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Rügener Maskerade: Insel Krimi. Kommissarin Burmeisters achter Fall
Rügener Maskerade: Insel Krimi. Kommissarin Burmeisters achter Fall
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eBook608 Seiten8 Stunden

Rügener Maskerade: Insel Krimi. Kommissarin Burmeisters achter Fall

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Über dieses E-Book

Es ist kurz vor Weihnachten auf der malerischen Insel Rügen. Doch ausgerechnet jetzt werden Kommissarin Jessica Burmeister und ihr Team mit einem bizarren Leichenfund konfrontiert. Der Körper des Opfers wurde grotesk zur Schau gestellt. Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass das Opfer ein junger Mann war, der sich auf dem Weg befand, sein wahres Selbst als Frau zu finden. Burmeister und ihre Kollegen stehen vor einem rätselhaften Mordfall, der tief in die Wirren menschlicher Beziehungen und in die Reihen undurchsichtiger Charaktere führt.
Zeitweise hat Burmeister das Gefühl, in einem Labyrinth voller Rätsel und Fragen geraten zu sein, aus dem es keinen Ausgang gibt. Dieses Gefühl verstärkt sich, als ein weiterer Mord geschieht. Die Spur führt zu einem Verlagshaus und einem unveröffentlichten Romanmanuskript, das düstere Begehrlichkeiten weckt. Jessica Burmeister und ihr Team müssen nicht nur zwei Mordfälle aufklären, sondern auch die rätselhafte Verbindung zwischen den Opfern und dem geheimnisvollen Roman entschlüsseln.
Während die Ermittlungen fortschreiten, wird Burmeister zunehmend mit den Schatten der menschlichen Seele konfrontiert.


In „Rügener Maskerade“ zeigt Sylvia Voigt einmal mehr ihr Händchen für ungewöhnliche Kriminalfälle, komplexe Figurenkonstellationen und geschliffene Dialoge – und das wie immer vor der fantastischen Kulisse Rügens.

SpracheDeutsch
HerausgeberSchardt Verlag
Erscheinungsdatum5. Nov. 2023
ISBN9783961522477
Rügener Maskerade: Insel Krimi. Kommissarin Burmeisters achter Fall

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    Buchvorschau

    Rügener Maskerade - Sylvia Voigt

    EINS

    Ich frage mich, wie lange wir schon hier stehen. Seit wir um diesen Menschen einen Halbkreis gebildet haben, ist mein Zeitgefühl verloren gegangen. Sind es fünf Minuten? Oder zehn? Oder dreißig? Ich weiß es nicht. Ich registriere nur, wie das beklemmende Gefühl, das ich vom ersten Moment an spürte, mit jeder weiteren Minute zunimmt. Der Anblick der Leiche ist grotesk. Grotesk. Bei diesem Wort beiße ich mir auf die Lippen. Ich suche nach einem anderen Begriff, der treffender beschreibt, was wir vor uns sehen. Nur fällt mir keiner ein.

    Die Situation wirkt surreal. Gespenstisch. Sowohl der Tote mit seinem makabren Äußeren als auch die Umgebung tragen ihren Teil dazu bei, dass ich mich wie eine Statistin fühle, die man mitten in eine gruselige Filmkulisse platziert hat, weil der Regisseur eine abartig ausgeprägte Vorliebe für pervers zur Schau gestellte Leichen hat.

    Das völlig heruntergekommene Gartengrundstück mit seinen überwucherten Beeten und den knorrigen kahlen Bäumen, deren Äste mahnend wie verrunzelte knöcherne Finger in den Himmel ragen, kann es mit jedem zerfallenen Friedhof aufnehmen. Ein paar einzelne Nebelschwaden ziehen lautlos über das angrenzende Feld. Totenstille umgibt uns.

    Niemand von uns spricht. Kein Vogel zwitschert. Und sogar der Sturm hat eine Pause eingelegt. Man könnte meinen, jemand hat den Ton ausgeschaltet.

    Warum nur gelingt es mir nicht, meinen Blick von dieser Szenerie abzuwenden? Was geht hier vor? Warum sind wir erstarrt? Sind wir in irgendeinen Bannkreis geraten? Sieben Personen können sich doch nicht gemeinschaftlich in Schockstarre befinden! Oder doch? Vielleicht schnappe ich auch nur über? Denn mit jedem weiteren Atemzug wächst meine Überzeugung, dass mich die beiden reglosen Augenpaare vorwurfsvoll anstarren. Als wäre alles meine Schuld.

