Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Funkenspiel - Funkenregen
Funkenspiel - Funkenregen
Funkenspiel - Funkenregen
eBook826 Seiten9 Stunden

Funkenspiel - Funkenregen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Danilo hat mal wieder schlechte Laune. Daken macht ihm Konkurrenz, Kassim zickt, Luca will zurück auf die Bühne und auf Bree will plötzlich jeder die Monarchie abschaffen. Was die Funken auch anfangen, es geht nach hinten los. Danilos Führungsrolle steht endgültig auf dem Spiel, als er Daken und Kassim trennt, die Rommers verärgert und an der Seuche erkrankt. Im Finale tanzen Mäuse und Nussknacker. Was geht hier vor sich?

Vorsicht! Diese Saga bedient so viele Genres, wie ihre Charaktere Rollen spielen und Namen tragen. Doch egal, wen oder was sie auch gerade geben, die Funken haben einen Plan: Die Weltherrschaft ... lenken. Das können sie als Verbrecher allemal besser, finden sie, und halten dabei nicht nur der Gesellschaft des Post-Exodus-Zeitalters den Eulenspiegel vor. Denn geändert hat sich ja nichts - oder?
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum22. Dez. 2023
ISBN9783969371251
Funkenspiel - Funkenregen
Autor

Georgie Severin

Georgie Severin, bürgerlich Dr. Nadja Kobler-Ringler, ist überzeugte Rheinländerin, selbstständige Anwältin, Lektorin und Dozentin, dazu Mama und Ehefrau. Spätestens als freie Mitarbeiterin des Zentrum für Kulturforschung (ZfKf) und Beirätin der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft (FTG) hat sie gelernt, ihren Mitmenschen sehr genau auf´s Maul zu schauen. Daraus entstehen freche Artikel zu ihrem Broterwerb, Kurzgeschichten und Gedichte und, nicht zuletzt, Romane unterschiedlichster Genres.

Mehr von Georgie Severin lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Funkenspiel - Funkenregen

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Funkenspiel - Funkenregen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Funkenspiel - Funkenregen - Georgie Severin

    Georgie Severin

    E-Book, erschienen 2023

    1. Auflage

    ISBN: 978-3-96937-125-1

    Copyright © 2023 LEGIONARION Verlag

    im Förderkreis Literatur e.V.

    Sitz des Vereins: Frankfurt/Main

    www.legionarion.de

    Text © Georgie Severin

    Coverdesign: © Dream Design – Cover and Art

    Umschlagmotiv: © shutterstock 2171305603

    Autorenbild: © Armin Höhner-Fotostudio Bruder

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    logo_xinxii

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

    Dies gilt insbesondere für elektronische oder sonstige Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

    detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Die Handlung, die handelnden Personen, Orte und Begebenheiten dieses Buchs sind frei erfunden.

    Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ebenso wie ihre Handlungen sind rein fiktiv, nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

    Das Buch

    Danilo hat mal wieder schlechte Laune. Daken macht ihm Konkurrenz, Kassim zickt, Luca will zurück auf die Bühne und auf Bree will plötzlich jeder die Monarchie abschaffen. Was die Funken auch anfangen, es geht nach hinten los. Danilos Führungsrolle steht endgültig auf dem Spiel, als er Daken und Kassim trennt, die Rommers verärgert und an der Seuche erkrankt. Im Finale tanzen Mäuse und Nussknacker. Was geht hier vor sich?

    Vorsicht! Diese Saga bedient so viele Genres, wie ihre Charaktere Rollen spielen und Namen tragen. Doch egal, wen oder was sie auch gerade geben, die Funken haben einen Plan: Die Weltherrschaft … lenken. Das können sie als Verbrecher allemal besser, finden sie, und halten dabei nicht nur der Gesellschaft des Post-Exodus-Zeitalters den Eulenspiegel vor. Denn geändert hat sich ja nichts – oder?

    Die Autorin

    Georgie Severin spielt selbst die unterschiedlichsten Rollen – Hauptsache, sie darf ihre Mitwesen dabei genau beobachten. Zwischenmenschliches und Zukünftiges sind beruflich und privat ihre Steckenpferde. Daraus entstehen freche Artikel zu ihrem Broterwerb, Kurzgeschichten, Gedichte und, nicht zuletzt, Romane unterschiedlichster Genre.

    Inhalt

    Teil I

    Funkenleuchten

    Januar

    Kapitel 1

    Februar

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    März

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    April

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Mai

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Teil II

    Feuerlichter

    Juni

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Juli

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    August

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    September

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Teil III

    Funkenregen

    Oktober

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    November

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Dezember

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Januar

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Februar

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    März

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    April

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Mai

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Kapitel 36

    Juni

    Kapitel 37

    Juli

    Kapitel 38

    Kapitel 39

    August – November

    Kapitel 40

    Kapitel 41

    Dezember

    Kapitel 42

    Kapitel 43

    Kapitel 44

    Kapitel 45

    Kapitel 46

    Kapitel 47

    Januar

    Kapitel 48

    Teil IV

    Feuergeister

    April

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Mai

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Juni

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Juli

    Kapitel 20

    August

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    September

    Kapitel 23

    Oktober

    Kapitel 24

    November

    Kapitel 25

    Dezember

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Kapitel 38

    Kapitel 39

    Kapitel 40

    Kapitel 41

    Kapitel 42

    Teil V

    Funkenfreude

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Wer in das Feuer bläst, dem fliegen leicht Funken in die Augen.

    (aus China)

    Dieser Teil entstand von Ende 2018 bis Mitte 2019.

    Teil I

    Funkenleuchten

    Januar

    Kapitel 1

    Danilo Trevillian hatte schlechte Laune.

    Sein Kopf schmerzte und sein Mageninhalt wollte partout nicht da bleiben, wo er hingehörte. Sinael, der schwarz-braun gefleckte Soyar-Kater, hatte sich Danilos Kopfkissen erobert, sich darauf eingerollt und schlug auch noch mit der krallenbewehrten Pfote nach ihm, als er es zurückhaben wollte. Zu allem Überfluss lachte ihn das Zauberwesen am anderen Ende des Bettes auch noch lautstark aus, statt ihn angemessen zu bemitleiden.

    »Selber schuld, du Schluckspecht. Weniger wäre mal wieder mehr gewesen, mein Lieber.«

    »Als Quasi-Brautvater hatte ich jawohl jedes Recht dazu, meine Trauer über den Verlust meiner einzigen männlichen Tochter in Alkohol zu ertränken, oder?«

    Das Zauberwesen lachte nur noch lauter. »Lass’ das mit der männlichen Tochter mal nicht den Bräutigam hören.«

    Diesmal musste Danilo mitlachen, jedenfalls, bis der Raum sich wieder zu drehen begann und Sinaels Schwanz unter seine Nase geriet.

    Er lachte, weil Daken, eigentlich Allan Eric Jason Sasen-Catrell, mit Sicherheit kein Bräutigam gewesen war, einfach, weil es diese terranische Bezeichnung schon seit Jahrhunderten nicht mehr gab. Die angebliche männliche Tochter Kassim war zudem als Re’sen Caan Quen auf Trillyi II geschlüpft, als eine jener genetischen Besonderheiten, die die Trillyit abfällig Sassin nannten. Der Gecko-Mensch-Trillyit-Hybrid Kassim hatte eine ganz besondere Geschichte, die zu einem für seine Umwelt kaum zu begreifenden, aber faszinierenden Zustand der geschlechtlichen Nicht-Festlegbarkeit geführt hatte. Daken liebte genau das, weswegen Danilos Bezeichnung Kassims wohl zu einem Proteststurm geführt hätte, obwohl Kassim ihnen großzügig gestattet hatte, bis auf Weiteres er als Pronomen zu verwenden. Er behauptete bis heute, das sei purer Selbstschutz, da er sonst ständig Bauchschmerzen vom Lachen über ihre Sprachverrenkungen bekäme.

    Es stimmte nicht, und Kassim hatte sich auch nie mit dem Dings, das er war, ausgesöhnt. Doch egal ob als Model, DJ, Tänzer oder bei seiner weniger öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit für Danilos Organisation, Kassim war in jedweder Form schön, tödlich und – seit neuestem – fest vergeben.

