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Luxus als Distinktionsstrategie: Kommunikation in der internationalen Luxus- und Fashionindustrie
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eBook655 Seiten6 Stunden

Luxus als Distinktionsstrategie: Kommunikation in der internationalen Luxus- und Fashionindustrie

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Über dieses E-Book

Dieses Buch beleuchtet den schillernden Begriff „Luxus“ und seine verschiedenen Ausprägungen in der Modebranche aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In 27 Beiträgen verknüpft es wissenschaftliche Analysen mit einem Überblick zu aktuellen Trends auf dem Luxusgütermarkt und den konkreten Anwendungen der Markenkommunikation im Luxussegment.
Zunächst untersuchen die Autoren die Geschichte des Begriffs und die Bedeutung des Luxus in Kunst, Medien und Gesellschaft. Grundlage hierfür ist die historische Tradition des Luxusbegriffs, die bis in die Antike zurückreicht. Im zweiten Teil nehmen Vertreter der Medien-, Consulting- und Luxusbranche aus Europa und Asien in Interviews ausführlich Stellung zur Bedeutung von Luxus und Lebensstil für Konsumenten. Neben der Vermarktung von Luxusprodukten über Labels, Blogs, Online-Shops oder Premium-Kaufhäuser heben sie dabei aber auch ihre Bedeutung als Vermögensanlage heraus. So entsteht ein differenziertes Bild der aktuellen Trends auf dem Markt für Luxusgüter. Praktische Aspekte der Luxuskommunikation in Beratung, Strategie und operativer Anwendung stehen im Mittelpunkt des dritten Teils des Werkes. Der vierte und letzte Teil beschäftigt sich mit dem Phänomen der Digitalisierung und der Frage, wie diese für die Luxusmarkeninszenierung genutzt werden kann
Die Beiträge zeigen anhand von Beispielen aus verschiedenen Branchen, wie erfolgreiche PR und Werbung im Luxussegment gestaltet werden kann. Im Mittelpunkt stehen konkrete Absatzstrategien und Kommunikationsmaßnahmen aus Marketingsicht und die Frage, mit welchen Medien die Endkonsumenten am ehesten erreicht werden. Die Autoren setzen sich auch mit digitaler Modekommunikation auseinander und fragen, wie sie für die Luxusmarkeninszenierung genutzt werden kann. Das Buch richtet sich an Marketingfachkräfte aus der Modebranche und anderen Luxussegmenten der Konsumgüterindustrie.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum7. Sept. 2018
ISBN9783658215699
Luxus als Distinktionsstrategie: Kommunikation in der internationalen Luxus- und Fashionindustrie

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    Buchvorschau

    Luxus als Distinktionsstrategie - Dominik Pietzcker

    Hrsg.

    Dominik Pietzcker und Christina Vaih-Baur

    Luxus als DistinktionsstrategieKommunikation in der internationalen Luxus- und Fashionindustrie

    ../images/429663_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.gif

    Hrsg.

    Dominik Pietzcker

    Hochschule Macromedia, Berlin, Deutschland

    Christina Vaih-Baur

    Hochschule Macromedia, Stuttgart, Deutschland

    ISBN 978-3-658-21568-2e-ISBN 978-3-658-21569-9

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-21569-9

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018

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    Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Vorwort – neue Perspektiven auf ein altes Thema

    Mit dem vorliegenden Buch verfolgen die Herausgeber eine doppelte Perspektive: Das Thema Luxus soll sowohl in seinen theoretischen als auch in seinen praktischen Bezügen ausgeleuchtet werden. Dort, wo sich beide Perspektiven treffen, wird der Blick frei auf eine zeitgemäße Einordnung des Phänomens Luxus in seinen vielfältigen Bezügen zu Wirtschaft und Gesellschaft (Max Weber, 1922/1985, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Tübingen: Mohr), Lebensstil und Kultur. Die globale Vielfalt des Themas Luxus abzubilden, war den Herausgebern wichtig; durch die Wahl der Autorinnen und Autoren aus sieben Nationen und unterschiedlichsten Branchen wurde dies zumindest im Ansatz versucht.

    Im ersten Teil geht es darum, den wenig trennscharfen Begriff Luxus historisch anhand ausgewählter Beispiele zu präzisieren und seine ökonomische und kulturelle Bedeutung für die Gegenwart zu belegen. Vollständigkeit kann hier nicht erstrebt werden, vielmehr sollen einige Schlaglichter auf die anhaltende Debatte über Relevanz und Legitimität von Luxus, Privileg und sozialer Distinktion (Pierre Bourdieu, 1979/1984, Die feinen Unterschiede. Frankfurt/M.: Suhrkamp) gesetzt werden. Grundlage ist dabei die historische Tradition des Luxusbegriffs, die sich in Europa seit der Antike entfaltete. Soziologisch fruchtbar wurde der Luxusbegriff durch den Aufsatz von Werner Sombart „Luxus und Kapitalismus", der aufzeigen konnte, dass die Hofhaltung der französischen Könige die Produktion und den Konsum hochwertiger Waren und Dienstleistungen beschleunigte – bis in die Blütezeiten des Kapitalismus (Werner Sombart, 1913/2015, Luxus und Kapitalismus. Reprint o. O.). Sombarts Studie wird im vorliegenden Buch aus heutiger Sicht kritisch gewürdigt. Zum Thema Luxus in der anbrechenden Moderne gehört sicherlich auch die individuelle Selbstinszenierung mit den Attributen des high life. Das gilt für die leisure class (Thorstein Veblen, 1899/1994, The Theory of the Leisure Class. London: Penguin Classics) ebenso wie für Exponenten der Unterhaltungsbranche – man denke etwa an die Stars der sich als Massenmedium etablierenden Filmindustrie – und für bildende Künstler. Daran erinnert der Aufsatz über die Malerin des Art Déco, Tamara de Lempicka, die nicht von ungefähr ihre Karriere in Paris begann und in Hollywood beschloss. Ebenfalls wird in diesem Kapitel die Brücke zwischen Luxusbegriff und Modeverständnis gelegt und ein klärender Blick auf die Besonderheiten von Mode- und Lifestyle-Journalen geworfen, von ihren Anfängen bis in die Gegenwart.

