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Bürgerliches Eigentum und globaler Süden
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eBook637 Seiten8 Stunden

Bürgerliches Eigentum und globaler Süden

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Über dieses E-Book

Weshalb ist der Süden – vulgo "Dritte Welt" oder "Entwicklungsländer" – arm? Und weshalb ist der Norden – vulgo "Erste Welt" oder "Industrieländer" – reich? Und zwar unabhängig von den sich wandelnden politischen Verhältnissen seit Ende des 19. Jahrhunderts und unabhängig von den unterschiedlichen, sich abwechselnden politischen Regimes im Norden, als auch im Süden? Wie funktioniert die Weltwirtschaft im Kapitalismus und wie setzt sie sich notfalls auch gegen den Willen der politischen Akteure am Weltmarkt durch? Sozusagen mit einer unsichtbaren Hand des Marktes, um einen Begriff von Adam Smith zu gebrauchen?

Auf gut 500 Seiten werden sorgfältig die wichtigsten Zusammenhänge zwischen Nord und Süd aufgedeckt, um letztlich zu einem ernüchternden Schluss zu kommen: Selbst in der theoretisch besten politischen Welt bleibt der Süden im Vergleich zum Norden arm. Es sind die bürgerlichen Eigentums- und Produktionsverhältnisse, die Nord und Süd aneinanderschweißen. Und zwar in einer in jeder Hinsicht ungleichen Rollenverteilung, die sich keineswegs auf die Usancen des Handels und dessen Terms of trade beschränken.

in paar Kapitel dieses Buches beschäftigen sich somit ziemlich ausführlich mit Theorie. Die Theorie ist hier aber nie Endzweck, sondern nur insofern zu besprechen, als es darum geht, die Welt von heute mit all ihren Offensichtlichkeiten besser zu verstehen. Oder anders gesagt: Es geht gerade darum, das Offensichtliche auf nicht gleich sichtbare ökonomische Kräfte zurückzuführen und damit zu entschlüsseln.

Der Text ist immer wieder mit empirischen Beobachtungen "durchsetzt". Indes sind die Beobachtungen nicht einfach nur Impressionen, sondern Zahlen, die sich zueinander in ein Verhältnis setzen lassen. Die gewählten Indices basieren auf sorgfältig aufbereiteten Daten, etwa von The World Bank, Bank for International Settlements, Penn World Table und The Observatory of Economic Complexity – um nur die wichtigsten Quellen zu nennen. Auf dieser Basis können wir die wichtigsten ökonomischen Aspekte, wie etwa die Unterschiede im Kapitalreichtum, der Produktivität, der Kapitalzusammensetzung, der globalen Verteilung von Finanzinstrumenten und Ähnliches abbilden.

Schließlich bedarf selbst die beste Theorie der challenge durch die Empirie, um ihre Plausibilität zu stärken. Und so manche Annahmen unseres common sense über den Süden und den Norden werden bereits durch Rechenergebnisse widerlegt. Die Beschäftigung mit der Empirie ist besonders wertvoll, wenn sie hilft, falsche Vorannahmen abzulegen und der Theorie neue Fragestellungen zu eröffnen. Freilich gilt auch für dieses Buch wie für viele andere: Berechnungen haben meist eine geringere "Halbwertszeit" als abstrakte Sätze: Bessere Quellen, geschicktere Auswertungsverfahren und einfach weniger Fehler führen gerade auf dem Terrain der Ökonomie ganz schnell zu anderen Ergebnissen.

Im günstigsten Falle profitiert die Aufarbeitung empirischer Rohdaten von dem spezifischen Untersuchungsdesign einer guten Theorie. Martin Seelos macht dies bei jedem Schritt der Berechnung explizit und transparent – sodass es den Lesern selbst überlassen bleibt, den Schlüssen zu folgen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum26. Dez. 2021
ISBN9783347737822
Bürgerliches Eigentum und globaler Süden
Autor

Martin Seelos

Martin Seelos (Jahrgang 1965) beschäftigt sich seit Beginn der 2000er Jahre mit dem Forschungsdesign bei Karl Marx. Seit 2017 Herausgeber und Autor der Buchreihe „Beiträge zur Kulturgeschichte“ mit dem Schwerpunkt „Theorie des Eigentums“. Bisher erschienen: Negation des Eigentums (2016), Akkumulation ohne Kapital (2017), Franz Kafka und das feudale Prinzip (2017), 1917 und 1789: Aspekte der politischen Geographie (2017), Das antike Eigentum (2019), Duale Ökonomie und historische Eigentumsformen, 2 Teilbände (2021), Bürgerliches Eigentum und globaler Süden (2023). Martin Seelos lebt und arbeitet in Wien.

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    Buchvorschau

    Bürgerliches Eigentum und globaler Süden - Martin Seelos

    EINLEITUNG

    Die Einleitung können wir fast genauso kurzhalten wie das Vorwort. Hier geht es nur darum, ein paar Begriffe zu klären, die im Text eine zentrale Rolle spielen. Respektive soll eine Schärfung der Begriffe erleichtern, im Lesefluss zu bleiben, ohne durch etwaige Missverständnisse aufgehalten und abgebremst zu werden.

    Der erste zentrale Begriff lautet: Produktivität. Langfristig besteht im Kapitalismus die Tendenz, die Produktivität zu erhöhen. Wir sehen zum Beispiel anhand der Empirie, dass die Jahresarbeitszeit pro Arbeiter etwa zwischen 1950 und 2020 in den meisten Ländern abnimmt. Multipliziert mit der Anzahl der unselbstständig Beschäftigten kommen wir zu der Größe total hours worked. Diese Gesamtarbeitszeit wächst nun – wiederum langfristig gesehen – weniger rasch als der Output. Sprich: Die Arbeitsproduktivität nimmt zu. In der Richtung dieser Bewegung unterscheiden sich Nord und Süd nicht, nur in dem Niveau.

    Gegen diese Beobachtung lassen sich Einwände formulieren: etwa, dass der Output auch bloß nominale Wertgrößen, etwa der Finanzindustrie, enthält. Diese Kritik am GDP mag nun stimmen oder nicht – sie ist in jedem Fall irrelevant. Denn wir kommen zu einer ganz gleichen Aussage, wenn wir statt der monetären Größe GDP eine materielle nehmen, etwa Anzahl der hergestellten Autos. Nur müssen wir hier aufpassen, ob wir über einen langen Zeitraum tatsächlich das Gleiche messen: Ein Talbot-Simca 1610 der 1970er Jahre war etwas anderes als ein Golf GTD der 2020er Jahre und das Anderssein beinhaltet auch unterschiedliche Arbeitszeiten. Wir sehen den angesprochenen Effekt des Anstiegs der Produktivität deutlicher, wenn wir etwa eine Tonne Aluminium, Weizen oder ähnliche commodities hernehmen. Sie mögen im Marktpreis steigen oder fallen, das sagt wenig über die Arbeitszeit ihrer Herstellung aus. Aber auch in der Landwirtschaft wuchs die Bodenproduktivität der Weizenherstellung.

    Dass aber der mit der Produktivität zumeist einhergehende Rückgang der durchschnittlichen Jahresarbeitszeit in der Regel durch Arbeitskämpfe zwischen Kapital und Gewerkschaften durchgefochten wurde und wird, ist erst recht kein Einwand gegen unsere Beobachtung. Bereits Marx formulierte den Zusammenhang, dass die gewerkschaftliche Aktion notwendig sei, um die Lohnhöhe auch nur auf den Wert der Ware Arbeitskraft zu heben.