    Endlich schaffe ich es, mich den vorwurfsvollen Blicken der leblosen Augen zu entziehen. Stattdessen schaue ich in die Runde und versuche festzustellen, wie der Schauplatz auf meine Kollegen wirkt.

    Andy „Bolle" Bollermann beißt die Zähne fest zusammen. Mit der linken Hand fährt er sich pausenlos durch seine prachtvolle Lockenmähne. Mit der Rechten stützt er seine Lisa. Oder er hält sich an der Liebe seines Lebens fest. Lisa Poschlack schluckt schwer. Sie ist kreidebleich und presst eine Hand fest auf den Mund. Ich hoffe, sie macht nicht schlapp. Wenn ich einigermaßen richtigliege, dann ist sie wie Schneewittchen im vierten Monat schwanger. Andy und Lisa haben sich nun doch dafür entschieden, eine Familie zu gründen und einem neuen Erdenbürger das Leben zu schenken. Ich hoffe, dass unsere Familienministerin nicht enttäuscht ist, wo sie sich doch für eine flächendeckende Ausbildung von Abtreibungsmethoden ausgesprochen hat.

    Meine Augen wandern zu Wahlberg. Unser Rechtsmediziner hat die Hände in die Hüften gestemmt und wirkt selbstverständlich sehr gefasst. Immerhin sind Leichen sein täglich Brot. Oder er wirkt so ruhig, weil er gar nicht auf dieses Wesen schaut. Ich kneife die Lider zusammen und fixiere Dr. Henning Wahlberg genauer. Kein Zweifel. Er ist mit seinen Gedanken ganz woanders. Und ich bin mir auch sicher, wo er gedanklich herumgeistert. Bei Hasi-Mausi-Schnucki Oliver Teichert. Unserem IT-Experten, mit dem er den Bund der Ehe geschlossen hat und der seit einiger Zeit nicht mehr er selber ist.

    Dann blicke ich zu Willi. Mein jahrzehntelanger Kollege sowie einjähriger Lebensgefährte und Bettgenosse Wilfried Winterstein beißt sich auf die Unterlippe und schüttelt sein kahles Haupt. „Was für ein Anblick, murmelt er. „Da denkt man mit jedem weiteren Dienstjahr, dass eine Steigerung der Perversität nicht mehr möglich ist. Und dann steht man vor so etwas.

    Dr. Richard Vogel nickt schweigend. Verhalten stöhnt unser Staatsanwalt auf. „Die Medien, entfährt es seinen bleichen Lippen, „die Medien werden sich mal wieder auf uns stürzen.

    „Blödsinn, raunzt Willi. „Die haben doch gar keine freien Kapazitäten mehr seit dem Ausrufen dieser Pandemie. Das letzte Wort spricht Willi mit seiner ganz eigenen Betonung aus.

    Ich vernehme ein ersticktes Gaggern. Es dringt gedämpft durch die FFP2-Maske unserer hirntoten Führungsperson. Der völlig vertrottelten Leitkuh Barbara Leitmeyer-Mummelthey, deren IQ weit unter dem Gefrierpunkt liegt und die heute dennoch den Weg an den Rand von Sassnitz gefunden hat. Wenn ich mich richtig entsinne, steht sie zum ersten Mal mit uns gemeinsam vor einem Mordopfer.

    Thomas Brandt, unser Mitarbeiter der Spurensicherung, gibt einen komischen Laut von sich. Dann wendet er sich schnell ab und rennt ein paar Meter davon. Hinter einem krumm und schief aufgeschichteten Holzstapel übergibt er sich lauthals. Die Geräusche, die er dabei von sich gibt, sind nicht schön. Ich habe Mühe, mein halbverdautes Mittagessen daran zu hindern, meinen Körper vorzeitig auf dem Weg wieder zu verlassen, das es vor zwei Stunden genommen hat.

    „Mir ist schlecht. Lisa Poschlack lehnt sich an Bolle, der der zukünftigen Mutter seines Kindes liebevoll die Wange streichelt. „Die arme Maus, sagt Poschlack.

    Andy stutzt und hält kurz inne. „Willst du dich setzen? Ich bring dich zu unserem Dienstfahrzeug."

    „Geht schon", haucht Poschlack.