    Im zweiten Teil kommen Repräsentanten der Medien-, Consulting- und Luxusbranche zu Wort. Die Luxusökonomie, die bis heute vom Reiz exotischer Waren aus fernen Ländern zehrt, ist seit ihren Anfängen ein internationales Geschäft. Im Zeitalter globaler Warenströme tritt dieses Charakteristikum ganz unmissverständlich zutage. Luxus ist geradezu ein Synonym für Internationalität und Kosmopolitismus. Daher war es den Herausgebern ein besonderes Anliegen, auch internationale Stimmen und Experten zu Wort kommen zu lassen und sie in diesem Herausgeberwerk zu vereinen. So werden Marktentwicklungen in Südeuropa ebenso dargestellt wie der sich zügig entwickelnde Markt in der Volksrepublik China, welche sich von ihrer Reputation als „Werkbank der Welt" zu lösen beginnt und längst eigene Marken im Hochpreissegment besitzt. Auch aus makroökonomischer Perspektive ist der Luxusmarkt international relevant – dies wird im Gespräch mit den Expertinnen und Experten der Boston Consulting Group deutlich. Ebenfalls wird das Thema Luxus als Vermögensanlage und Investmentstrategie aufgegriffen. Diese ebenso spannenden wie vielfältigen Entwicklungen im heutigen Luxusmarkt werden in diesem Teil ausschließlich in Form von Interviews abgebildet. Auf diese Weise können auch aktuelle Trends belegt werden, die in der Fachliteratur noch keinen Niederschlag gefunden haben (vgl. Luc Boltanski und Arnaud Esquerre, 2018, Bereicherung. Eine Kritik der Ware. Berlin: Suhrkamp).

    Der dritte Teil möchte den gegenwärtigen praktischen Aspekten der Luxuskommunikation in Beratung, Strategie und operativer Anwendung breiten Raum geben. Dies gelingt am ehesten durch branchenspezifische Beiträge, die sowohl von Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern als auch von Berufspraktikern verfasst wurden. Der Begriff Luxus wird anhand von aktuellen Trends und technologischen Innovationen aus Mode, Hotellerie, Lifestyle und Medien dargestellt. Die Fülle an Branchen, Marken und Produkten kann nur exemplarisch wiedergegeben werden. Dennoch ist zu hoffen, dass die gewählten Beispiele der Leserin und dem Leser einen vertiefenden Eindruck über die Diversität und Anwendungsbreite des Luxusbegriffs gewähren und zugleich den gemeinsamen Bezugspunkt erkennen lassen. Dabei spielen insbesondere konkrete Absatzstrategien und Kommunikationsmaßnahmen aus Marketingsicht sowie präferierte Medien für die Erreichung von Endkonsumenten eine wichtige Rolle. Auch der Design-Aspekt für die Entwicklung und Gestaltung von Luxusobjekten findet hier Berücksichtigung. Als Gesellschaftsphänomen des Überflusses legt Luxus in der sozialwissenschaftlichen Betrachtung eine vielfältige Quellenlage und unterschiedlichste Anwendungsfelder nahe; diesem Gedanken fühlt sich die Auswahl der Beiträge in diesem Kapitel verpflichtet.

    Luxuskommunikation im digitalen Raum, insbesondere in den sozialen Medien, nimmt unter dem Vorzeichen der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft eine herausgehobene Rolle ein. Der Digitalisierung der Luxusbranche ist daher der vierte und zugleich letzte Teil gewidmet. Hier wird deutlich, dass der global unaufhaltbare Trend der digitalen Transformation längst auch die Luxusbranche erfasst und tief greifend verändert hat. Dies birgt sowohl Risiken als auch Potenziale für die Branche, zwingt aber in jedem Fall zu neuem Denken und Handeln. Die Aufsätze zu Produktdesign, Zeitschriften, Influencer-Marketing und Point-of-Sale-Strategien bilden ein breites Spektrum an Aktionsmöglichkeiten im Luxussegment ab.

    Die Herausgeber danken allen Autorinnen und Autoren dieses Bandes für die vielfältigen Beiträge. Zusammen ergeben sie ein facettenreiches, bisweilen auch widersprüchliches Spiegelbild des globalen Konsumverhaltens im Hochpreissegment. Luxus ist und bleibt ein Phänomen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reichtums – womöglich nicht so sehr des kulturellen –, Ausdruck weniger von Maß als von Übermaß und näher dem Exzess als der Selbstbeschränkung. Das Paradox von Überfluss und Mangel, Distinktion und Ausgrenzung, welches der Luxusbegriff in sich trägt, wird auch weiterhin ein unlösbares sein. Auch dies gehört zu den Erkenntnissen dieser gesammelten Beiträge.

    Dominik Pietzcker

    Christina Vaih-Baur

    Stuttgart und Hangzhou

    im Sommer 2018

    Inhaltsverzeichnis

    Teil I Zum Luxusbegriff in Geschichte, Gesellschaft und Medien

    1 Luxus jenseits ideologischer Kritik und affirmativer Haltungen 3

    Dominik Pietzcker

    2 „Der phänomenale Sieg des Weibchens" 21

    Wolfgang Kreuter

    3 Mode- und Luxuszeitschrift​en – seit langem eine journalistische Herausforderung 31

    Florian Stadel

    4 Das Gesicht der (Luxus-)Mode:​ die Göttin des Art déco, Tamara de Lempicka 41

    Ester Saletta

    5 Luxury, Quo Vadis?​ an Ambiguous Notion and Its Practice in Portugal 65

    José Augusto Pinto

    6 Luxury Consumption, Seen Under a Contemporary Light 83

    Jennifer Webber

    Teil II Einblicke in das Universum der Luxuskommunikation

    7 Aspirational Symbols of Today’s Global Society 97

    Antonella Mei-Pochtler und Hannes Gurzki

    8 „Luxusgüter können in der Tat hervorragende Investments sein" 109

    Thomas Garms

    9 „Markendesign als automobiles Luxus-Erlebnis" 113

    Bernd Stegmann

    10 „Zeit und Freiheit sind die größten Luxusgüter" 117

    Susanna-Frederika Bollmann und Sarah Albrecht-Fuhrmann

    11 „In Luxury Brands verliebt man sich" 121

    Sabine Meister

    12 „Luxus ist das härteste Geschäft" 127

    Petra Winter und Florian Stadel

    13 „Westliche Frauen probieren auch den asiatischen Stil" 131

    Shuang Wu und Ce Jian

    14 E-shopping is quite popular in China 141

    Yi Joshua Wang und Hua Fangh

    15 „Die Perle im Schmuckmarkt" 145

    Till Schöffel

    16 „Exklusive Reisen:​ Versteckte Juwelen und authentische Erlebnisse" 151

    Gabriele Reminder-Schray

    17 Eine schwäbische Stadt inszeniert Fashion und Luxus zu günstigen Preisen 157

    Isidora Muthmann

    Teil III Zur Schlüsselfunktion der Kommunikation in der Luxus- und Fashionindustrie

