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MORD IM HOTEL IMPERIAL: Der Krimi-Klassiker!
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eBook211 Seiten3 Stunden

MORD IM HOTEL IMPERIAL: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Die Tür schloss sich. Hannegan stand auf. »Mr. McCol­lum«, wiederholte er trocken den Namen, wie im Selbst­gespräch, und beobachtete noch immer Cassidy so gespannt und erstaunt wie von Anfang an. »Ray, was war mit dir denn los? Als der dir so unverblümt ins Gesicht sagte, du hättest mit Charlie unter einer Decke gesteckt, da habe ich doch gedacht, du würdest dem mal die Leviten lesen.« Er berührte Cassidy am Arm. »Was ist denn?«, fragte er mit ehrlich besorgtem Gesicht. »Wo hast du deinen Mumm ge­lassen, Kindchen? Neuerdings kommst du mir ganz anders vor als der Rote Cassidy von früher. Anders als ich dich kannte, wie wir zusammen den Streifenwagen in Harlem Ost fuhren, hm?«

Cassidy befeuchtete sich bei dieser Frage die Lippen, machte mit der Rechten eine unbestimmte Geste und lächelte Hannegan zu, angestrengt, schmerzlich. »Tja«, sagte er, in­nerlich wie von einem schweren Gewicht bedrückt, »das ist es, darum dreht sich’s, Mickey: Ich glaube, ich bin nicht mehr derselbe.«

 

Der Roman Mord im Hotel Imperial des US-amerikanischen Kriminal-Schriftstellers Thomas Walsh (* 19. September 1908 in New York; † 21. Oktober 1984 in Danbury) erschien erstmals im Jahr 1956; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1959 (unter dem Titel Hotel Imperial).

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum2. Nov. 2022
ISBN9783755424673
MORD IM HOTEL IMPERIAL: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    MORD IM HOTEL IMPERIAL - Thomas Walsh

    Das Buch

    Die Tür schloss sich. Hannegan stand auf. »Mr. McCollum«, wiederholte er trocken den Namen, wie im Selbstgespräch, und beobachtete noch immer Cassidy so gespannt und erstaunt wie von Anfang an. »Ray, was war mit dir denn los? Als der dir so unverblümt ins Gesicht sagte, du hättest mit Charlie unter einer Decke gesteckt, da habe ich doch gedacht, du würdest dem mal die Leviten lesen.« Er berührte Cassidy am Arm. »Was ist denn?«, fragte er mit ehrlich besorgtem Gesicht. »Wo hast du deinen Mumm gelassen, Kindchen? Neuerdings kommst du mir ganz anders vor als der Rote Cassidy von früher. Anders als ich dich kannte, wie wir zusammen den Streifenwagen in Harlem Ost fuhren, hm?«

    Cassidy befeuchtete sich bei dieser Frage die Lippen, machte mit der Rechten eine unbestimmte Geste und lächelte Hannegan zu, angestrengt, schmerzlich. »Tja«, sagte er, innerlich wie von einem schweren Gewicht bedrückt, »das ist es, darum dreht sich’s, Mickey: Ich glaube, ich bin nicht mehr derselbe.«

    Der Roman Mord im Hotel Imperial des US-amerikanischen Kriminal-Schriftstellers Thomas Walsh (* 19. September 1908 in New York; † 21. Oktober 1984 in Danbury) erschien erstmals im Jahr 1956; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1959 (unter dem Titel Hotel Imperial).

    Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

    MORD IM HOTEL IMPERIAL

    Prolog

    Das Hotel Imperial liegt an der Ecke zweier großer Verkehrsadern New Yorks, mit gleich langen Flügeln an der Park Avenue und der Lexington Avenue. Es hat rund 2.700 Zimmer – 2.200 in den 22 Etagen des Hauptgebäudes und 500, vorwiegend Luxusappartements, in den 7 Stockwerken der zwei Turmaufbauten.

    Zahlreiche Fahrstühle sowie Expresslifts, die nur in wenigen Stockwerken halten, dienen dem inneren Verkehr. In der Ecke jeder Etage, wo die beiden Flügel rechtwinklig Zusammenstößen, befindet sich ein kleines Büro: die Information. Hier können sich die Gäste Auskünfte holen über Lage und Art ihrer Zimmer, die Einrichtungen des Imperial und alles, was sie über New York erfahren möchten.

