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Globalisierung: Geschichte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen
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eBook1.014 Seiten11 Stunden

Globalisierung: Geschichte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

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Über dieses E-Book

Dieses Buch gibt einen Überblick über die drei zentralen Phasen der Globalisierung in der Moderne: 16. bis 18. Jahrhundert, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg und zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die 2010er Jahre. Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen werden anhand der Güter-, Arbeits- und Finanzmärkte, der Weltwirtschafts- und Weltwährungsordnungen einschließlich der Handels- und Geldpolitiken sowie der Organisationsformen und Marktstrategien der wirtschaftlichen Akteure, d.h. der Kaufleute, Handelskompanien und internationalen Unternehmen, dargestellt.

Das Buch ist chronologisch aufgebaut, wobei die Darstellung der unterschiedlichen Epochen der gleichen Systematik folgt. Damit liegt zum ersten Mal eine Gesamtdarstellung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen seit dem 16. Jahrhundert vor, die einen strengen Vergleich zwischen unterschiedlichen Zeitabschnitten ermöglicht und gleichzeitig die übergreifenden Entwicklungslinien beim Handel, bei der Migration und beim Geld- und Kapitalverkehr, bei den politischen Außenwirtschaftsregimen und wirtschaftlichen Unternehmensführungen herausarbeitet. 

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum15. Mai 2018
ISBN9783658208363
Globalisierung: Geschichte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

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    Buchvorschau

    Globalisierung - Gerold Ambrosius

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018

    Gerold AmbrosiusGlobalisierunghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-20836-3_1

    1. 16. bis 18. Jahrhundert

    Gerold Ambrosius¹  

    (1)

    Fakultät I, Universität Siegen, Siegen, Deutschland

    Gerold Ambrosius

    Email: ambrosius@geschichte.uni-siegen.de

    1.1 Transportträger und Routen

    1.1.1 Warentransport

    Wer sich mit der Globalisierung seit dem 16. Jahrhundert beschäftigt, wird vornehmlich an den interkontinentalen Welthandel denken und nicht an Arbeitsmigration und Finanzströme. In Bezug auf das Transportwesen wird daher der Seeverkehr besondere Beachtung finden. Wer sich mit den internationalen Wirtschaftsbeziehungen beschäftigt, wird eher den Landverkehr im Auge haben. Letztlich ist unklar, ob in der Epoche des 16. bis 18. Jahrhunderts der größere Teil des grenzüberschreitenden Handels auf dem Land- oder auf dem Seeweg transportiert wurde.

    Landtransport

    Als wichtigstes Transportmittel zu Lande dienten Last- und Zugtiere. Vielleicht der größte, zumindest aber ein sehr großer Teil des Welthandels wurde auf dem Rücken von Kamelen, Maultieren, Eseln oder Pferden transportiert. Der technische Fortschritt beim Landverkehr war eher begrenzt. In weiten Teilen der Welt kamen das Rad und damit der Wagen kaum zur Anwendung oder – wie in den Amerikas – erst, nachdem die Europäer dort siedelten. In Europa und gewissen Regionen Asiens und Afrikas, wo der Wagen seit langem genutzt wurde, gingen die technischen Innovationen nicht sehr weit. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde die bewegliche Vordergabel (wieder-)erfunden. Das schwerfällige Scheibenrad ersetzte man allmählich durch das leichtere Speichenrad. Bei Wagen nutzte man später – wie bei Kutschen und Karossen – sporadisch die Aufhängung mittels Riemen oder Kette in einem Gestell. Vierrädrige Wagen besaßen eine Ladekapazität von bis zu 4000 kg, zweirädrige Karren von bis zu 1500 kg. Zwischen den wichtigsten Städten in Europa verliefen durchgehende „Straßen", bei denen es sich aber um unbefestigte Pisten handelte, die sich im Herbst und Frühjahr bzw. bei schlechtem Wetter in Morast verwandelten. Man begann zwar bereits im 17. Jahrhundert mit deren Befestigung, aber Trassen, die das ganze Jahr genutzt werden konnten, existierten im Fernverkehr – anders als im Römischen Reich eineinhalb Jahrtausende zuvor – im Europa des 18. Jahrhunderts immer noch nicht. Immerhin verstärkte man seit Anfang des 17. Jahrhunderts den Brückenbau. Überall dort, wo es aufgrund der topografischen Verhältnisse möglich war, bevorzugte man innerhalb eines Kontinents daher den meist günstigeren Wasserweg, der hier dem Landverkehr zugeordnet wird. Um möglichst viele, d. h. auch kleine und im Sommer wenig Wasser führende Flüsse befahren zu können, baute man ganz unterschiedliche Schiffstypen hinsichtlich Form, Größe, Tragfähigkeit und Tiefgang. Wie der Brückenbau wurde der Kanalbau im 17. Jahrhundert intensiviert, um das Netz der Binnenwasserstraßen zu erweitern. Das alles gilt für das dicht bevölkerte Europa. Im Vergleich dazu änderte sich in Asien und Afrika wenig. Zwar verfügte China lange vor Europa über ein vorbildliches Straßennetz und auch in anderen asiatischen Staaten bestanden Verbindungen zwischen Städten und Handelsplätzen, die aber aufgrund der gewaltigen Entfernungen nicht so zahlreich waren und bei denen es sich ebenfalls eher um unbefestigte Wege handelte als um Straßen im heutigen Verständnis. Insgesamt wird man somit festhalten können, dass das Verkehrswesen zu Lande in allen Regionen der Welt am Anfang des 16. Jahrhunderts wenig entwickelt war und sich im hier behandelten Zeitraum nur sehr allmählich wandelte. Insbesondere der internationale, grenzüberschreitende Warenverkehr blieb daher durchweg unzuverlässig, unregelmäßig und langsam.

    Die Transportgeschwindigkeiten unterschieden sich nur wenig von denen früherer Jahrhunderte und veränderten sich weiterhin kaum. Generelle Aussagen über durchschnittliche Reisezeiten sind wegen der sie beeinflussenden sehr unterschiedlichen Faktoren wie Topografie, Jahreszeit, Wetter, Wegequalität, Wasserstand, Belastbarkeit der Tiere etc. kaum möglich. Grundsätzlich kann man aber wohl sagen, dass beim Warentransport über Land – ob mit Tragtieren, Karren oder Wagen – selten mehr als 30–35 km am Tag zurückgelegt wurden. Auf Flüssen konnten es bei Talfahrten 40–60 km sein, bei Gebirgsfahrten nicht mehr als 15–25 km.

    Die Höhe der Frachtkosten hing von unterschiedlichen Faktoren ab – von den topografischen Verhältnissen, von der Länge des Transportweges und von der Art des Transportmittels, d. h. von Tieren, Wagen oder Binnenschiffen bzw. Kähnen. Überall dürften sie aber im Vergleich zum Wert der Waren hoch gewesen sein. Das galt für die Kamelkarawanen, die monatelang durch asiatische Steppen zogen, ebenso wie für Pferdefuhrwerke, die in wenigen Tagen von Frankreich in die Niederlande rollten. Inwieweit diese Frachtkosten im Laufe der Zeit gesenkt werden konnten, ist selbst für Europa weitgehend unbekannt. Grundsätzlich dürfte sich die Kostensenkung aber schon deshalb in Grenzen gehalten haben, weil der technische Fortschritt im Verkehrswesen einfach zu gering war. Das leistungsfähigste und kostengünstigste Transportmittel stellte in jedem Fall das Binnenschiff dar.

    Seetransport

    Im Vergleich zum Landverkehr profitierte der Seeverkehr deutlich vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Das galt zumindest für die europäische Seeschifffahrt. Im 16. Jahrhundert waren es anfangs die portugiesische Karacke bzw. Karavelle und die spanische Galeone, später die niederländische Fleute, die Hochseefahrten sicherer und vor allem kostengünstiger machten. In der Folgezeit setzte sich der Fortschritt im Schiffbau fort, sodass sich ein Handelsschiff des ausgehenden 18. Jahrhunderts nur noch bedingt mit einem des beginnenden 16. Jahrhunderts vergleichen ließ. Ähnliche Innovationen gab es im asiatischen und afrikanischen Schiffbau nicht. Nachdem die Chinesen noch zu Beginn des 15. Jahrhunderts allen anderen weit überlegen waren, gingen mit der folgenden Binnenorientierung manche technischen Innovationen sogar wieder verloren. Sie hatten schon am Ende des 14. Jahrhunderts Schiffe mit Ladekapazitäten gebaut, die man in Europa erst im 19. Jahrhundert erreichte. Ähnliches lässt sich für Japans Schiffbau beobachten. Zwar besaß der Schiffbau in Indien und Südostasien auch unter Europäern einen ausgezeichneten Ruf, für den interkontinentalen Seetransport verwendete man aber zunächst überwiegend europäische Schiffstypen. Dabei wurden in Südostasien und im malaiischen Archipel mehrmastige große Lastensegler eingesetzt, die an Größe die meisten europäischen Frachtschiffe übertrafen. In jedem Fall entwickelten sich die asiatischen Dschunken oder arabischen Daus nur noch bedingt weiter.

    Gleichzeitig erzielte man auf den Gebieten der Kartografie, der Nautik und Navigation gewisse Fortschritte. Die Kenntnisse über Küstenlinien, Strömungen und Windverhältnisse erweiterten sich durch Erfahrung laufend. Die Technik des Projizierens, mit der man die geografischen Längen und Breiten mittels eines Netzes gerader Linien angibt, wurde im 16. Jahrhundert entwickelt. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts entstanden für viele Meere mehr oder weniger präzise Seekarten. Auch die nautischen Instrumente wurden verbessert. Astrolab, Quadrant oder Jakobsstab waren schon in den Jahrhunderten zuvor erfunden worden, setzten sich aber erst im 15./16. Jahrhundert endgültig durch. Auf dem Gebiet der Nautik gewannen Europäer einen Vorsprung, nachdem lange Zeit Araber und Chinesen führend gewesen waren. Im 17. Jahrhundert ersetzte man die bisherigen nautischen Instrumente durch den „backstaff". In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelang es dann endlich jene Präzisionsschiffsuhr zur Bestimmung des Längengrades zu konstruieren, die eine genaue Standortbestimmung auf See ermöglichte.

