starb!

    In meinem alten Bademantel ging ich in die Küche. Vilma trug ein enges, buntbedrucktes Kleid. Sie sah zu mir auf, während sie die Magermilchdose neben meinen Kaffee stellte, und ich spürte, dass sie gereizt war. Sie wollte, dass ich mich zum Frühstück anzog. Es verschaffte mir eine Art dumpfer Befriedigung, sie zu ärgern.

    Carla sprang mit vollem Mund vom Stuhl auf und griff nach ihrer Schulmappe. »Ach, Daddy, jetzt habe ich keine Zeit mehr, dir die Zeitung zu holen.«

    »Das macht nichts. Und schling das Essen nicht so hastig hinunter.« Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben. Konnte Vilma nicht aufhören, an mir herumzunörgeln? Jetzt hetzte sie auch noch das Kind gegen mich auf.

    Vilma musste meine Gedanken erraten haben, denn sie deutete auf die Küchenuhr, als Carla zur Tür hinausgerannt war.

    »Es ist tatsächlich schon halb neun, Bill. Gestern Abend haben wir vergessen, den Wecker aufzuziehen. Aber ich bringe dir die Zeitung, ehe ich ins Büro gehe.«

    »Nein. Ich ziehe mich an.«

    Vilma aß ihr Frühstück auf. Als sie zur Tür ging, zögerte sie einen Augenblick und kam dann zu mir zurück. »Vergiss nicht, um ein Uhr vor dem Paramount-Kino.«

    »Glaube mir, Vilma, es hat keinen Sinn, mich zum Einkaufen zu schleppen. Was macht es, wenn die Anzüge an mir herumschlottern? Ich meine, da wir im Augenblick so wenig Geld haben, und...«

    Sie bog meinen Kopf sanft zurück, bis ich zu ihr aufblickte.

    »Lass es uns versuchen, Billy. Stoß mich nicht zurück. Diese Sache müssen wir gemeinsam durchstehen. Wir werden es schon schaffen.«

    Vilma ist keine Schönheit, aber damals in jenem Augenblick erschien mir ihr besorgtes, gebräuntes Gesicht so hübsch, dass ich hätte heulen mögen.

    »Du weißt, dass ich dich nicht aus meinem Leben ausschließe, dass ich das gar nicht könnte. Es ist... Es ist eine große Umstellung für mich, Vilma. Du musst Geduld haben.«

    »Wir werden es schaffen.« Sie beugte sich vor und gab mir einen leidenschaftlichen Kuss. Ich zog sie zu mir herab, presste sie eng an mich und fühlte, wie mein Herz klopfte. Da ließ ich sie los. »Du musst dich noch einmal kämmen.«

    »Das macht nichts!« Sie warf mir eine Kusshand zu. »Auf dem Weg zur U-Bahn fahre ich mir rasch mit dem Kamm durch die Haare. Vergiss nicht, um ein Uhr!«

    Nach dem Frühstück spülte ich die paar Teller und Tassen ab und legte mich aufs Bett. Zwischen den Leintüchern konnte man die Wärme ihres Körpers beinahe noch spüren. Als sein Leben verdämmerte, hatte er Glück und starb friedliche Das war die Zeile, die mir immer wieder durch den Kopf ging. Zum Teufel, wo hatte ich das gelesen? Oder hatte ich den Satz in einer Reklamesendung gehört? Ich vertrödelte meine Nachmittage damit, mir im Fernsehen sentimentale Geschichten anzusehen - man konnte wohl sagen, dass ich dahindämmerte!

    Der Arzt im Krankenhaus hatte es anders formuliert: »Bei einem jungen Mann wie Ihnen bedeutet ein Herzinfarkt, dass Sie über Nacht gealtert sind, sagen wir, um zehn Jahre. Das heißt in Ihrem Fall, dass Sie sich wie ein Mann von achtundvierzig zu benehmen haben. Machen Sie langsamer...«

    »Machen Sie langsamen! Ich gehörte zu den lebendig Begrabenen! Es wäre für mich besser gewesen, wenn ich sofort gestorben wäre. Tyrone Power, Maxie Baer, Wayne Morris - sie alle hatten Glück gehabt; mit ihnen war es schnell vorbei gewesen. Aber ich, ich saß den lieben langen Tag in meinem verdammten Bademantel herum, als wäre er ein Totenhemd!

    Ich zog eine Leinenhose und ein altes Polohemd an und wanderte langsam zum Zeitungskiosk an der Ecke.

    »Wie geht es Ihnen heute, Mr. Wallace?«, fragte der einbeinige, alte Verkäufer mit der rotgeäderten Nase.

    »Ganz gut. Und Ihnen?« Die Worte machten mich krank.

    »Sie sehen prächtig aus. Also bei mir - ich habe da etwas gegessen, das...«

    »Ich erwarte einen Anruf und muss zurück«, unterbrach ich ihn. Ich warf eine Münze auf die Theke und nahm mir die Zeitung.

    Die Sonne schien warm und kräftig. Ein paar Sekunden stand ich vor dem Eingang zur Halle, schloss die Augen und hob mein Gesicht der Sonne entgegen wie ein idiotischer Sonnenanbeter. Warum holte ich mir nicht einen Stuhl und setzte mich zu den alten Rentnern hier draußen? Ich ging ins Haus.