    In der kommunistischen Bewegung war die nüchterne Feststellung, dass selbst im 20. und 21. Jahrhundert der Kapitalismus Produktivitätsfortschritte ermögliche, unpopulär. Würde damit nicht indirekt bewiesen, dass die Zeit des Kommunismus noch nicht gekommen sei? Das ist aber mindestens aus zwei Gründen bloß gedachter Unsinn. Denn zum einen gingen Marx und seine Generation nur deswegen davon aus, dass die Arbeiterklasse die Bourgeoisie unterstützen solle, solange diese sich in ihrer Auseinandersetzung mit dem alten Staat der feudalen Vorrechte befand – vergleiche dazu die Untersuchungen von Franz Mehring zur Geschichte der Arbeiterbewegung.² Das ist aber längst Geschichte und zudem eine andere Geschichte als die Entwicklung der Arbeitsproduktivität.

    Zudem: Der Anstieg der Arbeitsproduktivität hebt die Krisendynamik des Kapitalismus nicht auf, ganz im Gegenteil, er ist ein Aspekt der Krise. Bei Marx geht das so:

    „Nebenbei bemerkt: Daß nicht mehr notwendige Arbeitszeit auf ein Produkt verwandt ist, als gesellschaftlich erheischt – d.h. nicht mehr Zeit, als durchschnittlich zur Produktion dieser Ware erheischt – , ist Resultat der kapitalistischen Produktion, die sogar fortwährend das Minimum der notwendigen Arbeitszeit herabsetzt. Aber um das zu tun, muß sie fortwährend auf steigender Stufenleiter produzieren."³

    Die Überproduktion ist die Kehrseite dessen, dass die Gesamtarbeit gegenüber dem Output zurückgeht. Und mit Gesamtarbeit ist nicht nur die notwendige Arbeit als Gegenstück zur Mehrarbeit gemeint, sondern die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Herstellung einer Ware auf Basis eines gegebenen technischen Standards.

    „Ein Land ist [um] so reicher, je geringer seine produktive Bevölkerung verhältnismäßig zum Gesamtprodukt; ganz wie für den einzelnen Kapitalisten, je weniger Arbeiter er braucht, um dasselbe surplus zu erzeugen, tantmieux für ihn. Das Land ist um so reicher, je geringer die produktive Bevölkerung im Verhältnis zur unproduktiven, bei derselben Quantität von Produkten. Denn die verhältnismäßige Geringheit der produktiven Bevölkerung wäre ja nur ein andrer Ausdruck für den verhältnismäßigen Grad der Produktivität der Arbeit."⁴

    Der verhältnismäßige Grad der Produktivität der Arbeit misst sich in Arbeit zu Output. Indem sich hier die produktive Bevölkerung verringern kann, ist mit letzterer die lebendige Arbeit gemeint, die einen immer größeren Anteil an toter Arbeit in Bewegung setzen kann. Dieser Begriff spricht die Produktionsmittel an, die in der aktuellen Produktion angewendet werden und die in der Vergangenheit wiederum mittels Arbeit hergestellt wurden.

    Durch die gesamte ökonomische Analyse des Kapitalismus zieht sich bei Karl Marx die Erkenntnis, dass der Anteil der lebendigen Arbeit gegenüber der toten Arbeit sinkt und sinken muss. Damit erhöht sich die Produktivität der Arbeit. Und damit sinkt die Profitrate, weil der Mehrwert in nur von der lebendigen Arbeit geschaffen werden kann, nicht von der toten. Die lebendige Arbeit wird zu ihrem Wert – der Arbeitszeit, notwendig zu ihrer Reproduktion – entlohnt. Dieser Wert hat einen Preis, den Lohn (v für variables Kapital) und steht c, dem konstanten Kapital, gegenüber, geschaffen durch ehemalige Arbeit – jetzt „tote Arbeit. Die für die Produktion erforderliche Gesamtarbeit setzt sich immer mehr aus toter Arbeit zusammen – das nennt Marx „organische Zusammensetzung des Kapitals, die einer bestimmten technischen Zusammensetzung je nach Branche entspricht. Der Begriff „technische Zusammensetzung" meint den spezifischen Einsatz von Warenkapital und Arbeitskraft als Gebrauchswert – sozusagen der Gebrauchswert der Produktion. Während umgekehrt der Begriff organische Zusammensetzung den Tauschwert der Produktion in seinen notwendigen Bestandteilen anspricht.

    Kurzum: Der von uns eingangs angesprochene langfristige Anstieg der Arbeitsproduktivität geht von selbst mit zwei Krisenaspekten einher: der Überproduktion auf der Ebene des Outputs und der Überakkumulation auf der Ebene der organischen Zusammensetzung von Kapital. Der eine Aspekt zeigt sich in der Distributionssphäre – etwa indem Warenwerte nicht realisiert werden können und Waren unverkauft bleiben; der andere Aspekt zeigt sich in der Produktionssphäre – etwa indem die Eintrittskosten einer Branche für neues Kapital immer höher werden und die Produktion verschleppt wird, bis sich die Lage bei den Profitraten wieder erholt hat.

    An genau diesem Punkt kommt nun der Gegensatz zwischen Nord und Süd in das Geschehen hinzu. Unsere Arbeitshypothese ist nämlich, dass die Kapitalarmut des Südens mit geringerer organischer Zusammensetzung des Kapitals einhergehen muss. Das klingt ganz plausibel: Es wird nur in den Bereichen produziert, die mit „geringeren Eintrittskosten einer Branche für neues Kapital" einhergehen. Dem geringeren Anteil an toter Arbeit gegenüber lebendiger steht eine höhere Ausbeutungsrate gegenüber und damit eine meist höhere Profitrate als im Norden. Die Arbeitszeit ist länger, die Löhne geringer, aber auch C weniger wert – pro Kapital, also relativ, nicht pro Hemisphäre, also absolut. All dies lässt sich übrigens auch anhand der empirischen Daten nachzeichnen.

    Der Punkt ist nun aber, dass der taktische Vorteil des Südens einer höheren Profitrate am Weltmarkt keinen strategischen Vorteil gegenüber dem Norden darstellt. Weshalb? Ganz einfach: Weil die niedrigeren Raten des Nordens ja bereits Resultat der höheren Produktivität des Nordens sind. Und das bedeutet wiederum, dass in dieser Hemisphäre mehr bzw. billigere Waren von einer Einheit an Kapital hergestellt werden können. Treffen nun Nord und Süd am Weltmarkt aufeinander, so ist das für den Norden so, als würde er mit seiner eigenen Vergangenheit in Sachen Arbeitsproduktivität und Kapitalreichtum zusammenstoßen. Und für den Süden so, als würde er mit seiner eigenen Zukunft in Sachen Arbeitsproduktivität und Kapitalreichtum konfrontiert werden. Hypothetisch gesehen – denn real bewirkt das Treffen am Weltmarkt, dass sich beide Teile wiederum nach jeweils unterschiedlichen Richtungen verändern, anders als wenn sie für sich alleine auf der Welt wären. Das ist spannend.

    Da sie aber unterschiedlich bleiben, bildet sich auch keine global wirkende allgemeine Profitrate. Das zumindest ist unsere Hypothese und wir finden, dass diese Hypothese tatsächlich die Offensichtlichkeit des empirischen Geschehens ganz proper erklären kann. Jedenfalls arbeiten wir in der folgenden Untersuchung nur selten mit dem Begriff des Produktionspreises bei Marx: Warenwerte = Kostpreis + allgemeine Profitrate. Explizit nur dann, wenn wir tatsächlich einen globalen Produktionspreis, wie jenen der Goldproduktion, meinen.