    »Irgendwann werde wohl auch ich mal verstehen, warum Kassim überhaupt Sex haben kann oder will. Und vor allem wie«, seufzte Danilo.

    Luca gluckste leise. »Neugier oder Fortbildungsmaßnahme?«

    Ihr Ehemann galt als Experte auf diesem Gebiet. Es war Danilos Beruf und seine Passion, seine bevorzugte Art, an die Informationen heranzukommen, die die Organisation namens Freunde, die er leitete, so dringend benötigte. »Beides und keins davon. Ich verstehe es nur nicht.«

    Luca grinste. »Also«, begann sie im besten Oberlehrertonfall, »Kassim ist aufgrund seiner furchtbaren Geschichte ein derartiges Kunstprodukt, dass er zeit seines Lebens behandelt werden muss. Alles andere würde Kassim umbringen, physisch und psychisch. Hat es ja auch, fast jedenfalls.«

    Danilo sah sie liebevoll an. »Fast, Schatz. Es scheint ja nun wirklich vorbei zu sein. Die neuen Leiterbahnen funktionieren einwandfrei, er hat keine Schmerzen mehr, schluckt und spritzt nicht mehr wahllos irgendwas und hat Daken, das alles zu überwachen.«

    »Das hört sich an, als hätte Kassim seinen Pfleger geheiratet.«

    »Ist ein beliebtes Rollenspiel, Schwester Luca.«

    Sie lachte laut und kehrte zu ihm ins Bett zurück. »Du bist eindeutig auf dem Wege der Besserung. Wenn du schon wieder daran denken kannst.«

    »Eindeutig. Das liegt an der guten Betreuung«, sagte er, um sich im nächsten Moment leidend an den Kopf zu fassen. »Aber ich habe furchtbare Kopfschmerzen«, jammerte er und wischte, natürlich völlig unabsichtlich, das Kopfkissen mit dem Kater darauf vom Bett.

    »Oooh«, entgegnete Luca. »Komm’ mal her, du armer Mann.« Sie schmunzelte und beugte sich zu ihm hinüber. »Schwester Luca weiß, was dagegen helfen soll.«

    Die Amadeo war ein Sternenschiff der besonderen Art. Nicht nur folgte seine äußere Form der eines terranischen Delfins, es besaß auch denselben wandelbaren Status wie sein Eigner. Je nach Bedarf war die Amadeo mal Danilos persönliches Schiff, mal Diplomatenschiff des neutralen Planeten Bree und mal das Flaggschiff des Wildcat-Clans der Yassi-Piraten. Daneben verfügte sie über eine sehr spezielle Form von Intelligenz, seit Kassim sie betreute.

    So ließ sich ein bestens gelaunter Danilo, zurück in seiner eigenen Kabine, die täglichen Statusmeldungen und Einsatzberichte der Freunde vom Mensch-Maschine-Interface der Amadeo zusammenfassen, statt freiwillig gar zu lesen. Gerade nahm er sich die des einst zur Tarnung der Freunde gegründeten Wildcat-Clans der Yassi-Piraten vor, als das Schiff First ankündigte.

    Der Trillyit, den Danilo First nannte, trat ein und setzte sich ungebeten. Nach fast dreißig Jahren gemeinsamen Lebens auf engstem Raum kannten sie sich viel zu gut, um Konventionen abzuspulen. Der hochgewachsene grüne Reptilien-Mann mit den auffallend klaren hellgrünen Augen war ein interessanter Gegensatz zu dem für das jetzige Universum zu klein geratenen Menschen mit der dunklen Haut, den dunklen Haaren und den schwarzen Augen am Schreibtisch. Ein auffälliger Gegensatz noch dazu, denn Menschen unterhielten in diesem Universum keine Beziehungen zu Trillyit.

    Der Grund dafür war simpel: Die Menschen fürchteten ihre eigene Schöpfung. Die Trillyit trugen überwiegend menschliche und daneben Leguan-DNA in sich. An den kleinen Restanteil für sinnvoll erachteter DNA-Clipper aus den vorherigen Versuchen mit Waranen, Schlangen, Geckos und vielen anderen mehr mochten weder die Menschen noch die Trillyit erinnert werden. Sie wollten ja nicht einmal mehr aneinander erinnert werden.

    Geschaffen in der Zeit kurz nach dem Exodus von Terra, der alten Erde, waren die Trillyit, wie alle Hybriden, als Stellvertreter-Soldaten konzipiert worden. Als der Menschheit aufging, dass ihr bei ihrer Flucht ins Universum keine Gegenwehr von dessen anderen Bewohnern drohte, hatte sie die nun sinnlos gewordenen Wesen aussterben lassen wollen, allen voran die Trillyit. Immerhin waren gerade die als Superkrieger konzipiert worden, hochgewachsen, kraftvoll, robust, dabei außerordentlich intelligent, aggressiv und schnell, und mit ihrem reptilienähnlichen Äußeren auch sonst in jeder Hinsicht furchteinflößend.

    Zum Entsetzen der Menschheit hatten sich die Trillyit, einmal ausgesetzt, sprunghaft entwickelt und schon bald begonnen, sich, ihrem Reptilienerbe folgend, durch Eiablage fortzupflanzen. Zu allem Überfluss waren sie auch noch auf den Gedanken gekommen, dicht gewebte Kleidung über ihren Rückenkämmen zu tragen, deren Bioluminiszenz den Menschen ihren jeweiligen Gemütszustand so unmanipulierbar hatte offenbaren sollen. Geschürt von der aufkommenden Angst vor den eigenen Monsterkriegern, war es zu einem Vernichtungsfeldzug gekommen, den beide Seiten inzwischen nur noch den Großen Krieg oder den Kali’esch nannten. In ihm hatte die Menschheit den Hybriden entgegengeworfen, was immer ihr zur Verfügung gestanden hatte: modernste Waffentechnik, bionisch aufgerüstete Menschensoldaten und schließlich auch biologische und chemische Kampfstoffe. Vor allem aber Propaganda.

    An den Rand der Auslöschung gebracht, hatten sich die nur rund eintausendzweihundert überlebenden Trillyit aus dem damals bekannten Universum zurückgezogen, sich auf einem Planetensystem an dessen äußerstem Rand verschanzt und versuchten seitdem, nichts und niemandem aufzufallen und den Rest des Universums nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ihr Rückzug hatte sein Gutes, aber auch einen erheblichen Nachteil: Selbst etliche hundert Jahre nach der letzten kriegerischen Auseinandersetzung waren die menschlichen Vorstellungen von den Trillyit durch die Kriegspropaganda der damaligen Zeit geprägt.

    Einer Zeit, die ein Mensch namens Danilo übersprungen hatte. »Nun, Captain«, zog der daher völlig unbefangen das Paradebeispiel eines gelungenen Monsterkriegers vor sich auf. »Ranghohe Offiziere sollten sich nicht maßlos besaufen. Vor allem nicht gemeinsam mit der Mannschaft.«

    »Nein, Commander«, antwortete First ungerührt. »Sollten sie nicht.« Sein Nackenkamm offenbarte nichts als amüsiertes Pink. Er schob Danilo einen Stapel mitgebrachter Datenscheiben über den Schreibtisch.

    »Irgendetwas Aufregendes?« Danilo würdigte den Stapel keines Blickes. Er las und schrieb nicht gerne. Auch die Schule hatte er übersprungen.

    »Memento und Shi’tra berichten von ersten Annäherungen mit dem Leto-System, außerdem von den endlosen Diskussionen um die Friedensverhandlungen mit den Rommers und das Schattenverbot«, gähnte First.