    Wahlberg räuspert sich. „So etwas haben wir wohl alle noch nicht gesehen, oder?"

    „Gott sei Dank, brummt Willi. „Wäre mir das in meinen Anfangsjahren passiert, hätte ich eine Umschulung gemacht. Nachdenklich sieht er mich an. „Wie geht es dir?"

    „Das hättest du mich schon ein wenig eher fragen können", werfe ich ihm vor.

    „Stimmt."

    „Mir ist komischerweise nicht übel", stelle ich fest.

    „Das ist schön, staunt Winterstein. „Mir schon.

    Dann schweigen wir wieder.

    „Is das eine au oer ei Mann?" Die Leitkuh hat an ihre Mannschaft eine Frage gestellt.

    „Wenn Sie eine Maske tragen, müssen Sie lauter und deutlicher sprechen, sagt Dr. Vogel. „Man versteht doch sonst nur die Hälfte. Er zieht den Schal fester um den Hals. Leider ist es sein eigener. Wäre es der der Leitkuh, würde ich ihm beim Ziehen helfen. Der ablandige Winterwind fegt mit einem Male wieder ungebremst über die kahlen Felder und zerrt an unseren Jacken. Es ist mir ein Rätsel, warum mir nicht die Zähne klappern. Wir stehen schon eine gefühlte Ewigkeit vor der Leiche, die halb Frau und halb Mann ist, und sind dem Eiseswind schutzlos ausgeliefert. Thomas Brandt kommt zurück. Seine grauen Wangen sind eingefallen. Er wirkt um ein paar Jahre gealtert.

    „Ich finde, sagt Vogel. „wir haben jetzt lange genug um das Opfer herumgestanden. Auch wenn uns dieser Anblick zutiefst schockiert hat, müssen wir uns mit Hilfe unserer Professionalität nun an die notwendige Arbeit machen. Dr. Wahlberg, ich darf Sie bitten, mit der Untersuchung zu beginnen, damit die Kolleginnen und Kollegen danach ebenfalls tätig werden können.

    Die Leitkuh gibt ein ersticktes Gaggern hinter ihrer Maske von sich. Ihr heftiges Nicken erschüttert ihre Topfschnittfrisur. Wahlberg sagt nichts. Aus beruflichen Gründen schiebt er sich jetzt ebenfalls eine Maske über Mund und Nase. Dann bückt er sich mit seinem Ganzkörperkondom über die oder den oder das Ermordete. Da will ich mich jetzt noch nicht festlegen. Vielleicht handelt es sich um einen welt- und geschlechtsoffenen Menschen der neuen Art. Wer weiß. Wenn die Propaganda der elitären Herrschenden so weitermacht, betrachtet ein Großteil der Menschheit das vor uns liegende Geschöpf als die zukünftige Normalität. Apple hat mit seinem Emoji eines schwangeren Mannes jedenfalls schon mal gute Pionierarbeit geleistet.

    „Ist das wirklich eine Maus?, stößt Wahlberg hervor. Damit bringt er mich bei meinen Überlegungen ein wenig aus dem Gleichgewicht. Wieso redet er von einer Maus? Wahlberg beugt sich ächzend über den Kopf des Opfers, richtet sich genauso ächzend wieder auf und zieht langsam die Leiche aus der Leiche heraus, deren Schwanz einfach kein Ende nimmt. Stimmt. Die Maus hatte ich fast vergessen. Mit spitzen Fingern hält uns Wahlberg das tote Tier vor die Nasen. „Es könnte auch eine kleine Ratte sein, klärt er uns auf. Das ist zu viel für Lisa Poschlack. Mit Schwung kommt ihr der Mageninhalt hoch. Und anders als Thomas Brandt schafft sie es nicht, sich aus dem Umkreis des Leichnams zu entfernen. Der Schwall ergießt sich auf dessen Füße. Wahlberg versucht mit letzter Kraft, aus der Gefahrenzone zu hechten. Ein paar Spritzer des halb verdauten Mageninhalts landen trotzdem auf seinem Gummianzug. „Also sagen Sie mal, herrscht er Poschlack an. „Wieso haben Sie sich denn nicht unter Kontrolle? Sie haben gerade einen Tatort versaut!

    „Das ist doch Ihre Schuld! Bollermann schaut Wahlberg böse an. „Müssen Sie einer schwangeren Frau unbedingt eine tote Ratte wie eine Trophäe präsentieren?