    In der riesigen Halle bewältigen an der Rezeption, dem Empfang, eine Schar eleganter, sprachkundiger und vorzüglich geschulter Angestellter das unaufhörliche Gewimmel der ankommenden und abreisenden Gäste. Taxipagen haben ausschließlich mit der Bestellung und Abfertigung von Wagen zu tun. Hausdetektive walten ununterbrochen ihres Amtes, das hohe Anforderungen stellt. An dem Abend, an dem dieser Roman spielt, ist Ray Cassidy, der Rotkopf, in nervenaufreibenden Stunden mit der Aufklärung mysteriöser Verbrechen beschäftigt.

      Erstes Kapitel

    Sie befanden sich alle um 5 Uhr 10 nachmittags im Privatkontor von Walter Duval, Direktor des Hotel Imperial, als der Hausdetektiv hereinkam. Und alle drei bezichtigen sie Charlie Mueller gleich unverblümt des Diebstahls, anstatt ihn erst ruhig zu fragen, ob er von dem Geld überhaupt etwas wüsste. Außer Duval waren anwesend ein großer, salopp gekleideter und doch sehr elegant wirkender Kriminalbeamter namens Michael Hannegan und ein gewisser George V. McCollum aus Zimmer Achtzehnhundertsoundsoviel in dem nach der Park Avenue gelegenen Hotelflügel.

    »...weil wir wissen«, verkündete Walter Duval gerade, als Ray Cassidy die Tür hinter sich zuzog, »dass außer Ihnen praktisch niemand in das Zimmer hinein- oder aus ihm herauskommen konnte.« Äußerlich Zoll für Zoll der Direktorentyp - imposante Figur, beweglich, tadellos frisiert und rasiert, gegebenenfalls aggressiv -, hatte Duval neben seinen gewählten Umgangsformen für die Gäste des Imperial auch seine ganz besondere Art im Verkehr mit den Angestellten des Hotels. Diese wusste er jetzt prächtig zur Geltung zu bringen, indem er sich, auf die geballten Fäuste gestützt, über seinen Schreibtisch neigte und in Ton und Haltung den grimmigen Vorgesetzten herauskehrte. »Wir wollen hier die Wahrheit feststellen, das sollen Sie gefälligst bedenken! Und wir werden sie erfahren! Also los: Sind Sie gestern Abend mit Mr. McCollum in sein Zimmer gegangen? Haben Sie selbst ihm die Tür aufgeschlossen? Haben Sie ihm auch beim Ausziehen geholfen?«

    Cassidy war hinter ihnen stehengeblieben mit dem Hut in der Hand, dem Mantel über dem Arm. Er war noch jung, kräftig gebaut, hatte rotes Haar, einen breiten Brustkasten und derbe, aber klare Gesichtszüge, die von konzentriertem Denken zeugten. Bei seiner Tätigkeit als Nachtdetektiv im Hotel Imperial assistierte ihm Charlie Mueller gelegentlich. Cassidy sagte noch nichts. Nachdem er Hut und Mantel auf einen Stuhl gelegt hatte, ging er behutsam um Duvals Tisch und setzte sich in die äußerste Ecke, den anderen gegenüber, neben Mueller, den ganz verstörten kleinen Mann, der zitternd und leichenblass seinen Klemmer in der Hand hielt, während seine grauen Äugen unruhig, beinah verzweifelt, hin und her irrten.

    »Natürlich habe ich das«, beantwortete Mueller die Frage des Direktors, machte aber dabei fahrige Bewegungen und drehte ruckend den Kopf von Duval nach Mr. McCollum, der mit sturer Miene, die Lippen gespitzt, halb nach unten blickte. »Er kam heute Nacht sehr spät, Mr. Duval, so um halb fünf, und da sagte Ray, ich sollte mit ihm nach oben gehen und ihn ins Bett bringen. Na, und das tat ich. Und ich wollte gerade...« Er wandte sich mit zuckendem Mund an Cassidy: »Ray! Stimmt das nicht? Genau so war es doch?«

    »Zwanzig nach vier«, sagte Cassidy, indem er seine jetzt ausdruckslosen blauen Augen unter den roten Brauen auf Hannegan, Duval und Mr. George McCollum richtete. »Klar stimmt das, Charlie. Brauchst dich gar nicht aufzuregen, das hast du nicht nötig. Weiter! Ich war ja selbst dabei.«