    Danilo grinste. »Scho hat aus Trillyi geliefert, willst du sicher nicht hören, oder?«

    Von einer Sekunde zur anderen war Frist hellwach. Sein Breeding-Partner – also Bruder – Second und er stammten, wie Kassim, aus Slathena, der Hauptstadt Pentrillyis auf Trillyi II. Sie hatten sich mit sechzehn Jahren entschieden, der von ihrem Vater, König Sen’quen Kalo So, mit harter Hand geführten Diktatur zu entfliehen. Kalo So hatte der Verrat seiner jüngsten Söhne und heiligen Hoffnungsträger schwer getroffen, hatte er doch So’nie, also First, den hochtalentierten Strategen, Kämpfer und Verhörspezialisten, zu seinem Nachfolger erkoren, und dessen Bruder Re’nie auf den Posten des Hohepriesters des Landes heben wollen. Doch die beiden waren, totgeglaubt von ihrem Vater, für zwanzig Jahre verschwunden. Erst Kassims Flucht aus Pentrillyi und die anschließende Suche nach ihm hatten Kalo So auf die Spur seiner Söhne gebracht. Ihr Wiedersehen auf der Amadeo hätte sie alle um Haaresbreite das Leben gekostet.

    Noch schlimmer aber war das Machtvakuum in Pentrillyi, das mit Kalo Sos Tod entstanden war. Es hatte politische Unruhen, Firsts gewaltsame Entführung und die anschließende Zerstörung des Planeten Trillyi III heraufbeschworen, letzteres fatalerweise ausgerechnet durch Menschen. Niemand wusste, wohin sich Trillyi I und II nun entwickeln würden. Aber es sah nicht gut aus, nicht politisch und nicht astrophysisch.

    Der Wegfall eines ganzen Planeten hatte das Gleichgewicht des Planetensystems massiv ins Wanken gebracht. Die Strahlung der Doppelsonne Trillyis wurde auf Trillyi I und II nicht mehr durch den regelmäßig durchziehenden Bruderplaneten und dessen Monde unterbrochen. Das erwärmte die Atmosphären, was seinerseits das feucht-tropische Klima der Hauptwohngebiete angriff. Trümmerteile von Trillyi III kreisten in absurden Umlaufbahnen um die beiden Sonnen. Trotz ihrer systematischen Zerstörung waren die Schutzschilde der verbliebenen Planeten immer wieder mal nicht in der Lage, größere Gesteinsmassen abzufangen. Wenn auch nur wenig davon am Boden anlangte, die Einschläge waren zerstörerisch genug. Die Eruptionen, die andere Teile beim Einschlag auf die Sonnen auslösten, kamen noch hinzu. Ob die verbliebenen Planeten ihre Umlaufbahnen ändern würden, war noch nicht absehbar. Die Trillyit brauchten Hilfe – die sie hassten.

    »Hat Trillyi I sich endlich geäußert, ob die Drei Länder Hilfe vom Zentralsystem akzeptieren?« fragte First.

    Das Universal Data Network, kurz UDN, fiel als Informationsquelle über das Trillyi-System immer noch weitgehend aus. Nicht nur, weil die Trillyit nicht offen daran teilnahmen, der Datentransfer war durch die Turbulenzen im System derzeit auch tatsächlich oftmals gestört. Sie waren also auf das Wenige angewiesen, was First mit Unterstützung der Freunde über die Jahre an Spionagenetzwerk über das Trillyi-System hatte ausbreiten können. Dessen Hauptagent war ein Sassin und Hurenwirt namens Scho.

    »Nein. Kein Mucks«, erwiderte Danilo.

    First zischte wütend und enttäuscht. Der Menschenhass der Trillyi wurde langsam selbstmörderisch und absurd.

    »Aber deine Mitwesen stimmen mit den Füßen ab. Sie erkennen eine Chance auf Ausbruch aus den alten Strukturen und gehen fort – die einen nur nach Sertrillyi oder Subtrillyi, die schon einige Hilfen akzeptiert haben, die anderen überwinden ihren Menschenhass und verschwinden ganz aus dem System.«

    »Sassin vor allem, habe ich gehört«, entgegnete First, und es klang abwertend und enttäuscht.

    Danilo sah ihn scharf an.

    »Ja, ja. Ich weiß. Kassim ist auch einer«, beeilte sich First klarzustellen. »Aber er ist auch …«

    Danilo unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Vergeben, First. Das zu allererst. Ich habe dir dazu gesagt, was ich dazu zu sagen hatte. Schluss damit.«

    First und Kassim, das war eine böse Geschichte. Nach den Jahren der Misshandlungen und des Missbrauchs endlich Kalo So entkommen, war Kassim auf der Amadeo ausgerechnet auf dessen Ebenbild First getroffen. Das Verhältnis, das die beiden begonnen hatten, war in eine unglaublich zerstörerische Beziehung ausgeartet, aus der sich lange Zeit keiner von beiden hatte lösen können. Erst Dakens Auftauchen und Firsts erzwungene Auseinandersetzung mit seinem verstorbenen Vater hatten sie beendet. Im Stillen wünschte sich Danilo immer noch, First und Kassim würden wieder zueinanderfinden, im Guten diesmal. Er war sich sicher, First ging es genauso.

    Er riss sich zusammen, um das Bedauern von seinem Gesicht fernzuhalten. Kassim hatte sich nun einmal für Daken entschieden.

    »Unsere Schleuser jedenfalls funktionieren einwandfrei«, stellte er mit einem flüchtigen Blick auf die Datenscheibe vor sich fest.

    Nachdem erste Berichte von den zweifelhaften Geschäftspraktiken einiger syndikatfinanzierter Schleuserringe eingetroffen waren, hatte der kleine Freundes-Führungsring um Danilo, Funken genannt, spontan beschlossen, seine besonderen Kontakte ins System auszunutzen und selber einen Schleuserring aufzuziehen, wenn die Trillyi-Syndikate schon nicht selbst übernahmen.

    Natürlich gab es auch im Trillyi-System selbst Syndikate. Verbrechen war, das jedenfalls war Danilos Erfahrung, interstellar und intertemporal, es gab es immer, überall und bei allen halbwegs vernunftbegabten Lebensformen. Die Danilo-Konstante im wechselhaften Universum.

    »Und das Schleusen ist eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle«, ergänzte die eintretende Luca.

    First und Danilo erhoben sich – sie verdiente und liebte es.

    »Danke, ihr Schätzchen«, freute sie sich prompt und bedeutete ihnen, sich wieder zu setzen. »Tut immer noch gut. – Ihr redet schon über Trillyi

    Danilo nickte.

    »Die Rommers-Leute dort sind nicht totzukriegen, arbeiten aber, sagen wir mal, tolerabel«, erklärte sie. »Dem Farin-Syndikat haben wir mittlerweile das Wasser abgegraben, was das Schleusen angeht. Was das Rausbringen aus dem System angeht, macht uns die Zentralregierung mit ihren Auffanglagern das Leben schwer. Die meisten Trillyit, vor allem die Sassin unter ihnen, fürchten die Sammellager enorm. Sie wollen lieber untertauchen.«

    Danilo und First nickten. Das war logisch.

    Die Trillyit nannten ihre Sassin-Mitgeschöpfe gerne Vergeudetes Leben und behandelten sie zumeist auch genauso. Die von den Menschen verworfenen Vorstufen trillyitischen Lebens waren gesellschaftlich und religiös inakzeptabel, ganz sicher in König Kalo Sos Pentrillyi, das sich einen Kult um die Vorstellung von Wahren Trillyit erschaffen hatte. So verschwanden Sassin aus dem öffentlichen Leben oder wurden zwangsweise ihren Mitwesen angeglichen. Da Sassin menschenähnlicher, also ihren Mitgeschöpfen rein körperlich unterlegen waren und zu allem Überfluss eine für ihre Mitwesen gleichermaßen auf- wie erregende Witterung aufwiesen, war es nur zu verständlich, wenn sie Aufenthalte in dicht besetzten gemeinsamen Sammellagern fürchteten.

    »Das Untertauchen ist leider weitaus schwieriger zu bewerkstelligen«, fuhr Luca fort. »Wir haben dabei kleinere Gruppen, also höhere Kosten. Aber die Bessoun auf Yassi freuen sich über die guten Aufträge für neue Ausweisdokumente und Bezon V über die Patienten, die sich, natürlich im illegalen Teil der Klinik und gegen horrende Gebühren, zur Vermenschlichung einfinden. Es bleibt ein mieses Geschäft.« Sie seufzte ironisch und verdrehte die Augen Richtung Zimmerdecke. »Sind sie das nicht alle?«

    Sie grinsten. Sie waren es alle.