    Aber wir arbeiten durchgängig mit der Logik dieses Begriffs: Nämlich, dass alle am Markt realisierten Warenwerte einer Branche insgesamt, also auch als Summe der Produktionen von Nord und Süd, dem gemeinsamen Preis entsprechen. Dass aber in den globalen Marktwert aliquot die Waren sowohl der unproduktiveren wie auch der produktiveren Sphäre eingehen. Somit unterscheidet sich dieser globale Marktwert von den individuellen Warenwerten (O-Ton Marx) – des Südens wie des Nordens. Die produktivere Seite produziert billiger, die unproduktivere Seite teurer. Beide stehen einem gemeinsamen Marktpreis gegenüber – also dem gemeinsam gebildeten Marktwert, der durch die Größe der Nachfrage etwas in die eine oder andere Richtung verschoben wird.

    Es versteht sich von selbst, dass sich aus dieser Konstellation für den Norden Vorteile ergeben, vor allem der einer Marktmacht gegenüber dem Süden. Vorteile, die den Nachteil der geringeren Profitrate durch eine höhere Profitmasse mehr als kompensieren.

    Nun nur noch eine letzte Bemerkung zur Terminologie: Am Markt treten ja nicht die Warenwerte aus der Produktion individueller Anbieter auf, sondern der gemeinsame, sozusagen überindividuelle Marktpreis. Nach diesem Preis wird gekauft und verkauft. Aber der individuelle Warenwert spielt als Counterpart zum Marktpreis eine wichtige Rolle: Zusammen bestimmen sie nämlich, wie groß oder wie klein der realisierte Warenwert für den individuellen Anbieter beim Verkauf seiner Ware ist. Der individuelle Warenwert hat einen monetären Ausdruck, genauso wie der Marktpreis. Die Differenz bildet einen Extragewinn für die einen – produktiv werkende Kapitalien; und einen Abzug vom individuellen Warenwert der weniger produktiv werkenden Kapitalien.

    Aber der monetäre Ausdruck des individuellen Warenwerts verrät noch nichts über die Usancen der Produktion, die diese Werte bilden. Deswegen verwenden wir den Begriff des Produktwerts. Er spiegelt aliquot die Größen konstantes Kapital, variables Kapital und Mehrwert der Produktion der betreffenden Ware wider. Der Produktwert (c+m+v) einer Ware ist einerseits monetär identisch mit dem individuellen Warenwert, aber anderseits auch das Abbild der spezifischen Produktion des Kapitals. Denn wir müssen in der Untersuchung der ökonomischen Beziehung zwischen Nord und Süd von der Ebene der Distribution auf die Ebene der Produktion schließen und umgekehrt von der Ebene der Produktion auf die Ebene der Distribution. Beide Ebenen bedingen sich gegenseitig.

    Wenn wir etwa anhand der Empirie wahrnehmen würden, Malaysias Halbleiterindustrie passt ihren Produktwert jenem Japans, Südkoreas und der USA an, dann den wichtigsten globalen Hotspots dieser Produktion. Die Angleichung sehen wir dann an beiden Enden: bei den Preisen – die Differenz der individuellen Warenwerte zu dem globalen Marktwert dieser Branche schwindet dahin; und bei den Kosten der Produktion. Aus bürgerlicher Sicht handelt es sich um eine Angleichung der Kostpreise und der Rate of Return. Aus Marxscher Sicht handelt es sich um die Bildung des Produktionspreises. Indes ist unsere Hypothese, dass die Bildung des Produktionspreises und bereits vor diesem die Bildung einer globalen Profitrate unterbrochen ist. Deswegen spielt der Produktwert eine Rolle bei der Realisation unterschiedlicher Warenwerte gegenüber einem gemeinsamen Marktpreis.

    Der Begriff Produktwert wird nicht durch den Begriff der Kostpreise ersetzt. Formulieren wir nämlich den an sich richtigen Satz, dass sich die Kostpreise (c+m) einer Branche zwischen Nord und Süd nicht angleichen, so können wir daraus noch nicht auf die Distribution schließen. Denn hier tauschen sich ja nicht nur die Kostpreise aus, die in einer Ware aliquot stecken, sondern auch die Mehrwertanteile, die in einer Ware stecken. Also c + v+m; kurz: der Produktwert. Wir können den Begriff des Produktwerts aber auch nicht mit dem Begriff der organischen Zusammensetzung des Kapitals ersetzen. Zwar beinhaltet jede Ware auch den auf sie übertragenen Wert der toten wie der lebendigen Arbeit. Aber eben der lebendigen Arbeit insgesamt, die sich aus notwendiger Arbeit wie auch aus Mehrarbeit zusammensetzt. Diese Unterscheidung ist aber für die Distributionssphäre relevant. Denn liegt der globale Marktpreis unter dem Betrag der Mehrarbeit im individuellen Warenwert, macht dessen Anbieter überhaupt keinen Profit mehr und fliegt vom Markt.

    Dabei zeigt sich, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit des Weltmarktes eine andere Größe ist als die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit jeweils speziell in Nord und Süd. Zum Beispiel kann die unproduktivere Kapitalsphäre – der Annahme nach: der Süden – nicht einfach die Mehrwertanteile ihrer Waren verringern, um billigere Waren anzubieten und so eher dem globalen Marktpreis nahezukommen. Denn ihre Mehrarbeit ist zugleich lebendige Arbeit und als solche Teil der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit einer gegebenen organischen und technischen Zusammensetzung ihres Kapitals.

    Es ist vertrackt. Und auf den folgenden 500 Seiten werden wir sehen, mit welchen Folgen.

    1. UNTERSCHIEDLICHE WERTE, GLEICHE PREISE

    Das Spannende an den „Theorien über den Mehrwert" (1863) besteht darin, wie Marx das Design Marx anwendet. Sprich: Alle ökonomischen Vorgänge zu erklären, ohne in einer jener Theorien Zuflucht zu nehmen, die den Preis und nicht den Wert als Quelle des Profits und der Bodenrente nehmen. Genau das unterscheidet Marx etwa von David Ricardo. Dieser verwendet auch die Arbeitswerttheorie. Marx übernimmt diese, wendet sie aber konsequenter an. Denn bei der darauf aufbauenden Theorie des Zirkulationsprozesses, des Ausgleichs der Profitraten und der Bodenrente nimmt auch noch Ricardo Anleihen beim Modell „Preis über dem Wert".

    Die Bodenrente hätte demnach ihre Quelle in der Differenz zwischen dem Verkaufspreis der Agrarprodukte und der individuellen Profitrate des Agrarproduzenten. Die Durchschnittsprofitrate bilde sich somit durch eine Harmonisierung der Preise, indem die einen Produzenten zu hohen und die anderen zu niedrigen Preisen verkaufen. Dahinter steht das Modell, dass die Produktionskosten gleich, aber die Preise und somit der Profit unterschiedlich seien. Marx dreht dieses Modell um: Er sieht unterschiedliche Produktionskosten gegenüber einem verallgemeinerten Preis, der die Werte im Durchschnitt widerspiegelt. Nun stehen nicht mehr Preise und Werte als Differenz gegenüber, sondern nur noch Werte, aber auf der einen Seite die individuellen des Produzenten und auf der anderen Seite die verallgemeinerten. Das ist klug.