    Nachdem ich meine Tablette gegen Blutgerinnung geschluckt hatte - was für mich jeden Tag von neuem mit grauenvollen Vorstellungen verbunden war -, setzte ich mich ans Fenster und las die Zeitung. Dies war die schönste Stunde des Tages, die Wohnung war still und angenehm, und es machte auch nichts, wenn keine großen Neuigkeiten in der Zeitung standen.

    Streit zwischen irgendwelchen Politikern, ein Aufstand in Asien - das alles bedeutete mir nichts. Ich hatte meinen eigenen Krieg zu führen, einen Kampf auf Leben und Tod. Wenn ich Mut hätte, würde ich einen kleinen Dauerlauf machen oder ein paar Minuten den Punchingball bearbeiten. Meine Soldatenpension und die anderen paar kleinen Versicherungen bedeuteten für Carla und Vilma sechzehntausend Dollar - wenn ich starb. Lebendig war ich keinen roten Heller wert. Zum Teufel, ich lebte eigentlich schon gar nicht mehr.

    Ich schlug den Sportteil auf und las ihn Zeile für Zeile durch, wie jemand, der viel Zeit hat, und kam schließlich zum Stellenmarkt. In einigen Anzeigen wurden erwachsene oder pensionierte Männer für stundenweise Botenjobs gesucht. Das tröstete mich ein wenig: Wenn der Sommer vorbei war, würde ich versuchen, vier Stunden am Tag zu arbeiten, und Briefe, Fahrkarten, leichte Pakete austragen. Ich würde ungefähr achtzig Dollar im Monat verdienen, und wenn man mir meine Pension genehmigte, machte das zusammen hundertfünfzig Dollar. Damit konnte ich die Miete und meine Lebensversicherung bezahlen, und wenn Vilma weiter halbtags arbeitete, würden wir durchkommen. Glücklicherweise waren Anwaltssekretärinnen sehr gefragt. Vilma verdiente zwanzig Dollar am Tag.

    Ich las die Zeitung zu Ende, legte mich aufs Bett und versuchte, eine Stunde zu schlafen. Der Arzt hatte gesagt, es sei egal, ob ich schliefe oder nur ausruhte: beides sei gleich gesund. Aber es stimmte nicht. Ich war nervös und hatte das Gefühl, »etwas tun« zu müssen. Schließlich stand ich auf, zählte meinen Puls und ging ins Bad. Das Bild, das mir der Spiegel zuwarf, war ein schlechter Witz: Ich hatte gerade so viel abgenommen, dass ich gesund und elastisch wirkte, meine Muskeln spannten sich straff und fest unter der Haut. Einem Todeskandidaten glich ich ganz und gar nicht.

    Ich zog einen leichten, dünnen Anzug an, der mir jetzt drei Nummern zu groß war, und ein Sporthemd mit weichem Kragen. Wenn Vilma mich in diesen viel zu weiten Kleidungsstücken sah, würde sie bestimmt darauf bestehen, ein paar Sachen zu kaufen. Deshalb zog ich mich wieder aus, schlüpfte in meine einzige neue, enge Hose und ließ das Hemd darüber hängen. Nachdem ich festgestellt hatte, dass meine Tabletten in der Tasche steckten, sah ich beim Hinausgehen im Briefkasten nach, ob Post gekommen war. Dieser verdammte Amtsschimmel! Seit über einem Monat wartete ich auf Nachricht wegen der Pension, um die ich eingereicht hatte. So geht es im Leben! Den ganzen Korea-Krieg hatte ich mitgemacht, und immer war ich ein Bild der Gesundheit. Bei meinem Rang als Hauptmann hätte mich jede ordentliche Verwundung oder Krankheit für mein ganzes Leben mit einer hohen Pension entschädigt.

    Es war erst elf Uhr, als ich, gemeinsam mit einer dicken, alten Frau, auf den Bus wartete. Wenn Sie eine Verabredung haben, machen Sie sich zeitig genug auf den Weg: laufen dürfen Sie nicht, hatte der Arzt gesagt. Schließlich kam der Bus, und die alte Frau schob sich keuchend die zwei hohen Stufen hinauf. Ich stellte einen Fuß auf die erste Stufe und zögerte. Der Fahrer war ein mondgesichtiger, junger Bursche mit rotem, bürstenartig geschnittenem Haar. »Beeilen Sie sich, Mann!« schimpfte er. »Steigen Sie ein! Ich verpasse das grüne Licht.«

    »Kriegen Sie dafür Sonderzulage?«, fragte ich fröhlich. Meine Antwort entlockte den anderen Fahrgästen ein leichtes Gekicher. Ich stieg auf die nächste Stufe und wartete einen Augenblick, dann trat ich von der Tür weg.

