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ZWEI SCHÜSSE UNTERM NEUMOND - GRIESSBÜHLS ERSTER FALL: Ein München-Krimi
ZWEI SCHÜSSE UNTERM NEUMOND - GRIESSBÜHLS ERSTER FALL: Ein München-Krimi
ZWEI SCHÜSSE UNTERM NEUMOND - GRIESSBÜHLS ERSTER FALL: Ein München-Krimi
eBook329 Seiten4 Stunden

ZWEI SCHÜSSE UNTERM NEUMOND - GRIESSBÜHLS ERSTER FALL: Ein München-Krimi

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Über dieses E-Book

Wie Spürhunde verfolgen Hauptkommissar Griessbühl und sein Team jede Fährte, und immer wieder stehen sie vor unüberwindlich scheinenden Mauern...

In einer Neumondnacht im Juli 1985 war auf der vornehmen Münchner Hochleite in einem blauen Opel die Leiche des 52jährigen Angestellten Erwin Schäufele gefunden worden - einen Schuss im Kopf und einen in der Brust.

Im Laufe der Ermittlungen stoßen die Kriminalisten auf ein weiteres Verbrechen: In der Münchner Zentrale des renommierten Unternehmens Internationaler Wasserverbund war ein Computer manipuliert worden; es fehlen 964.000 DM.

Wer ist der Täter? Unzähligen Verdachtsmomenten muss nachgegangen werden, Akten schwellen an, die Presse mischt sich in den Fall ein...

Werner Steinberg (* 18. April 1913 in Neurode, Schlesien; † 25. April 1992 in Dessau) war ein deutscher Schriftsteller, der auch unter den Pseudonymen Udo Grebniets und Udo Grebnitz publizierte.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe von Steinbergs München-Krimi Zwei Schüsse unterm Neumond (erstmals im Jahre 1988 erschienen). Weitere Romane um Hauptkommissar Griessbühl folgen.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum29. Apr. 2021
ISBN9783748781486
ZWEI SCHÜSSE UNTERM NEUMOND - GRIESSBÜHLS ERSTER FALL: Ein München-Krimi

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    Buchvorschau

    ZWEI SCHÜSSE UNTERM NEUMOND - GRIESSBÜHLS ERSTER FALL - Werner Steinberg

    Das Buch

    Wie Spürhunde verfolgen Hauptkommissar Griessbühl und sein Team jede Fährte, und immer wieder stehen sie vor unüberwindlich scheinenden Mauern...

    In einer Neumondnacht im Juli 1985 war auf der vornehmen Münchner Hochleite in einem blauen Opel die Leiche des 52jährigen Angestellten Erwin Schäufele gefunden worden - einen Schuss im Kopf und einen in der Brust.

    Im Laufe der Ermittlungen stoßen die Kriminalisten auf ein weiteres Verbrechen: In der Münchner Zentrale des renommierten Unternehmens Internationaler Wasserverbund war ein Computer manipuliert worden; es fehlen 964.000 DM.

    Wer ist der Täter? Unzähligen Verdachtsmomenten muss nachgegangen werden, Akten schwellen an, die Presse mischt sich in den Fall ein...

    Werner Steinberg (* 18. April 1913 in Neurode, Schlesien; † 25. April 1992 in Dessau) war ein deutscher Schriftsteller, der auch unter den Pseudonymen Udo Grebniets und Udo Grebnitz publizierte.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe von Steinbergs München-Krimi Zwei Schüsse unterm Neumond (erstmals im Jahre 1988 erschienen). Weitere Romane um Hauptkommissar Griessbühl folgen.

    ZWEI SCHÜSSE UNTERM NEUMOND

    Erstes Kapitel

    Triumphierend dachte Andreas, diese Nacht wäre für seinen Plan wie geschaffen gewesen. Nach diesen scheußlichen, regennassen Julitagen war es plötzlich herrlich sonnenwarm geworden, und an diesem Samstag war außerdem Neumond, in der Isar-Aue konnte man kaum die Hand vor den Augen sehen. Als er Nadine zu einem Spaziergang über den Harlachinger Berg und dann die Hochleite hinunter hatte überreden können, hatte er gewusst, dass es in dieser Nacht passieren würde – und es war passiert!