    Ganz wichtig für den Seehandel waren die Häfen. Es existierten zwar schon im 16. Jahrhundert in Europa und Asien durch Kais und Molen baulich verstärkte Anlegestellen, durchweg mussten die Schiffe aber auch noch im 17. und 18. Jahrhundert in weiten Teilen der Welt Naturhäfen nutzen, d. h. Flussmündungen, Buchten und Strände mit entsprechenden Reeden, wo sie relativ sicher ankern konnten.

    Die Größe der Seeschiffe nahm im Laufe des langen hier betrachteten Zeitraums deutlich zu. Besaß eine portugiesische Karavelle bzw. Karacke am Anfang des 16. Jahrhunderts eine Ladekapazität von etwa 200 Bruttoregistertonnen (BRT), so eine niederländische Fleute um 1600 etwa 400 BRT. Um 1700 war die durchschnittliche BRT-Ladekapazität bei englischen Schonern auf knapp 600 angestiegen und am Ende des 18. Jahrhunderts betrug sie knapp 1000 BRT. Es gab allerdings schon im 16. Jahrhundert Schiffstypen, die vornehmlich als Kriegsschiffe eingesetzt wurden, die deutlich größer waren. Die Lebensdauer in Europa gebauter Schiffe betrug im 16. Jahrhundert etwa zehn Jahre, sodass mit ihnen im Durchschnitt drei bis vier Reisen nach Asien unternommen werden konnten, während in Asien mit Teakholz gebaute Schiffe eine etwa doppelt so lange Lebensdauer verzeichneten.

    Eine Karacke segelte im 16. Jahrhundert bei normalen Wind- und Strömungsverhältnissen mit etwa 10 Seemeilen bzw. 16 km/h. Manche Schiffstypen waren schneller, manche langsamer. Im Laufe der Zeit nahmen dann die Geschwindigkeiten zu, sodass ein Handelsschiff des ausgehenden 18. Jahrhunderts fast doppelt so schnell sein konnte. Durchschnittliche Geschwindigkeiten sagen allerdings wenig über die tatsächliche Reisezeit aus, die eben von Wind und Wetter, Jahreszeit (asiatischer Monsun, europäische Herbststürme), Strömung oder Ladung abhing. Insofern beeinflussten die naturräumlichen Gegebenheiten den Handel bzw. die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, deren Märkte einer saisonalen Taktung unterworfen waren.

    Die Transportkosten nahmen sowohl in der küstennahen Schifffahrt als auch in der interkontinentalen ab. Das Verhältnis von Laderaum, Schiffsgröße, Besatzung, Bewaffnung und auch Geschwindigkeit änderte sich und machte den Seetransport kosteneffizienter. Größere, seetüchtigere Schiffe in Kombination mit besseren Kenntnissen über Strömungs- und Windverhältnisse machten es möglich, direktere Routen mit weniger Zwischenstationen zu wählen, was die Reisezeiten verkürzte. Zur Kostensenkung trug auch die abnehmende Seeräuberei bei – in den europäischen Gewässern schon im 17. Jahrhundert, auf den atlantischen und ozeanischen im 18. Jahrhundert.

    Intrakontinentale Landrouten

    Obwohl nicht klar ist, ob der größere Teil des globalen Handels in der hier behandelten Epoche auf See- oder auf Landrouten transportiert wurde, kann doch festgehalten werden, dass weite Gebiete des Inneren der Kontinente mehr oder weniger verkehrslos waren. Das galt für die Amerikas ebenso wie für Afrika und Asien. Am wenigsten galt es für Europa, das im 16. Jahrhundert seit langem ein relativ enges Netz von Handelswegen überzog. Bei allen Schwierigkeiten wurde schon damals gepökelter Fisch von der Nordsee in die Schweiz transportiert, Getreide von Ost- nach Westeuropa verfrachtet oder Ochsen aus Ungarn nach Süddeutschland getrieben. Schon damals wurden handwerkliche Produkte über Hunderte von Kilometern auf Binnenschiffen oder Wagen auf bekannten Handelsrouten bewegt. In den anderen, wesentlich dünner besiedelten Kontinenten lebte ein großer Teil der Menschen noch in mehr oder weniger ausgeprägter Subsistenzwirtschaft mit schwachen Handelsbeziehungen untereinander. Selbstverständlich existierten auch dort zentrale Routen für den Fernhandel, ein mit Europa vergleichbares Wegenetz konnte es aber allein wegen der riesigen Entfernungen nicht geben. An diesen Routen änderte sich im Laufe der hier behandelten drei Jahrhunderte in allen Kontinenten eigentlich wenig. Es mögen neue dazu gekommen sein, aber die wichtigsten waren durchweg solche, die schon seit Jahrhunderten genutzt wurden. Das traf für die Transsahararouten, das Netz der Handelsrouten in Nordafrika oder die Handelswege im südlichen Afrika zu. Das galt ebenso für die zumindest regional dichteren Wegenetze auf dem asiatischen Kontinent, auf dem indischen Subkontinent ebenso wie im indochinesischen Raum. Inwieweit feste Handelsrouten zwischen Stammesgebieten in den Amerikas bestanden, sei dahingestellt. In jedem Fall nutzten die Spanier in Mittel- und Südamerika Transportwege, die schon zuvor eingerichtet worden waren – von Nord nach Süd ebenso wie von Ost nach West. Abb. 1.1 stellt die Landrouten im Vergleich zu den Seehandelsrouten um 1500 dar.

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    Abb. 1.1

    Land- und Seehandelsrouten um 1500.

    (Quelle: Barraclough und Stone 1990, S. 154)

    Der Verlauf der Landrouten hing natürlich entscheidend von der jeweiligen Topografie ab, d. h. insbesondere von Gebirgen, Wüsten oder Steppen (Oasen, Trinkwasser) und von Flüssen. In den gemäßigten Zonen wie Europa war es für den Verlauf der Handelsrouten wichtig, inwieweit der schwierigere Landweg mit dem leichteren Wasserweg (Flüsse, Kanäle) kombiniert werden konnte. Die meisten Waren, die regional wie international gehandelt wurden, transportierte man zunächst auf Fuhrwerken bzw. Lasttieren. Erst dann lud man sie, wenn dies möglich war, auf Kähne um und verschiffte sie so weit wie möglich. Beispielsweise erreichte Kupfer aus Ungarn die Märkte in den Niederlanden, indem man es zunächst über Land zu den polnischen Flüssen brachte, von dort mit dem Lastkahn nach Danzig und dann weiter über Ost- und Nordsee mit dem Schiff nach Antwerpen oder Amsterdam. Praktisch alle europäischen Flüsse waren wichtige Verkehrswege, weswegen der Kanalbau massiv in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einsetzte. Eine ähnliche Bedeutung für den Fernhandel besaßen die Flüsse Asiens und Afrikas. So gelangte die chinesische Keramik über das umfangreiche Wasserstraßennetz an die Küste oder der Pfeffer aus Borneo über das dichte Netz von Urwaldflüssen zu den Häfen von Banjarmasin, Sukadana oder Brunei.

    Ebenso hing die Reisezeit nicht nur von der Entfernung ab, sondern von der Topografie, den Klimaverhältnissen, der Häufigkeit des Umladens oder der Jahreszeit. In Europa konnte eine Entfernung von 500 km unter günstigen Verhältnissen mit einem Pferdefuhrwerk in drei bis vier Wochen bewältigt werden. In Südamerika dauerte es unter ungünstigen Verhältnissen doppelt so lang oder noch länger. Um aus den ostasiatischen Gebieten in den Nahen Osten zu gelangen, brauchte es auf den „Seidenstraßen" fast ein Jahr. Silberkarawanen aus Bolivien (Potosi) waren bis Panama ein knappes halbes Jahr unterwegs. Fuhrwerke von Ungarn nach Bayern benötigten etwa drei Wochen.

    Intrakontinentale Seerouten

    Immer größere Bedeutung für den interkontinentalen wie für den intrakontinentalen Fernhandel erlangte der Seetransport. Zwischen Südeuropa bzw. den Anrainerstaaten des Mittelmeers und Nordeuropa bzw. den Anrainerstaaten der Nordsee verlagerte er sich seit dem 15. Jahrhundert zunehmend auf die Küstenschifffahrt – vom Mittelmeer durch die Straße von Gibraltar, an der iberischen und französischen Küste entlang bis in den Ärmelkanal, die Nordsee und eventuell die Ostsee hinein. Diese Seeroute gab es zwar schon wesentlich länger, seit dem 16. Jahrhundert wurde aber ein immer größerer Teil des intraeuropäischen Handels über sie abgewickelt. Die meist befahrenen Gewässer waren das Mittelmeer sowie die Nord- und Ostsee mit einer Vielzahl von Routen. Der am stärksten frequentierte Seeweg der Welt stellte der Öresund zwischen Dänemark und Schweden dar, der Nord- und Ostsee verband. Im 17. Jahrhundert passierten ihn im jährlichen Durchschnitt etwa 6000 Schiffe. Aber auch in der Straße von Gibraltar und an der iberischen und französischen Atlantikküste waren jährlich Tausende von Schiffen unterwegs, in Nord- und Ostsee und im Mittelmeer sowieso. Ebenso intensivierte sich die Schifffahrt an den afrikanischen Küsten. An der Westküste spielte dabei das zunehmende Engagement der Europäer eine gewisse Rolle, die die dort gelegenen Handelsplätze nicht nur für den Transit im Zuge des einsetzenden interkontinentalen Wirtschaftsverkehrs zwischen Europa, Asien und Afrika nutzten. Die Ostküste war seit langem in das asiatische Handelsnetz eingebunden, was sich auch positiv auf die intraafrikanische Küstenschifffahrt auswirkte. Die Zahl der Handelsplätze und das Handelsvolumen nahmen jedenfalls im 16./17. Jahrhundert weiter zu. Ebenfalls basierte der intraasiatische Seehandel schon am Anfang des 16. Jahrhunderts, d. h. vor den Europäern, auf einem – in Relation zu diesem gewaltigen Raum – dichten Netz von Handelsrouten und Handelsplätzen. Über viele Jahrhunderte hatten arabische, indische, malaiische, chinesische oder japanische Kaufleute sie aufgebaut. Es reichte von der Ostküste Afrikas über die Arabische Halbinsel, Indien, die Malaiischen Inseln, China bis nach Japan. Lange Seewege basierten meist auf einem Geflecht sich überlappender Routen verschiedener maritimer Räume mit verschiedenen Hafenstädten und Handelsplätzen. Die Versuche, innerasiatische Handelsräume mit besonders vielen, miteinander verbundenen Routen zu bestimmen, laufen meist auf eine Dreiteilung hinaus. Die erste Subregion verband den Persischen Golf, die Arabische Halbinsel und Ostafrika mit Indien. Die zweite verklammerte den indischen Subkontinent mit dem südostasiatischen Festland und dem größten Teil des Malaiischen Archipels. Die dritte umfasste die südostasiatische Inselwelt und China.