    »Denen, die wir ganz rausbringen, geben wir seit Neuestem übrigens äußerst profitable Startkredite. Die Trillyit sind belastbare Arbeitskräfte, meist gut ausgebildet und ziemlich clever. Alle, First«, fügte Luca mit einem Seitenblick auf ihn hinzu. »Auch Sassin. Sie alle bleiben eine schöne, lange Zeit in unserer Schuld – und unter unserer Beobachtung.«

    »Ich wusste auch gar nicht, wie viele Trillyit schon vor dem Kollaps unter uns lebten«, fügte Danilo hinzu. »Mittlerweile kenne ich rund zwei Dutzend. Manche arbeiten für Trillyit- oder Menschen-Syndikate, klar, aber manche sind auch seit Jahren völlig unauffällige, scheinbar menschliche Nachbarn auf kleineren Randplaneten. Das erklärt, warum Kalo So so große Schwierigkeiten hatte, die richtigen wiederzufinden. Ein paar der frischen Trillyit haben sich übrigens als so tauglich erwiesen, dass wir sie gleich behalten haben. Sassin haben sowieso von Kindheit an gelernt, nicht aufzufallen und auf Kommando zu verschwinden. Sehr taugliches Freundes-Material.«

    »Nicht nur Sassin, auch ein paar Trillyit«, ergänzte First zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Als er Danilos harten Blick auf sich spürte, ruderte er etwas zurück. »Also reine Trillyit.« Der Blick wurde stählern. »Oder wie immer du es nennen willst. Sie alle arbeiten mit je einem alten Kontaktmann oder in ihrer neuen Identität mit einem der Freunde

    »Echt?«, freute sich Luca. »Na, das nenne ich mal einen echten Gewinn. Kassim wird’s freuen. Ist ein Gecko-Sassin dabei?«

    First schüttelte den Kopf. »Waran, hauptsächlich. Sie sind die Kompatibelsten, also am häufigsten lebensfähig. Wenige Schlangen, ein Chamäleonide, leider ohne die berühmte farbliche Anpassungsfähigkeit«, antwortete er.

    »Schade«, fand Luca. Aber irgendwie war sie ganz froh, dass Kassim einmalig zu bleiben schien.

    »Mit anderen Worten, meine Lieben, wir begehen mal wieder ein Verbrechen nach dem anderen, um Gutes zu tun«, resümierte Danilo und lehnte sich selbstzufrieden zurück.

    »Nicht ganz, Schatz«, widersprach ihm Luca. »Ken’re ist mittlerweile völlig legal auf der Sternenbrücke angekommen, mit allen ihren Schützlingen.«

    Ken’re war Kassims Ersatzmutter und hatte, in Zusammenarbeit mit Kassims Vater, regelmäßig Sassin-Breedings aus Pentrillyi in die gemäßigteren Staaten von Trillyi II geschleust, um sie den Zwangsbehandlungen und Repressalien in Kalo Sos System zu entziehen.

    »Ja, und die Wahren Trillyit-Anhänger schäumen deswegen«, entgegnete First. »Sie propagieren das als menschliche Anmaßung und Breeding-, äh, Kindes-Entführung. Die Menschheit will an unsere Breedings, um uns zu zerstören, und so weiter.«

    Danilo knirschte mit den Zähnen.

    Die Amadeo unterbrach seine Gedanken rüde. »Lee’lo am Schott«, meldete das Schiff, und ein paar Sekunden später tauchte Seconds menschlicher Ziehsohn auf.

    »Hallo!«, trällerte er fröhlich, einen abgedeckten Kasten in der Hand.

    »Willkommen in den nächsten außerordentlichen Ferien«, begrüßte ihn Danilo frech. »Wie hat Kassim es diesmal angestellt?«

    Lee’lo hatte es sich in den Kopf gesetzt, Arzt zu werden. Er besuchte ein Internat auf Haven IV, machte aber seit wenigen Tagen zugleich via Fernstudium bereits die universitäre Ausbildung. Gelegentlich verschaffte Kassim dem gerade einmal Dreizehnjährigen aus Spaß vor Prüfungen ein paar Tage Extra-Ferien auf der Amadeo. »Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob Kassim diesmal etwas damit zu tun hat. Grippewelle. Also, die echte, nicht die Erkältung. Es waren zu wenig Betreuer da.«

    »Klingt nach echter Katastrophe, nicht nach Re’sen. Was hast du da?« First witterte neugierig.

    »Akis Leek. Er konnte sie nicht mitnehmen, weil …« Weiter kam Lee’lo nicht.

    »Bring das Vieh hier raus!«, zischte First, sprang auf und brachte hektisch Abstand zwischen sich und den Kasten. »Sinael!«, rief er von seiner sicheren Position hinter Danilos Schreibtisch aus in den Zwischengang zu Lucas Weißer Kabine. »Wo ist dein verfluchter Soyar, wenn man ihn mal braucht?«

    Luca kicherte. »Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Das ist das erste Mal, dass du meinen Kater nicht ermorden willst, wenn er hereinkommt. Darf ich fragen, weshalb, oder teile ich dann das künftige Schicksal der armen Maus da drin?«

    »Leeks. Mäuse. Verfluchte Viecher«, fauchte First und trat einen weiteren Schritt von dem Kasten zurück. »Sie bringen nichts als Ärger. Ärger und Krankheiten.«

    Alle drei Menschen im Raum lachten schallend.

    »Ja, lacht nur. Sie sind verflucht, die Mäuse. Von den Göttern verflucht. Fragt Second«, riet First zickig und versuchte, gleichzeitig würdevoll und schnell der Kabine zu entkommen.

    Weiteres Gelächter folgte seinem Abgang.

    »Was mache ich denn jetzt?«, fragte Lee’lo. »Ich habe Aki versprochen, auf Caleiope aufzupassen. Zu Second kann ich sie jetzt wohl kaum bringen und Sinaels wegen kann sie auch nicht hierbleiben.«

    »Bring sie zu Samuel und Ferro. Sie werden einen Platz auf dem Schiff finden, wo sie den Grünlingen nicht in die Quere kommt und Sinael nicht an sie herankommt. Die Amadeo ist nun wirklich groß genug für alle«, schlug Danilo amüsiert vor.

    »Gute Idee!«, nickte Lee’lo und verschwand, um sich auf die Suche nach Purser und Quartiermeister zu machen.

    Danilo warf einen Blick auf die hochgestapelten Datenscheiben vor sich, seufzte und zeigte darauf. »Ich verschaffe mir selbst ein Bild«, beschloss er mit einem Seitenblick auf Lucas Minirock. »Es wird sowieso Zeit, dass wir zwei mal wieder abhauen, was meinst du?«

    Danilo und Luca, das schillernde Paar mit den vielen öffentlichen und noch mehr verborgenen Rollen, brauchte die Auszeiten zum seelischen Überleben, denn weder Luca noch Danilo stammten aus der Zeit, in der sie jetzt lebten. Beide waren im zwanzigsten Jahrhundert auf Terra geboren, jenem sagenumwobenen Heimatplaneten der Menschheit, den diese schon vor Jahrhunderten hatte verlassen müssen. Sie waren in die Post-Exodus-Zeit gebracht worden – nicht freiwillig und nicht alleine, beileibe nicht.

    Es gab hunderte wie sie, und alle sie hatten Raaka geholt, die geheimnisvollen fünf Wesen, die keine Eigennamen zu kennen schienen und die als das älteste vernunftbegabte Leben des bekannten Universums galten. Vier von ihnen nutzen irgendetwas – eine Fähigkeit oder eine Technologie vielleicht –, um sich von ihrem Captain in Raum und Zeit versetzen zu lassen. Dort korrigierten sie Fehler der Zeit, sagten sie. Um die Wesen, die sie kauften, entführten oder stahlen, an den richtigen Ort in der richtigen Zeit zu bringen, war ihnen jedes Mittel recht, menschliches Gut und Böse kannten sie nicht.