    Es war mit Nadine verdammt schwierig gewesen wie mit keinem Mädchen vorher. Die himmelten ihn an, die waren rasch einverstanden gewesen, manchmal hatte er sie gleich nach der ersten Begegnung auf seine Bude mitnehmen können, die waren nicht zimperlich gewesen und hatten sich nicht geziert. Er mit seinen vierundzwanzig Jahren hatte Erfahrung, und er wusste, dass er gut aussah – die kräftige Gestalt, das freimütige, offene Gesicht, die lachenden blauen Augen, ein ganzer Kerl, ein Draufgänger, ein Stuntman geradezu, ihm konnten sie nicht widerstehen.

    Nadine indessen hatte ihm widerstanden. Als er sie aus der Diskothek hatte abschleppen wollen, hatte sie sich geweigert: Nein, auf seine Bude käme sie nicht mit, auf gar keinen Fall. Und zu ihr könne er auch nicht kommen, sie wohne bei ihren Eltern, sei ja noch Schülerin.

    In der ersten Enttäuschung hatte er aufgeben wollen: Was bildete sie sich ein? Eine Schönheit war sie weiß Gott nicht, klein und rundlich und mit käsiger Haut. Die sollte doch froh sein, wenn er sie überhaupt beachtete.

    Aber an einem anderen Abend hatte sie ihm gestanden, warum sie sich wehrte: Eine Liebelei wolle sie nicht, es müsse schon etwas Ernsthaftes sein, man müsse sich richtig verstehen, man müsse sich prüfen.

    Sich prüfen! Am liebsten hätte er laut herausgelacht. Doch dann hatte es ihn gestochen: Eine Jungfrau! So etwas hatte er noch nie erlebt. Deshalb hatte er sie weiter umworben, hatte ihr geschmeichelt, ihr Zärtlichkeiten zugeflüstert und gespürt, wie es allmählich in ihr zu brennen begann. Es musste nur eine geeignete Gelegenheit kommen.

    Und diese mondlose Nacht war diese Gelegenheit gewesen. Sie waren vom Harlachinger Berg, der nicht viel mehr als ein Hügel war, Hand in Hand hinuntergerannt, waren engumschlungen die Hochleite entlanggegangen, an den modernen Wohnanlagen vorbei, und später an den in tiefen Gärten versteckten Villen. Hier wohnen nur Millionäre!, hatte er gesagt. Sie waren oft stehengeblieben, um sich zu küssen, und Nadine hatte sich so an ihn gepresst, dass er seine Hand zwischen ihre Schenkel zu schieben gewagt hatte, und obwohl sie sich ihm entzogen hatte, hätte er da bereits gewusst, dass es ihm heute gelingen würde.

    Auf dem unbebauten Teil der Hochleite, stadtauswärts, wo sie sich zu einem Weg zwischen Bäumen hindurch verdünnte, hatte er bereits überlegt, ob er sie unter den runden Holzpilz auf die Bank drängen sollte; das hatte er jedoch aufgegeben; es- war zu nahe am Weg gewesen, das hätte nur ihren Widerstand angestachelt.

    Endlich hatte er einen von Sträuchern geschützten Platz zur Isar hinunter entdeckt, ein richtiges Nest; da war sie nicht mehr widerspenstig gewesen. Er hatte eine Sensation erwartet gehabt, das Erlebnis wurde jedoch keine Sensation, Nadine war willig gewesen, aber ungeschickt und zaghaft, und nachdem alles vorbeigewesen war, war ihr rundliches Gesicht tränenüberströmt gewesen.

    Auch jetzt fand er es lästig, wie sie schwer an seinem Arm hing, und er wusste nicht, was er auf ihr verlangendes Flüstern Schwöre mir, Andi, dass wir zusammenbleiben, dass du mir treu bleibst erwidern sollte. Er brummte Unverständliches zur Beruhigung und dachte, dass er sie in drei, vier Monaten würde los sein wollen; er hatte schon einen Kumpel parat, der ihn ablösen würde, er würde es nur geschickt anfangen müssen.