    Aber vorerst noch zu Ricardo. Er sagt, der Ausgleich der unterschiedlichen Preise am Markt findet seine Besonderheit in der Agrikultur: Da die Nachfrage nach Korn immer gegeben sei, können auch die Produzenten der schlechteren Böden mehr verlangen, als ihr Produkt wert sei. Es macht nichts, dass hier absolute Rente und Differentialrente in einer Theorie vermengt sind, denn solche Vermengungen sprechen nur für die notwendige Komplexität der Theorie. Der Punkt ist hier nur, dass letztlich wieder der Preis und nicht der Wert die Quelle der Revenue sei. Das ist nicht gut.

    Marx dreht, wie gesagt, die Sache um. Er sagt nicht, dass der Wert der Durchschnitt der Preise sei, sondern dass Unternehmen derselben Branche mit unterschiedlichen Kosten und deswegen unterschiedlichen Profiten einen Durchschnittspreis am Markt bilden. Für die einen sind die Preise (der Endprodukte) zu niedrig, weil sie teurer produzieren; für die anderen sind die Preise zu hoch und sie machen deswegen mehr Profit als der Durchschnitt. Sie unterscheiden sich bei den Kosten der Produktion (dieser Punkt wie oben) – bei gleichem Preis.

    Nebenbei: Es gibt somit auch „Grenzkosten", ab denen kein Profit mehr möglich ist und ein Kapital mit diesen Kosten fällt aus dem Geschäft. In diesem Fall sind die Preise nicht nur zu niedrig gegenüber der Summe von Mehrarbeit und notwendiger Arbeit, die in den betroffenen Produkten steckt, sondern liegen niedriger oder sind gleich auf der Höhe der notwendigen Arbeit. In diesem Falle besteht nicht nur ein Nachteil gegenüber der Konkurrenz; selbst ein Profit in irgendeiner Höhe wird verunmöglicht.

    In einem anderen Fall können die marktrelevanten Durchschnittspreise wiederum über jener Grenze liegen, aber noch immer unterhalb der Summe aus notwendiger und Mehrarbeit. Dieses Kapital macht – wenn es am Markt seine Waren verwerten kann, aber diese Einschränkung gilt ja für alle – noch immer Profit, aber weniger, als wenn es seine Waren zu deren individuellem Wert am Markt loswerden könnte. Diese Fraktion der Anbieter erfüllt nun eine interessante Aufgabe. Denn ihre eigentlich ungünstigere Kostenstruktur geht ja auch in die Bildung des Durchschnittspreises ihrer Branche ein und damit heben sie – aliquot zu ihrer Kapitalmasse – diesen Preis ein wenig an. Somit können andere Anbieter mit einer günstigeren Kostenstruktur ihre Waren etwas über dem individuellen Wert absetzen.

    Freilich hat die Nachfrage bei diesem Prozess auch noch ein Wörtchen mitzureden, aber weniger bei der Höhe der Preise als vielmehr bei der Menge an Produkten auf Basis eines Preises. Hier findet die Erwartung jener Anbieter, die kostenungünstigere Konkurrenz möge die Preise zwecks Aneignung deren Mehrwertanteile mit-anheben, ihre Grenzen. Jedenfalls ändert auch die Hereinnahme der Nachfrage als Variable nichts an dem Modus des Modells, dass die Warenpreise – in Summe, im Durchschnitt und auf Dauer – die Warenwerte widerspiegeln.

    Oder anders gesagt: Dieses Ergebnis entspricht der Logik des Durchschnitts im Term „Durchschnittspreis" (eigentlich: Marktpreis / Marktwert) – und somit werden alle Waren zum Branchen-Warenwert zirkulieren. Der Witz ist also, dass die einen Anbieter einen Teil ihres Profits an die anderen abgeben – aber nicht direkt, sie müssen sich selbst nie über den Weg laufen. Sondern indirekt, über den Markt, über die Brieftasche der Konsumenten. Das ist die zweite elegante Leistung dieser Theorie und wir werden weiter unten sehen, dass dieser Aspekt auch für die Beziehung der kapitalreichen zu den kapitalarmen Ländern eine Rolle spielt.

    Der Durchschnittspreis entspricht dem Äquivalent des gesamten Produkt–Endwertes einer Branche, der wiederum durch die Summe der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit einer Branche gebildet wird. Somit stimmen zwei Tatsachen, die sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen: Dass der Wert der Produktion eines individuellen Kapitalisten entspricht (= 1. Tatsache) und dieser unter oder über dem Wert der Gesamtproduktion liegt, liegen kann und liegen muss (= 2. Tatsache).

    Ohne das Gesetz des Ausgleichs der Profitraten sieht dies so aus, als würde es sich um eine Differenz zwischen Wert und Preis handeln und nicht zwischen dem Wert des einen Anbieters und dem Wert der Allgemeinheit – und damit sieht es wieder nach Ricardos Lösung aus. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine Differenz zwischen Wert und Preis, sondern zwischen Wert und Wert, nämlich dem Wert der individuellen Produktion und dem Wert der Branchen-Produktion. Dieses Verhältnis darf übrigens nicht mit dem Satz verwechselt werden, dass nur gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit in den Wert und Preis eingeht und alles darüber oder darunter irrelevant sei. Die Differenz ist sehr wohl relevant.

    Bei diesem Stand der Theorie bei Marx – die „Theorien über den Mehrwert" entstanden vor 1863 – entspricht der Durchschnittspreis der durchschnittlichen Arbeitszeit für ein Produkt einer Branche eines Marktes (meist des Inlandes) und korreliert mit dem Durchschnittsprofit pro Einheit. Marx bemüht hier die Analogie von dem hypothetischen Gesamtkapital, an dem die unterschiedlichen Unternehmen unterschiedliche Mengenanteile halten. Der Profit, den sie generieren, ist das Produkt ihrer shares mit der Durchschnittsprofitrate.

    Nun stimmt es, dass Marx den Marktpreis und den Ausgleich der Profitraten später in „Das Kapital konziser entwickelt hatte. Und umgekehrt: Auch in „Das Kapital blieb er dem Design Marx treu, das sich in den „Grundrissen und den „Theorien über den Mehrwert findet: Nämlich, dass sich keine Revenue einer Klasse durch Preismanipulationen erklären lässt, sondern dass Profit und Rente bereits im Mehrwert stecken, der bei der Anwendung der Arbeitskraft (wiederum bereits) in der Produktion geschaffen wurde.

    Wie aber löst nun Marx das Problem der (absoluten) Bodenrente? Ist die Rente die Differenz der Preise zum Wert? Nein – siehe oben. Ist stattdessen die Rente ein Abzug vom Profit – ähnlich wie der Industrielle einen Teil seines Profits als Gegenleistung an den Handel für dessen Dienste weitergibt … oder an das Geldkapital, bei dem er Kapital bezieht? Wieder nein. Was aber dann?

    Die Lösung bei Marx ist wiederum elegant: Die Rente ist kein Teil des Profits, weil der Bodeneigentümer kein Kapitalist zu sein braucht, Boden nicht durch Lohnarbeit entsteht und daher den Bodeneigentümer die ökonomischen Gesetze zwischen Kapital und Arbeit nicht zu tangieren brauchen. Dennoch ist die Rente Teil der Mehrarbeit. Aber eben jenes Teils der Mehrarbeit, der nicht in den Ausgleich der Profitraten eingeht. Weshalb sollte auch eine Klasse außerhalb des Kapitalverhältnisses zum Ausgleich der Profitraten beitragen? Das wäre eigenartig. Somit kann das Getreide trotz Bodenrente zu seinem Wert verkauft werden. Aber dass ein Teil des Mehrwerts nicht in den Ausgleich der Profitraten eingeht, hat auf der anderen Seite wiederum Auswirkungen auf das Gesamtsystem, das mittels des Privateigentums als einzige Voraussetzung des Grundeigentums die Bodenrente erst möglich macht.