    Interkontinentale Landrouten

    Wenn es um interkontinentale Verbindungen geht, denkt man zunächst allein deswegen an den Seetransport, weil die Kontinente durch Meere voneinander getrennt sind. Dabei verliefen am Anfang des hier betrachteten Zeitraums die wichtigsten interkontinentalen Handelswege auf dem Land und zwar in ostwestlicher Richtung vom Fernen und Mittleren Osten über den Nahen Osten nach Europa – wenn man denn Europa als eigenständigen Kontinent betrachtet. Diese sogenannten Seidenstraßen, die Händler schon vor dem 16. Jahrhundert seit langer Zeit nutzten, verloren zwar durch die neu entdeckte Seeroute um Afrika herum an Bedeutung, wurden aber nicht aufgegeben. In nordsüdlicher Richtung spielte für den interkontinentalen Landverkehr außerdem der arabisch-osmanisch-moskowitische Handelsweg eine wichtige Rolle, der den Nahen und Mittleren Osten mit dem Ostseeraum verband. Desgleichen blieben die ostafrikanischen Handelswege von Afrika nach Europa und zur arabischen Halbinsel erhalten. Die westafrikanischen Sahararouten wurden dagegen seit dem 15. Jahrhundert zunehmend durch die von den Europäern befahrenen Seerouten ersetzt. All diese Handelswege besaßen im 16. Jahrhundert bereits eine lange Geschichte und wurden in der Folgezeit weiter genutzt.

    Interkontinentale Seerouten

    Als „die" Transportwege des globalen Handels in dieser Epoche werden allerdings die weltumspannenden Seerouten angesehen. Die Fahrt über den Atlantik in die Karibik, die Umsegelung Afrikas, die Querung des Indischen Ozeans oder die Fahrt über den Pazifik gelten als Meilensteine in der Geschichte der Schifffahrt. Zwischen Asien und Europa waren es zunächst noch die alten Routen, auf denen arabische, persische, indische oder chinesische Händler den Handel über den Indischen Ozean bis zur afrikanischen Ostküste – wenn auch in relativer Küstennähe – oder über das Rote Meer nach Kairo und Alexandria organisierten. Erst als seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zunächst die Portugiesen immer direktere Routen nach Indien einschlugen, d. h. östlich von Madagaskar und Mauritius – 1578 fuhr das erste portugiesische Schiff direkt von Lissabon nach Malakka –, und dann die Holländer vom Kap der Guten Hoffnung quer über den Indischen Ozean nach den Molukken segelten, eröffneten sich wirklich neue Seewege. Die iberischen Seehandelsrouten um 1600 stellt Abb. 1.2 dar.

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    Abb. 1.2

    Iberische Seehandelsrouten um 1600.

    (Quelle: Barraclough und Stone 1990, S. 158 f.)

    Während man in den asiatischen Gewässern zunächst noch die alten Seerouten nutzen konnte, musste man im Nord- und Südatlantik von Anfang an neue befahren. Mit Kolumbus begannen um 1500 die Spanier zunächst den Verkehr mit der karibischen Inselwelt und Mittelamerika quer über den Nordatlantik. Die Routen von Europa nach Nordamerika nutzten Engländer, Franzosen und andere erst seit Beginn des 17. Jahrhunderts mit steigender Frequenz. Einen genauen Überblick über die Zahl der von europäischen Ländern aus nach Asien segelnden Schiffe in den Jahren von 1500 bis 1800 gibt Tab. 1.1.

    Tab. 1.1

    Zahl der von europäischen Ländern aus nach Asien segelnden Schiffe 1500–1800

    (Quelle: Maddison 2006, S. 65)

    Es existierte allerdings bereits eine traditionelle Route zu den Gewässern vor Neufundland, wo man Fischfang betrieb – anfangs die Spanier und Portugiesen, die die Engländer, Niederländer und Franzosen seit den 1560er-Jahren aber mehr und mehr verdrängten. Die Brasilienroute entstand ursprünglich im Zusammenhang mit dem atlantischen Abschnitt auf der Fahrt nach Indien. Auf dem Südatlantik ließ man sich immer weiter nach Westen treiben, um mithilfe günstiger Winde und Strömungen um das Kap der Guten Hoffnung in den Indischen Ozean zu gelangen. Dabei näherten sich die Schiffe dann der brasilianischen Küste. Routen quer über den Südatlantik wurden im Zusammenhang mit dem Sklavenhandel zwischen der Westküste Afrikas und der Ostküste Südamerikas und den karibischen Inseln eröffnet. An der Westküste Südamerikas drangen die Spanier immer weiter nach Süden vor. Diese Westküstenroute verband Lateinamerika über Mexiko (Acapulco) mit Asien und über Panama mit Europa. Die allerdings nur einmal im Jahr genutzte Verbindung im Nordpazifik zwischen Mittelamerika und den Philippinen wurde 1564 zum ersten Mal befahren. Lässt man den südpazifischen Raum mit Australien und Neuseeland außer Acht, befuhren europäische Schiffe um 1600 fast alle Seerouten, auf denen man in den folgenden Jahrhunderten die Waren des interkontinentalen Handels transportierte. Es entstand ein weltumspannendes Netz horizontaler und vertikaler Handelsrouten, das horizontale und vertikale Handelsräume miteinander verband. Zwar wurden die Schiffe im 17. und 18. Jahrhundert immer leistungsfähiger, größer und schneller, die Standortbestimmungen immer präziser und die Kenntnisse über Wind- und Strömungsverhältnisse immer besser, wirklich neue Routen, die für den Weltverkehr von Bedeutung gewesen wären, wurden aber nicht mehr eröffnet. So mussten im ausgehenden 16. Jahrhundert Engländer, Dänen oder Russen erkennen, dass die Nordostpassage nach „Indien" über das Polarmeer um Sibirien herum verschlossen war. In Abb. 1.3 werden die Seehandelsrouten Spanisch-Amerikas in der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert dargestellt.

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    Abb. 1.3

    Seehandelsrouten Spanisch-Amerikas 16.–18. Jahrhundert.

    (Quelle: Emmer et al. 2014, S. 301)

    Die Reisezeit für die Hin- und Rückfahrt zwischen Portugal und Indien einschließlich der Liegezeit von eineinhalb bis zwei Jahren verkürzte sich in diesem langen Zeitraum auf knapp ein halbes Jahr. Brachen im 16. Jahrhundert im jährlichen Durchschnitt acht Schiffe von Europa nach Asien auf, waren es im 17. Jahrhundert gut 30 und im 18. Jahrhundert knapp 70. Von Europa segelten nach Süd- und Mittelamerika/Karibik im 16. Jahrhundert im jährlichen Durchschnitt knapp 100 Schiffe, im 17. Jahrhundert etwa 350 und im 18. Jahrhundert fast 1000, zwischen Europa und Nordamerika im 18. Jahrhundert noch deutlich mehr. Die Reisezeit für die Hin- und Rückfahrt zwischen Europa und der Karibik dauerte im 16. Jahrhundert drei bis vier Monate und verkürzte sich in der Folgezeit um zwei bis drei Wochen. Dazwischen lag aber eine mehr oder weniger lange Liege- und Fahrtzeit im karibischen Raum, wobei man im Winterhalbjahr Fahrten vermied. Manche Flotten, die im Sommer Spanien verließen, überwinterten in der Karibik und traten die Rückreise erst im nächsten Jahr im frühen Sommer an, waren also ein knappes Jahr unterwegs. Die Fahrt von Acapulco nach Lima erforderte mehrere Wochen und wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zu zwölf Mal im Jahr unternommen. Zwischen Mittelamerika und den Philippinen überquerte im Jahr nur ein Schiff (Manila-Galeone) den Nordpazifik – die Hinfahrt in zwei bis drei Monaten, die Rückfahrt in vier bis sieben. Einschließlich der Liegezeit und unter Berücksichtigung der Monate, in denen eine Überquerung des Pazifiks wegen ungünstiger Wind- und Strömungsverhältnisse nicht möglich war, dauerte die Reise etwa zwei Jahre. Eine Reise vom östlichen Mittelmeer bzw. der Küste des Nahen Ostens bis nach Flandern erstreckte sich im 17. Jahrhundert noch über einen Zeitraum von sechs bis zehn Monaten. Einen genauen Einblick in die tatsächlichen Entfernungen in Segeltagen zwischen Europa und den Amerikas zeigt Abb. 1.4.

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    Abb. 1.4

    Tatsächliche Entfernungen in Segeltagen zwischen Europa und den Amerikas.

    (Quelle: Emmer et al. 2014, S. 498)

    1.1.2 Nachrichtentransport

    Informationen gab man in der hier betrachteten Epoche fast ausschließlich in mündlicher oder schriftlicher Form weiter und das bedeutete, dass ihre Übersendung an die Transportmittel „Tier und „Schiff gebunden war. In Europa wurden schon im 16, Jahrhundert die wichtigen Handelsrouten mit einem regelmäßigen Postdienst versorgt. Im Zentrum der Postverbindungen stand die Route Antwerpen – Brüssel – Augsburg – Innsbruck – Venedig – Rom – Neapel, die einmal in der Woche bedient wurde. Zahlreiche Städte waren durch eigene Boten an sie angebunden. Die Beförderungszeiten unterschieden sich stark. Schon 1516 sicherte die Taxis-Post zu, Briefe von Brüssel nach Rom innerhalb von elf bis zwölf Tagen zu befördern, nach Toledo innerhalb von zwölf bis 14 Tagen und nach Granada innerhalb von 14–18 Tagen. Solche professionellen Postbetriebe standen grundsätzlich jedem offen, allerdings benutzten sie nur ganz wenige. Spezielle Kommunikationswege wie z. B. die politische Post des Kaisers oder die firmeninterne Post verschieden Handelshäuser waren schneller. Letztere konnte, wenn sie wichtig war, von Venedig nach Augsburg in drei Tagen transportiert werden. Normalerweise aber waren Nachrichten deutlich länger unterwegs, da Briefe, Wechsel etc. von Kaufleuten und Händlern mitgenommen wurden und von deren Reisetempo abhingen. So konnte der Transport eines Briefes von Mittelitalien nach Flandern zwei Monate dauern. In Asien gab es ebenfalls Organisationsformen des Posttransports – z. B. in China –, die privilegierte Post in erstaunlich kurzer Zeit über große Entfernungen beförderten. In der Regel war die Informationsübermittlung allerdings auch hier an Kaufleute und Händler gebunden und dauerte unter Berücksichtigung der gewaltigen Entfernungen viele Wochen und Monate.