    Plötzlich blieb er stehen und flüsterte erregt: »Das ist ein Verrückter!«

    Nadine sah es ebenfalls: Dicht am Bürgersteig, noch schwach beleuchtet von einer Laterne, parkte ein hellblauer Wagen kurz vor einer Garageneinfahrt zwischen zwei klotzigen, hochmodernen Häusern, die Beifahrertür war aufgeklappt und pendelte auf den Fußweg.

    »Komm rasch vorbei!«

    Doch Andreas rührte sich nicht. »Der ist total besoffen«, flüsterte er, »der hängt auf dem Sitz und kann nicht mal aussteigen. Der ist so duhn, dass er die Einbahnstraße verkehrt herum gefahren ist.«

    »Komm endlich! Ich muss nach Hause!«

    »Sollst du auch, und zwar schnell!«, entschied Andreas; ihn übermannte Unternehmungslust. »Der ist blau wie ein Veilchen, den stopfe ich auf den Sitz zurück, setze mich ans Steuer und fahre dich heim.«

    »Du bist verrückt, Andi!«

    Da war er bereits am Wagen und packte den rechten Arm des Mannes, der weit aus dem Schlag hing, die Finger berührten den Bürgersteig.

    Nadine sah, wie Andreas nach der Schulter griff, sah, wie der Kopf des Fremden haltlos baumelte, sah, wie Andi plötzlich zurückschreckte, sie anstarrte und hervorstieß: »Der ist ja blutig! Menschenskind, Nadine, der ist tot!«

    Hauptkommissar Griessbühl räkelte sich behaglich; der Korbsessel auf der Terrasse hinter dem Häuschen knarrte anheimelnd. Auf dem runden Tischchen an Griessbühls Seite stand eine Tasse übersüßen Kaffees, wie er ihn liebte. Mit Genuss atmete er den Duft des Gartens ein, der noch feucht war von den Regengüssen vergangener Tage.

    Griessbühl wartete auf seine Judith. Er würde sicher noch ein, zwei Stunden warten müssen; denn seit sie hier am Rande von Gröbenzell nahe München ihr Einfamilienhaus erbaut hatten, hatte sie sich, von ihm verspottet, mit den Grünen angefreundet und war Mitglied einer Bürgerinitiative zum Schutz der bedrohten Tier- und Pflanzenwelt geworden. Heute beschlossen sie dort wieder neue »Anschläge auf die Gemütlichkeit der Anwohner«, wie Griessbühl es anzüglich bezeichnete, wenn er und Judith sich freundschaftlich stritten. Griessbühl nahm noch einen Schluck seines süßen Kaffees und lächelte vor sich hin: Er liebte sie, und er würde sie immer lieben!

    Und sie war zudem eine verdammt tüchtige und zielbewusste Frau, so bizarr sie sich manchmal auch gab. Eigentlich hatten sie dieses Haus, diesen Garten nur einem ihrer plötzlichen Einfälle zu verdanken. Sehr allmählich erst wurde ihm dieser Gedanke vertraut. Bei dem preisgünstigen Baugelände in Gröbenzell hatte er schließlich zugeschlagen – kleinstädtische Stille und nur vierzig Autominuten vom Polizeipräsidium in München entfernt, glücklicher konnte es kaum sein.

    Und seine Befürchtung, Judith könnte zu einer grünen Witwe verkommen, war ebenfalls unberechtigt gewesen. Schon drei Wochen nach dem Einzug hatte sie einen Halbtags-Job in der Geschenkboutique in der Augsburger Straße gefunden, und da sie dadurch nicht ausgelastet gewesen war, hatte sie für sich ein neues Hobby entdeckt. Sie band Sträuße und Kränze aller Art aus Trockenblumen, sie hatte Geschmack, sie hatte Geschick, sie verkaufte die Gebinde in der Boutique und bald auch als Schaufensterdekorationen an andere Geschäfte.