    Nebenbei bemerkt bleiben ein paar knifflige Punkte zur Theorie der Bodenrente bestehen. Zur Zeit von Karl Marx waren die Grundeigentümer die Erben des alten feudalen Eigentums. So konnte das Grundeigentum als Eigentum außerhalb und jenseits des Kapitaleigentums angesehen werden. Grundeigentümer konnten zwar auch (Agrar-)Industrielle werden, aber dann trat ihr Wirken in den Kapitalkreislauf ein, wie bei jedem anderen Industriellen. Was nun, wenn das Grundeigentum kein besonderes Eigentum mehr ist, sondern ein Investment wie jedes andere? Wenn Grund und Boden zum Beispiel über den Weg der Verschuldung der ursprünglichen Eigentümer in das Eigentum von Versicherungen und Banken übergeht, die dieses nun „verwerten"?

    Nun könnte angenommen werden, der Grund und Boden wäre für industrielle Produktion ein Produktionsmittel wie Strom, Wasser, Sand oder Erz. Und hier ist es so: Der Wert dieser Produktionsmittel wird durch die lebendige Arbeit im Zuge des Arbeitsprozesses auf die herzustellenden Waren übertragen und wird hier nicht noch einmal gebildet. Der alte Wert wird beim Verkauf des neuen Produktes realisiert. Weshalb sollten dann die Auslagen des Industriellen für Grund und Boden ein Teil des Mehrwerts sein? Nicht alles, was der Industrielle zum Zwecke der Produktion ausgibt, ist Teil des Mehrwerts; und, selbstverständlich, auch nicht des Profits. Vor allem gibt es bei dieser Konstellation keinen Anlass mehr, weshalb die Rente – in diesem Falle übrigens ist der Begriff „Pacht" treffender – nicht als Teil der Kostpreise in den Ausgleich der Profitraten eingehen sollte, wenn der Empfänger der Pacht ebenfalls Kapitalist ist.

    Der Industrielle zahlt die Pacht wie den Sand, den Stahl, den Strom, den Sprit und so weiter aus dem Kapitalvorschuss, der in der Regel aus Warenverkaufserlösen der Vorperiode gespeist wird. In den Verkaufserlösen ist in der Regel ein Mehrwertanteil enthalten; handelt es sich bei der Nutzung von Grund und Boden nicht um eine Erweiterungsinvestition, so wird für die Pacht auch kein Mehrwert mehr entrichtet; die Bezahlung ist ein Durchgangsposten und an dieser Stelle sehen wir den Unterschied zwischen Pacht und Grundrente deutlich. Denn letztere wird immer vom Mehrwert entrichtet.

    Anderseits: Wenn der Industrielle zum Beispiel den Verbrauch des Wassers bezahlt und Wasser an sich ein Naturstoff ist, also ohne Arbeit entstanden und somit wertlos, dann zahlt der Industrielle eigentlich weniger das Wasser, sondern aliquot für die Errichtung und den Betrieb der Wasser-Infrastruktur, die selbstverständlich mit Arbeit verbunden war. So auch bei allen anderen Materialien, die sich ja letztlich alle auf irgendeinen Naturstoff zurückführen lassen. Auch der über dem des Silbers liegende Wert des Goldes besteht nicht darin, dass Au an sich wertvoller als Ag ist, sondern in der Exploration, der Trennung von Beimengungen, dem Transport und so weiter. Das alles kann bei seltenen oder tief in der Erdrinde steckenden Materialien aufwendiger sein.

    Beim Grund und Boden kommt aber noch ein anderer Aspekt hinzu. Sicherlich ist Bearbeitung des Bodens – wie planieren, festigen, entwässern und aufschließen – Arbeit und daher wertschaffend, ähnlich dem Düngen in der Agrarproduktion. Indes, die absolute Bodenrente bezieht sich nicht auf die Bearbeitung des Bodens, sondern auf das Recht, ihn zu nutzen. Insofern wird hier keine tote Arbeit gekauft:

    „Nach dieser Theorie also ist das Privateigentum an Naturobjekten, wie Erde, Wasser, Mine etc., das Eigentum dieser Produktionsbedingungen, dieser Naturbedingung der Produktion, nicht eine Quelle, woraus Wert fließt, da Wert nur gleich vergegenständlichter Arbeitszeit; auch nicht die Quelle, woraus Surplusmehrwert fließt, d.h. ein Überschuß unbezahlter Arbeit über die in dem Profit enthaltne unbezahlte Arbeit. Dies Eigentum ist aber eine Quelle von Revenue."⁵

    Denken wir uns eine Produktion ohne Privateigentum, sagen wir unter sozialistischen Verhältnissen. Hier werden überhaupt keine Tauschwerte produziert. Arbeit verbraucht dennoch Ressourcen der Gesellschaft in der Produktion. Nennen wir das Ergebnis vorerst etwas salopp: abstrakter Wert. Der bloße Rechtstitel auf Grund und Boden war aber nie Resultat der Arbeit, sondern der Eigentumsverhältnisse. Die absolute Grundrente kann es unter sozialistischen Eigentumsverhältnissen nicht geben. Wir kommen auf die Welt und da sind wir. Wir zahlen nicht extra dafür, dass unsere Füße wegen der Schwerkraft den Boden berühren.

    Die Bodenrente ist nur eine Eigentumsabgabe und es gab sie übrigens auch in Altafrika, wo jene, die den Zugang zu dem von den „chiefs verwalteten Kollektiveigentum verloren hatten, Leistungen an die Eigentümergemeinschaft entrichten mussten. Diese wurden von den arabischen und den europäischen Händlern als afrikanische „Sklaven angesehen.⁶ Offensichtlich ein Missverständnis: Es handelte sich um Bodenbesitzer in Abhängigkeit der Bodeneigentümer. In einer Gesellschaft ohne Warenproduktion hat die Rente bzw. Pacht noch die Form einer direkten Arbeitsleistung für andere. Ähnlich den direkten Arbeitsleistungen der Leibeigenen des Feudaleigentums, bloß dass alle anderen Aspekte des Feudaleigentums fehlten.

    Kurzum, um wieder auf Marx zurückzukommen: Auch eine „naturalistische Begründung der absoluten Bodenrente, wie bei Karl Rodbertus (1805–1875), der von den Besonderheiten der Agrikultur gegenüber der Industrie ausging, kann widerlegt und braucht nicht mehr berücksichtigt zu werden. Die Besonderheit der Agrikultur liegt nicht darin, dass die Produktionsmittel nichts kosten und die Natur alles erledigt, sondern nur darin, dass hier aus historischen Gründen ein Monopolist – der Grundeigentümer – gegenüber dem Kapital, vulgo „die Industrie, noch vorhanden ist. Es geht also darum, wie etwas von früheren Zeiten in den modernen Zeiten weiterverwendet wird. Die allgemeine Tendenz des Kapitalismus besteht darin, den vorbürgerlichen Klassen das Wasser abzugraben. Wir sehen dies nicht nur sozialgeschichtlich – eine Klasse verschwindet, eine andere kommt hinzu – sondern auch sozusagen im ökonomischen Arsenal, das sich zwischen den Klassen entspannt. Ökonomisches Arsenal besteht etwa aus Elementen wie Grundrente und Pacht.