    In den beiden folgenden Jahrhunderten beruhten Verbesserungen beim Transport von Nachrichten wie schon zuvor auf Innovationen im Land- und Seeverkehr. In Europa beschleunigte sich der Postverkehr insofern, als sich beim Personentransport die Reisegeschwindigkeiten erhöhten und die Reisezeiten verkürzten. In steigender Zahl wurden auch spezielle, besonders schnelle Postreiter genutzt. Auf diese Weise konnten große Distanzen von mehreren Hundert Kilometern in wenigen Tagen überwunden werden. In anderen Teilen der Welt dürfte eine Verbesserung des Postverkehrs in noch begrenzterem Umfang erfolgt sein, wobei verschiedene Territorien wie z. B. das Osmanische oder das Safawiden-Reich durchaus vergleichbare Verbesserungen erlebten. Ähnliches gilt für den intra- und interkontinentalen Postverkehr auf See. Auch er war an die Innovationen gebunden, die die Schiffe schneller machten, dadurch Reisezeit verkürzten und zu einem häufigeren bzw. regelmäßigeren Schiffsverkehr führten. Jedenfalls benötigten Briefe auch im 18. Jahrhundert noch Monate, um von Europa nach Asien zu gelangen.

    1.2 Politik und Recht

    1.2.1 Internationale Beziehungen

    Europa

    Internationale Beziehungen innerhalb Europas: Internationale Wirtschaftsbeziehungen werden hier in dem Sinne definiert, dass Güter, Arbeit und Kapital „politische Grenzen überschreiten. Die Akteure sind Personen oder Unternehmen, aber auch „Staaten, weil diese die Beziehungen in erheblichem Maße beeinflussen. Das galt in der hier untersuchten Epoche insbesondere für Europa. Zum einen besaßen Staaten eigene Handelsgesellschaften oder beteiligten sich an privaten. Vor allem aber regulierten sie den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr durch ihre Außen(wirtschafts)politik, d. h. durch eine Vielzahl von hemmenden und fördernden Maßnahmen – von Handelsverträgen über Zölle bis zur Vergabe von Handelsmonopolen. Abgesehen davon störten sie den grenzüberschreitenden Verkehr von Gütern, Arbeit und Kapital immer wieder durch kriegerische Auseinandersetzungen. Insofern waren die internationalen Wirtschaftsbeziehungen in die internationalen Politikbeziehungen eingebettet; beide waren auf das Engste miteinander verklammert.

    Die Entwicklung von unterschiedlich organisierten Gemeinwesen zu politisch-territorialen Gebilden, die später als „Staaten bezeichnet und mit spezifischen Charakteristika (Volk, Territorium, Regierung, Verwaltung, Gewaltmonopol, stehende Heere etc.) verbunden wurden, war im Europa des 16. Jahrhunderts noch längst nicht abgeschlossen. Staaten als internationale Akteure in diesem modernen Sinne gab es nur wenige. In der Folgezeit bildete sich aber jene Verfasstheit heraus, die – lässt man die wenigen Republiken außer Acht – politisch von absolutistischen und wirtschaftlich von merkantilistischen Regimen geprägt wurde. Erst im 16. Jahrhundert formte sich die „Grenze als eindeutige politische Trennlinie zwischen Gemeinwesen aus, die die bis dahin mehr oder weniger vagen Grenzräume ersetzte. Das änderte allerdings nichts daran, dass die Grenzen in Europa permanent in Bewegung waren.

    Das zentrale Merkmal dieses neuen Typs von politisch-territorialen Gemeinwesen nach außen bildete seine Souveränität. Sie stellte die Basis für das Verhältnis zwischen ihnen und für eine zunehmende Zahl zwischenstaatlicher Verträge dar. Es entwickelte sich – insbesondere in den Jahrzehnten um 1600 – ein enges Geflecht solcher kooperativen, allerdings auch konfligierenden Beziehungen. Der Westfälische Frieden von 1648, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, markiert dann zwar – zumindest in vertragsrechtlicher Hinsicht – den Beginn eines mehr oder weniger geordneten internationalen Systems, vielleicht standen die Staaten aber noch stärker als zuvor in permanenter Konkurrenz um Macht und Einfluss. Das Prinzip der Souveränität baute jedenfalls die rechtliche Ungleichheit zwischen Staaten weitgehend ab, sodass selbst Kriege zwar mit dem Verlust von Gebieten, nicht aber mit dem von Souveränität enden konnten. Das Prinzip der Gleichberechtigung bzw. Gleichheit der Staaten – unabhängig von ihrer tatsächlichen Macht – stellte den Ausgangspunkt für ein sich entwickelndes Völkerrecht und die Grundlage des souveränen Staates dar, der das sogenannte Westfälische System in der Folgezeit prägte. Dabei war Souveränität nicht zwingende Voraussetzung für Völkerrechtsfähigkeit und eigene Staatlichkeit. Das Konzept der staatsübergreifenden „Universalmonarchie, das keine Souveränität einzelner politisch-territorialer Gemeinwesen kannte, spielte in seiner ursprünglichen Bedeutung kaum noch eine Rolle, wohl aber als Legitimation für eine Europa dominierende „Hegemonialmacht wie z. B. Frankreich.

    Realpolitisch wurde das europäische Staatensystem bis weit ins 16. Jahrhundert hinein durch den Dualismus bzw. Antagonismus zwischen den Herrscherhäusern Habsburg und Valois/Bourbon gekennzeichnet und besaß damit einen eher bipolaren Charakter. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert wandelte sich dieser im Zusammenhang mit aufstrebenden Staaten wie den Niederlanden, England oder Schweden in einen eher multipolaren. Am Ende des 17. Jahrhunderts bildete sich dann jenes pentarchische System heraus, das die internationalen Beziehungen im 18. Jahrhundert prägte. Neben diesem für ganz Europa dominanten west- und mitteleuropäischen Staatensystem existierten regionale Subsysteme in Nord/Osteuropa, auf der italienischen Halbinsel, im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation nördlich der Alpen und am südosteuropäischen Rand, die einerseits ebenfalls von den europäischen „Leitmächten" beeinflusst wurden, andererseits aber eigene Dynamiken entwickelten. Von tatsächlicher Gleichheit der Staaten konnte jedenfalls nur bedingt die Rede sein.

    Koloniale Beziehungen europäischer Staaten – 16. Jahrhundert: Das Paradigma des religiös-politischen Universalismus eines gesamteuropäischen, letztlich globalen Papst- bzw. Kaisertums verlor nicht nur für das sich herausbildende innereuropäische Staatensystem an Bedeutung, sondern auch für die Beziehungen zwischen Europa und der übrigen Welt. Zunächst sollte es diese allerdings noch einmal entscheidend prägen. Die päpstliche Bulle „Inter caetera divinae von 1493 teilte den ansatzweise bekannten atlantischen Raum in zwei Einflusssphären, die eine fiktive Linie trennte. Sie verlief 100 Leguas (ca. 550 km) westlich der Kapverdischen Inseln in Nord-Südrichtung von Pol zu Pol durch den Atlantik entlang des 38. Längengrades West. Alle Gebiete westlich davon wurden Spanien zugesprochen, alle Gebiete östlich davon fielen an Portugal. Die Bulle entsprang einerseits noch diesem abgehobenen Universalismusparadigma, andererseits war sie Ausdruck harter Realpolitik, sollte mit ihr doch u. a. eine militärische Konfrontation zwischen den beiden wichtigsten Seemächten und „katholischsten Staaten der damaligen Epoche verhindert werden. Harte Realpolitik führte auch wenige Monate später 1494 zum „Vertrag von Tordesillas zwischen Aragon-Kastilien und Portugal. Er verschob die Trennlinie auf 370 Leguas (ca. 2100 km) westlich der Kapverdischen Inseln, sodass sie durch Südamerika führte. Portugal konnte nun Anspruch auf die östlich dieser Linie gelegenen Gebiete Südamerikas für sich in Anspruch nehmen. Da noch weitgehend unbekannt war, wie die geografischen Verhältnisse auf der „anderen Seite der Welt aussahen, blieb hier die genaue Aufteilung der Einflusssphären zunächst offen. Als die Portugiesen die Molukken – eine Inselgruppe zwischen Borneo und Neu-Guinea – 1512 entdeckten, bemühten sie sich sofort um eine kirchenrechtliche Bestätigung, die ihnen mit einer entsprechenden Bulle von 1514 auch gewährt wurde. Es sollte das letzte Mal sein, dass der Papst zugunsten Portugals recht schaffend in die europäische Expansion eingriff. Wenige Jahre später erhob dann 1520 Spanien Anspruch auf die Philippinen. Die ebenfalls erhobenen Ansprüche auf die Molukken verkaufte es im Vertrag von Saragossa 1529 an Portugal. Die „endgültige" Trennlinie zwischen den Interessensphären legte man auf den 142. Längengrad Ost fest.

    In den Amerikas einschließlich der Karibik fielen außer den Küstenregionen Brasiliens, die unter portugiesische Kontrolle gerieten, alle übrigen Entdeckungen an Spanien – die karibischen Inseln, Florida, Mittelamerika bis Panama, die Küstenregionen des nördlichen, südlichen und des westlichen Südamerikas. Hier wurden Territorialherrschaften errichtet. In Asien nahmen die europäischen Kolonialmächte dagegen keine größeren Landflächen in Besitz. Die Portugiesen schufen lediglich ein Netz von punktuellen Stützpunkten. Die Spanier besetzten zwar Manila, von einer territorialen Herrschaft über die Philippinen konnte aber keine Rede sein.