    Griessbühl schob sich gemächlich aus dem Sessel. Er richtete in der Küche das Abendbrot an und wählte einen Riesling, den Judith gern mochte.

    Er war gerade fertig, als er hörte, wie sie die Haustür aufschloss. In derselben Sekunde schoss Charlie, der Beagle, aus der Kuhle unter einem Strauch im Garten hervor und schoss quer durch das Haus zu Judith hin, die den kleinen, dreifarbigen Hund mit Worten und Händen liebkoste.

    Auch Charlie liebt sie, dachte Griessbühl und sagte: »Ich komme wohl immer erst in zweiter Linie.«

    »Dafür darfst du in mein Bett. Das darf Charlie nicht!«

    »Stimmt auch wieder. Judith, wir essen auf der Terrasse. Bringe Charlie in ihr Körbchen im Wohnzimmer, sonst haben wir keine Ruhe.«

    Das traf zu. Charlie war zwar ein freundliches Tierchen, doch ihre Fresslust war ungeheuer – unvorstellbar, einen Bissen in den Mund zu schieben angesichts ihrer gierig flehenden Augen. Charlie war das einzige Andenken an den alten Kommissar Groll, der Griessbühls Vorbild gewesen war. Er war einsam gestorben. Nur der Hauptkommissar hatte seinen Sarg begleitet; im Präsidium hatte man sich im Datum geirrt, also war nicht einmal eine Abordnung der Kollegen erschienen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

    Nun, ihm würde es nicht so ergehen. Er hatte Judith.

    »Lecker, lecker«, lobte sie sein Essen und ließ es sich schmecken.

    Sie stießen mit den Gläsern an, und Judith schwärmte von dem Referenten, natürlich war er ein Grüner, das nächste Mal würde sie die Grünen wählen, Griessbühl zum Trotz. »Der weiß, wovon er redet, der macht sich Gedanken um die Zukunft!«

    »Vielleicht würde er die Zukunft nicht erleben, würde erschossen, erstochen, erschlagen werden, wenn nicht wir für Ordnung sorgten«, erwiderte Griessbühl träge.

    »Ach du! Im Grunde bist du nur ein besserer Hundefänger!«

    »Mag sein. Aber ich fange nur Hunde, die beißen.«

    Die Zeit verging. Charlie schlummerte neben Judiths Sessel. Die leuchtenden Blüten des Gartens erloschen. Judith hatte Wildblumensamen mit Kräutern ausgesät, ein Biotop war entstanden, hüfthoch standen dazwischen die schwankenden Gräser. Jetzt füllte sich der Garten mit Dunkel – Neumondnacht. Sie schwiegen und plänkelten nicht mehr. Griessbühl spürte, dass Judith bereit war, ihn diese Nacht zu lieben.

    »Gehen wir schlafen«, sagte er.

    »Schlafen?«, fragte sie.

    In diesem Augenblick läutete das Telefon.

    Als Griessbühl aus dem Zimmer zurückkam, sagte er grimmig und enttäuscht: »Dein Hundefänger wird auf der Hochleite verlangt. Wieder mal ein Mörder, der das Liebesieben der Menschen zerstört!«

    Als Griessbühl in die Hochleite einbog, erkannte er sofort den Tatort. Scheinwerfer beleuchteten grell die Stelle des Geschehens, drei Polizeifahrzeuge parkten in der Nähe, die Spurensicherer waren am Werk, der Fotograf hatte offensichtlich bereits seine Arbeit getan; er stand mit dem Apparat untätig an der Seite, die Täfelchen mit den Zahlen waren noch aufgestellt – vermutlich wartete er ab, ob der Hauptkommissar noch weitere Aufnahmen wünschte; die Leiche lag auf dem Bürgersteig, das Laken daneben, der Arzt untersuchte den Toten.

    Griessbühl fuhr vorsichtig an dem hellblauen Opel vorbei, dabei bemerkte er eine Schramme an der Fahrertür und dachte: Ein alter Kasten. Er bremste und stieg aus, da eilte bereits Kommissar Brachwedel diensteifrig zu ihm hin.