    »Ach nein!«, rief Mr. McCollum, indem er plötzlich hochblickte. Dieser korpulente Mann- mit der frischen Gesichtsfarbe, dem kahlen Schädel, den weichlichen Zügen und den struppigen Brauen über dunklen Augen musste wohl sofort instinktiv denselben Widerwillen gegen Cassidy empfunden haben wie der gegen ihn. Jedenfalls klang es grob und großspurig, als er Cassidy fragte: »Wie kommt es dann, dass ich Sie nicht gesehen habe? Wo hatten Sie sich versteckt?«

    »Vielleicht«, sagte Cassidy, indem er auf ihn hinabsah, während er seine große Hand mit festem Druck in Muellers Schulter presste, »vielleicht gab es da allerhand, was Sie nicht bemerkt haben würden, Mr. McCollum. Jedenfalls um diese Zeit.«

    »Also gut«, sagte McCollum noch lauter, in arrogantem Ton, als sei ihm dieser Punkt im Augenblick unwichtig. »Ich hatte ein paar Schnäpse getrunken, was ich ja nicht abstreite, wie? Aber ich besaß heute Nacht, als ich zu Bett ging und dieser Mann mich aufs Zimmer brachte, eine Brieftasche mit über 400 Dollar, und die hatte ich nicht mehr, als ich vor ungefähr zwei Stunden aufwachte. Sie scheinen den ja recht gut zu kennen, einerlei, wer Sie sind. Dann ist es wohl am besten, Sie reden mit ihm mal Fraktur! So viel werden Sie wohl können, wie?«

    »Ich denke, ja«, erwiderte Cassidy, noch in ganz gleichgültigem Ton. »Und ich kenne ihn gut, sehr viel besser, als ich Sie kenne, Mr. McCollum. Er arbeitet nämlich für mich.«

    »Oh...«, sagte McCollum gedehnt. Seine hässlichen Gedanken schon andeutend, lächelte er Hannegan und Direktor Duval zu. »So, er arbeitet für Sie! In welchem Umfang, hm? Halbe-halbe, was? Was euch bei diesen kleinen Gaunereien in die Hände fällt, wird haargenau geteilt, wie?«

    Jäh trat Stille ein. Schließlich sagte Walter Duval mit törichtem Lächeln: »Na, ich muss doch wirklich sehr bitten, Mr. McCollum!«

    Hannegan warf Cassidy einen schnellen Blick zu, forschend und offensichtlich verwundert. Doch Ray Cassidy sagte, obwohl er blasser geworden war, kein Wort und machte nicht die kleinste Bewegung.

    »Wollen doch ruhig bleiben«, sagte Hannegan, der ihn noch mit gefurchter Stirn ansah. »Vorsichtig vorgehen, he? Es handelt sich um folgendes, Ray: Er behauptet, in seinem Zimmer die Kette vorgelegt zu haben, nachdem Charlie Mueller ihn verlassen hatte, so dass nachher niemand hinein- oder hinausgegangen sein könnte. Ich will ja keinen beschuldigen, denn das ist nicht meine Aufgabe, aber du hast doch ein Köpfchen, mein Junge. Okay, dann streng es an. Wie lautet deine Antwort?«

    »Oh, der wird schon eine wissen«, sagte McCollum, indem er Cassidy scharf fixierte, und zwar mit ganz offener, brutaler Verachtung. »Diese Sache haben die beiden sicher zusammen ausgeheckt. Liegt ja nahe!«

    »Können Sie denn nicht mal ruhig sein?«, fragte Hannegan sanft, aber mit gefährlichem Unterton. »Mal für ’ne Minute die Klappe halten, he?«

    »An Ihrer Stelle würde ich mich anders ausdrücken«, erklärte McCollum grimmig. »Mit mir kann man so nicht umspringen, Mister. Ich bin in dieser Stadt mit Leuten befreundet, die Ihnen etwas bessere Manieren beibringen könnten.«

    »Oje!«, sagte Hannegan, indem er ihn unverschämt gleichgültig von oben bis unten musterte. »Ein richtiger Prominenter, wie? Aber ich trete ja immer ins Fettnäpfchen, Ray. Weißt du, für was ich den gehalten habe? Für einen Kerl, der diese Nacht in der Stadt herumgesumpft und an jeder Schnapstheke von hier bis nach Harlem gehockt hat. So ungefähr wird das wohl stimmen, wie?«

    McCollum lief rot an und senkte den Blick vor Hannegan, was er vor Cassidy nicht getan hatte.