    Legitimiert wurden die europäische Expansion und die Aufteilung der Welt durch den Missionsauftrag der Katholischen Kirche an die Christen im Allgemeinen und durch den an Spanien und Portugal im Besonderen. Er beinhaltete per se zwar nicht Gewalt und Zwang, wer sich ihm aber widersetzte, durfte bestraft werden. Damit behielten sich die europäischen Eroberer das Recht vor, in allen nicht-christlichen Gebieten unmittelbar zu intervenieren und einseitig Rechte zu erwerben bzw. auszuüben. Es wurde ein grundsätzlicher Diskurs über die Frage geführt, ob „Ungläubige" überhaupt territoriale Souveränitätsrechte beanspruchen und ausüben durften. Neben dem kirchlichen Missionsauftrag stand das weltliche Kriegsrecht, d. h. das Recht auf Krieg und gewaltsame Eroberung, das auch in Europa galt und die Handlungen desjenigen im Nachhinein legitimierte, der siegreich war. Immerhin machte die Grundsatzdebatte über gerechte und ungerechte Kriege in Übersee deutlich, dass die Europäer zumindest dogmatisch kein uneingeschränktes Recht für sich in Anspruch nahmen, außereuropäische Gebiete, politisch-territoriale Gebilde und deren Einwohner als völkerrechtliche Objekte zu behandeln. Es gab sogar die Position, die diese als völkerrechtliche Subjekte anerkannte, gleichzeitig aber ein universelles Recht auf Handel und Niederlassungen postulierte, dessen Verweigerung oder Einschränkung ebenfalls Gewalt rechtfertigte.

    Einer solchen Rechtfertigung bedurfte es eigentlich gar nicht. Die politische und militärische Überlegenheit der Europäer schuf Fakten. Sie machte allerdings Sinn, wenn man gegenüber konkurrierenden Kolonialmächten die eigenen Ansprüche legitimieren wollte, vielleicht auch gegenüber interner Opposition oder sogar gegenüber den betroffenen Gemeinwesen bzw. Menschen. Sie machte vor allem aber dann Sinn, wenn man ex ante Ansprüche anmelden wollte.

    Die Beziehungen der europäischen Staaten zu ihren überseeischen Gebieten werden oft mit dem Begriff der „Kolonialherrschaft erfasst. Dabei geht es im Wesentlichen darum, in welchem Umfang sie die Souveränität dieser Gebiete nach außen und innen respektierten. Kolonialherrschaft konnte von der lockeren Oberaufsicht über die Souveränität nach außen bis zur kompletten Aneignung der Souveränität nach innen reichen. Insofern ist der Begriff „Kolonialherrschaft ausgesprochen vage, weil sie realiter ganz unterschiedliche Formen annehmen konnte.

    In Lateinamerika erkannten die Spanier zunächst nichts an – nicht die persönlichen Rechte der indigenen Bevölkerung, nicht die Eigentums- und Verfügungsrechte an Grund und Boden. Dies änderte sich aber sehr bald im Zuge der Indianergesetzgebung, mit der man die Ureinwohner zu Untertanen der Krone erklärte. Damit übernahmen die Spanier die volle Staatsgewalt über die eroberten Gebiete. Nach Kolumbus – ihm hatte man seine Entdeckungen als Lehen übertragen – wurde alles Land unmittelbar der Krone unterstellt, in Provinzen aufgeteilt und Gouverneuren übergeben. 1535 wurden über dieser Verwaltungsebene Vizekönigreiche mit Vizekönigen geschaffen – zunächst 1535 Neuspanien (Mexiko Stadt) mit den karibischen Inseln, mittel- und nordamerikanischen Gebieten, 1542 Peru (Lima) und sehr viel später 1718 Neugranada (Bogota) und 1776 Rio de la Plata (Buenos Aires). Wirkliche Besiedlung fand nur in Neu-Spanien und Peru statt. In Neu-Mexiko, Texas, Kalifornien, Florida im Norden und Chile, La Plata, Paraguay, Oberperu im Süden – also in Regionen ohne Bodenschätze und Chancen zur Nutzung einheimischer Arbeitskräfte – begnügten sich die Spanier damit, ihre Oberherrschaft durch Stützpunkte und Missionsstationen sicherzustellen. Die Vizekönige standen der Verwaltung, Justiz und dem Militär vor, blieben aber unmittelbar weisungsabhängig vom spanischen König. Insofern besaßen die verschiedenen Verwaltungsgebiete (Las Indias) einerseits einen hohen Grad der Selbstverwaltung, andererseits waren sie in keiner Weise selbstständig oder gar souverän, sondern gleichberechtigte Kronländer neben den anderen Kronländern, staatsrechtlich also keine Kolonien, sondern Bestandteile der spanischen Monarchie. Vizekönige gab es in Zaragoza oder Neapel wie in Mexiko oder Lima. Der Indienrat in Madrid als das oberste Regierungsorgan für die „Kolonien" erließ bis in die kleinsten Details Gesetze und Verordnungen und die spanische Krone behielt sich das Monopol des Handels vor. Zum Schutz des einheimischen spanischen Marktes wurde der Wirtschaftsverkehr innerhalb der Vizekönigreiche und zwischen ihnen reguliert. Zölle und Abgaben wurden nicht nur nach außen, sondern auch nach innen erhoben und die daraus resultierenden Einnahmen an das Schatzamt in Madrid überwiesen. Eine umfassende Kontrolle und Steuerung erreichte man auf diese Weise zwar nicht, immerhin aber eine einheitliche Rechtsprechung und Verwaltungsstruktur.

    Die rechtliche Position der portugiesischen Kolonien und die tatsächliche Politik der portugiesischen Regierung stimmten nur bedingt überein. Brasilien war in zwölf erbliche „Kapitanien aufgeteilt – halbfeudale, politisch fast selbstständige Territorien –, später dann in den „Estado do Brasil und den „Estado do Pará e Maranhao". Zwar ging die Selbstverwaltung weiter als in den spanischen Kolonialgebieten, von wirklicher Autonomie konnte allerdings auch hier keine Rede sein. Die portugiesische Regierung behielt sich ebenfalls das Handelsmonopol vor, erhob Zölle und Abgaben nach außen und innen, die in die Staatskasse flossen. Ganz anders stellten sich die Beziehungen zu den Staaten, politischen Gemeinwesen oder Stammesgemeinschaften in Asien und Afrika dar. Hier ging es lediglich darum, die punktuellen Handelsplätze politisch-militärisch zu sichern und eventuell einen exterritorialen Status zu erreichen. Um das zu realisieren, mussten die Portugiesen zumindest in Asien in ein etabliertes Staatensystem eindringen – in einigen Fällen mit militärischer Gewalt, in den meisten Fällen aber mit Verträgen, basierend auf mehr oder weniger friedlichen Verhandlungen. Wie in Lateinamerika konnte europäisches Völkerrecht nicht einfach auf die dortigen internationalen Beziehungen angewendet werden, sondern das dort gültige Recht gab den Rahmen vor – wenn auch nicht im Sinne multilateraler kodifizierter Regelungen –, in dem sich die Europäer bewegen mussten. Diese bemühten sich darum, besondere Handelsprivilegien zu erlangen, von der einheimischen Rechtsprechung befreit zu werden und ihr eigenes Recht anwenden zu dürfen sowie Grundbesitz für ihre Handelsplätze pachten oder kaufen zu können. In dieser Beziehung entsprachen die gewährten Rechte durchaus denen, die man in den Staaten Europas ausländischen Kaufleuten einräumte. Die größeren portugiesischen Stützpunkte besaßen entsprechend den Städten im Mutterland das Recht auf Selbstverwaltung.

    Es wäre überzogen von „Global Governance" zu sprechen, aber für die interkontinentalen (Wirtschafts-)Beziehungen gab es über einen längeren Zeitraum im 16. Jahrhundert mit Lissabon und Madrid zwei Machtzentren, die diese Beziehungen zentral und exklusiv zu regeln versuchten. Allerdings wurden die päpstlichen Bullen und iberischen Verträge nie als völkerrechtliche Abkommen in dem Sinne akzeptiert, dass sie von anderen Staaten in Europa oder gar in anderen Teilen der Welt anerkannt worden wären und diese ihre Politik danach ausgerichtet hätten. Spanier und Portugiesen konnten ihre Monopolansprüche auf die zwischen ihnen aufgeteilte Welt daher nur vorübergehend behaupten, und zwar nur solange sie in der Lage waren, Seewege und Küstenregionen militärisch zu kontrollieren.

    Jede politische und militärische Auseinandersetzung in Europa berührte auch die Position der europäischen Staaten in Übersee, wie umgekehrt jeder Konflikt dort auf Europa zurückwirkte. Je enger sich die Verbindungen zwischen Europa einerseits und Lateinamerika/Karibik, Afrika und Asien andererseits gestalteten, umso stärker waren die Rückkoppelungen. Ein offener Konflikt entstand beispielsweise um 1540, als der französische König seinen Untertanen erlaubte, in den überseeischen Gebieten Spaniens und Portugals Handel zu treiben. Im Kampf um die Vorherrschaft in Europa kam es dann im Frieden von Crépy 1544 insofern zu einem Kompromiss, als sich Frankreich verpflichtete, in Zukunft weder direkt noch indirekt innerhalb der spanischen und portugiesischen Gebiete politisch-militärisch aktiv zu werden, und Spanien den Franzosen den freien Handel erlaubte. Schon wenige Jahre später nahm Spanien diese generelle Zusage wieder zurück und verlangte eine ausdrückliche Konzession für jede Art von Handel. Die Personalunion zwischen Spanien und Portugal ab 1580 stärkte einerseits die Position Spaniens in Europa. Andererseits waren die portugiesischen Besitzungen bzw. Stützpunkte in Übersee mehr als zuvor Angriffen der Gegner Spaniens ausgesetzt, die damit auch dessen Position in Europa schwächen wollten. Die Vernichtung der spanischen Flotte (Armada) im Ärmelkanal 1588 wirkte sich nicht nur auf die Machtverhältnisse in Europa aus, sondern schwächte ganz wesentlich die Position Spaniens in der Welt und leitete letztlich das Ende seiner Dominanz als globale Seemacht ein. Allerdings waren es nicht nur militärische Auseinandersetzungen mit entsprechenden politischen Folgen innerhalb Europas, die im 16. Jahrhundert die Machtverhältnisse auf den Weltmeeren und anderen Kontinenten veränderten. Bei aller Rivalität schlossen die europäischen Staaten immer wieder auch auf friedliche Weise Abkommen, um Schiffsrouten und Handelsplätze zu sichern oder ganz allgemein Interessen in Übersee auszubalancieren.