    Bevor er jedoch melden konnte, fragte ihn Griessbühl vorwurfsvoll: »Mussten Sie mich dazu aus dem Bett holen? Das stinkt doch nach Routine.«

    »Gewiss«, gab Brachwedel bereitwillig zu, fuhr aber fort: »Es könnten sich trotzdem Komplikationen einstellen, und Sie haben ausdrücklich angeordnet...«

    Griessbühl seufzte stumm. Früher hatte es ihn gestört, wenn Brachwedel nur zu schnell bereit gewesen war, ihm beizupflichten; seit einiger Zeit hatte sich der Kommissar jedoch angewöhnt, mit seiner nölenden Stimme halbe Vorwürfe anzuhängen; er vermutete, dass negative Beurteilungen des Hauptkommissars bisher seine Beförderung verhindert hätten, eine Unterstellung, die aller Grundlagen entbehrte, denn Griessbühl war ein wohlwollender und großzügiger Vorgesetzter.

    Jetzt seufzte der Hauptkommissar laut. Er ärgerte sich über die sinnlose Diskussion, die er mit seinem unnötigen Vorwurf selbst provoziert hatte. Er fragte: »Haben Sie die Identität des Toten feststellen können?«

    »Jawohl«, antwortete Brachwedel, »ein gewisser Erwin Schaufele, zweiundfünfzig, wohnhaft Höglwörther Straße.« Eifrig fügte er hinzu: »Er ist kaufmännischer Angestellter, und das war es, was mich stutzig gemacht hat. Wer kann schon Gründe gehabt haben, einen kleinen Angestellten so barbarisch zu erschießen?«

    »Schon gut. Er ist also erschossen worden?«

    »Ja. Auf dem Beifahrersitz des Wagens. Zwei Schüsse, einer in den Kopf, der andere in die Brust.«

    »Tatzeugen?«

    »Bisher nicht. Gemeldet wurde der Mord um 23 Uhr 56 telefonisch im Präsidium. Der Tote wurde von einem gewissen Andreas Holzegel und seiner Freundin entdeckt.«

    »Die beiden möchte ich sprechen.«

    Doch bevor er dazu kam, hatte der Arzt seine Untersuchung beendet und deckte das Laken wieder über die Leiche.

    Mit wenigen Schritten war der Hauptkommissar neben ihm. »Guten Abend, Doktor Mennecke. Und jetzt kommt die Frage, die Ihnen immer zuerst gestellt wird.«

    Der Arzt lächelte müde. »Tatzeit? Ich schätze, vor zwei bis drei Stunden. Aber wie üblich...«

    »Mit Vorbehalt. Selbstverständlich. Wir haben jetzt ein Uhr, also müsste die Tat gestern zwischen zweiundzwanzig und dreiundzwanzig begangen worden sein. Ist das richtig?«

    »Ja, etwa. Nach der Obduktion kann ich das genauer bestimmen.«

    »Und zur Todesursache?«

    »Der Schuss in den Kopf war sofort tödlich. Ob er als erster abgefeuert wurde oder erst nach dem Schuss in die Brust, das wird ebenfalls erst die Obduktion ergeben.«

    »Selbstmord ausgeschlossen?«

    »Völlig. Nach den Schmauchspuren zu urteilen, sind die Schüsse aus der Nähe abgegeben worden.«

    »Danke, Doktor. Sie sind erlöst.«

    Der Arzt wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch noch einmal um: »Übrigens wurde das Blut auffällig verschmiert übers ganze Genick bis auf den Rücken.«

    »Ach ja!«

    Griessbühl ging zu Brachwedel, der ihn bereits ungeduldig erwartete und Andreas und Nadine herbeiwinkte.

    »Sie beide«, begann der Hauptkommissar, »haben den Toten entdeckt. Nun erzählen Sie mal, wie es dazu gekommen ist.«

    Mit dem Heldentum des jungen Mannes war es vorbei. Er berichtete stockend, er unterschlug, was sich zwischen ihm und Nadine in dem Nest an der Isar zugetragen hatte, unterschlug auch seinen dreisten Plan, die Freundin mit dem Wagen nach Hause fahren zu wollen.