    „Die steckte nun mal im Mund des Toten, verteidigt sich unser Rechtsmediziner. „Und überhaupt. Wieso muss ich auf Frauen Rücksicht nehmen, wenn die in anderen Umständen sind? Entweder ist man diensttauglich oder nicht.

    „Ich finde, Sie haben recht, sagt Vogel. Bolle fährt herum und sieht aus, als ob er sich jeden Moment auf unseren Staatsanwalt stürzen würde. „Und Sie haben auch recht, sagt der zu Andy.

    „Das ist doch völliger Blödsinn, meint Willi und zieht damit die Aufmerksamkeit aller auf sich. „Wer steckt jemandem eine tote Ratte in den Mund?

    „Wer auch immer, erwidert Wahlberg. „Fakt ist, sie steckte dort. Und sie war wahrscheinlich nicht tot, als man sie ihr… oder ihm im Mund platzierte.

    Mit diesem Satz schafft er es, Ruhe in die erhitzte Runde zu bringen. Wenigstens ein paar Sekunden lang schweigen wir.

    „Sie meinen, das Tier lebte noch, als es ihr in den Mund geschoben wurde? Ich halte es für angebracht, endlich mal was zu sagen. „Hätte sich das kleine Wesen nicht gewehrt oder gezappelt?

    „Sicher, falls sie nicht betäubt war. Aber es ist ein sehr kleines Exemplar. Mit einem festen Griff hatte das Tier keine Chancen. Wie dem auch sei. Das Genick des kleinen Tieres ist durchgebissen. Es besteht also sogar die Möglichkeit, dass beide noch lebten."

    Die Glubschaugen der Leitkuh treten aus den Höhlen. Entweder ist es der Schreck, die Wahlbergs Aussage hervorgerufen hat. Oder es ist Sauerstoffmangel, der sich hinter einer Staubschutzmaske durchaus einstellen kann.

    „Sehen Sie, erklärt uns Wahlberg. „Das Tier wurde totgebissen. Die Abdrücke stimmen nach meiner ersten groben Untersuchung mit den blutigen Zähnen des Opfers überein. Natürlich kann der Täter die Maus oder die Ratte auch nach dem Tod des Opfers in dem Mund platziert und die Zähne fest zusammengedrückt haben. Da lege ich mich mal noch nicht fest. Aber das Tier wurde mit einem Genickbiss erledigt. Wenn man es so ausdrücken möchte. Da besteht kein Zweifel. Der Kopf ist nicht mehr sehr fest mit dem Rest des Körpers verbunden. Damit hält Wahlberg das tierische Opfer hoch. Dessen Köpfchen baumelt besorgniserregend im stürmischen Wind.

    „Du meine Güte", murmelt Vogel.

    Lisa Poschlack geht mit wackligen Schritten zu unserem Dienstfahrzeug. Bolle hat seinen starken Arm um ihre Taille gelegt und bugsiert sie auf die Rückbank.

    „Mit was haben wir es hier zu tun?" Unser Staatsanwalt wirft die Frage in unsere Runde. Und dabei sieht er mich an. Aber ich habe keine Antwort parat. Hilfesuchend schaue ich zu Wahlberg.

    „Mit einem jungen Mann, der wohl glaubte, im falschen Körper zu sein, übernimmt unser Rechtsmediziner meinen Teil. „Ich schlage zunächst vor, dass wir ab sofort von einer Frau sprechen. Denn dies zu werden, war wohl das Ziel des einstigen Mannes. Wie man unschwer erkennen kann, sind die Brüste nicht echt. Wenn Sie mich fragen, dann halte ich sie für schlechte Arbeit. Viel zu groß. Aber vielleicht wollte es diese Person so haben. Weiterhin gibt es mehrere chirurgische Eingriffe im Gesicht. Manche würden sie als Schönheitsoperationen bezeichnen. Hier und hier und da. Wahlberg zeigt auf die Nase, die Wangenknochen und die Lippen. „Alles nicht echt, erklärt er uns. „Der dagegen ist es. Unser Rechtsmediziner zeigt auf einen nicht zu übersehenden Penis. „Für einen toten Schwanz hat der eine beachtliche Größe, meint Wahlberg. „Möchte nicht wissen, wie der bei voller Leistung aussah.

    „Dr. Wahlberg, ich muss doch bitten, unterbricht Vogel die Ausführungen. „Ersparen Sie uns derartige Details.