    18 Luxus und Marketing – zeitgemäße Formen der Kommunikation 163

    Christina Vaih-Baur

    19 Fashion-PR – Besonderheiten in der Kommunikation von Luxusmodemarken 177

    Lisa Schulz

    20 Ästhetik als Erfolgsfaktor im Kommunikationsma​nagement – nicht nur für Luxus-Modemarken 197

    Jan Lies

    21 Intercultural Corporate Communication in the Luxury Hotel Industry 213

    Valentin Borza

    22 Die Kunst der Verknappung – Kommunikationsst​rategien für Luxusmarken 233

    Sonja Kastner

    23 Die Etablierung des Antitrends Normcore im Luxussegment der Mode 251

    Clemens-August Nikolaus Wachs

    24 Wie Unternehmen im Fashion- und Luxury-Segment Blogger und Influencer Relations erfolgreich für die Unternehmenskomm​unikation nutzen 267

    Nina Armbruster und Madeleine Bergmann

    25 Hat „analog" noch Zukunft?​ – Modepublikatione​n im Spannungsfeld klassischer und neuer Medien 279

    Juliane Stieghorst

    Teil IV Die technologische Transformation der Luxusbranche – Potenzial und Praxis digitaler Kommunikationskanäle

    26 Virtual Reality in der Markenkommunikat​ion am Point of Sale – Ergebnisse einer qualitativen Befragung 301

    Christian Rudeloff und Nadine Müller

    27 Without Design, It’s just a Lump of Gold — Future Developments in Design as Luxury 317

    Silvio Barta und Uwe Stoklossa

    Teil IZum Luxusbegriff in Geschichte, Gesellschaft und Medien

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018

    Dominik Pietzcker und Christina Vaih-Baur (Hrsg.)Luxus als Distinktionsstrategiehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-21569-9_1

    1. Luxus jenseits ideologischer Kritik und affirmativer Haltungen

    Dominik Pietzcker¹  

    (1)

    Berlin, Deutschland

    Dominik Pietzcker

    Email: dominik@dominik-pietzcker.com

    La vie sociale consiste à détruire ce qui lui donne son arôme.

    Claude Lévy-Strauss (2008, S. 411)

    Zusammenfassung

    Luxus kennt viele Spielarten, und die Betrachtungsweisen auf das Phänomen gesellschaftlichen Überflusses sind so vielfältig wie seine Erscheinungsformen. Luxus lässt sich unter philosophischen Aspekten genauso betrachten wie unter ökonomischen, soziologischen und anthropologischen. Einige typische Fragestellungen lauten: Was ist notwendig – was überflüssig? Wie lassen sich Produkte und Dienstleistungen ökonomisieren, deren Reiz in ihrer Nutzlosigkeit liegt? Wie kommt es, dass Luxuskonsum zu allen Zeiten und in allen menschlichen Kulturen zu beobachten ist? Wie kann Luxus mit einem egalitären oder meritokratischen Gesellschaftsbild in Einklang gebracht werden – oder handelt es sich um einen antagonistischen Gegensatz? Es geht also darum, sich dem oszillierenden Luxusbegriff von verschiedenen Richtungen anzunähern, ohne sich dabei in den üblichen ideologischen Fallstricken zu verlieren.

    1.1 Das Überflüssige und Nutzlose als anthropologische Konstante

    Ähnlich wie das Spiel und die Liebe, der Krieg und die Kunst gehört auch das Thema Luxus zu den übergreifenden und zeitlosen Erscheinungsformen menschlicher Kultur. Die mehr oder weniger intensive gesellschaftliche, familiäre oder individuelle Beschäftigung mit Praktiken und Artefakten, die nicht zwingend dem Überleben der eigenen Spezies dienen, sondern ausschließlich eine komplexe Sozialfunktion mit starker ästhetischer Komponente erfüllen, lässt sich über europäische und außereuropäische Kulturen hinweg seit der Antike bis in die Gegenwart lückenlos verfolgen. Luxus kann geradezu als anthropologische Konstante begriffen werden, die weit mehr als nur ökonomischen Motivationen folgt und diese befriedigt.¹ Der polnische Ethnologe Bronislaw Malinowski (2015, S. 184 ff.) berichtet von tribalen Geschenkritualen im Westpazifik, deren alleiniger Zweck in der Distinktion von Beschenktem und Schenkendem liegt – und nicht etwa in der situativen Nutzanwendung der Objekte. In diesem Sinne ist auch Luxus nicht primär funktional, sondern relational motiviert. Luxus und Luxuskonsum regeln auf vielfältige Weise Beziehungen innerhalb gesellschaftlicher Gruppen und Netzwerke. Luxus ist dabei eine zumeist implizite Codierung, ein Erkennungsmuster, an dem sich soziale Zugehörigkeit, aber eben auch Andersartigkeit und Nichtzugehörigkeit ablesen lassen.² Luxus ist dabei niemals solitär oder rein exklusiv (dies glaubten nur die décadents),³ sondern im Gegenteil stets inklusiv. Nicht der einsame Selbstgenuss, sondern das eigene gesellschaftliche Abbild, welches der Luxuskonsum zwangsläufig produziert, ist hier der wesentliche begriffliche Bezugspunkt. Mit anderen Worten: Das vordergründig Unnütze⁴ erfüllt stets einen sozialen Zweck und dient dem Erhalt gesellschaftlicher Stratifizierungen, wie immer man diese im Einzelfall bewerten möge. Luxus gehört unlösbar zur menschlichen Geschichte und ist, da er notorisch den Unterschied zwischen Individuen, Gruppen, Klassen etc. betont, ein im Kern militanter Begriff. Weil Luxus und Luxuskonsum gesellschaftliche Differenzierung schaffen und – sichtbar für alle – diese als vermeintlich erstrebenswert darstellen, sind sie die natürlichen Antagonisten einer sozial befriedeten Gesellschaft, in der materielle Unterschiede keine Rolle spielen. „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm", sang bereits der Zuhälter Mackie Messer.⁵ Luxus ist sinnfälliger Ausdruck einer Gesellschaft, die unversöhnlich zwischen Mein und Dein differenziert. Und welche Gesellschaft hätte dies, mit guten wie mit schlechten Gründen,⁶ nicht getan?