    »Vielleicht können wir jetzt probieren, ob wir’s rauskriegen«, warf Cassidy ein. Sein Gesicht blieb immer noch ruhig, aber es sah fast krankhaft gespannt aus. »Wenn Sie freundlichst ein bisschen zurückdenken wollen, Mr. McCollum: Was Sie taten, als Sie zu Bett gingen. Und ob Sie nachher wieder aufgestanden sind. Ja?«

    »Natürlich bin ich aufgestanden«, antwortete McCollum, verächtlich die Lippen verziehend. »Und dann habe ich vermutlich die Brieftasche aus meiner Hosentasche genommen, was? Und sie an meinem Körper verborgen, nicht wahr?« Nur ganz wenig und nur für einen Moment änderte sich sein Gesichtsausdruck, aber darauf hatte Cassidy gewartet, und er wusste auch, warum.

    »Ich überlege gerade, dass wir manchmal Gäste von einem besonderen Typ haben«, sagte er, wobei ihm die Kehle so merkwürdig trocken war, dass er die Worte kaum klar herausbrachte. »Meistens sind es einzelne, Mr. McCollum, wie Sie. Schön - so ein Gast geht also aus, haut ordentlich auf die Pauke, kommt später wieder in sein Zimmer, zählt seinen Zaster nach und zerbricht sich den Kopf, wieviel er davon ausgegeben hat. Und dann wird er ein bisschen zu schlau. Er tut nämlich, was Sie eben sagten: Er verbirgt das Geld am Leib. So was haben wir hier im Hause schon erlebt, und ich habe es selbst gesehen. Könnte das vorige Nacht auch so gewesen sein?«

    »Was?«, rief McCollum. Er stand rasch auf, dunkelrot im Gesicht. »Selbstverständlich nicht!«

    Hannegan, der unverhohlen gegrinst hatte, lachte jetzt laut. »Na klar«, sagte er, während Duval ihm zublinzelte, »selbstverständlich nicht. Aber ich könnte Ihnen noch andere Plätze nennen, wo man suchen kann, Mr. McCollum. Zum Beispiel hinter einem der Bilder oder auf dem hohen Schränkchen im Badezimmer.«

    »Ich bin - das ist doch wirklich...«, zischte McCollum, noch tiefrot. »Diese ganze - ach, ich wünschte...« Mit einem Blich auf Charlie Mueller fummelte er nervös in seiner Westentasche, fand darin ein paar zerdrückte Geldscheine, die er nach kurzem Zögern auf die Löschunterlage von Duvals Schreibtisch fallen ließ.

    »Oha!«, sagte Hannegan, indem er die Scheine mit seinem manikürten Zeigefinger berührte. »Zwei ganze Ein-Dollar-Scheine! Ein echter Kavalier, Charlie. Sie verstehen, wie ich’s meine: Erst lässt er Sie wer weiß wie piesacken - schiebt Ihnen alles in die Schuhe, und dann... Wollen Sie diesen Kies annehmen, Kindchen, oder wollen Sie dem Herrn selbst sagen, was er damit machen kann?«

    Jetzt ging McCollum hinaus, Duval folgte ihm beflissen. »Kann Sie vollkommen begreifen«, sagte er. »Vollkommen, Sir. Diese ganze wirklich peinliche...«

    Die Tür schloss sich. Hannegan stand auf. »Mr. McCollum«, wiederholte er trocken den Namen, wie im Selbstgespräch, und beobachtete noch immer Cassidy so gespannt und erstaunt wie von Anfang an. »Ray, was war mit dir denn los? Als der dir so unverblümt ins Gesicht sagte, du hättest mit Charlie unter einer Decke gesteckt, da habe ich doch gedacht, du würdest dem mal die Leviten lesen.« Er berührte Cassidy am Arm. »Was ist denn?«, fragte er mit ehrlich besorgtem Gesicht. »Wo hast du deinen Mumm gelassen, Kindchen? Neuerdings kommst du mir ganz anders vor als der Rote Cassidy von früher. Anders als ich dich kannte, wie wir zusammen den Streifenwagen in Harlem Ost fuhren, hm?«

    Cassidy befeuchtete sich bei dieser Frage die Lippen, machte mit der Rechten eine unbestimmte Geste und lächelte Hannegan zu, angestrengt, schmerzlich. »Tja«, sagte er, innerlich wie von einem schweren Gewicht bedrückt, »das ist es, darum dreht sich’s, Mickey: Ich glaube, ich bin nicht mehr derselbe.«

