Geld war gestern: Wie Bitcoin, Regionalgeld, Zeitbanken und Sharing Economy unser Leben verändern werden
Von Christine Koller und Dr. Markus Seidel
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Über dieses E-Book
Aber nicht nur komplementäre Währungen rücken zunehmend ins Rampenlicht. Alternative geldfreie Konzepte wie die »Sharing Economy«, also das gemeinsame Nutzen, Tauschen und Verleihen von Besitz, erfreuen sich immer größeren Interesses. Auch Tauschringe und Zeitbanken, welche die Erbringung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen organisieren, erfahren regen Zulauf. Die weltweit größte Messe für Informationstechnik, die CeBIT, machte »Shareconomy« 2013 sogar zu ihrem Leitthema.
Christine Koller und Markus Seidel zeigen, wie alternative Konzepte als Ergänzung zum regulären Geldsystem funktionieren und wie jeder ihre Vorteile nutzen kann.
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Buchvorschau
Geld war gestern - Christine Koller
Dank
Wir danken Monika Anderl für ihre tatkräftige Unterstützung.
»Geld soll aus Knochenscheiben gemacht sein, da es dann einem Verfallsprozess unterliegt und im Falle der Hortung so unerträglich zu stinken beginnt, dass es sehr bald weitergegeben wird.«
Diogenes (um 500 v. Chr.)
»Change occurs when there is a confluence of both changing values and economic necessity, not before.«
John Naisbitt
Vorwort
Sicherheit für die Stunde Null
Auch wenn wir im zentralen Teil Europas dies noch nicht unmittelbar im Geldbeutel spüren, wir – insbesondere aber die Länder am Rande der Euro-Zone – leben in einer gefährlichen Krise: Viele europäische Staaten haben große Strukturprobleme, zum Beispiel hohe Arbeitslosigkeit und hohe Schulden. Die nationalen Notenbanken leihen ihnen dafür Geld. Das haben sie sich zu Niedrigstzinsen von 0,25 Prozent bei der Europäischen Zentralbank (EZB) geliehen. Zur Stützung des Euros, um Europa endgültig zu einigen und für die kriselnden südlichen Länder Europas, macht der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, alles, was nötig ist – »whatever it takes« –, um den Euro zu erhalten! Die EZB flutete die Währungszone bislang mit zweimal je einer Billion Euro (die Schulden der europäischen Banken belaufen sich übrigens auf neun Billionen Euro).
Für viele Banken ist die Stützung des Euro ein sicheres Geschäft, das wie eine Subvention wirkt. Für notleidende Staaten entsteht eine billige und quasi unerschöpfliche Geldquelle und damit das Risiko weiterer Schulden, weil sie zur Verschiebung von Strukturproblemen beitragen kann. Die Abhängigkeit maroder Banken und maroder Staaten kann fatal sein – wie zwei angeschlagene und angezählte Boxer, die allein nicht mehr stehen können und sich gegenseitig mit der süßen Droge der günstigen Zinsen auf den Beinen halten.
Selbst so vorsichtige Kenner der Finanzszene wie Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, warnen: »Die EZB ist auf Abwegen.« Wie kann sie drei konfliktierende Aufgaben miteinander vereinbaren:
Geldwertstabilität – ihre eigentliche und einzige Aufgabe –,
Stützung von Krisenländern und
die Regulierung der systemrelevanten Banken?
Auch der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, warnt ständig vor einer Überdehnung des Mandats der angeblich unabhängigen Zentralbank.
Schließlich führt die Niedrigzinspolitik der EZB bei den Privatleuten zu einer schleichenden Enteignung der Spargelder und der privaten Altersvorsorge durch negative Realzinsen und kann eine Blasenbildung bei »Ersatzwertspeichern« wie Immobilien und Aktien nach sich ziehen. Das kann letztlich über die Preis-/Lohnspirale in eine Inflation münden, wenn die Banken beginnen, das viele günstige Geld durch Kreditvergabe in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen.
Ein öffentlicher Diskurs über alternative und lokale Währungen muss in dieser Situation stattfinden. Niemand darf sich in die vermeintliche »Alternativlosigkeit« einer Währung fügen, wenn sie zu zerbrechen und damit Werte und Lebensleistung vieler Millionen Menschen zu vernichten droht. Nur das Aufzeigen von gangbaren Alternativen stärkt das Bewusstsein und bereitet auf die Bewältigung einer möglichen Notlage vor. Nebenbei entspricht eine lokale Währung dem Subsidiaritätsprinzip: sie fördert lokale Lebenskreise.