    1.2 Luxus – ein geschichtsträchtiger, aber selten positiv diskutierter Begriff

    Schon Herodot (1979, S. 62–65, 131–141) berichtet von den ausschweifend-luxuriösen Sitten am persischen Hof. Er beschreibt die persische Aristokratie als trinkfreudig, prahlsüchtig und eklektisch. Alexanders Sieg über die Perser bei Gaugamela, rund 100 Jahre nach Herodots drastischer Schilderung, wurde entsprechend als Sieg überlegener okzidentaler Selbstdisziplin über orientalische Verweichlichung interpretiert (vgl. Fox 2005, S. 296 ff.). Dieses Deutungsmuster erwies sich als hartnäckig. Als Gegenbegriffe zu Verschwendung, Maßlosigkeit und Völlerei wurden entsprechend Selbstzucht, bewusster Verzicht und Sparsamkeit angeführt. Dem Luxusbegriff, verstanden als ausuferndes Dekadenzphänomen, werden bereits in der Antike – man denke an Cato den Älteren oder Plutarch – Tugendhaftigkeit, männliche Disziplin und schneidige Härte gegenübergestellt (vgl. Fox 2010, S. 361).

    Aufwendige Bildungsreisen, seltene Stoffe und Farben, kostbarer Schmuck und erlesene Tafelfreuden gehörten in den Kreisen römischer Patrizier zu den bevorzugten Distinktionsstrategien.⁷ Hier wurde im großen Maßstab und mit enormem, oftmals ruinösem Aufwand ein Lebensstil gepflegt, der ausschließlich der Festigung der eigenen gesellschaftlichen Position diente. Die Zurschaustellung von Reichtum und distinguierten Geschmacksmustern – sei es bei Gelagen, beim Sammeln von Artefakten, der Kultivierung der griechischen Sprache oder der eigenen Gartenanlage – erfüllte stets eine Doppelfunktion. Der ostentativ betriebene Luxus befriedigte die patrizische Eitelkeit, zugleich und wichtiger noch bestätigte er die eigene gesellschaftliche Position und wirkte damit als Vergewisserung von sozialem Status und Prestige, schon damals eine Art Lebensversicherung. Luxuskonsum unterstrich die Zugehörigkeit zu einer privilegierten Minderheit, zu deren Attributen eben nicht nur Reichtum und Geschmack, sondern auch politischer Einfluss und Macht gehörten.⁸ Dies ist insofern bemerkenswert, als der von Thorstein Veblen geprägte und seither viel diskutierte Begriff der „conspicuous consumption" (Veblen 1994; Jäckel 2004, S. 41 f.) als Umschreibung ostentativer sozialer Abgrenzung nach unten eben nicht nur auf moderne Gesellschaften zutrifft, sondern sich auch in der Antike belegen lässt. Askese gehörte offensichtlich nicht zu den bevorzugten Sozialpraktiken des antiken Roms; ein Befund, der auch durch das sich allmählich durchsetzende Christentum nicht widerlegt wird.

    1.3 Historische Luxusverbote in West und Ost

    Luxus und Luxuskonsum sind ein historisches Muster, welches nicht auf eine einzige Kulturstufe oder einen geschichtlichen Zeitraum beschränkt werden kann. Es findet sich bei den Naturvölkern ebenso wie bei Kulturen des Westens seit der Antike. Entsprechend weitläufig ist die geistige Auseinandersetzung (religiös, philosophisch, ökonomisch) mit dem Phänomen des Überflusses. Ihm gegenüber steht das Ideal eines maßvollen Lebenswandels, welcher sich aus spirituellen Quellen speist und am Wohl des anderen orientiert. „Gibt es ein einziges Wort, nach dem man sein ganzes Leben handeln kann? Der Meister sprach: Doch wohl die Rücksicht." (Konfuzius, Urteile und Aussprüche, zitiert nach Vogelsang 2013, S. 94).

    Die Kritik am Luxus ist so alt wie dieser selbst. So allgegenwärtig wie das Bedürfnis nach Luxus und überflüssigen Waren (Schmuck, exotische Düfte, vordergründig funktionslose Objekte, aufwendige Kleidung etc.) ist auch der Versuch, dieses Bedürfnis einzuschränken oder, eine Spezialität christlicher Fanatiker, es gleich auszurotten – mitsamt denen, die es noch verspüren mögen.⁹ Schon der römische Historiker Livius schreibt über ein republikanisches Luxusverbot aus Kriegszeiten, die bekannte Lex Oppia (Ab urbe condita, 34,1): „(…) Es durfte keine Frau mehr als eine halbe Unze Gold oder ein buntes Gewand tragen und in Rom oder einer Landstadt oder weniger als eine Meile von dort entfernt mit einem bespannten Wagen fahren, es sei denn anlässlich einer Opferhandlung im Namen des Staates." Gegen die Lex Oppia sollen laut Livius 195 v. Chr. insbesondere vermögende Frauen opponiert haben, die nicht länger in ihrem Auftreten restringiert zu werden wünschten. Die Lex Oppia wurde tatsächlich aufgehoben und spielte für Rom, zumal in der späteren Kaiserzeit, keine Rolle mehr.¹⁰

    Auch aus dem China der Ming-Dynastie (14. Jahrhundert n. Chr.) ist ein „System von Luxusgesetzen" verbürgt, welches den zulässigen Aufwand der Lebensführung – und damit zugleich soziale Unterschiede – strikt regelte (Vogelsang 2013, S. 374): „Das gemeine Volk darf seine Kopftücher nicht mit Gold oder Jade, Achat, Korallen, Bernstein schmücken; auf ihre Kappen dürfen sie keine Spitzen tragen und sie nur mit Kristallen oder Dufthölzern schmücken. (…) Bauern dürfen dünne Seidengaze, Taft und Leinen tragen, Händler nur Taft und Leinen. (…) Dem gemeinen Volk ist streng verboten, geschmückte Stiefel zu tragen, sie dürfen nur lederne Schäfte tragen. (…) Händlern, Gesinde, Sängerinnen und Unterhaltern sowie niederem Volk ist es verboten, Zobelfell zu tragen. Es wird deutlich, dass ein solches Luxusgesetz vor allem dazu diente, bestehende soziale Hierarchien zu festigen. „Gelehrte, Bauern, Handwerker und Händler (Vogelsang 2013, S. 374) lassen sich auf diese Weise auch in ihrem Auftreten – man ist versucht zu sagen: in ihrem Habitus (Bourdieu) – streng voneinander trennen. Genau diese Klärung und Beibehaltung hierarchischer Unterschiede bleibt eine der zentralen Sozialfunktionen von Luxus in der gegenwärtigen Weltgesellschaft.