    Luca und Danilo waren, so Raaka, in ihrem alten Leben nur bis zu dem Zeitpunkt richtig gewesen, bis zu dem sie dortgeblieben waren. Es waren beileibe keine schönen Leben gewesen, aus denen Raaka Luca und Danilo geholt hatten, und auch die, in die sie die beiden versetzt hatten, waren von Missbrauch, Gewalt und Kampf geprägt gewesen. Aber sie hatten sich dem seelischen Untergang widersetzt, jeder auf seine Weise, und nicht, ohne tiefe Narben davonzutragen. Deswegen mussten sie ab und zu raus. Raus, und nur für sich sein, um sich nicht zu verlieren. Wenn dabei noch Informationen aus erster Hand für Freunde und Funken abfielen – umso besser. Diesmal hieß das Ziel Trillyi.

    Februar

    Kapitel 2

    Verdammt!«, fauchte Danilo und schlug mit der Faust auf das Steuerungsdisplay des Gleiters, den er pilotierte. »Ich krieg’ doch wirklich keine Landeerlaubnis vom Trillyi -Raumdock. Was glauben diese Grünlinge eigentlich …«

    »Lass’ gut sein, Schatz«, riet Luca »Wir fliegen über Sessa II nach Temos und dann direkt weiter nach Leto III. Mit Sessa II hast du Trillyi und die Rommers für die Freunde abgehakt und auf Temos können wir herrlich baden und weiterschnüffeln. Wenn wir uns Zeit nehmen, sind wir Ende der Woche zeitgleich mit Memento und Shi’tra auf Leto III und haben schon alle Infos zu den Rommers in der Tasche.«

    Yassi und Rommers verhandelten nun schon länger über einen Frieden zwischen ihren rivalisierenden Piratenplaneten, bisher jedoch ohne Ergebnis. Nach dem großangelegten Angriff auf Yassi, Feuersturm genannt, hatte der Hohe Rat, das oberste Entscheidungsgremium der Yassi, als Zeichen seines guten Willens beschlossen, die überlebenden Rommers ohne Bedingungen freizugeben und sie mit ihren Toten in die Heimat zurückkehren zu lassen. Das dadurch zustande gekommene, auf Leto III anberaumte Treffen war höchst inoffiziell und vor allem den nicht ganz uneigennützigen Friedensbestrebungen der beiden Informationsbeschaffungs-Organisationen geschuldet, die ihre Deckung hinter den Piratenstrukturen gefunden hatten.

    Natürlich musste Danilo dort selbst auftauchen. Noch bin ich schließlich der Herr der Freunde, dachte er, seufzte ergeben und zog den Gleiter in eine sanfte Kehre. Auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, von den Funken, allen voran von meiner eigenen Frau, am Straßenrand vergessen zu werden.

    Leon empfing sie mit strahlendem Lächeln. Der tiefschwarze, nur wenig ältere Bruder Mementos war in die typische farbenfrohe Kleidung des Wüstenplaneten gekleidet und für einen Moment musste Luca schlucken, so ähnlich sah er seinem Vater Atenga. Selbst Sinael an ihrer Seite machte einen Schritt rückwärts.

    Atenga Slimane war Teil des großangelegten Planes der geheimnisvollen Organisation namens Sneaker gewesen, der Yassi und Rommers in den Feuersturm geführt hatte. Um Danilo abzulenken, hatten die Sneaker den gelangweilten Lebemann Slimane dazu gebracht, ein Verhältnis mit Luca einzugehen. Atengas Söhne, Leon und Lukas, alias Memento, hatten großen Anteil am Scheitern ihres Vaters und Danilo war den beiden dafür zutiefst dankbar. So begrüßte er Leon herzlich und ließ sich interessiert das große Anwesen zeigen, in dem Atenga gelebt hatte, und in dem jetzt sein Sohn und Nachfolger residierte.

    Leon hatte den Stil des Hauses beibehalten, der mit vielen sanften Farben gegen die Monotonie der Sand- und Erdtöne der Wüste ankämpfte. Und doch hatte sich einiges verändert. »Keine Sklaven mehr, Luca«, kommentierte er Lucas Blicke. »Aber es würde dich überraschen, wie viele freiwillig geblieben sind. Ich jedenfalls war überrascht. Die Minen sind harte Arbeit.«

    Luca nickte. »Sie werden wohl froh gewesen sein, nicht in der Wüste geendet zu haben. Was ist mit …« Sie brach ab, weil sie ihn nicht beleidigen wollte. Sein Vater Atenga hatte etliche Menschen hier festgehalten, nach deren Schicksal sie hatte fragen wollen. Sie hatte immerhin fast als eine von ihnen geendet.

    Doch Leon lächelte nur. »Meine drei Gefährtinnen freuen sich derzeit über den vielen Platz«, witzelte er. »Aber vielleicht treffe ich ja noch ein paar Mal mehr die Richtige.« Er zuckte mit den Achseln.

    »Oder sie den zweiten, dritten, vierten Richtigen?«, schlug sein Bruder spöttisch vor.

    »Oder das«, gab Leon zu. Die Leti-Frauen standen ihren Männern in nichts nach.

    »Obwohl …« Er betrachtete sich demonstrativ in einem der aufgehängten Spiegel. »Nein. Ausgeschlossen«, schüttelte er energisch den Kopf.

    »Niemals«, bestätigte Luca, bevor sie in sein Lachen einstimmte.

    Es war nicht alles gut im Leto-System, aber das hatten sie auch nicht erwartet.

    König Abuela hielt sich auch ohne Atenga als seinen Botschafter und Kontaktmann zu den Rommers fest an der Macht und setzte diese nach wie vor rücksichtslos durch. Alleine der Abschaffung der Sklaverei hatte er sich nicht entziehen können, zu groß war, auch dank der Freunde, der öffentliche Druck auf ihn geworden. Letos Diamanten wären unverkäuflich geworden und allein auf die Schürfrechte an den Minen stützte Abuelas Familie ihren Reichtum – und er seine Macht.

    »Abuela hat auch hinnehmen müssen, die Stammesparlamente unserer terranischen Vorfahren und Vorbilder wieder offen stattfinden zu lassen. Die Leti nehmen es mit Vorsicht zur Kenntnis, aber in den ersten Regionen wird schon wieder recht frei diskutiert und Politik gemacht«, berichtete Leon stolz.

    Memento runzelte ungläubig die Stirn.

    »Ach komm’, freu’ dich mit. Ja, wir sind immer noch weit entfernt von der Wiederherstellung unserer Demokratie. Aber hey, die Geeinten Afrikanischen Staaten sind auch nicht an einem Tag entstanden und harmonisch waren sie so wenig wie alle anderen Staatenbunde.«

    Luca und Danilo wechselten einen verständnislosen Blick, ließen das Thema aber auf sich beruhen. Sie wussten nur zu gut um ihre Defizite in terranischer Geschichte.

    Luca fiel auf, dass Sinael fehlte, aber bevor sie nach ihm fragen konnte, sprach Leon schon weiter.

    »Du kannst immer noch wiederkommen und mitmischen, Bruderherz.«

    »Ha«, machte Memento amüsiert. »Ich wäre der perfekte Oppositionsführer. Wir haben uns schon als Kinder um und über alles gestritten.«

    »Ja, uns dabei gegenseitig verhauen und anschließend gemeinsam Vater belogen. Also bitte, wer wäre als Politiker besser geeignet als wir?«

    Als sein Bruder zum Protest anhob, winkte Leon ab. »Schon gut, ich weiß ja, du willst nicht. Erzählt stattdessen von Yassi. Wie geht der Wiederaufbau voran?«

    Den Rest der Besichtigungstour und die größere Hälfte des gemeinsamen Abendessens über erzählten Luca, Shi’tra, Memento und Danilo abwechselnd von Yassi.