    Zehn Minuten später fuhr er nach oben - Beschwerde über zu lautes Radio. Nachdem er die Sache wie üblich mit der dem Imperial angemessenen äußersten Höflichkeit erledigt hatte, stand er ein paar Minuten am Flurfenster und rauchte eine Zigarette, während er auf das abendliche Verkehrsgewühl in der Park Avenue hinabblickte und an Mickey Hannegans Worte dachte. Wie recht er doch hat! überlegte er ruhig. Vor kurzer Zeit noch, in dem Polizeiauto im Harlemer Negerviertel, war ich ein ganz anderer Mensch. Ein Ray Cassidy, den vielleicht dieser Mr. George McCollum ebenso schnell und genau taxieren konnte, wobei er aber bestimmt einen ganz anderen Eindruck bekommen hätte als heute. Na...

    Er zündete sich eine neue Zigarette an. Hinter ihm lag der lange Hotelkorridor, die Wände ganz mit dunklem Holz verkleidet, edle, einfache Linien, ultramoderne Deckenbeleuchtung, Ruhe ausströmende grüne Läufer mit Goldmuster, die aber gerade jetzt natürlich Cassidy nicht zu beruhigen vermochten. Denn er hatte gleich das Gefühl gehabt, dass dieser McCollum mit seiner Affäre nur den Auftakt für eine wirklich schlimme Nacht bilden würde. Jetzt war er davon fest überzeugt und spürte schon die Strapazen voraus - da ging die Tür des Appartements Nr. 2234 auf, und ein junges Mädchen mit einem Stenogrammblock und einem Bündel Bleistifte kam heraus.

    Sie glich nur wenig einem gewissen anderen Mädchen, an das Cassidy manchmal noch dachte. Nein, das war gar. kein Vergleich. Letzthin war ihm klargeworden, dass der Mensch nach einiger Zeit über gewisse Ereignisse hinwegkommen konnte, wenn er auch vielleicht viel stillen Kummer ertragen musste. Vielleicht war man noch immer nicht voll erwachsen? Jedenfalls begann man erst jetzt, die Mitmenschen in mancher Hinsicht besser zu verstehen und bei ihnen nach Eigenschaften zu suchen, die man früher als unwichtig betrachtet und so gut wie gar nicht bemerkt hatte.

    Eine sonderbare Ironie lag in der ganzen Entwicklung. Voriges Jahr noch hatte in dem Streifenwagen, wie Hannegan ihm in Erinnerung rief, ein Ray Cassidy gesessen, der sich elastisch und mit Elan bewegte und anscheinend alles besaß, was er von der Welt erwartete, zumindest den richtigen Job und das richtige Mädel. Es war aber, was ihm damals kaum bewusst wurde, die falsche gewesen, der er sich ohne jeden Vorbehalt gewidmet hatte. Jetzt freilich wusste er, wer die einzige war, die in seinem Leben noch eine Rolle spielen konnte. Jedoch der Cassidy vom Hotel Imperial unterschied sich sehr vom früheren Cassidy, und was dieser Hotel-Mensch einem Mädel wie Florence Savage bieten konnte, das war... Er drehte sich halb um. Seine starken Kinnbacken schlossen sich schmerzhaft.

    »Nun«, sagte sie, »was gibt’s Neues?« während sie die Doppeltür hinter sich schloss, und ihn, genau wie Hannegan vorher, ein Weilchen prüfend anblickte, als sei sie ein wenig verblüfft und nicht ganz sicher, ob es wirklich Cassidy war. Nicht sicher der Situation und unfähig, an den Kern dieses neuen Cassidy heranzukommen.

    Sie war groß, hatte braunes, weich aussehendes Haar und schöne Schultern. Jetzt erschien sie frisch und energisch, sehr geschäftsmäßig in einem Schneiderkostüm mit schlichter weißer Bluse.

    »Das ist es«, fügte sie ihrem Gruß hinzu, indem sie ernst für sich nickte und den Schreibblock unter den Arm schob. »Dieser Blick ist’s, Cassidy. Sag mir doch mal, was du innerlich für eine Bürde mit dir herumschleppst. Die ganze kummervolle Welt, ja?«

    Er lächelte verzerrt und zog sich gleichsam fester in seine Rüstung zurück, die ihn gegen alles sicherte.

    »Möglich«, sagte er, »so was wird’s wohl sein. - Überstunden gemacht?«

    »Ein bisschen, ja«,

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