    Von der Grundrente bleibt im industriellen Kapitalismus die Pacht übrig. Die Pacht ist hier der Preis einer Ware, die Grundrente nicht. Die Grundrente vergütet bloß die Nutzung eines noch bestehenden vorbürgerlichen Eigentums. Wie war es in der griechischen und römischen Antike? Die „Pacht", wie sie in den Übersetzungen der antiken Autoren bezeichnet wird, stellt hier noch Grundrente dar. Bloß dass der Kapitalismus fehlt, der diese aus der Mehrwertproduktion finanziert. Daher stellt sich die Frage genau umgekehrt wie jene, die Marx in den Theorien über den Mehrwert gegenüber Robertus auseinandersetzt.

    Im Detail waren die antiken Verhältnisse ziemlich komplex. Die römischen Grundbesitzer (vulgo „Pächter") zahlten an die Grundeigentümer Rente, obwohl bereits Warenproduktion und Privateigentum vorherrschten. Die Getreide-Bauern Latiums, die wegen der Konkurrenz der Sklavenplantagen vor dem Ruin standen, ihren Grund verkauften und zurückborgten, um für den Eigengebrauch weiter produzieren zu können, sahen sich tatsächlich so etwas wie einer „kapitalistischen Verelendung" gegenüber. In das Elend, das Tiberius und Gaius Gracchus politisch aufgriffen, gerieten die Bauern durch den Markt und die ausgreifende Warenwirtschaft – aber ohne, dass in einer Industrie Mehrwert generiert wurde, der vor der Bildung des Profits auch in die Grundrente einging. Aber dennoch zahlten die „Pächter" nicht für irgendeine vergangene und fremde Arbeit, die in den Boden bei dessen Kultivierung gesetzt wurde, sondern nur für die Erlaubnis, irgendeinen Boden zu nutzen, der mitunter zufälligerweise ihr ehemaliges Eigentum an Arbeitsarsenal abgab. Genau diese Konstellation charakterisiert das vorkapitalistische Monopol.

    Bei Marx klingt der Unterschied zwischen Rente und Pacht oft nur nebenbei an, so auch in dieser Stelle:

    „(…) daß die Grundrente (wo sie nicht etwa wie beim Wasserfall, der dem Industriellen verkauft wird, direkt aus dem Fabrikationsprodukt stammt, was auch der Fall bei Rente für Häuserbauen etc., denn Häuser sind doch wohl kein Rohprodukt) nur aus dem Surplusprofit stammt (…)."⁷

    Wir kommen nun zum nächsten Thema: Das Monopol als agens der absoluten Bodenrente.

    Das Recht auf Bodenrente erscheint wie die Ausnutzung eines Monopols, im umgangssprachlichen Sinne des Wortes. Dieser Eindruck ist nicht nur ein Eindruck. Denn durch die Bodenrente erklären sich auch andere „Monopole".

    Nehmen wir wieder als Beispiel das Wasser. Wie viele andere Naturstoffe ist es an einem bestimmten Platz und gehört deswegen zum Arsenal des Bodens einerseits, es kann aber anderseits von einem bestimmten Platz getrennt werden – zum Teil erledigt dies die Natur im Wasserkreislauf selbst. Dass das Wasser indes an einem bestimmten Platz ist, macht es in der Tendenz zum Objekt des Monopols eines Grundeigentümers. Aber dass es von einem bestimmten Platz getrennt werden kann, entzieht es wiederum einem Monopol des Grundeigentümers. Nur wenn ein Grundeigentümer konkurrenzlos alles Wasser einer Region sein Eigen nennen kann und der Transport fernen Wassers in diese Region teuer wäre, also viel mehr Arbeit kosten würde, könnte unser Grundeigentümer das Wasser verkaufen … zu einem Preis über dem Wert der Wasser-Produktion. Der Wert des Wassers setzt sich aus Arbeit an Exploration, Förderung, Transport, Lagerung und Verteilung zusammen. Nennen wir die Differenz zwischen Wert und Monopolpreis „Delta".

    Aber auch in diesem Falle würde dem Grundeigentümer das Delta nur in Form der absoluten Rente bezahlt werden – also für etwas, was selbst keinen Wert hat, sondern nur ein Eigentumsrecht auf einen Naturstoff ist. Bezahlt wird das Delta aber aus echtem Mehrwert, also aus Wert und nicht aus Preis über dem Wert. Der Fall kommt selten genug vor. Zum einen, weil sich selten ein Grundeigentum in nur einer Hand befindet, das so groß ist, dass der Transport „fremden Wassers teurer kommen würde. Ist aber der Staat „Eigentümer über Grund und Boden, tritt das ein, was Marx in den „Theorien über den Mehrwert" andeutet:

    „Der radikale Bourgeois (…) geht daher theoretisch zur Leugnung des privaten Grundeigentums fort, das er in der Form des Staatseigentums zum common property der Bourgeoisklasse, des Kapitals, machen möchte. In der Praxis fehlt jedoch die Courage, da der Angriff auf eine Eigentumsform – eine Form des Privateigentums an Arbeitsbedingungen – sehr bedenklich für die andre Form würde. Außerdem hat der Bourgeois sich selbst territorialisiert."⁸

    Der Punkt ist hier nicht, ob der vorletzte Satz so stimmt und dass in diesem Szenario einer bürgerlichen Verstaatlichung sich auch die Eigentumsform von privat auf kollektiv ändern würde. Dem ist nicht so, denn der Staat verwaltet hier nur das bürgerliche Eigentum. Aber was richtig ist: Damit würde der Grundeigentümer als Klasse, der ihre eigene Form der Revenue zusteht, die aber selbst nicht Kapitalist ist, obsolet werden. Damit fällt auch diese Form des „Monopolpreises" – und bei unserem Beispiel der Monopolpreis auf Wasser – in sich zusammen.

    Und dieser Fall kommt zum anderen deswegen selten genug vor, weil: Wenn der Grundeigentümer die Bodenschätze (Naturstoffe) seines Bodens selbst auf den Markt wirft, ist er im Grunde selbst Kapitalist geworden und dem Gesetz der Konkurrenz unterworfen. Ist er aber Kapitalist, so verkauft er nur die Ware, die er selbst produziert und für deren Produktion er keine Rente bezahlt, weil er zufällig gleichzeitig den Grund und Boden sein Eigen nennt. Das meint Marx mit dem Satz:

    „Außerdem hat der Bourgeois sich selbst territorialisiert."⁹

    Das, was er verkauft, ist Ware und somit dem Wertgesetz unterlegen. Er bekommt dafür keine Rente, sondern den Wert der Ware, der auch aus Mehrarbeit besteht und somit Profit bringt. Er bezieht den Profit, ohne dass ein Betrug der Käufer im Sinne von „Preis über dem Wert notwendig ist. Der Punkt ist hier nicht, ob im wirklichen Leben nicht doch auch mal der Preis über dem Wert zum Tragen kommt, und das tut er immer wieder mal aus zufälligen Gründen. Der Punkt ist, ob der Fall „Preis über dem Wert eine eigene Form der Revenue begründet. Das ist nicht der Fall. Genau damit hat der Kapitalismus im Laufe der Zeit Schluss gemacht.