    Griessbühl musterte die beiden. Ihm fiel es nicht schwer, zu erkennen, warum sie die Stille der Hochleite aufgesucht hatten. Die Kleine tat ihm leid – als Andreas erzählte, wie die Leiche auf die Seite gesackt sei, weinte sie wieder.

    »Sie dachten also«, vergewisserte sich Griessbühl, »der Mann sei betrunken?«

    »Ja«, bestätigte Andreas, »auch weil der Wagen falsch in der Einbahnstraße stand. So fährt doch nur ein Besoffener.«

    »Haben Sie den Toten berührt?«

    »An der Schulter. Da hatte ich gleich die Hand voll Blut und bin erschrocken.« Er hielt sie vor sich hin und starrte darauf, als hätte er sie nicht längst abgewischt.

    »Haben Sie versucht zu helfen? Dachten Sie vielleicht, er sei nur verletzt? Haben Sie dabei das Blut verschmiert?«

    »Nein, nein. Er rührte sich ja nicht mehr, und ich merkte auch, dass er nicht atmete.«

    »Na schön. Und da riefen Sie die Polizei an?«

    »Das war Nadine. Die hatte Angst, die wollte nicht alleine beim Wagen bleiben.«

    Griessbühl wandte sich an das Mädchen, das in der Erinnerung schon wieder schluchzte. »Von wo aus, haben Sie telefoniert?«

    Sie wies auf eine der Villen. Jetzt waren, sah Griessbühl, dort alle Fenster dunkel, das waren keine neugierigen Anwohner.

    »Wurde Ihnen gleich geöffnet?«

    »Das dauerte ewig. Und dann war die Frau auch noch wütend, ich sollte sie nicht stören mitten in der Nacht...«

    Griessbühl fragte den jungen Mann: »Noch eins. Wann etwa sind Sie auf der Hochleite eingetroffen? Ich meine, bevor Sie weiter an die Isar gingen?«

    Andreas krauste angestrengt die Stirn. »Vielleicht so um zehn? Genau weiß ich das nicht.«

    »Stand da der Opel schon hier?«

    »Keine Ahnung, ich hab’ nicht darauf geachtet.« Er fragte das Mädchen: »Du, Nadine?«

    Sie schüttelte den Kopf.

    »Und Sie gingen gleich an die Isar weiter? Dann müssten Sie sich dort, warten Sie mal, ungefähr zwei Stunden aufgehalten haben. Stimmt das?«

    Andreas hob erst die Schultern, dann nickte er.

    »Und als Sie dort waren – haben Sie da einen Schuss gehört? Oder sonst etwas Verdächtiges, ein Autogeräusch vielleicht?«

    »Nein, nichts. Das wäre mir aufgefallen. Es war totenstill!« Er erschrak sichtlich vor seinem eigenen Ausdruck.

    »Und Sie, Nadine?«

    »Bestimmt nicht.«

    Mehr würde er jetzt von den beiden jungen Leuten nicht erfahren, wusste Griessbühl. Er sagte: »Ich habe keine Fragen mehr. Im Präsidium möchte ich Sie allerdings noch einmal sprechen. Sie werden benachrichtigt.«

    Andreas hatte es eilig, hier wegzukommen; ungeduldig fasste er Nadines Arm. Aber sie blieb stehen und sah Griessbühl flehend an: »Könnten Sie mir vielleicht einen Zettel mitgeben...?«

    »Einen Zettel nicht«, der Hauptkommissar lächelte verständnisvoll, »aber unser Polizeimeister Minnich wird Sie heimfahren und wenn nötig erklären, dass wir Sie hier so lange aufgehalten haben. Ist es so recht?«

    Ihr Gesicht war tränenverschmiert, aber sie strahlte vor Dankbarkeit und blickte noch über die Schulter zurück, als sie mit Andreas in Begleitung Brachwedels verschwand.