    Luxusgesetze, -beschränkungen und -verbote gab es auch im Europa der Neuzeit. Ein Dekret der österreichischen Kaiserin Maria Theresia vom 12. September 1749 beginnt mit den Worten:¹¹ „Nicht weniger verderblich erachten wir jene kostbare Seidenzeug zu sein, welche in unseren Erblanden nicht fabriziert, sondern von außen herein gebracht werden (…)" (zitiert nach Gehlen 1978b, S. 525 f.). Die Absicht ist unverkennbar. Luxusgüter aus dem Ausland gelten als wenig erwünscht und mögen zur Stärkung der eigenen Wirtschaft durch heimische Ware ersetzt werden. All den Versuchen, Luxuseinfuhr und -konsum zu beschränken, ist jedoch eines gemeinsam: Sie sind historisch vollkommen wirkungslos. Und dies aus dreierlei Gründen: anthropologisch, ökonomisch und gesellschaftlich.

    Anthropologisch: Das Bedürfnis, die engen Grenzen des bloß Notwendigen zu transzendieren, ist ein genuin menschliches und lässt sich durch keine Gesetzgebung unterdrücken.

    Ökonomisch: Die Luxusgüterbranche gehört – neben Schmuggel und Drogenhandel – zu den profitabelsten Branchen weltweit, unabhängig davon, ob es sich um Produkte oder Dienstleistungen handelt. Die Margen im Handel mit knappen Luxusgütern waren und sind stets höher als im Handel mit leicht verfügbarer Massenware. Es gibt, mit andern Worten, ein außerordentlich starkes ökonomisches Momentum zugunsten von Luxusangeboten.

    Und schließlich gesellschaftlich: Das Bedürfnis, den eigenen Lebensstandard für sich selbst oder, wichtiger noch, für andere sichtbar zu steigern, ist gerade in einem wettbewerbsorientierten Gesellschaftssystem besonders ausgeprägt. Der Blick des anderen („keeping up with the Jones’") bleibt gesellschaftlich konstitutiv, ob es sich, in heutigen Statuskategorien, um die Wahl des Berufs, des Autos, des Hauses, des Ehepartners oder um die Ausbildung der Kinder handelt.

    Diese drei zusammenhängenden Bedürfnislagen, die anthropologische, ökonomische und die gesellschaftliche, befeuern bis heute den globalen Markt für Luxusgüter und -dienstleistungen und schaffen eine kontinuierlich wachsende internationale Nachfrage und Angebotsvielfalt.¹²

    1.4 Die bürgerliche Welt und ihre Apotheose im Streben nach Luxus

    An der Zeitenwende zwischen Ancien Régime und bürgerlicher Gesellschaft gehörte Jean-Jacques Rousseau, „un citoyen de Genève"¹³, zu den erbittertsten Gegnern der Luxusökonomie, die für ihn einer Herabwürdigung des menschlichen Geistes gleichkam.¹⁴ Rousseau vergleicht, wenn auch allegorisch, den Luxus mit der Sklaverei, beweist damit allerdings einen untrüglichen historischen Instinkt. Ein Großteil der hochpreisigen Luxusgüter im 18. Jahrhundert, wie Baumwolle, Kakao, Zucker und Kaffee, waren in der Tat das Produkt von millionenfacher Sklaverei in den Kolonien: „dans les colonies on ne travaille que pour le luxe¹⁵. Rousseaus Kritik am Luxus ist freilich nicht ökonomischer, sondern ausschließlich moralischer und sittlicher Natur (Rousseau 2012, S. 53): „Worum geht es eigentlich bei dieser Frage des Luxus? Es geht darum, herauszufinden, was für ein Reich am wichtigsten ist, glanzvoll und vergänglich zu sein oder tugendhaft und von Dauer. Ich sage glanzvoll: Doch von welchem Glanze? Der Hang zum Prunk und der Sinn für Ehrbarkeit vereinigen sich kaum jemals in der gleichen Seele. Nein, es ist nicht möglich, dass Geister, die eine Unzahl von Nichtigkeiten umtreibt, sich je zu etwas Großem erheben. Und selbst wenn sie die Kraft dazu hätten, fehlte es ihnen an Mut. Dieser Appell an bürgerliche Vernunft und Ehrbarkeit entbehrt nicht der geschichtlichen Ironie. Schließlich gehörte seit dem Niedergang der Monarchie ab dem späten 18. Jahrhundert die Imitation aufwendiger aristokratischer Lebensführung zu der bevorzugten Distinktionsstrategie der bürgerlichen nouveaux riches.

    Die Sehnsucht nach Aristokratisierung bürgerlicher Lebensart, mithin der unstillbare plebejische Durst nach Noblesse, Glanz und Größe, waren starke außerökonomische Motivationen, die den Aufstieg des Kapitalismus beschleunigten (Sombart 2016; Moretti 2014). Verkürzt lautet das Narrativ Sombarts: Erst werden die bürgerlichen Berufsgruppen (Handwerker, Händler, Financiers, Künstler und nicht zuletzt Kurtisanen) reich durch Auftragsarbeiten und Dienstleistungen für Hof und Adel (Sombart 2016, S. 94). Danach beginnen sie, ihre eigene Lebensführung zu aristokratisieren. Am besten gelingt dies den Vertretern der hochgekommenen Großbourgeoisie, die einen quasi-feudalen Lebensstil pflegen. Die Beschreibung der Wohneinrichtung einer venezianischen Kurtisane, Angela Zaffetta, liest sich folgendermaßen (Sombart 2016, S. 121): Sie „wohnte in dem wahrhaft königlich eingerichteten Palazzo Loredan. Flandrische Teppiche, Brokat, vergoldetes Leder deckten die Wände, in einigen Sälen hatten sogar die berühmtesten Maler al fresco gemalt. Auf den Fußböden lagen türkische Teppiche, auf den Tischen goldbestickte Samtdecken. Geschnitzte und mit Intarsien versehene Möbel füllten die zahlreichen Salons […]. Die Besitzerin, die für ihren guten Geschmack bekannt war, hatte im ganzen Haus Bilder, kostbare Waffen, schön gebundene Bücher, Mandolinen und kostbare Werke der Kleinkunst verstreut. Das zeitgenössische Pendant dieser gewollten Anstrengung, durch Interior Design einen überlegenen individuellen Geschmack nach außen zu demonstrieren, findet sich in der Zeitschrift Architectural Digest (Clewing 2018, S. 145). Die Wohnungseinrichtung einer dänischen Galeristin, ist hier zu lesen, ‚beschränkt (…) sich weder auf Epochen noch Regionen. So stammen die Teppiche (…) mal aus Schweden, mal aus Marokko. Im Living gesellt sich Dieter Rams’ Regalsystem zu einem reizenden Zweisitzer von Finn Juhl und einem breiten Samtsofa von Svensk Tenn (…) und einer schön-schlichten Kommode aus Schweden um 1800, über der eine Installation von Ólafur Elíasson installiert ist. (…) „Es muss hier irgendwo einen roten Faden geben, sagt die Eigentümerin ein wenig ratlos, „ich kann ihn nur nicht genau beschreiben.‘" Eines wird allerdings deutlich: Marken, und weniger die Objekte selbst, sind der Schlüssel zum Luxuskonsum der Gegenwart. Auch heute repräsentiert das gehobene Bürgertum niemals sich selbst (dies können nur autonome Gesellschaftsgruppen), sondern imitiert die Geschmacksmuster einer vermeintlich überlegenen Klasse.