    »Die kleineren nicht-kriegerischen Clans werden Hilfe brauchen, um voranzukommen«, sagte Danilo. »Sie haben am meisten verloren – an Menschen und an Material. Die Sea-Lions haben zum Beispiel ihre ganze Flotte hergegeben, um die Rommers vor Yasiras Küste aufzuhalten. Sie leben von dem, was sie Fischerei nennen, das wird noch ein großes Problem. Abgesehen von den vielen Händen, die ihnen fehlen. Sie werden erst ihr Kerngeschäft ans Laufen bringen, bevor sie ihr Viertel wiederaufbauen.«

    »Irrtum, du Herr der Informationen«, unterbrach ihn Memento feixend. »Sie haben gerade beim Rat eine Abholzungsgenehmigung für ein Waldstück etwa einen Tagesmarsch von Yasira entfernt beantragt, um ihre Grundgerüste zu schlagen. – Stolz, Danilo«, erklärte er, als er Danilos überraschtes Gesicht bemerkte. »Sie würden eher verhungern, als hinter den anderen zurückzubleiben.«

    »Hmpf«, machte Danilo beleidigt. Er hasste es, übertrumpft zu werden, und seit Gründung der Funken kam das immer häufiger vor. »Gut, dass ich dich habe, Memento, um mich an so etwas zu erinnern.«

    Der Angefauchte verbeugte sich spaßhaft.

    »Ansonsten würdest du hinter meinem Schwarz auch völlig verschwinden«, frotzelte Danilo, derart besänftigt, in Richtung der beiden hochgewachsenen, tiefschwarzen Brüder und deutete auf seine immer gleich schwarze Kleidung.

    Memento und Leon brauchten etwas, bis sie verstanden. Zu selten wurden sie noch an ihre Hautfarbe erinnert. Dann aber lachten sie umso lauter.

    »Tja, und ich kann sogar noch etwas ergänzen, mein ach-so-allwissender Freund«, fuhr Danilo hämisch grinsend fort. »Nämlich, dass unter dem Hohen Turm nach Firsts, Kassims und Rodeos Plänen ein Krisen-Kommandostand eingebaut wird. Mitsamt Bunkeranlage für Yasiras Einwohner.«

    Großspurig winkte Memento ab. »Weiß ich doch. Aber hast du schon den letzten Plan für das neue Labyrinth unter dem Theatre gesehen?«

    Das Grinsen auf Danilos Gesicht wurde zu einem Strahlen. »Habe ich, ja. Ich habe ihn gemalt.« Er nahm sein Glas und prostete dem verblüfften Memento triumphierend zu.

    »Das hört sich an, als rüstet ihr euch mehr für einen neuen Krieg als für den Frieden«, beendete Leon die Rangelei der beiden besorgt.

    »Ja, leider. Aber der Angriff hat selbst den Friedliebendsten gezeigt, dass wir die Verteidigungsanlagen ausbauen müssen. Darüber hinaus gibt es immer noch genug Clans, die ihre Getöteten auf Kriegerart rächen wollen. Es ist ihre Tradition und ihr Glaube. Der gerächte Krieger wird im Schattenreich von den für ihn Getöteten verehrt«, erklärte Luca.

    »Oh weh. Das verheißt für morgen nichts Gutes.«

    »Abwarten«, bat Danilo. »Wir verhandeln hier keinen Frieden, Leon. Sie wollen mich nur kennenlernen. Der Elem-Peras lässt immer wieder durchblicken, dass sie mich für den eigentlichen Lenker der Yassi halten. Ich werde mein Bestes geben, ihnen das morgen auszureden.«

    »Gute Entscheidung«, nickte Leon. »Und du? Was bringt dir das Treffen?«

    »Nun, genau wie sie will ich nur wissen, mit wem ich es zu tun habe. Seit Tarkans Tod … naja. Informations-Flaute. Sie sind gut.«

    Danilo und Luca waren gerade beim Umkleiden, als es an ihrer Zimmertüre klopfte. Vielleicht endlich etwas zu Sinaels Verbleib?

    Auf ihr »Herein« erschien jedoch ein Bediensteter mit einem kleinen Wagen, auf dem mehrere Gläser arrangiert waren. »Ihre Drinks, Duchess«, grüßte der junge Mann freundlich und schob den Wagen ungefragt in Richtung Couchtisch.

    »Wir hatten keine …«, begann Luca abwehrend, verschluckte den Rest des Satzes aber beim Anblick von Danilos angespannter Haltung – und angesichts der Tatsache, dass der Mann ihren Titel korrekt ausgesprochen hatte. Das war eine Seltenheit, gemessen an der ungewöhnlichen Mischung alter terranischer Bezeichnungen und Schreibweisen, die sich die Bree zu eigen gemacht hatten.

    »Wer sind Sie?«

    Der Mann lächelte und verbeugte sich leicht. »Kein besonders guter Bediensteter, wie es scheint, Mylord. Ich heißte Peer Makhteeba, ich bin der Neffe der Laiken der Santabella. Ich habe die Echtheit ihrer Signatur zu Eurer Vereinbarung vor dem Elem-Peras bezeugt.«

    Die Santabella war, kurz nachdem Danilo und deren Captain eine Vereinbarung über die Neutralität der Sternenbrücke geschlossen hatten, von den Sneakern an Bord gesprengt worden. Die Zerstörung des Schiffes war dem Elem-Peras der Rommers wie eine Kriegserklärung der Yassi erschienen, hatte das Yassi-Schiff Amadeo doch scheinbar ein Schiff der Rommers im Freien Raum angegriffen. Erst nach ihrer Niederlage im Feuersturm hatten die Rommers die wahren Ereignisse auf der Sternenbrücke erfahren und das Abkommen nachträglich gebilligt.

    »So«, sagte Danilo.

    Das Lächeln des jungen Mannes wurde eine Spur breiter. »Ich wollte Euch, so kurz vor unserem offiziellen Zusammentreffen, nur daran erinnern, dass in unserer Welt niemand das ist, was er zu sein scheint. Nur von der Hand, die man schüttelt, weiß man sicher, wo sie ist und zu wem sie wirklich gehört, Mylord.« Er blickte Danilo fest in die Augen, bevor er sich abrupt an Luca wandte. »Euer Soyar genießt seine Heimat, Duchess. Er wird bald wieder auftauchen.«

    Er wandte sich zum Gehen, verhielt aber noch einmal. »Ach, und die Drinks würde ich besser wegschütten. Ich habe sie beim Abräumen des gestrigen Abendessens mitsamt Wagen gestohlen. Ich bin kein guter Barkeeper. Sie beide kennen bessere. Duchess, Mylord«, grüßte er, jeweils mit einer knappen Verbeugung, und war durch die Zimmertüre verschwunden, bevor Luca sich von ihrer Überraschung erholt hatte.

    »Wer oder was war das denn?«

    »Wer das war? Das weiß ich genau«, antwortete Danilo, tief in Gedanken versunken. »Was das war? Ich habe da so eine Idee.«

    Als sie eintrafen, stand die kleine Delegation der Rommers bereits in einer Ecke des Festsaals und unterhielt sich. Danilos geschultes Auge machte sofort ihre Anführer aus, wiewohl die sich gar nicht auffällig positioniert hatten. Was er sah, verblüffte ihn. Ärger wallte auf.

    Seinen Informationen zufolge wurden die Rommers vom Elem-Peras geführt, dessen oberster Repräsentant der Elem der Rommers war. Zu dessen Aufgaben zählte wiederum die Überwachung der Leitung jener Organisation, die das Spiegelbild zu Yassis Wildcat-Clan war: ein aus Schaustellern, Sängern, Tänzern und anderen Künstlern bestehender Clan, der hinter den Kulissen fröhlich tat, wofür er eigentlich gegründet worden war, also spionieren. Seit dem Tod des letzten Führungsoffiziers dieser Organisation auf Yassi waren Danilos Gegner sehr vorsichtig und misstrauisch geworden, trotzdem hatte Danilo neben Peers Anwesenheit auch die Anwesenheit des Elem erwartet. Nur befand sich niemand im Raum, auf den die Rolle zu passen schien. Der Ärger verfestigte sich.