    Griessbühl musterte noch einmal den Tatort. Kommissar Schmorl war da am Werk, sprach mit diesem und jenem, gab der Spurensicherung Anweisung, machte Notizen, musterte mögliche Beweisstücke – trug also, wie er es stets zu tun pflegte, Mosaiksteinchen zusammen, die er in stundenlanger mühevoller Kleinarbeit im Präsidium geduldig zu einem lückenlosen Bild zusammenzufügen versuchen würde. Er verließ sich ausschließlich auf Fakten – Vermutungen, plötzliche Einfälle waren nicht seine Sache. Seine Akribie wurde von Griessbühl geschätzt, sie ersparte ihm eigene Mühe, auf das Material Schmorls konnte er sich verlassen.

    Trotzdem empfand er eine ihm selbst unerklärliche Abneigung gegenüber dem jungen Kommissar, sie war instinktiv, er konnte sie sich nicht erklären. War es das Äußere dieses langaufgeschossenen, geradezu dünnen Menschen mit dem blassen, schmalen Gesicht, den farblosen Brauen, dem kaum sich abzeichnenden Oberlippenbärtchen, war es die gleichsam achselzuckende Gleichmütigkeit, die er stets zur Schau trug – oder war es der völlige Mangel an spontanen Eingebungen, wie sie den alten Groll ausgezeichnet hatten? Geistesblitze waren nicht Schmorls Sache – passten seine Mosaiksteinchen nicht zueinander, ergaben sich weiße Flecken, war er völlig hilflos, regte sich aber auch darüber nicht auf.

    Schmorl blickte auf, als Griessbühl zu ihm trat. Er sagte: »Ob der Mord hier erfolgte oder ob die Leiche nur an diese Stelle transportiert wurde, das ist unklar. Morgen sollte man, sobald es hell ist, die ganze Umgebung gründlich absuchen lassen, vielleicht auch einen Hundeführer einsetzen, möglicherweise entdecken wir dann Spuren. Außerdem müssen die Anwohner eindringlich befragt werden...«

    Griessbühl ließ ihn nicht ausreden. »Jetzt?«, fragte er.

    »Natürlich. Solange der Eindruck noch frisch ist.«

    »Das lassen wir lieber«, entschied der Kommissar. »Wissen Sie, dass es fast zwei Uhr ist? Die Leute wollen ungestört schlafen. Wenn Sie die jetzt aufstören, sind die nur wütend, und Sie kriegen keinerlei sachdienliche Hinweise. Nein, das vertagen wir auf morgen Vormittag. Dann lassen Sie zwei ruhige verlässliche Leute die Befragung durchführen. Viel verspreche ich mir davon sowieso nicht. Möglicherweise hat jemand die Schüsse gehört, dann könnten wir einen genaueren Zeitpunkt festlegen. Mehr wird dabei kaum herauskommen. Sind übrigens die Kugeln gefunden worden?«

    »Eine steckte im Fahrersitz, die andere wird wohl bei der Autopsie entdeckt werden, schätze ich.«

    »Gut. Und die Hülsen?«

    »Nein«, erwiderte Schmorl, »aber ich lasse weiter suchen.«

    »Tun Sie das«, sagte Griessbühl, der nicht die Absicht hatte, sich Schmorls Erläuterungen länger anzuhören, denn in diesem Augenblick erschien der Leichenwagen, der Blechsarg wurde herausgezogen, das Laken von dem Toten gehoben... ein Anblick, an den Griessbühl gewöhnt war und der ihn trotzdem immer wieder irritierte.

    »Ich werde die Angehörigen aufsuchen«, entschloss er sich, »ich nehme Brachwedel mit. Wie hieß doch der Mann?«

    »Schäufele, Erwin.«

    Griessbühl überließ Brachwedel das Steuer, er wollte sich innerlich einstellen auf das, was ihm bevorstand. Zweiundfünfzig war Schäufele gewesen, vermutlich verheiratet, möglicherweise waren noch Kinder im Haus. Wenn es nur gelang, sie zunächst fernzuhalten, zu erreichen, dass die Frau den Schock einigermaßen überstand! Ein Schock würde es auf jeden Fall sein, gleichgültig, ob die beiden mehr oder weniger gut miteinander gelebt hatten. Griessbühl kannte sich da aus.