    Im bürgerlichen 19. Jahrhundert gehört notwendigerweise die Zurschaustellung des eigenen Wohlstands zur sozialen Aufstiegsstrategie. Es ist der Parvenü, und er allein, der sich öffentlichkeitswirksam mit den Attributen des Erfolges schmückt (Sombart 2016, S. 96). Diese sind, was nicht verwundern kann, ausschließlich aristokratischer Art. Neben die ostentative Zurschaustellung hochwertiger materieller Güter (ein Landsitz, eine Gemäldesammlung, eine kostspielige Geliebte, ein – natürlich – gekaufter Titel¹⁶) tritt zunehmend die symbolische Verachtung des Geldes, die am riskantesten ist: Glücksspiel, Verschwendung, Vernichtung.¹⁷

    Im Luxus und Luxuskonsum vergewissert sich das bürgerliche Individuum vergeblich seiner Singularität. Auch Oscar Wildes bekannte Romanfigur Dorian Gray ist Ausdruck dieser zutiefst bourgeoisen Ambivalenz und ihrer Unfähigkeit, eine authentische Identität auszuprägen. Daher ist es in der moralischen Logik des Wildeschen Romans nur folgerichtig, dass sich Dorian Gray im Augenblick der tiefsten – und bittersten – Selbsterkenntnis tötet. Wenn man der Literatur als Gesellschaftsspiegel Glauben schenken mag,¹⁸ gilt dieser Befund des Talmihaften bürgerlicher Existenz bis heute. Bret Easton Ellis zeichnet in seinem Roman American Psycho einen dandyistischen Einzelgänger in New York, dessen Selbstbeschreibung sich auf Besitz und Konsum von Luxusmarken und exklusiven Accessoires beschränkt – abgesehen von seiner nächtlichen Tätigkeit als Serienmörder.

    1.5 Die Sprache des Überflusses

    „Ich könnte jeden Tag einkaufen gehen. Ich mag Shopping, Mode, Schönheit. Mit einer Einkaufstour belohne ich mich selbst", bemerkt Giuseppe Santoni, Produzent hochwertiger Lederwaren, in einem Interview mit dem FAZ-Magazin (Wiebking 2017, S. 82). Selbstbelohnung und Vergewisserung des eigenen – natürlich untrüglichen – Geschmacksurteils motivieren zum Konsum in Permanenz. War Luxus im bürgerlichen Zeitalter und bis weit ins 20. Jahrhundert der Versuch, die eigene Herkunft zu transzendieren, wenn auch mit durchaus wechselhaftem Erfolg, so stellt sich dies in der globalisierten Konsumgesellschaft deutlich anders dar. Privilegien sind die Bedingung, damit Luxus überhaupt möglich ist. Luxus setzt zumindest ökonomisch jene Ungleichheit voraus, die in der „nivellierten Mittelklassengesellschaft" (Schelsky) als skandalös betrachtet wird. Distinktion als gewollter Akt der Selbstüberhöhung ist der Preis, den die vermeintlich meritokratische Bürgergesellschaft bezahlt, um sich in ihrem eigenen Glanz zu sonnen.

    Es ist ebenso trivial, wie es klingt: Um teuer einzukaufen, muss man lediglich über genug Geldmittel verfügen. Wo diese aber keinen eklatanten Mangel darstellen, kommt es in der Differenzierung gegenüber Gleichgestellten auf etwas ganz anderes und Unbezahlbares an: auf Geschmack oder besser noch Geschmackssicherheit. Sinnfälliger Ausdruck für solch elaborierte individuelle Geschmacksmuster ist der erratische Begriff Stil, der sich insbesondere im persönlichen Kleidungsstil offenbart. Dieter Meier, der 72-jährige Frontmann des Schweizer Elektropop-Duos Yello, äußert sich wortreich zu diesem offenbar diffizilen Thema (Riethmüller 2017, S. 22):

    Die Kleidung ist ein getragenes Gedicht, sagt man. Mit der Kleidung gibt man sich zu erkennen, ob man will oder nicht. Die Nachlässigkeit, sich nicht darum zu kümmern, ist ja auch ein Zeichen dafür, dass es einem egal ist. Das Gedicht baue ich jeden Morgen neu. Beim Rasieren überlege ich, womit ich eigentlich in den Tag hinausgehe. Das hängt stark mit meiner Befindlichkeit zusammen. Wenn ich guter Laune bin, kann ich mich selbstironischer und frivoler kleiden. Wenn ich eher gedrückter Stimmung bin, dann trage ich leise Sachen. Mein Befinden drückt sich vor allem in Farben aus. Und in Kombinationen. Bin ich in selbstironischer Stimmung, trage ich gern Sachen, die eigentlich gar nicht zusammenpassen, die sich gegenseitig aufheben, etwas Verrücktes an sich haben. Die sind dann darauf abgestimmt, dass sie nicht stimmen.

    Auf das Phänomen Stil gibt es zum einen die Perspektive des Konsumenten, der sich redlich müht, möglichst unverwechselbar zu erscheinen, und dies auch sprachlich zum Ausdruck bringt („Kleidung ist ein getragenes Gedicht"). Zum anderen, und nicht minder relevant, gibt es die Perspektive des Produzenten, der sich bemüht, das Produkt in seiner sprachlichen Umschreibung mit der Selbstwahrnehmung des Konsumenten in Einklang zu bringen. Denn erst diese sprachlich-sinnliche Annäherung führt zur Aneignung des Produktes und macht aus einem beliebigen Objekt einen persönlichen Besitz. Wie ist diese Annäherung zu beschreiben? Wer glaubt, dass der sprachliche Vermittlungsversuch zwischen Produzent und Konsument eine Art Poesie des Luxus entstehen ließe – fantasievoll, singulär, überraschend –, sieht sich rasch eines Besseren belehrt.