    Wir sehen hier, dass die absolute Bodenrente sowohl einen archaischen Charakter hat, also nur in einer Konstellation möglich ist, in der der Grundeigentümer nicht Kapitalist ist. Als auch mit dem kapitalistischen Wertgesetz durchaus nicht bricht, weil die Bodenrente aus Teilen des Mehrwerts finanziert wird und nicht aus einem „überhöhten Preis über dem Wert der Waren. Übrigens müssen wir uns diesen Aspekt – die Doppel-Seitigkeit der absoluten Bodenrente – in seiner Bedeutung für das Theorie-Design klarmachen. Denn das „Design Marx besteht ja gerade auch darin, den klassischen, reinen, abstrakten Kapitalismus zu analysieren und nicht eine bestimmte, konkrete bzw. historische Manifestation. Ja mehr noch: Nur das Allgemeine kann das Vorangegangene, Konkrete und Unfertige – sozusagen posthum – erklären. Die dazu passende Analogie lautet bei Marx:

    „Die Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen. Die Andeutungen auf Höheres in den untergeordneten Tierarten können dagegen nur verstanden werden, wenn das Höhere selbst schon bekannt ist. (…) Man kann Tribut, Zehnten etc. verstehn, wenn man die Grundrente kennt. Man muß sie aber nicht identifizieren."¹⁰

    Im Falle der Theorie der absoluten Bodenrente demonstriert Marx auch, wie das Allgemeine das Konkrete subsummiert, ohne es damit aufzulösen. Diesen Aspekt merken wir uns für weitere Themen zum sozialistischen Eigentum in einer anderen Darstellung.

    Die Bodenrente ist vermutlich die einzige ökonomische Form, die gegenüber dem industriellen Kapitalismus als das Vorangegangene auftritt, aber gleichzeitig im Kapitalismus durch eine ökonomische Form des Kapitalismus – der Mehrwert als Quelle der Rente – erhalten bleibt. Die absolute Bodenrente widerspricht nur insofern dem Kapitalismus, als für den Boden nicht (tote oder lebendige) Arbeit bezahlt wird, sondern nur das Recht auf Privateigentum. Wenn man so will: Hier beinhaltet die Logik der Eigentumsverhältnisse einen Widerspruch zur Produktionsweise, die durch eben diese Eigentumsverhältnisse gewährleistet wird und die somit zu Produktionsverhältnis wird. Die Rente als Chimäre.

    Wir kommen nun zum nächsten Thema: Andere Monopole als vorbürgerliche Erscheinung.

    Denn wir müssen nun die absolute Bodenrente von all jenen ökonomischen Formen differenzieren, die keine doppelseitige Stellung als Chimäre haben, sondern nur eine einseitige. Sie könnten etwa als Vorreiter und Vorbedingung für den Kapitalismus fungieren. Wie nicht schwer zu erraten, sprechen wir diese Formen als vorbürgerlich an. Was zeichnet nun diese vorbürgerlichen Verhältnisse aus, auch im Gegensatz zur absoluten Bodenrente?

    Die Inklusion von Profit und Rente im Wert der Ware ist nicht nur das, was die Marxsche Theorie von anderen Theorien der klassischen Nationalökonomen unterscheidet. Sie ist auch das, was im wirklichen geschichtlichen Prozess die bürgerliche Produktionsweise von dem Vorbürgerlichen unterscheidet. In Letzteren kann noch der offene Raub an den Bauern (Feudalsystem) oder an fremden Kulturen (erste Phase der Kolonialisierung) eine für die Produktionsweise notwendige Rolle spielen. Allgemein gesagt: Die Mehrarbeit ist hier noch nicht im Tauschwert verborgen und wird noch nicht durch die Warenzirkulation ermöglicht, sondern muss erst durch Gewalt erzwungen werden.

    Die ökonomischen Formen unterscheiden sich genau darin: Ob der Mehrwert im Wert steckt oder ob offene Mehrarbeit erzwungen wird – Lohnarbeit statt Sklavenarbeit, Kredit statt Wucher, Kapitalreichtum statt Konsumreichtum, Handel statt Raubrittertum und ähnliche Gegensätze mehr. Während die Bodenrente immerhin aus dem bürgerlichen Mehrwert gespeist werden kann, haben all die anderen vorbürgerlichen Revenuen ihre Quellen in unverhülltem Zwang, Betrug und Raub. So gesehen liegt zum Beispiel der Raub in der modernen Formation in der Sphäre der Ökonomie und des gleichen Tausches versteckt; der Raub in den alten Formationen in der Sphäre der Politik und der militärischen Gewalt. Nun könnte mit Fug und Recht das Gemeinsame in den Vordergrund gestellt werden – die gratis Arbeitsleistung der einen für andere. Aber es könnten genauso gut die Unterschiede in den Vordergrund gestellt werden und diese machen unsere industrielle Gesellschaft aus.

    Gewiss sind die Eigentumslosen des Kapitalismus gezwungen, für Lohn zu arbeiten, weil sie sonst nichts zum Leben hätten. Und freilich ist der Anteil ihrer Arbeit, der unentgeltlich vom Kapital angeeignet wird, in Wirklichkeit auch Betrug bzw. Raub. Aber es bedarf hier nicht der politischen und militärischen Gewalt, diese Verhältnisse von Betrug und Raub zu reproduzieren. Sie reproduzieren sich dadurch, dass das Wertgesetz in der Warenwirtschaft zur Anwendung kommt und der Wert der Ware Arbeitskraft als Lohn durchaus gerecht – nämlich als Preis für deren Wert – entrichtet wird. Dies ist zwar nicht immer der Fall, aber es ist zumindest möglich, ohne den Mehrwert selbst zu verunmöglichen. Deswegen genügt die Existenz des Marktes und ersetzt die Waffengewalt der „antiken" Aneigner von Mehrarbeit.

    Bis zu diesem Punkt haben wir die vorbürgerlichen Produktionsweisen nur negativ gefasst, in ihrem Unterschied zum Mehrwert, und dieser Unterschied eint sie. Positiv gesehen unterscheidet sich die Legitimität der jeweiligen Form der Mehrarbeit graduell. Vielleicht in einer historischen Progression: Sie war in der asiatischen Produktionsweise größer als in der antiken Sklaverei. Deren Legitimität als Grundlage der Zivilisation und Kultur war aber wiederum größer als die der Mehrarbeit im Feudalismus. Hier nahm die Sache besonders empörende Formen an, denn der Beitrag der Feudalherren an der Zivilisation, als „Gegenleistung" für den Zehnten, war denkbar gering. Vermutlich konnte deswegen die bürgerliche Form der Mehrarbeit an der Auflösung des Feudalismus ansetzen.

    Das Handwerk, der Handel und die vom Feudalzwang freien Städte, die zwischen den einzelnen Herrschaften heranwuchsen, sammelten irgendwann die gesamte „Nation um sich. In dieser historischen Konstellation spiegelte sich „die Nation in nichts anderem als dem Dritten Stand von 1789 wider. In was genau? In der Allianz aller produktiven Klassen im Gegensatz zu allen unproduktiven. Innerhalb der Nation sind die Widersprüche im Mehrwert versteckt. Die Lohnarbeiter verkaufen ja am Markt ihre Arbeitskraft durchaus frei und diese kann auch völlig gerecht entlohnt werden. Weder muss der Preis über dem Wert liegen, noch ist ein politischer Zwang nötig, um dem Kapitalisten einen Mehrwert als Quelle des Profits zu ermöglichen. Der bürgerliche Reichtum scheint so lange moralisch unantastbar, solange der vorbürgerliche Reichtum noch als Eklat vorhanden oder zumindest noch frisch in Erinnerung ist. Diesem Reichtum haftet der Geruch des Unrechts an, den noch Georg Büchner in „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" (1834) in die literarische Sprache hob. Dass aber nur dieser vorbürgerliche Reichtum ungerecht sei, ist wiederum die Projektion des bürgerlichen Bewusstseins des gleichen Tausches auf historische Zustände.