    Der Wagen glitt mit leisem Rumpelgeräusch über die hölzerne Thalkirchner Isar-Brücke, glitt leise in die Straße entlang dem Tierpark hinein, die hohen Bäume standen als schwarze Mauer unter dem tiefdunklen Himmel. Nur selten begegneten sie einem Wagen, die Stadt schlief, auch die Plinganser Straße, tagsüber vollgepfropft mit stinkendem Verkehr, war verödet, die Lichter der Verkehrsampeln regelten das Nichts.

    Er würde die Botschaft nicht hinauszögern, nicht umständlich vorbereiten, dachte Griessbühl. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass die Ängste sich sonst steigerten bis zum Unerträglichen.

    Wie stets fürchtete sich Griessbühl vor dieser Aufgabe. Er hatte hysterische Ausbrüche erlebt, hatte Erstarren kennengelernt. Wenn es ihm heute nur gelänge, die richtigen Worte, die richtigen Gesten zu finden!

    Als sie in die Höglwörther Straße einbogen, sah Griessbühl nur in einem einzigen Haus zwei erhellte Fenster; da wusste er: Dort musste es sein. Er atmete tief auf.

    Entschlossen stieg er, von Brachwedel begleitet, die wenigen Stufen zur Haustür hinauf – bringen wir es hinter uns! Er läutete und hörte gleich darauf eilige Schritte und den hellen, erlösten Ruf einer Frau: »Endlich, Erwin!«, und während die Tür aufgeschlossen wurde: »Wieso hat es denn so ewig gedauert?! Ich habe schon Angst gehabt!«

    Jetzt stand die Tür offen. Die Frau stutzte, musterte sekundenlang die beiden Besucher, stieß dann verstört hervor, als überkomme sie eine Ahnung von Unheil: »Mein Gott, was wollen Sie denn?«

    »Kriminalpolizei«, erwiderte Griessbühl kurz, »dürfen wir eintreten?«

    Sie gab den Eingang frei, ging voraus in das Wohnzimmer, blieb stehen, fand keine Worte, blickte die beiden Fremden in banger Befürchtung an.

    »Frau Schäufele?«, fragte der Hauptkommissar.

    Sie nickte.

    Griessbühl graute vor dem Satz, aber er war entschlossen, ihn auszusprechen: »Wir kommen, um Sie zu benachrichtigen, dass Ihr Mann gestorben ist.«

    Es überraschte Griessbühl, dass sie nichts äußerte, dass sie keine Frage stellte. Sie schrie nicht auf, sie ließ sich auf einen Stuhl am Tisch sinken, stützte die Arme auf die Platte, barg das Gesicht in den Händen und weinte lautlos. Diese stumme Pein traf Griessbühl umso tiefer, er war ratlos, was er tun, was er sagen sollte.

    Nach geraumer Zeit nahm sie die Hände von dem Gesicht, blickte sich suchend um, schüttelte den Kopf, als verstehe sie nichts, nahm ihr Taschentuch und wischte die Tränen ab. Immer noch blieb sie stumm.

    Griessbühl hielt den Zeitpunkt für gekommen, keine Umschweife mehr zu machen. In sachlichem Ton sagte er: »Wir haben seinen Wagen auf der Hochleite gefunden. Ihr Mann ist erschossen worden.«

    Jetzt fürchtete er einen Zusammenbruch. Er irrte.

    Sie starrte ihn an, sie schwieg, er sah, dass es in ihr arbeitete. Plötzlich stieß sie hervor: »Das war der Roth. Der hasste ihn. Der hat ihn ja auch entlassen. Und zudem ist Erwin heute hin, der Roth sollte die Entlassung zurücknehmen. Wer weiß, was mein Mann da ausgepackt hat. Er

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