Es ist der Verdienst der Autoren, dies erkannt und herausgearbeitet zu haben, welche Möglichkeiten neben dem offiziellen staatlichen Geld bereits erprobt wurden und werden. Das Buch »Geld war gestern« informiert, macht nachdenklich und gibt Anleitung, wie eine Krise bewältigt werden kann. Der Austausch von Waren und Dienstleistungen ist mit inoffiziellen, alternativen Währungen auch in einem Notfall möglich. Die drei Grundfunktionen des Geldes – tauschen, Werte vergleichen und Werte speichern –, werden auf die beiden ersten Funktionen beschränkt. Die dritte Funktion des Geldes als »Wertespeicher« wird bewusst sanktioniert. Dadurch kann die regionale Wirtschaft am Laufen gehalten werden.
Zusätzlich werden durch die Informationen über Modelle tauschbarer Zeiteinheiten – »Zeit statt Geld« – Wege zur Stärkung der Sozialgemeinschaft aufgezeigt. Dasselbe gilt für alle »Sharing«-Modelle – »sharing is caring«: der Austausch von leeren Kapazitäten ist nicht nur eine intelligente Nutzung brachliegender Ressourcen. Er streckt auch zeitlich den Verbrauch endlicher Ressourcen und fördert eigenständige lokale Gemeinwesen. Durch das Fördern neuer kleiner Lebenskreise, Mehrgenerationenfamilien, Nachbarschaften, Stadtteile, Hilfsgruppen aller Art werden die großen, häufig ineffizienten staatlichen Sozialbürokratien sinnvoll ergänzt, die wir uns in Anbetracht der demografischen Entwicklung ohnehin wahrscheinlich bald nicht mehr leisten können. Soziale Leistungen können dadurch wesentlich effizienter erbracht werden: dies ist die Zukunft der sozialen Gesellschaft, die den durch den Markt erwirtschafteten Wohlstand wirksam auf alle Schultern verteilt.
Es ist erfrischend und zukunftsweisend, über solche Erfahrungen und alternativen Möglichkeiten nachzudenken. Im Notfall ist dieses Wissen um Alternativen notwendig. Im Idealfall bereitet es uns frühzeitig und ergänzend zu den offiziellen und staatlichen Bemühungen, dem Markt und dem sozialen Leben einen menschenwürdigen Ordnungsrahmen zu geben, auf die Zukunft vor.
Dazu liefert dieses Buch eine wertvolle Anleitung.
München, im Dezember 2013
Stephan Werhahn,
Mitglied der Währungskommission des Wirtschaftsrates Deutschland und ständiger Gast im Bundesvorstand der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT).
Einführung
Komplementäre Währungssysteme: Graswurzel-Bewegung und mögliche Auswege aus der Finanzkrise
Wie ein Damoklesschwert hängt die Weltfinanzkrise über uns und zwingt Politik und Länder wiederholt zu kurzfristigen und teuren Interventionen, die Sparer und Steuerzahler sehr belasten. Schlimmer noch, die Komplexität des neu entstandenen Finanzsystems erzeugt in uns das ungute Gefühl, dass kein Akteur auf dem weltweiten Parkett mehr um alle Zusammenhänge weiß. Noch dass er genaue Vorstellungen davon hat, worin das Ganze münden wird, und laut Ansicht von Anhängern des Wirtschaftsweisen Nikolaj Kontratjew geht es weiter bergab: In ihren Augen ist die Finanzkrise lediglich ein Ausdruck dafür, dass das Geld nicht mehr weiß, wo es möglichst produktiv verwendet werden soll. Zusätzlich bewegen wir uns in einer Zeit kleiner Innovationsschritte, die oft als großer Wurf verkauft werden. Vollkommen neue Produkte und Dienstleistungen, die zu einem signifikanten Wachstumssprung führen, sind aktuell nicht erkennbar. Und in der Ferne lauert bereits die nächste Krise, die die Summe der Abermilliarden, die für die Rettungspakete aufgebracht wurden, klein erscheinen lässt: Die demografische Zeitbombe, die die Sozialsysteme der Industrieländer in bisher nie da gewesener Form vor Herausforderungen stellen wird.
Die Politik hat diesen Wandel zwar erkannt, jedoch fehlte ihr zu einer nachhaltigen Reform der Mut. Daher ist in dieser beklemmenden Situation nur eins sicher: Das Ganze soll sich ändern. 88 Prozent der Deutschen wünschen sich, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, eine »neue Wirtschaftsordnung«. Nur welche?