    Koloniale Beziehungen europäischer Staaten 17. Jahrhundert: Die europäische Expansion setzte sich im 17. Jahrhundert fort. Zum ersten wurden alte Seerouten durch die Anlage weiterer Stützpunkte und Handelsplätze zusätzlich gesichert und neue Routen eröffnet – quer über den Indischen Ozean, den nördlichen Pazifik und den Nordatlantik. Zum zweiten wurde die Territorialherrschaft in bereits besetzten Gebieten räumlich erweitert und politisch-administrativ gefestigt. Das galt für die spanischen, portugiesischen, niederländischen, englischen und französischen Kolonien in Lateinamerika und der Karibik und in wenigen Fällen für Inseln im Malaiischen Archipel. Zum dritten wurden in Nordamerika und Südafrika neue Siedlungskolonien gegründet.

    Es waren insbesondere die Holländer, die seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert die Monopolansprüche der Spanier und Portugiesen juristisch und politisch angriffen. In den Amerikas bemühten sie sich, eigene Kolonien zu gründen. 1624 eroberten sie im portugiesischen Brasilien Bahia und besetzten sechs Kapitanien, in den folgenden Jahren dann die portugiesischen Niederlassungen für den Sklavenhandel in Westafrika. In Südamerika setzten sie sich außerdem in Curacao (1634) und Guayana (1626) fest. Erst 1654 gelang es den Portugiesen, ihre Gebiete in Brasilien zurückzuerobern. In Asien errichteten die Niederländer neue Siedlungen wie Batavia oder übernahmen ebenfalls mit Gewalt portugiesische Handelsplätze. Größere Territorialherrschaften schufen sie hier vorerst nicht, sondern erwarben nur strategisch wichtige Stützpunkte. In Nordamerika verlief die Entdeckung des Gebietes, auf dem später New York entstehen sollte, mehr oder weniger ungeplant. 1614 gründeten die Holländer hier eine Kolonie mit Neu Amsterdam als zentraler Siedlung. 1664 wurde sie dann allerdings von den Engländern übernommen, die dafür den Holländern freie Hand beim Zuckeranbau in Surinam und beim Zuckerhandel gewährten.

    Die Engländer begannen seit den 1620er-Jahren die atlantische Küste Nordamerikas zu besiedeln – von Neufundland im Norden bis Virginia im Süden. Außerdem setzten sie sich auf einigen Inseln in der Karibik fest und engagierten sich im Handel mit Asien: Seit den 1630er-Jahren errichteten sie Stützpunkte in Indien (Surat, Madras, Bombay, Kalkutta) und später in China (Amoy, Kanton). Im Vergleich zu den iberischen blieben die englischen Kolonien weitgehend autonom. In der Regel wurde ein System aus Governor, Council und Assembly geschaffen, das einen hohen Grad an Selbstverwaltung sicherte. Das Monopol auf den Handel, die Zollpolitik und die Regulierung der Ex- und Importe behielt sich aber auch die englische Regierung vor, wobei sie diese Kompetenzen aber nicht so restriktiv handhabte wie die spanische.

    Den Franzosen gelang es, einige karibische Inseln neu zu besetzen bzw. die Spanier von einigen zu vertreiben. Gleichzeitig begannen sie ebenfalls mit der Besiedlung Nordamerikas. Am St. Lorenzstrom entstand Neu Frankreich mit der zentralen Siedlung Quebec (1608). Stützpunkte bzw. Forts wurden an den Großen Seen und entlang des Ohio und Mississippi errichtet. Am Ende des 17. Jahrhunderts zog sich dann eine lange Kette von kleinen, aber aufstrebenden Kolonien der Engländer, Holländer und eben Franzosen entlang der amerikanischen Küste von Barbados bis Neufundland. In Asien eröffneten die Franzosen Stützpunkte – u. a. auf dem indischen Subkontinent Pondicherry und Chandernagore – und sicherten ihre Handelsrouten auf diese Weise. Kanada wurde 1663 königlicher Besitz und die anderen Kolonien folgten 1674 nach Auflösung der Westindischen Kompagnie. Wie Spanien und Portugal war Frankreich eine absolute Monarchie und die Kolonien kannten daher nur geringe rechtliche Freiheiten und nur unterentwickelte Repräsentationskörperschaften. Die „Parlamente" als Selbstverwaltungsorgane bestanden aus Beamten, Offizieren und Notablen. Die Verwaltungen lagen in den Händen königlicher Beamter, waren zwar nicht so konsequent auf das Mutterland ausgerichtet wie die der iberischen Staaten, besaßen aber hinsichtlich der Handelspolitik ebenfalls nur geringe Spielräume. Letztlich wurden die Kolonien von Paris aus regiert, ohne integraler Bestandteil Frankreichs zu sein.

    Andere europäische Staaten beteiligten sich ebenfalls an der kolonialen Expansion – u. a. Dänemark, Schweden oder Preußen. Sie besetzten allerdings keine größeren Gebiete oder wichtige Stützpunkte. Selbst das Herzogtum Kurland engagierte sich als Kolonialmacht vorübergehend in der Karibik.

    Angesichts des offensiven oder sogar aggressiven Auftretens einiger Staaten bzw. Handelskompanien gerieten Spanier und Portugiesen immer mehr in die Defensive. Portugal musste, wie gesagt, nicht nur einen zeitweiligen Verlust brasilianischer Gebiete hinnehmen, sondern verlor auf Dauer Stützpunkte in Afrika und Asien. Immerhin gründete es noch in den 1680er-Jahren Niederlassungen am Rio de la Plata (Uruguay) im spanischen Hoheitsgebiet. Spanien seinerseits erwehrte sich den Angriffen auf seine Flotten in der Karibik mehr schlecht als recht. Außerdem übernahmen dort Holländer, Franzosen oder Engländer einige spanische Inseln. Den wachsenden Schmuggel mit Spanisch-Amerika konnten die Spanier ebenfalls nicht verhindern.

    Die Rechtmäßigkeit der Aufteilung der Welt unter den iberischen Staaten war, wie erwähnt, von Anfang an umstritten und insbesondere die Holländer versuchten ihre eigenen Ansprüche zu legitimieren und zu legalisieren. Der Missionsgedanke spielte dabei keine Rolle mehr. Die protestantischen Staaten zeigten im Gegenteil durchweg nicht nur geringes Interesse an der christlichen Mission, sondern versuchten sie sogar zu unterbinden, um Konflikte mit außereuropäischen Staaten in Afrika und Asien, die den Handel stören konnten, zu vermeiden. Auch das Argument, dass jedem Staat Eroberungen quasi als Naturrecht zustanden, trat in den Hintergrund. Stattdessen argumentierte man stärker in den Kategorien des sich entwickelnden Völkerrechts. Es ging um die Fragen, ob ein Meer niemandem gehöre (res nullius), ob es grundsätzlich „offen sei (mare liberum) oder vom „Entdecker geschlossen werden könne (mare clausum), ob schon die Entdeckung oder erst die Inbesitznahme von Land zu exklusiven Eigentums- und Verfügungsrechten führe.

    Die politisch-rechtlichen Beziehungen zwischen den europäischen und den überseeischen Staaten bzw. politisch-territorialen Gemeinwesen unterschieden sich von Region zu Region. In Asien fügten sich alle europäischen Staaten wie im 16. Jahrhundert in das System der dort bestehenden völkerrechtlichen Beziehungen ein. Das bedeutete, dass es sich häufig nicht um gleichberechtigte, sondern um abgestufte Tribut- und Vasallitätsverhältnisse handelte. Auch die Europäer kannten die Oberhoheit starker Herrscher an, zahlten Tribut oder machten sich zu ihren Vasallen, um Handel treiben zu können. Die bestehenden Besitz- und Eigentumsverhältnisse sowie die persönlichen Rechte mussten akzeptiert werden. Meist handelten sie Verträge aus, in denen ihnen gegen Abgaben mehr oder weniger weitgehende Handelsrechte, teilweise -privilegien eingeräumt wurden. Es gab aber auch Verträge in voller Gleichberechtigung und solche, mit denen umgekehrt die Europäer einheimische Herrscher zu für diese ungünstigen Absprachen zwangen. Generell erkannte man die kleineren asiatischen Staaten im Laufe der Zeit immer weniger als gleichberechtigte Vertragspartner an und drängte sie in ein Verhältnis der Unterwerfung. Dies gelang mit politischer und militärischer Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieser Staaten, was auch unmittelbare Gewalt gegen die Bevölkerungen bedeuten konnte. Dabei spielte die überlegene Militärtechnik zwar eine nicht unwesentliche Rolle, Ausgangspunkt aller Beziehungen war aber zunächst das regionale Völker- und Vertragsrecht und nicht das europäische.