    Inzwischen hatte das Verkehrslicht auf Rot gewechselt. Der Fahrer blickte zu mir auf und schien etwas sagen zu wollen. Vielleicht veranlasste ihn der Anblick meiner Nase, die wie eine zerquetschte Banane aussieht, den Mund zu halten. Ich steckte das Geldstück in den Schlitz für den Fahrschein, ging vorsichtig zwischen den Sitzen hindurch, setzte mich auf einen freien Platz und lauschte auf das Schlagen meines Herzens. Es schien nicht schneller geworden zu sein.

    Mit Ausnahme einer Taxifahrt zur Sozialbehörde für Armee-Entlassene im vergangenen Monat - wegen meiner Pension - war ich seit langer Zeit zum ersten Mal wieder in der Stadt. Die Fifth Avenue zu erleben ist immer eine großartige Sache, selbst an einem schwülen Sommertag. Ich war froh, dass Vilma auf meinem Kommen bestanden hatte.

    An der 44. Straße stieg ich aus und ging in Richtung Broadway weiter, ehe mir klar wurde, dass ich durch die Straße schritt, in der mein Büro gewesen war. An dem Haus wollte ich nicht vorbeigehen. Deshalb wandte ich mich bei der Sixth Avenue zur 45. Straße.

    »Bill Wallace!«, hörte ich plötzlich jemanden hinter mir rufen. »Das ist ja unglaublich. Ich komme gerade von deinem Büro, weil ich mit dir etwas besprechen wollte.«

    Ich drehte mich um und blickte Shep Watt direkt ins Gesicht. Als er mir einen Schlag auf den Arm geben wollte, packte ich seine Hand und schüttelte sie. Ich hatte Shep vor Jahren kennengelernt, als ich Amateurboxer und er in meinem Box-Club Portier gewesen war. Später hatte ich dann meine eigene DetektivAgentur und gab ihm manchmal Arbeit als Nachtwächter. Shep zog sich im Winter wie im Sommer gleich an: Auch jetzt trug er wieder einen dunklen, schäbigen Zweireiher, ein weißes Hemd mit steifem Kragen und eine schwarze, fleckige Krawatte. Unter dem schwarzen Homburg, der gerade auf seinem großem Schädel saß, sah ein Kranz komischer weißer Haare hervor. Sein bleiches, wächsernes Gesicht war mit schmutzig-braunen Leberflecken gesprenkelt.

    Er trat einen Schritt zurück und starrte mich über den Rand seiner goldenen Brille an, als wolle er ein Kunstwerk begutachten.

    »Junge, Billy, du siehst großartig aus. Dieser wichtige Auftrag, den du übernommen hast - ist es wirklich ein so schwieriger Fall?«

    »Ich habe eine Abmagerungskur gemacht und ein paar Pfund abgenommen«, antwortete ich, während wir gemeinsam stadteinwärts weitergingen. Shep war mir immer alt erschienen, aber er war früher flink und zäh gewesen. Jetzt wirkte er erschreckend mager, Gesicht und Haut waren wie ausgetrocknet. Verdammt, er musste ungefähr achtundsechzig oder siebzig sein.

    »Du siehst besser aus als früher, als du noch geboxt hast!« Shep rieb sich mit der rechten Hand die leicht gebogene Nase, als wolle er sie polieren - eine nervöse Geste, die er immer gehabt hatte. »Dieser große Auftrag... Ich meine, Billy, du trainierst doch nicht etwa und willst wieder boxen?« Shep ließ seinen Mund fragend offenstehen. Er hatte ein neues Gebiss, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte.

    Zum ersten Mal seit Wochen lachte ich wieder richtig. Der gute Shep hatte keine Ahnung, was für einen unfreiwilligen Witz er sich eben geleistet hatte. »In meinem Alter? Außerdem, der Boxsport ist tot.« Und ich auch, hätte ich beinahe hinzugefügt.

    »Schon, aber du bist sehr groß, und der letzte Sieger im Schwergewicht war... Jedenfalls, du siehst wirklich gut aus. Hast du einen Augenblick Zeit für mich, Bill?«

    »Ich bin mit Vilma verabredet.«

    »Ich habe eine Neuigkeit, die dich interessieren wird. Natürlich, wenn du mit dieser neuen Sache viel Geld verdienst, reizt dich mein Vorschlag nicht. Ist es auch so eine gefährliche Angelegenheit wie die andere Geschichte damals?«

    »Was soll das für ein großer Fall sein, an dem ich arbeite?«

    Shep rieb sich wieder die Nase und grinste mich mit seinen falschen Zähnen schlau an. »Ich habe dir immer beteuert, dass ich einen guten Detektiv abgeben würde, Billy. In den letzten zwei Wochen bin ich fünf- oder sechsmal zu deinem Büro gegangen. Im Augenblick komme ich auch gerade von dort. Zuerst wich mir der Fahrstuhlführer aus, aber schließlich erzählte er mir, dass du die ganzen Monate über irgendwo im Westen hinter einer großen Sache her warst. Er meinte, ich sollte mir nicht länger die Hand an deiner Tür wundklopfen.«

    Ich hatte Vilma gebeten, den Fahrstuhlführer diese Geschichte vorzuschwatzen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand von meinem Herzinfarkt erfuhr. Warum, weiß ich eigentlich nicht. Man behauptete ja auch, dass die Elefanten

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