    »Lord Trevillian, nehme ich an«, rief ein junger Mann in der typischen braun-grün gemusterten Kleidung der Rommers und lief Danilo und Luca ein Stück entgegen. »Ich bin Sven Makhteeba, Laiken Makhteebas Sohn, und ich nehme mir gerade die Frechheit heraus, Sie als Erster zu begrüßen, weil ich Ihnen persönlich, aber auch im Namen meiner Familie, für Ihr Verhalten auf der Sternenbrücke danken möchte.«

    Danilo verschlug es die Sprache. Wenn er mit allem gerechnet hatte, aber sicher nicht mit diesem höchst genialen diplomatischen Winkelzug. Maktheeba die Anerkennung, in der Beurteilung von Danilos Verhalten falschgelegen zu haben, aussprechen zu lassen, enthob den Elem-Peras einer eigenen Erklärung und begütigte zugleich etwa vorhandene Gegner eines solchen Anerkenntnisses in der Heimat. Für die konnte es so aussehen, als sei ein emotional involvierter junger Mann unabgesprochen vorgeprescht. Er nickte die Erklärung daher mit einem unverbindlichen Lächeln ab und überflog einmal mehr die mehr oder weniger nichtssagenden Gesichter der Männer und Frauen der Gruppe, die sich ihnen förmlich vorstellten.

    Sein Blick blieb an einer Frau hängen, deren Äußeres ihn sofort ansprach. Sie war gut einen Kopf größer als er, Anfang dreißig, mit kaffeebrauner Haut und amüsiert und gelangweilt zugleich blickenden karamellfarbenen Augen, die ihn spontan an die seines Bruders Damián erinnerten. Ihre endlos langen Beine passten zu den langen, dichten und dunklen gewellten Haaren, die sie offen trug. Typ Amazone, dachte er.

    »Tarna Singh«, sagte sie und ihr Amüsement über seine Musterung klang hindurch.

    »Enchanté, Miss Singh«, erwiderte er und stellte sich demonstrativ ein Stück näher an Luca heran. Er kannte seinen Ruf und der hatte hier gerade nichts zu suchen.

    »Oh! Sie enttäuschen mich, Mylord«, beschwerte sich Tarna lachend und zwinkerte Luca verschwörerisch zu. »Ich hatte mich ganz außerordentlich darauf gefreut, mit Ihnen hemmungs- und völlig sinnlos zu flirten.«

    Mit einem Seitenblick auf Danilos vor Verblüffung offenstehenden Mund beschloss Luca spontan, Tarna Singh zu mögen. Sehr sogar.

    »Nun, vielleicht haben wir ja später dazu noch Gelegenheit, Tarna«, erinnerte eine warme und ebenfalls vor unterdrücktem Lachen vibrierende Stimme hinter Lucas Rücken. Die Frau, zu der sie gehörte, war deutlich älter als Tarna und eher attraktiv als schön. Nur ihre Augen wirkten außergewöhnlich, nicht nur, weil sie ein grünes und ein braunes Auge hatte, sondern auch, weil beide Farben so klug funkelten. »Ich heiße Catalyn. Catalyn Sasen«, stellte sie sich, zu Luca gewandt, vor.

    Lucas Augen wurden ob des Namens eine Spur größer.

    »Ja, genau wie Daken, also Allan Sasen. Er ist irgendwie mit mir verwandt. Allerdings so weitläufig, dass mehr als der Nachname nicht geblieben sein dürfte.« Sie breitete die Arme aus und hob die Handflächen gen Himmel. »Aber hey, wer ist nicht gerne mit einem Star verwandt?«

    Es ärgerte Danilo. Er war der Star im Team. Der alleinige Star, wohlgemerkt. Verärgert hörte er nicht weiter zu, als Luca, Tarna und Catalyn ein Gespräch über Havens andere Stars und Sternchen begannen, und wandte sich lieber wieder dem Raum zu. Was er in den Gesichtern der anderen, in ihren Haltungen, ihren Bewegungen sah, gefiel ihm. Vielleicht konnte das hier wirklich klappen.

    Wüstes Geschrei unterbrach seine Überlegungen. Im Garten schien sich eine wilde Schlägerei abzuspielen. Catalyn trat einen Schritt näher an Tarna heran und spannte sich unbewusst. Das Gemurmel erstarb. Der gesamte Raum schien zu gefrieren.

    Danilo wechselte einen alarmierten Blick mit Peer. Gemeinsam hechteten sie an die bodentiefen Fenster und rissen die zugezogenen Vorhänge zur Seite. Das Geschrei verstummte.

    In stummem Einverständnis blickten sich Peer und Danilo noch einmal an, bevor sie theatralisch die Schiebetüren zum Garten öffneten.

    Hocherhobenen Hauptes, wenn auch mit eingerissenem Ohr, blutiger Lefze und etwas humpelnd, betrat Sinael den Saal. »Ihr müsstest erst mal den anderen sehen«, verkündete sein Blick, als er hoheitsvoll durch die schockstarren Menschen schritt und sich Luca zu Füßen legte. Von seinem Gegner fehlte jede Spur.

    Sie lachten noch, als Leon die Delegationen längst zu Tisch gebeten hatte. Die anfängliche Reserviertheit hatte einer aufgeräumten Stimmung Platz gemacht.

    Tarna flirtete unbefangen mit Danilo, der sich nachdrücklich daran erinnern musste, welche Grenze sie selbst dabei gezogen hatte. Sie waren immer noch dabei, gemeinsame Bekannte aus Havens Glitzerwelt durchzuhecheln, als ein Satz Peers Danilo plötzlich hellhörig machte.

    »… muss aufhören. Mir gefällt die viele Presse unserer Leute nicht. Ich schätze diese Art Aufmerksamkeit nicht.«

    Luca bemerkte Tarnas und Danilos plötzliche Aufmerksamkeit und bezog sie in ihr Gespräch ein. »Peer erzählt gerade von diversen Auseinandersetzungen von TP- und TCK-Künstlern. Es artet aus, sagt er.«

    »Das tut es«, bestätigte Peer. »Besonders übel war der Vorfall auf Lucas III vor ein paar Wochen. Da sind TwoTravellers – so wollen Sie sie doch künftig nennen, oder? – und unsere DemonFour nach ihren Auftritten aneinandergeraten. Ich gebe gerne zu, dass Ramirez wieder stänkern musste, weil Daken früher bei TCK unter Vertrag war. Leider hat Ramirez das Echo unterschätzt, wenn ein Jarel’caan im Spiel ist«, grinste Peer.

    Danilo lächelte säuerlich. Der Mann wusste zu viel. Das war seine Lebensaufgabe.

    »Ich fürchte, ich werde Lisa bitten müssen, die Auftritte unserer jeweiligen Zugpferde künftig mit mir abzusprechen. So fünf bis zehn Planetensysteme Abstand zwischen den Auftrittsorten. Minimum, denke ich«, schlug Peer schulterzuckend vor.

    »Oder, …«, schlug Luca gedehnt vor und sah Danilo dabei fest in die Augen, »… wir bringen sie zusammen auf die Bühne. Zwangsweise. Ich überlege schon lange, alle unsere Trevillian Productions-Leute und die Trevillian-Stiftungs-Kinder zugunsten des Trillyi-Systems auf die Bühne zu schicken. Eine Benefiz-Gala. Wieviel mehr könnten wir erreichen, wenn ihr auch dabei wärt, Peer?«

    Danilo blinzelte. Er wusste, genau das hatte Peer erreichen wollen. »Da haben Sie es, Peer. Was soll ich jetzt noch sagen? Sie ist und bleibt die künstlerische Leitung meines Teams und als solches auch die oberste Chefin von Trevillian Productions, der Trevillian Productions Agency und der Stiftung. Und sie ist meine Frau. Die totale Macht.«

    Peer und er maßen sich mit einem weiteren Blick, dann nickte Peer. »Abgemacht.«

    »Luca, warum kommen Sie uns nicht besuchen, um das Konzert vorzubereiten?«, fragte Tarna, ohne Danilos und Peers stumm gefochtenes Blickduell weiter zu beachten. »Sie gelten als Expertin für solche Veranstaltungen und wir überlassen Ihnen mehr als gerne die Organisation und Führung des Konzerts.«

    »Ja«, bestätigte Catalyn. »Bringen Sie Kassim und Daken mit. Sie haben Wild-Kitten und Baby-Bree zusammengebracht, da dürften Ihnen ein paar halbwüchsige Möchtegern-Bad Boys wie TwoTravellers und die DemonFour keine Schwierigkeiten bereiten.«

    Luca lachte herzhaft.