    Die Sprache des Luxus und der Luxusprodukte ist ein Idiom der durchschaubaren Klischees und der Eklektizismen, der vorgeblich vornehmen Phrasen und billigen Entlehnungen aus der imaginierten Welt mondänen Lebens. In ihrer aufgetragenen Vordergründigkeit lässt diese Sprache jegliches Raffinement vermissen. Der in einschlägigen Journalen und Magazinen gepflegte Ton (vgl. KaDeWe 2017a, b, c; Alsterhaus 2017; Bally Journal 2017; Premiata o. J.; Zenith 2016; Clewing 2018 – die Liste der Kataloge und Publikationen ließe sich beliebig verlängern) erweckt mitunter den Anschein der Selbstpersiflage. So erklärt der Katalog einer bekannten Juweliermarke (Chopard 2017): „a contemporary embodiment of eternal dreams, these magnificient creations offer a dazzling reflection of noble allure and generous spirit that reign supreme in 21st century. Die atavistische Wortwahl verweist auf die längst untergegangene Adelswelt, die hier jedoch verblüffend langlebig und alterslos erscheint. „Noblesse oblige… (Zenith 2016, S. 11).

    Auch vor Plattitüden wird nicht zurückgeschreckt, sie müssen nur möglichst bedeutungsschwanger formuliert sein. Einer Frühjahrspublikation des Hamburger Alsterhauses¹⁹ ist, in gewagter Kombination aus Botanik und Eudämonismus, zu entnehmen (Alsterhaus 2017, S. 8):

    Gute Dinge brauchen Zeit, sagt man. Dem stimmen wir zu. Die Idee zu dieser Ausgabe keimte bereits im vergangenen Herbst. Doch sie brauchte den Winter, um zu wachsen, und es wurde Frühling, bis sie bereit war aufzublühen. Jetzt halten Sie das Ergebnis in den Händen: die neue Ausgabe des Alsterhaus Magazins „A Good Life" (…) eine Anleitung zum Glücklichsein, randvoll mit positiven Vibes und guter Energie. (…) Die Welt mag wanken, und was morgen kommt, ungewiss sein. Lassen Sie uns deshalb gerade jetzt der wertvollen Dinge in unserem Leben bewusst werden. Mehr denn je sind wir aufgefordert, aufgeschlossen unseren Alltag zu gestalten. Fangen wir an.

    Das wahre Wesen des Luxus liegt jedoch weniger in der Originalität des Angebots als in seiner Anciennität. Nur die Tradition kann, weil sie in der Vergangenheit liegt, nicht geraubt werden. Wer noch keine besitzt, soll zumindest die Möglichkeit erhalten, sie sich selbst zu erschaffen. Hierfür genügt ein schlichter Kaufakt: „Beginnen Sie eine eigene Tradition", wirbt die Schweizer Uhrenmarke Patek Philippe. Im Text der Anzeige (Icon 2014a, S. 2 f.) heißt es weiter: „Eine Patek Philippe gehört einem nie ganz allein. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation."

    Einen geradezu globalen Eklektizismus pflegt hingegen die Marke Bally unter dem Motto „Die Würfel rollen" (Bally Journal 2017, S. 7):

    Jenseits der Roulettetische inspiriert eine weitere Fantasie der Nacht den saisonalen Stil: Bally taucht ein in die Welt des Disco Fever und der schillernden Farben. Rüschenblusen in Türkismetallic und Violett, goldene Plateauschuhe, kniehohe schwarze Lacklederstiefel und Miniröcke aus Leder, Jacken mit breiten Revers und ausgestellte Hosen strahlen Exaltiertheit aus und die Aussicht auf eine durchtanzte Nacht. Sie sind eine Hommage an glitzernde New Yorker Nachtklubs wie die Paradise Garage oder das Studio 54, wo man von dröhnenden Beats auf einer Welle aus Enthusiasmus und Exzess davongetragen wurde. (…) Doch es geht nicht nur um die Flucht aus dem Alltag. Es schwingt immer auch eine raue Kultiviertheit mit, eine Attitüde, die diese Kollektion mit einer gewissen revolutionären Spannung auflädt.

    Offensichtlich müssen nur genügend Adjektive aneinandergereiht werden, um den Eindruck eines Jargons für Eingeweihte zu vermitteln. Die Sprache des Luxus dient der Fetischisierung der Objekte, die in eine quasireligiöse Sphäre erhoben werden. Nicht von ungefähr werden daher besonders herausragende Design- und Luxusobjekte zu Ikonen²⁰ ernannt – ein Begriff, der unzweideutig orthodoxen Ursprungs ist. Hochkonsum und Hochaltar liegen nahe beieinander. Die Wertschätzung des Luxuriösen ist der Verehrung des Religiösen eng verwandt.

    In der textlichen Wiedergabe, etwa als Anzeige, Social-Media-Post oder redaktioneller Beitrag, fallen Luxusprodukt und sprachliche Codierung zusammen. Die Umschreibung versucht, das Wesen der Objekte – „Objekte, die leben"²¹ – sprachlich wiederzugeben. Dennoch besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen der vorgeblichen Finesse der Objekte und ihrer trivialen sprachlichen Zurschaustellung. Wo aber keine besseren Worte gefunden werden, gibt es sie womöglich auch nicht. Das Marketing-Idiom für Luxusgüter unterstellt ein Geheimnis, das lediglich in seiner Käuflichkeit besteht. Eine Vermutung drängt sich auf: „Hinter dem Schein, der alles ist, hinter dieser radikalen Affirmation der Oberfläche ist – nichts" (Vinken 2013, S. 94). Als Konsument von Luxusgütern wird man sich mit der Oberfläche allein, wenn auch ins Unendliche ausgedehnt, begnügen müssen.

    1.6 Zeitgenössische soziologische Schattierungen

    Unter rein ökonomischen Parametern lassen sich Luxusprodukte eindeutig quantifizieren und benennen. Für spezifische Produkte und Dienstleistungen (wie beispielsweise Sonnenbrillen, Handtaschen, Schuhe, Schmuck, Autos, Essen, Hotelübernachtungen) wird ein Preis definiert; übersteigt die Kaufsumme diesen Betrag, befindet man sich im Luxus-Segment. Eine Luxus-Handtasche kostet demnach mehr als 1000 EUR, ein Luxus-Auto überschreitet die Grenze von 100.000 EUR.²² Diese Festlegungen mögen willkürlich erscheinen, ergeben jedoch eine völlig klare Zuordnung. Der Preis allein macht ein Objekt ökonomisch zum Luxus-Objekt; je höher der Preis, desto luxuriöser ist es. Das lässt sich ohne Weiteres mit Zahlen unterlegen und objektivieren. Die ökonomische Logik kann zudem, wie Damien Hirst demonstriert, auf Kunstwerke problemlos ausdehnt werden.