    In der europäischen Antike galt der Wohlhabende als im Recht und der Arme als im Unrecht, einfach weil Letzterer arm war – so zumindest steht es in einem Klassiker der Wirtschaftsgeschichte, „Die antike Wirtschaft von Moses I. Finley aus dem Jahr 1971.¹¹ Und sowohl bei Platon als auch bei Aristoteles lässt sich nachlesen: Der Sklave galt als „Zweifüßer und in einer Zeit, in der es noch keinen Begriff von Tierrechten gab, war die Behandlung des Sklaven so angelegt wie die der Hof-Tiere und der Haustiere. Man musste sie nicht extra quälen; tat man dies aber, war dies auch wiederum kein Affront gegen irgendetwas. Der, der in die Sklaverei geriet, war einfach der Unglückliche. Im europäischen Mittelalter galt der Reiche in der Stadt nicht als illegitim, das erfolgreiche Handwerk als geglücktes Leben und jeder Luxus konnte durch Abgaben an die Kirche gesühnt werden. Was auf Erden nicht gesühnt werden konnte, galt als Rechnung, die dereinst im Jenseits einzulösen war, und dieser Trost galt all den Armen, Gemarterten und Hungernden – zumindest theoretisch.

    Mit Kapitalreichtum hat dieser vorbürgerliche Reichtum nur insofern zu tun, als für die kapitalistische Produktionsweise ein initiales Kapital Vorbedingung ist. Und dieses musste erst einmal von irgendwoher kommen. Nur für diese ursprüngliche kapitalistische Akkumulation, die die Genesis von initialem Kapital erklärt, spielt politische Gewalt eine unentbehrliche Rolle. Hier nahm die politische Gewalt auch einen anderen Charakter an als die des europäischen Mittelalters. Denn in diesem war sie nicht initial, sondern normal. Hier funktionierte die Mehrwertproduktion offen und nicht in einem Tauschwert verborgen. Der Staat nahm also drei unterschiedliche Rollen ein: im Mittelalter (Gewalt normal), in der frühen Neuzeit (Gewalt initial) und in der Neuzeit (Markt normal). In „Die Judenfrage (1843) fasste Marx den Unterschied zwischen Gewalt und Markt, in „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (1858) den Unterschied zwischen initial und normal zusammen.

    Nun, nach alldem, wird folgende Passage aus den „Theorien über den Mehrwert" (1863) klar wie Glas:

    „(…) wird ihr Preis so weit heraufgeschraubt, daß er mehr als die Durchschnittsprofitrate abwirft? Dies ist z.B. der case bei eigentlichen Monopolpreisen. Diese Annahme – bei jeder Produktionssphäre, wo Kapital und Arbeit freely angewandt werden können, deren Produktion, was die Masse des angewandten Kapitals angeht, den allgemeinen Gesetzen unterworfen ist – wäre nicht nur eine petitio principii, sondern widerspräche direkt den Grundlagen der Wissenschaft und der kapitalistischen Produktion, wovon sie nur der theoretische Ausdruck ist. Denn eine solche Annahme unterstellte, was eben erklärt werden soll, daß in einer besondren Produktionssphäre der Preis der Ware mehr als die allgemeine Profitrate, mehr als den Durchschnittsprofit abwerfen muß und zu diesem Behuf über ihrem Wert verkauft werden muß."¹²

    Kurzum: Marx spricht hier den Monopolpreis als etwas Unbürgerliches bzw. Vorbürgerliches an, weil dessen Logik bedeutet, dass – auf Dauer und verallgemeinert – die Preise über den Werten lägen. Nicht, dass Monopole als Erscheinung nicht möglich und nicht, dass überhöhte Preise unmöglich wären. Aber als Quelle des Profits können sie nicht betrachtet werden.

    Dort, wo Produktion unterhalb des aktuellen technischen Standes stattfindet und die Produzenten jenseits der Grenze der allgemeinen Profitabilität einer Branche dennoch nicht vom Markt verschwinden, ist diese Konstellation nur möglich durch Extraarbeit für andere. Es handelt sich daher um Abgaben von der Revenue, also von der notwendigen Arbeit. Das widerspricht selbstverständlich zuerst einmal dem Begriff der notwendigen Arbeit als solchen. Aber bei Marx sind die Begriffe notwendige Arbeit und Mehrarbeit nicht einfach mathematisch gefasst: Summe der Arbeit = notwendige Arbeit + Mehrarbeit. Sondern auch im Sinne eines Standes an durchschnittlicher Aufteilung einer Ökonomie in tote und lebendige Arbeit, die einen bestimmten Level an Produktivität ergeben. Sie beziehen sich einerseits auf Angebot und Nachfrage, die durch gleiche Marktzugänge bestimmt sind. Sie beziehen sich deswegen nicht von Haus aus auf eine internationale Ebene. Und sie beziehen sich anderseits auf eine konkret nützliche Arbeit und daher auf ein bestimmtes Produkt einer bestimmten Branche. Denn für die industrielle Produktion ist ein bestimmtes Verhältnis von toter Arbeit, die in Produktionsmitteln steckt, zur lebendigen Arbeit, die ebendiese anwendet, eine Frage des Preises der Endprodukte und damit ein Marktfaktor. Da es aber im Wesen der Industrie im Unterschied zur traditionellen Landwirtschaft liegt, weniger auf die Natur und mehr auf das Material zu setzen, ist die Industrie – also das klassische manufacturing – eher prädestiniert, Kosten durch amortisierte Technik einzusparen und die Werte der Produkte zu senken. Wenn nun unterhalb des gegebenen Standes an Technologie produziert wird und die Produkte deswegen eigentlich wegen ihres Preises bereits vom Markt fallen würden … ja, was dann? Marx erwähnt hier das Beispiel von Pächtern, die den ganzen Tag lang bei geringer Produktivität schuften, mit dem Ziel, neben einem kärglichen Lebensunterhalt auch noch eine Pacht an den Grundeigentümer zu erwirtschaften. Nur Beispiele wie diese können als „Überausbeutung" bezeichnet werden, sonst macht dieser Begriff ökonomisch keinen Sinn.

    Der Punkt ist nun aber, dass die Pacht keine Grundrente ist.

    „Die Pacht wird immer dem landlord gezahlt; voila tout. Ist sie aber, wie dies in der Praxis sehr oft vorkömmt, zum Teil oder ganz ein Abzug vom normalen Profit oder ein Abzug vom normalen Arbeitslohn {der wirkliche Mehrwert, also Profit + Rente, sind nie Abzug vom Arbeitslohn, sondern jenes Teils des Produkts des Arbeiters, der nach Abzug des Arbeitslohns von diesem Produkt übrigbleibt}, so ist sie, ökonomisch betrachtet, nicht Grundrente und wird dies auch sofort praktisch bewiesen, sobald die Konkurrenzverhältnisse den normalen Arbeitslohn und den normalen Profit retablieren."¹³

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