    Danilo wurde es plötzlich zu warm. Gefahr!, schrien Klinge und Spielmann unisono. Das hier läuft zu glatt, zu routiniert und eingeübt. »Fantastisch«, warf er ein. »Warum kommen Sie in der Zeit nicht zu uns ins neue Theatre, Peer? Es ist fast fertig, sehen Sie es sich an.«

    Peer wechselte für eine Sekunde die Farbe und sandte einen hilfesuchenden Blick zu Catalyn. Beide hatten den Tod von Peers Vorgänger Tarkan auf Yassi also durchaus noch vor Augen.

    »Ich denke, wir machen es so«, rettete Catalyn die Situation. »Sie beide …«, sie deutete auf Luca und Danilo, »… bereiten das Programm vor. Zugleich senden Sie uns einen Kontaktmann, der Sie über unsere Künstler informiert. Keine Befindlichkeiten, Luca entscheidet wer, wo und wie auftreten wird. Wenn die Proben anstehen, können wir immer noch überlegen, wer wen wo weiter besuchen kommt, was meinen Sie?«

    »Deal«, nickte Danilo den Vorschlag ab und erhob sich. Die Zusammenkunft war beendet.

    Als sie sich verabschiedet hatten und schon fast durch die Türe waren, wandte er sich noch einmal zurück in Richtung der beiden Frauen. »Elem. Se’Elem. Haneh’la kim«, sagte er mit einer förmlichen Verbeugung. Auf Wiedersehen auf Rommers. Ein freches Jungengrinsen erschien auf seinem Gesicht, als sich fassungsloses Staunen unter den Rommers ausbreitete.

    Sie waren schon auf dem Rückweg zur Amadeo, als Luca Danilos ungewöhnlich langanhaltendes Schweigen energisch durchbrach. »Ok, mein Lieber, dann fang’ mal an zu singen«, forderte sie in bestem Ordnungskräfteton.

    Danilo lachte und hob die Hände. »Ich bin unschuldig und war nur ganz zufällig da.«

    »Ha, ha. Seit wann gibst du fremden OK-lern zur Begrüßung vertrauensvoll das Händchen und legst dein zweites sogar noch darüber? Du hast mir doch beigebracht, das Körperkontakt mit fremden Organisationsmitgliedern äußerst vorsichtig zu genießen ist.«

    Danilo kicherte. »Yep. Aber die Rommers kennzeichnen Familienzugehörigkeit, wir würden sagen Clan-Mitglieder, und Rang in der Familie mit Tattoos. Wärmeabhängigen Tattoos am Handgelenk. Wie bei Kassim auf der Brust. Danke, Peer.«

    Lucas Gesicht leuchtete auf. »Deswegen hast du, unhöflich wie sonst was, den halben Abend die Hände in den Hosentaschen gehabt! Sie mussten übermäßig warm sein.«

    »Genau. Die schöne Amazone namens Tarna Singh trägt neben einem Familiensymbol einen hübschen Stern auf dem linken Handgelenk – sie ist die Elem, der Leitstern der Rommers. Die Frau mit den beiden Augenfarben ist ihre Schwester, nicht tatsächlich natürlich, sondern eher im Sinne von Leibwächter, Ratgeber. Sie ist die Se’Elem

    »Mit anderen Worten, sie ist Elems First.«

    Danilo blickte überrascht auf. »Ja, stimmt. Sogar sehr. Für einen männlichen Elem gäbe es einen Te’Elem, also einen Bruderstern. Genau wie First geben sie jede Zugehörigkeit zu einer Familie auf. Nur, dass First nicht zwangsläufig zum Tode verurteilt ist, wenn ich sterbe. Der Schwester- oder Bruderstern ist es. Eine Sicherheitsmaßnahme. Dasselbe Prinzip, wie dem härtesten Konkurrenten des Captains an Bord eines Schiffes, dem EinsO, den Schutz des Captains als Hauptaufgabe zu geben«, erklärte Danilo.

    »Und führe mich nicht in Versuchung«, überlegte Luca laut.

    »Hm. Gepaart mit: Ansonsten landest du auf dem Scheiterhaufen.«

    »Jedenfalls hast du ihnen einen ziemlichen Schrecken eingejagt mit deinem Scharfsinn.«

    »Naja, Scharfsinn«, wiegelte Danilo ehrlich ab. »Den größten Teil des Effektes verdanke ich Peer. Geschickter Mann. Er weiß, dass ich weiß, dass ich ihm jetzt was schuldig bin.«

    »Ja, und?«, fragte Luca überrascht. »Was stört dich daran, einem Rommers etwas schuldig zu sein?«

    »Die Elem mag die höchste Rommers sein, aber Peer ist Tarkans Nachfolger, Luca. Er ist ich.«

    Für einen Moment verschlug es Luca die Sprache, bis sie Danilos Gesichtsausdruck verstand. »Raus damit, Danilo. Was planst du?«

    »Ich?«, tat Danilo unschuldig.

    »Ähem«, räusperte sich Luca betont und sah ihn scharf an.

    »Ich …«, begann er zögerlich. Was ihm seit kurzem im Kopf herumging, würde ihr zutiefst missfallen. »First, Luca.«

    Ihre Augen wurde eine Spur größer. »Kassim und Daken«, schloss sie rasiermesserscharf. »Du glaubst, dass First still vor sich hin leidet und das Kassim bei ihm besser aufgehoben ist als bei Daken. Jason und du, ihr bestärkt euch ständig gegenseitig darin, wie gefährlich die Beziehung der beiden ist.«

    Danilo wollte klarstellen, wie wenig er einer solchen Bestärkung bedurfte, aber Luca sprach bereits weiter. »Seit einer Woche lässt du plötzlich kein gutes Haar mehr an Daken. Außerdem hast du Memento auf Leto ungefähr vier Mal erzählt, dass du Kassims Gefühle für Daken für vorübergehend hältst. Man könnte meinen, der arme Daken habe dich mit der Hochzeit herausgefordert – abgesehen von seinem Äußeren, seiner Stimme und der Tatsache, dass er einen Sohn hat und zwanzig Jahre jünger ist als du.«

    »Nein«, wehrte er ab und schrumpfte unter ihrem erbosten Blick zusammen. Aber natürlich hatte sie wie immer ins Schwarze getroffen. Natürlich respektierte Danilo Dakens Beharrlichkeit und dessen Mut, fürchtete aber dessen scharfe Beobachtungsgabe und noch schärfere Zunge. »Doch, ja. Nein. Also, nicht ganz«, versuchte er, die Sache klarzustellen. »Und Jason ist wirklich meiner Meinung. Ich will sie ja auch gar nicht auseinanderbringen, nur …«

    »Nur was?«, fauchte Luca. »Nur Kassim auf Mission zu Peer schicken? Allein? Oder mit First? Nur Kassim wieder in Firsts Arme treiben? Danilo ist dir klar, was du da machst? Wir können froh sein, dass Kassim Daken hat. Sonst wäre er nämlich tot. Tot, weil wir versagt haben. Zweimal. Auch First hatte seine Chance. Ich glaube nicht mal, dass er wieder darauf einsteigen würde. Hast du ihn wenigstens mal danach gefragt?«

    Danilo reagierte nicht. Er hatte es natürlich nicht.

    »Willst du Kassim endgültig verlieren? Darauf läuft es nämlich hinaus.«

    Danilo wollte auffahren.

    »Lass’ es, Danilo. Ein für alle Mal. Sonst bekommst du es mit mir zu tun – und zwar richtig.«

    Plötzlich kamen Klinge und Spielmann Zweifel an ihrer ach-so-tollen Idee. Er knirschte mit den Zähnen. Er hatte schon gewusst, warum er lieber geschwiegen hatte. Eine Erinnerung huschte vorbei, bevor er sie greifen konnte. Die Zweifel verschwanden. Verdammter Daken. Jetzt stritt er sich schon mit Luca wegen des Mannes.

    Kapitel 3

    Allan Eric Jason Sasen-Catrell, den außer Kassim alle nur Daken nannten, erwachte vom Geruch frischen Kaffees im Traveller. Durch die großen Seix

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1