    In Lateinamerika/Karibik beharrten die Spanier wie die anderen Mächte im 17. Jahrhundert weiterhin auf vollumfänglicher Oberhoheit über ihre Kolonialgebiete. Dennoch mussten sie wie die Portugiesen im Laufe der Zeit Verträge mit indigenen Gemeinwesen abschließen, um ihre Position zu stabilisieren. Das politisch-militärische Engagement reichte für eine vollständige territoriale Beherrschung des gesamten Kontinents nicht aus. Beispielsweise waren sie in Chile sogar gezwungen, ihrerseits Abgaben zu zahlen, um Handel ohne größere Konflikte treiben zu können. In Nordamerika erkannten die Kolonialmächte zunächst keine Souveränitätsrechte der indianischen Stämme an. Unbebautes Land betrachteten sie in der Regel als herrenlos und besetzten es einfach. Allerdings beanspruchte man nicht die volle Staatsgewalt wie in Südamerika, sondern eine lokale Oberherrschaft. Indigene Eigentumsrechte an Boden wurden dann zunehmend akzeptiert, sodass diese relativ bald nur noch käuflich erworben werden konnten. Dabei kam es aber insofern zu einem soziokulturellen Missverständnis, als halbnomadische Gesellschaften nur kollektiven Landbesitz in der einen oder anderen Form kannten, nicht aber Privateigentum nach europäischen Rechtsvorstellungen. Kaufverträge wurden im Übrigen nur mit politisch-gesellschaftlichen Repräsentanten der indigenen Bevölkerung abgeschlossen, mit Häuptlingen, „Gouverneuren", Stammesältesten. Dabei beinhaltete – nach Auffassung der Europäer – der Verkauf von Grund und Boden nicht nur die Übertragung von privaten, sondern auch von hoheitlichen Rechten. Von Territorial- oder Oberhoheit konnte jedoch in der Praxis nur bedingt die Rede sein. Nicht selten kam es für die Europäer zu einem faktischen Tributverhältnis in Form von regelmäßigen Abgaben oder Geschenken an die jeweiligen Stämme, durch sie Frieden und Handelsrechte erkauften. Die theoretische Anerkennung der Souveränitätsrechte durch die Europäer war in Nordamerika jedenfalls stärker ausgeprägt als in Südamerika, wobei die praktischen Beziehungen sogar zu ihrer vollständigen Akzeptanz führen konnten.

    In Afrika gründeten die Europäer im 17. Jahrhundert – sieht man von Südafrika ab – nur punktuelle Niederlassungen. Engere Kontakte entwickelten sich zu politischen Gemeinschaften bzw. Königreichen oder Stämmen allenfalls in Küstennähe. Die mit diesen abgeschlossenen Verträge gingen zwar meist von formaler Gleichberechtigung aus, waren inhaltlich aber alles andere als ein „fairer" Tausch von Gütern und Rechten. Häufig wurde dann später doch die Oberhoheit über bestimmte Gebiete übernommen – vor allem von den Portugiesen –, allerdings nur über die Souveränitätsrechte nach außen. Die internen Herrschaftsverhältnisse blieben weitgehend unangetastet.

    Für die politisch-rechtlichen Beziehungen zwischen Europa und der übrigen Welt war es wichtig, dass nicht Staaten, sondern vornehmlich privilegierte Handelskompanien die entsprechenden Verträge abschlossen. Einerseits betrieben diese als staatliche Agenten Außen(handels)politik. Andererseits verfolgten sie als private Unternehmen wirtschaftliche Interessen. Durch diese hybride Konstruktion sorgten sie dafür, dass nicht jeder militärische Konflikt zwischen den Kolonialmächten in Übersee zu kriegerischen Auseinandersetzung in Europa führte. Wenn die Niederländische Ostindien-Kompanie einen portugiesischen Stützpunkt mit Gewalt eroberte, war es eben nicht der niederländische Staat, der den portugiesischen unmittelbar angriff, sondern ein privates Unternehmen, das sich portugiesischen Besitz aneignete. Eine solche Pufferfunktion übten Handelskompanien auch gegenüber asiatischen Staaten aus. Die Kompanien konnten völkerrechtliche Verträge abschließen, ohne dass sie auf die Einschränkungen Rücksicht nehmen mussten, die nach europäischem Völkerrecht eigentlich mit zwischenstaatlichen oder internationalen Verträgen einhergingen. Ihre Kontrakte besaßen einen halb privatrechtlichen, halb völkerrechtlichen Charakter und konnten wesentlich freier ausgestaltet werden, sodass sich ein flexibles System des kolonialen Völkerrechts herausbildete

    Im 17. Jahrhundert verbanden sich die politischen Interessen und Konflikte in Europa endgültig unauflösbar mit denen in Übersee. Wenn die spanischen Silberflotten in der Karibik im halboffiziellen Auftrag der Regierungen anderer Staaten überfallen wurden, sollte damit auch Spaniens Position in Europa geschwächt werden. Wenn die Niederländische Westindienkompanie Küstenstreifen im portugiesischen Brasilien besetzte, so beruhte das auch auf der starken Stellung der Niederlande in Europa. Das gleiche galt für die zahlreichen Eroberungen von portugiesischen Stützpunkten und Handelsplätzen in Afrika und Asien. Die Kolonialmächte führten Seeschlachten in atlantischen und ozeanischen Gewässern, um ihre wirtschaftliche Positionen im globalen Handel und ihre politische in Europa zu verbessern. Umgekehrt wirkten sich die permanenten kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa – mit einer besonders intensiven Phase zwischen 1618 und 1648 – auf das kolonial- und handelspolitische Arrangement in der übrigen Welt aus. Jeder größere Krieg führte zu Kämpfen in Amerika. Jeder wichtigere internationale Vertrag enthielt die Abtretung oder den Tausch von amerikanischen Territorien – der Westfälische Friedensvertrag 1648 ebenso wie der Vertrag von Breda 1667, der Vertrag von Nijmwegen 1678 oder der Vertrag von Rijswijk 1697. Anfangs erzielten die Niederlande besondere Erfolge bei der Durchsetzung ihrer handelspolitischen Interessen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts traten dann aber auch die Engländer und Franzosen immer offensiver auf. Die wichtigsten spanischen Kolonien waren trotz der zunehmenden Schwäche Spaniens in Europa u. a. deshalb nie ernsthaft bedroht, weil England und Holland aus Angst vor einer Vorherrschaft Frankreichs in Europa Spanien als Koalitionspartner brauchten. Immerhin führte aber noch nicht jeder militärische Konflikt in anderen Regionen der Welt zu kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa.

    Die wechselseitige Anerkennung der freien Schifffahrt und des freien, allerdings konzessionierten Handels wurde erst ganz allmählich durch eine Vielzahl entsprechender Verträge zwischen den europäischen Staaten erreicht. Spanien bestand sogar noch am Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Handelsmonopol mit Lateinamerika. Häufig wurden in diesen Verträgen breite Küstenstreifen oder Teile des Meeres als exklusive Wirtschaftszonen der Anrainerstaaten vereinbart. Wie weit die europäische Rechtssphäre ging und wo der rechtlose „Naturzustand" begann, blieb im 16. Jahrhundert umstritten. Anfang des 17. Jahrhundert akzeptierte man dann allgemein den Azoren-Meridian als Trennlinie mit dem südlichen Abschluss am Wendekreis des Krebses. In dieser Zeit fixierte noch jeder Anrainerstaat die Reichweite seiner Souveränität auf dem Meer nach eigenen Vorstellungen – etwa nach Sichtweite. Erst am Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich die Dreimeilenzone durch.

    Koloniale Beziehungen europäischer Staaten 18. Jahrhundert: Die europäische Expansion hielt zwar während des gesamten 18. Jahrhunderts an, es traten aber nur wenige wirklich neue Gebiete zu den bisherigen kolonialen hinzu. In Indien begannen die Briten eine Territorialherrschaft zu errichten. In Nordamerika setzte die Besiedlung vom Westen her durch Spanier und Russen ein und weitete sich vom Osten her vor allem durch Engländer und Franzosen aus. Auch der Kreis der Staaten mit außereuropäischer Präsenz veränderte sich kaum. Das bedeutet allerdings nicht, dass nicht auch andere Staaten wie Schweden oder Preußen ihr außereuropäisches Engagement ausbauen oder festigen wollten. Dabei erwies sich die machtpolitische Konstellation in Übersee als durchaus nicht stabil. Relativ stabil stellte sich weiterhin das hispano-amerikanische Kolonialreich dar. Ansonsten blieben die kolonialen Gebilde in Bewegung, wobei es sich bei „Kolonien" bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nach wie vor mit wenigen Ausnahmen nicht um größere Territorien handelte, sondern um punktuelle Stützpunkte und Handelsplätze. Nur ein verschwindend kleiner Teil Asiens kam tatsächlich unter europäische Oberhoheit – Bengalen, Ceylon (Sri Lanka) und einige indonesische Inseln, mit Einschränkung auch die Philippinen. In Afrika beherrschten die Europäer mit Ausnahme der niederländischen Siedlungskolonie am Kap ebenfalls nur wenige kleine Gebiete. Insgesamt war man zwar relativ schnell bereit, einzelne Inseln wieder aufzugeben oder bestimmte Stützpunkte zu räumen, dennoch wurde um jede überseeische Position hart gerungen. Abb. 1.5 gibt einen Überblick über die politische Welt um 1750.

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    Abb. 1.5

    Politische Welt um 1750.

    (Quelle: Bayly 2006, S. 40)

    Dass sich die staatliche Kolonialherrschaft überhaupt ausweitete, hatte vor allem folgende Gründe: Erstens scheiterten die Handelskompanien bei der Selbstverwaltung ihrer Besitzungen bzw. kamen zur Auffassung, dass der Ausbau staatlicher Macht und die Beschränkung auf wirtschaftlichen Handel größere Gewinne sicherten. Die Tatsache, dass die Handelskompanien Tribute zahlen mussten, um überhaupt Handel treiben zu dürfen, schränkte ihre Profite ein. Höhere Gewinne versprachen sie sich von einer Konstellation, in der umgekehrt die indigenen Herrscher Abgaben leisten mussten – entweder in Form von Waren, die man in Europa oder anderswo verkaufen konnte, oder als monetäre Leistungen. Es ging also um die Sozialisierung der politischen Kosten und die Privatisierung des wirtschaftlichen Nutzens. Zweitens kamen den Europäern die Schwächen und Auflösungserscheinungen überkommener Herrschaftsstrukturen in Asien im beginnenden 18. Jahrhundert entgegen. Drittens versuchten die Kolonialmächte durch Territorialherrschaft außerhalb Europas sich gegenseitig zu schwächen, um innerhalb Europas größeren Einfluss zu gewinnen. In jedem Fall führte die Übernahme der Besitzungen zahlreicher Handelskompanien zu vielfältigen staatsrechtlichen Konstruktionen zwischen diesen neuen kolonialen Gebieten und dem Mutterland. Insofern kam es zu einer „Verstaatlichung" der internationalen Beziehungen und damit auch der Handelspolitik.