Denn: Ob und wie die aktuelle Finanzkrise dauerhaft bewältigt werden kann, und welches System daraus entstehen wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht klar. Es gab und gibt eine Vielzahl von Ideen und Vorschlägen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Doch: Was ist richtig, und was ist falsch? Was löst das Problem und was nicht? Welcher Politiker beziehungsweise welcher Experte hat recht und welcher irrt? Ja, selten gab es so gegensätzliche Positionen wie im Moment.
Würden wir uns jedoch damit abfinden, dass niemand in die Zukunft blicken und keiner eine genaue Prognose treffen kann, würde das den Blick für das öffnen, was wir wirklich brauchen. Nämlich: Offenheit und Experimentierbereitschaft, Methoden gegenüber, die eine nachhaltige Fortführung unseres Wirtschafts- und Finanzsystems anstreben. Daher wollen wir im Folgenden den Blick auf eine bereits existierende, aber wenig bekannte und ungewöhnliche Innovation im Wirtschafts- und Finanzsystem richten. Sie hat das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Finanzkrise und künftiger sozialer und politischer Herausforderungen zu leisten und die Welt zum Positiven zu verändern: Komplementäre, ergänzende Währungssysteme, die neben der staatlichen, »offiziellen« Währung in der Regel mit der Zielsetzung eingeführt werden, eine regionale Wirtschaft und damit die Lebenssituation aller Beteiligten zu verbessern.
Seit Beginn der Krise 2007 beschäftigen wir uns mit der Frage, in wieweit komplementäre Währungssysteme helfen können, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Das Ergebnis unserer Recherchen hat uns überrascht: Neben den klassischen Ansätzen gab und gibt es nicht nur einige wenige, sondern überaus zahlreiche Initiativen mit dem Ziel, zusätzliche Gütermärkte zu erzeugen. Sprich: Brachliegende Ressourcen zu nutzen, wenn das reguläre Währungssystem krankt.
Erstaunlicherweise wird darüber in den Medien nur wenig berichtet, obwohl komplementäre Währungssysteme zum Teil über eine lange Tradition verfügen, sehr erfolgreich sind und den sozialen Zusammenhalt der beteiligten Mitmacher stärken.
Yin und Yang. Der Fokus dieses Buches »Geld war gestern« liegt auf diesen alternativen Ansätzen, die wir unter dem Begriff »Komplementäres Geld« zusammenfassen. Das komplementäre Währungssystem steht dem klassischen Währungssystem, wie wir es kennen, wie Yin dem Yang gegenüber. Aktuelle Phänomene und Produkte des Zeitgeistes wie Sharing Economy, Zeitbanken und Co. basieren nicht auf staatlichen Yang-Währungen, sondern oft auf komplementären, sozialen Yin-Währungen. Sie schaffen dadurch zusätzliche Marktplätze, die den Austausch von bestimmten Waren und Dienstleistungen organisieren – durch schnellen und unbürokratischen Zahlungsverkehr. Komplementäres Yin-Geld kann nicht gewinnbringend gehortet werden, sondern soll sogar möglichst rasch wieder ausgegeben werden. Weil es keinen Zins beziehungsweise keinen Zinseszins gibt. Im Gegenteil. Bei vielen komplementären Währungssystemen fällt sogar ein Negativzins an: Je länger man sich mit dem Geldausgeben Zeit lässt, desto weniger Geld ist im Portemonnaie. Dieser Mechanismus steigert die Umlaufgeschwindigkeit, erhöht den Güterumschlag und kurbelt die Wirtschaft an.
Heute existieren bereits Hunderte solcher komplementärer Währungssysteme, ohne dass sie bisher Eingang in den wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream und die Politik gefunden haben. Wir glauben, dass unsere Gesellschaft an einem ähnlichen Wendepunkt steht wie in den 70er- und frühen 80er-Jahren, als die Öko-Bewegung Fahrt aufnahm und mit der Grünen Partei ihr politisches Sprachrohr fand. Zu Beginn wurde das grüne Gedankengut und Wertesystem als von Müslifressern ersponnen belächelt und abgetan. Heute scheint es uns vollkommen normal, dass sogar konservative Parteien über Windparks in der Nordsee, Schadstoffbelastung in Gemüse und die Effizienz von Solarmodulen diskutieren: Die Öko-Bewegung ist Mainstream geworden.
In den dezentral organisierten Interessengemeinschaften, die komplementäre