    In der soziologischen Perspektive allerdings verwischen die scharfen Konturen des Luxusbegriffes. Die Auffassung von Erstrebenswertem, ökonomisch Erreichbarem und angenehm Nutzlosem ist stark von Herkunftsmilieu, individuellen Interessen und finanziellen Möglichkeiten abhängig. Der Luxusbegriff eines vom Absturz ins Prekariat bedrohten Facharbeiters ist nur bedingt vergleichbar mit dem Luxusbegriff eines urban-kosmopolitischen Müßiggängers, der auf das väterliche Erbe hofft. Auch darf man vermuten, dass die Vorstellung von Luxus stark divergiert, je nachdem, in welcher Lebensphase sich ein Individuum befindet. Die subjektive Vorstellung zum Thema Luxus eines Teenagers beim Schaufensterbummel dürfte sich stark von der eines Seniorenpaares unterscheiden, welches eine Kreuzfahrt oder den Aufenthalt in einem Boutique-Hotel²³ plant.

    Luxus in diesem ausdrücklich nicht-ökonomischen Sinne ist also stets das, was ich selbst für subjektiv erstrebenswert, wenn auch im Kern überflüssig halte. Dieses Überflüssige können natürlich auch Konsumprodukte sein. Diese befinden sich in einem Preiskorridor, der von den jeweiligen Einkommensmöglichkeiten definiert wird und entsprechend eng oder weit ausfällt. In diesem Sinne kann der Besuch eines Fast-Food-Lokals aus subjektiver Perspektive ebenso luxuriös – die Möglichkeiten des Alltags übersteigend – erscheinen wie der Ausflug in ein Gourmet-Restaurant. Ein handgefertigtes Abendkleid aus den Werkstätten eines Mitgliedsunternehmens des Comité Colbert²⁴ kann ebenso als Luxusgut erachtet werden wie ein Polyesterpullover aus fernöstlicher Massenproduktion. Entscheidend für die subjektive Betrachtung sind die eigenen ökonomischen Mittel. Das Unerreichbare gibt es freilich in jeder sozialen Schicht, und so ist mit Luxus auch stets das gemeint, welches noch nicht besessen wird und daher als bislang unerreicht gelten kann.

    So klar der Luxusbegriff von außen erscheint – das Kostbare, Erlesene, Verknappte – so unscharf wird er, sobald er von subjektiver Warte, etwa aus der Perspektive unterschiedlicher Sozialmilieus, betrachtet wird. Wie es einen Luxus der Reichen gibt, so gibt es auch einen Luxus der Armen.²⁵ Herkunftsmilieu, Erwerbsbiografie, individuelle Lebenslage und Lebensalter sind die wichtigsten Faktoren der persönlichen Wahrnehmung. So ergibt sich eine soziologische Stufenbildung des Luxusbegriffs von den prekären Schichten über die Mittelklasse bis hin zur einkommensprivilegierten Minderheit an der Spitze der Vermögenspyramide. Jede soziale Schicht entwickelt den für sie spezifischen Luxusbegriff, welcher keineswegs deckungsgleich ist mit der Betrachtungsweise eines anderen Sozialmilieus. In der Begrifflichkeit von Pierre Bourdieu (1984): Der Habitus determiniert die subjektive Bedeutung von Luxus. Folgt man dieser deterministischen Betrachtungsweise, erscheint Luxus als die letzte – und wie trügerische – Hoffnung der middle class auf Teilhabe an der globalen Wachstumsgesellschaft, in der sich allerdings nicht individuelle Leistungsträgerschaft als meritokratisches Distinktionsmerkmal durchsetzt, sondern ökonomisches Kapital als familiäres Erbteil. Hier schließt sich der Kreis von Neofeudalismus und Spätkapitalismus, als dessen Bindeglied der Luxuskonsum dient.

    1.7 Konsum und Hochkonsum

    „Dinge verrotten. Alles dreht sich um Verfall", schreibt Barbara Vinken (2013, S. 206) über die Mode. Gleiches gilt für den Luxus. Alles ist vergänglich, zweifellos eine Plattitüde, aber auch das Gegenteil trifft zu. Alles, und Luxus insbesondere, ist bis ins schier Unendliche steigerbar, nach oben ist kein Limit gesetzt. Wem das nach aufwendiger Restaurierung wiedereröffnete Hotel Ritz an der Pariser Place Vendôme zu überlaufen oder zu unsicher ist,²⁶ kann ab 2019 auf eine von drei Ritz-Carlton-Yachten ausweichen (vgl. Ritz, le luxe de l’absence 6. August 2016; Ritz-Carlton wagt sich auf hohe See 5. Juli 2017). Wem das sommerliche Treiben in Marbella, Punta del Este oder auf Mykonos zu bunt ist, kann eine eigene Insel in der Ägäis oder irgendwo auf den Weltmeeren mieten, leasen oder kaufen. Wem Flugreisen, auch im eigenen Jet, zu trivial erscheinen, kann eine Weltumrundung in einer Raumkapsel in Erwägung ziehen oder – warum nicht – in die Galaxie emigrieren. An entsprechenden Reiseangeboten arbeiten bereits Unternehmen im Silicon Valley. Kurzum, auch der Materialismus hat mittlerweile wahrhaft metaphysische Dimensionen angenommen, und die real umsetzbaren Möglichkeiten sprengen das Vorstellungsvermögen des Einzelnen. Zu jedem Objekt lässt sich ein komplementäres, noch kostspieligeres finden, die Kombinationsmöglichkeiten sind global bis ins Abstrakte steigerbar. Die Suche nach dem Außergewöhnlichen lässt sich planetarisch ausdehnen, und die Beschäftigung mit Luxus wird zu einer im Wortsinn endlosen Aufgabe. Vor dieser imaginierten finalen Stufe steht jedoch die Steigerung des Konsums von der sporadischen Freizeitbeschäftigung zum vordringlichen Lebensinhalt. Auch im Hochpreissegment wird Konsum länderübergreifend zum Hyperkonsum. Mehr kulinarische Köstlichkeiten, mehr Schmuck, mehr Modemarken, mehr Shopping-Happiness verspricht etwa das schweizerische Jelmoli-Magazin „Die 183 schönsten Dinge" (Jelmoli 2016a, S. 9). Nicht nur das schlechthin Teure ist begehrenswert, die Fülle der Auswahl selbst ist bereits ein Distinktionsmerkmal, welches die Verknappung einzelner Artikel jedoch keineswegs ausschließt.

    Das Luxussegment erweist sich als überdurchschnittlich dynamisch, vital und robust, auch und besonders in Krisenzeiten. Es gehört zu den Auffälligkeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise

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