    Einer besonderen Rechtfertigung bedurften koloniale Expansion und Herrschaft nach zwei Jahrhunderten nicht mehr. In Asien verstanden sich die Europäer in der Zwischenzeit als Akteure in einem internationalen System, das dem in Europa zu ähneln schien und das durch Krieg, Teilung und Abtretung gekennzeichnet war. Die internationalen Beziehungen in dieser Weltregion galten nicht mehr als Sonderfall und die Teilnahme musste nicht mehr besonders legitimiert werden. In Südafrika und vor allem Nordamerika gab es keine Gemeinwesen mit einer Staatlichkeit, die der europäischen glich, sodass auf die Souveränitätsrechte der indigenen Bevölkerungen kaum Rücksicht genommen werden musste. Allerdings breitete sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Auffassung aus, die den Europäern generell das Recht absprach, die übrige Welt zu okkupieren und zu beherrschen. Kern dieses Ansatzes bildete die Respektierung der naturrechtlichen Freiheit und Gleichheit aller Gemeinwesen – unabhängig davon, wie sie verfasst waren.

    Die internationalen Beziehungen in und außerhalb Europas mit ihren vielfältigen Wechselwirkungen wurden im 18. Jahrhundert eher noch enger. Allerdings blieb es zumindest in der ersten Hälfte weiterhin möglich, kleinere Streitigkeiten um koloniale Besitzverhältnisse „unter der Hand beizulegen. Erst nach der Jahrhundertmitte sah man überseeische Konflikte als so wichtig an, dass sie fast zwangsläufig ihre unmittelbare Fortsetzung in Europa fanden. Zu militärischen Auseinandersetzungen kam es zwischen Spanien und England sowie England und Frankreich in Nordamerika, zwischen Portugal und Spanien in Südamerika (Banda Oriental/Uruguay) oder zwischen Frankreich und England in Indien. Eine fast wichtigere Rolle als die Besetzung von Territorien spielte bei solchen Streitigkeiten die Gefährdung von Handelsmonopolen. Der illegale Handel mit den spanischen Kolonien blühte und die Versuche, die englischen oder holländischen Schmuggler von Jamaika, St. Eustatius oder Curacao zu vertreiben, hatten die Karibik schon im 17. Jahrhundert in eine Region permanenter militärischer Konflikte verwandelt. Dabei hatte es sich allerdings meist um staatlich sanktionierte, letztlich aber private Kaperei bzw. Seeräuberei – also um räumlich, zeitlich und militärisch begrenzte Aktionen – gehandelt, die sich dann im 18. Jahrhundert in Nordamerika zu länger andauernden „Staatskriegen mit offiziellen Truppen wandelten.

    Obwohl die Auseinandersetzungen in Übersee ihre eigene Dynamik entwickelten, waren sie doch häufig das auslösende Moment für Konflikte in Europa, die ihrerseits dann wieder auf diese zurückwirkten. Europäische Kriege weiteten sich im 18. Jahrhundert endgültig zu Weltkriegen aus. Dabei gewannen die globalen Wirtschaftsinteressen eine immer größere Bedeutung. Wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt zwischen Politik (dynastischer Hegemonie) und Religion einerseits und Wirtschaft und Handel andererseits unterscheiden kann, war es bei den europäischen Kriegen im 17. Jahrhundert noch stärker um erstere gegangen, im 18. Jahrhundert ging es dann vor allem um letztere, d. h. um die Sicherung von Ressourcen, Absatzmärkten und Seewegen. Das Jahrhundert begann mit dem Spanischen Erbfolgekrieg, den der Frieden von Utrecht 1713 beendete. Er sollte ein stabiles Staatensystem in Europa schaffen und ein friedliches Nebeneinander europäischer Staaten in Übersee ermöglichen. Das spanische Kolonialreich mit seinem Handelsmonopol blieb – von Konzessionen für ausländische Kaufleute bzw. Handelsgesellschaften abgesehen – im Wesentlichen erhalten. Großbritannien erwarb Gibraltar, Menorca, Neufundland, Neuschottland und die Gebiete der Hudson Bay. Außerdem sicherte es sich für 30 Jahre das Monopol auf den afrikanischen Sklavenhandel mit Spanisch-Amerika. Dies machte erneut deutlich, wie schwach die Position Spaniens und wie stark die Großbritanniens in der Zwischenzeit geworden war.

    In den folgenden Jahren gelang der europäischen Konvenienzpolitik das konfligierende Verhältnis der europäischen Staaten unter der Schwelle zur kriegerischen Auseinandersetzung zu halten. Es kam sogar zu gemeinsamen Initiativen wie z. B. zur Bekämpfung der Bukanier und Filibuster in der Karibik. 1739/1740 wurde diese Schwelle dann aber doch wieder überschritten, als Großbritannien und Spanien einen Krieg begannen, um ihre Handelsinteressen in der Karibik zu verteidigen. Der Ausbruch des Krieges zwischen Großbritannien/Österreich und Spanien/Frankreich 1744/1745 ließ einen tatsächlich globalen Konflikt entstehen, der in Europa ebenso ausgetragen wurde wie in Asien und Nordamerika und mit Unterbrechungen letztlich bis zur Neuordnung des europäischen Staatensystems 1815 andauerte. Im Kern ging es im Kampf zwischen Großbritannien und Frankreich um die Vorherrschaft in Europa und der Welt.

    Während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) vertrieb Großbritannien Frankreich aus Kanada, schwächte dessen Position in Indien und wandte sich gegen Spanien, indem es Manila und Havanna überfiel. Während die Briten außerhalb Europas ein globales Kolonialreich erobern wollten – Kuba und die Philippinen mussten im Frieden von Paris 1765 allerdings wieder abgetreten werden –, verfolgten sie innerhalb Europas eine Politik des Gleichgewichts. Wenn der britische Premierminister nach dem Siebenjährigen Krieg, in dem Großbritannien Preußen unterstützt hatte, feststellte, dass Kanada auf den Schlachtfeldern in Deutschland erobert worden sei, weil dadurch französische Truppen in Europa gebunden worden wären, beweist dies beispielsweise, wie sehr europäische und globale Politik miteinander verklammert waren.

    Das zeigte sich auch im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776–1783), als Frankreich und Spanien 1779 auf amerikanischer Seite eingriffen, um sowohl eine weitgehende Kontrolle des Welthandels durch Großbritannien, die sich durch dessen Siege in Kanada und Indien abzeichnete, zu verhindern als auch die britische Position in Europa zu schwächen. Beides gelang nur bedingt. Bis 1815 besiegte Großbritannien die Flotten nicht nur Frankreichs, sondern auch Spaniens, Hollands und Dänemarks und übernahm weitgehend deren Kolonien. Das spanische Kolonialreich in Südamerika brach zusammen und auf die neuen souveränen Staaten übte Großbritannien erheblichen Einfluss aus. Die dadurch entstehende britische Dominanz auf den Weltmeeren festigte nicht nur das System des eurozentrischen Welthandels, sondern ebnete den Weg für die hegemoniale Position Großbritanniens im 19. Jahrhundert.

    Asien

    Außerhalb Europas existierten vor allem in Asien politisch-territoriale Gemeinwesen, die dem europäischen Verständnis von „Staaten" am ehesten entsprachen. Klare Grenzen existierten häufig allerdings nur dort, wo naturgegebene Barrieren wie Küsten, Flüsse oder Gebirge vorhanden waren. Ansonsten handelte es sich um mehr oder weniger vage Grenzräume. Daneben bestanden Gemeinwesen, die diesem Staatsverständnis nur bedingt entsprachen. Neben zahlreichen mittelgroßen Königreichen, Sultanaten, Fürstentümern oder Stammesgebieten existierten einige Großreiche: im Nahem und Mittleren Osten das Osmanische Reich und das Reich der Safawiden, in Nordindien das Mogulreich, in Südindien bis Mitte des 16. Jahrhunderts das Reich von Vijayanarga, auf Java das Sultanat Bantam und das Königreich Mataram, die Kaiserreiche China und Japan. Das asiatische Staatensystem wies in seiner grundlegenden Struktur zunächst zwar eine höhere Stabilität auf als das europäische, einzelne Subsysteme gerieten aber seit dem 17. Jahrhundert zunehmend in Bewegung. In jedem Fall stellten politischer Druck und militärische Gewalt kein spezifisch europäisches Phänomen dar. Seit dem 16. Jahrhundert kam es zu zahlreichen Kriegen u. a. zwischen dem Reich der Osmanen und dem der Safawiden, zwischen Burma und Siam, Siam und Kambodscha, Vietnam, China und Laos oder zwischen Japan und Korea.

    Es ist nicht möglich, von einem gemeinsamen „asiatischen Völkerrecht" zu sprechen, weil sich die Rechtsauffassungen über das Wesen internationaler Beziehungen zu sehr unterschieden. Innerhalb des Geltungsbereichs des Islams konnte es zumindest nach klassischer Rechtsauffassung keine völkerrechtlichen Beziehungen geben, weil das Kalifat den Status einer Universalmonarchie beanspruchte. Das galt im Osmanischen Reich selbst für die Territorien bzw. politischen Gemeinwesen, die zumindest faktisch einen Teil ihrer Souveränität bewahrten. Allerdings konnten mit Nicht-Muslimen internationale Verträge abgeschlossen werden, so Waffenstillstands-, Friedens- oder Handelsverträge. Das Osmanische Reich geriet dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in die Krise, wobei regionale Kriegsherren schon zuvor mehr oder weniger eigenständige Herrschaften aufgebaut hatten. So war Ägypten als die wohlhabendste Provinz praktisch unabhängig und in Nordafrika nahm der osmanische Einfluss generell immer mehr ab.

    In Indien dominierte das Mogul-Reich seit dem 16. Jahrhundert den Subkontinent und kontrollierte umliegende Regionen bzw. Staaten, wobei abgestufte Vasalitäts- und Tributverhältnisse die internationalen Beziehungen kennzeichneten. Kriege, Gebietsverluste und -gewinne, Tributverweigerungen und Autonomiebestrebungen verliehen diesem internationalen Subsystem aber eine erhebliche Dynamik. Am Ende des 17. Jahrhunderts setzte dann der Niedergang des Mogul-Reichs ein, sodass es am Anfang des 18. Jahrhunderts – zusammen mit dem benachbarten Safawiden-Reich im Iran – in

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