    „Warum denn? Aber schön. Jedenfalls wäre das bestimmt die nächste Operation geworden. Was mich übrigens sehr wundert."

    „Was wundert Sie?", erkundige ich mich.

    „Dass die zukünftige Frau ihr ehemals wertvollstes Stück noch dran hat. Normalerweise fängt eine Geschlechtsanpassung damit an. Nach Entfernung der Penisschwellkörper und der Hoden mit Samensträngen wird die Höhle der Neovagina zwischen Enddarm und Blase gebildet. Die Neovagina wird mit der eingestülpten Penisschafthaut und einem Vollhauttransplantat vom ehemaligen Hodensack ausgekleidet. Ein Teil der Vorhaut wird an der Eichel erhalten, um daraus die kleinen Schamlippen zu formen. Die Klitoris wird aus der Eichel gebildet, die Harnröhre gekürzt und an der anatomisch korrekten Stelle eingesetzt."

    „Hör auf, fährt Winterstein den Ausführungen von Wahlberg in die Parade. „Da wird mir schon beim Zuhören richtig schlecht.

    „So eine Anpassung ist kein Zuckerschlecken, bestätigt unser Rechtsmediziner. „Auch wenn man die Operationstechniken in den letzten Jahren sensationell weiterentwickelte. Jedenfalls, wie alle sehen können, stand diese Frau vor der alles entscheidenden Operation, die immer in zwei Phasen durchgeführt wird. Sie hatte noch einen relativ langen Weg vor sich, denn aus medizinischer Sicht sollte zwischen diesen beiden Eingriffen ein Zeitraum von mehreren Monaten liegen. Es dauert eben alles seine Zeit, wenn man zum Beispiel aus dem vorderen Anteil der Vorhaut des Penis die kleinen Schamlippen bildet.

    „Henning, es reicht. Willi lässt am Tonfall erkennen, dass er keine weiteren anatomischen Erklärungen hören will. „Wenn man dich reden hört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Geschlechtsteile dazu da sind, sie wie Knete umzuformen.

    „Das kommt hin", stimmt Wahlberg zu. Vogel atmet tief ein. Die Leitkuh versucht es auch, wobei ihre hohlen Glubschaugen noch weiter aus den Höhlen hervortreten.

    Ich gehe in die Hocke und schaue jetzt zum ersten Mal in aller Ruhe die Ermordete an. Ganz langsam gleitet mein Blick über den Körper. Ich beginne bei den zarten und grazilen Füßen, die in hochhackigen Schuhen stecken und ziemlich sauer stinken. Der Mageninhalt von Poschlack verbreitet einen sehr intensiven Geruch, der mir unangenehm in die Nase steigt. Das Opfer trägt schwarze Netzstrumpfhosen. Aus den mikroskopisch kleinen Löchern ringeln sich schwarze, drahtige Haare. Es ist mir schleierhaft, warum sich dieser Mensch nicht die Beine rasierte, wenn er zum weiblichen Geschlecht wechseln wollte. Aber warum sollen nicht auch Frauen stolz auf ihre Beinbehaarung sein? Über kurz oder lang werden wir wohl nicht mehr zwischen Mann und Frau unterscheiden. Die unentschlossenen Wesen, die jetzt noch in der totalen Minderheit sind, erobern vielleicht schneller als wir glauben die Welt. Zumal die westlichen Regierungen ihnen mehr als die ganze Unterstützung angedeihen lassen.

    Dann ruht mein Blick auf dem verbliebenen männlichen Geschlechtsteil. Unglaublich, dass sich diese Person nicht als Mann fühlte. Oder das Teil war tatsächlich eine zu große Last. Der Bauch hingegen macht beiden Geschlechtern Ehre. Er ist ziemlich gestählt. Dann wandern meine Augen höher. Wahlberg hat recht. Die Brüste sind keine Meisterleistung. Sie sehen aus, als hätte man sie mit einer Fahrradpumpe aufgepumpt. Und zwar viel zu lange. Fast erwartet man, dass die beiden Nippel davonfliegen und die überschüssige Luft mit einem lauten Zischen entweicht. Der Hals des Opfers ist faltenfrei. Bei dem jugendlichen Alter ist das kein Wunder. Nur die hässliche und breite Strangfurche stört. Das Gesicht ist hübsch, auch wenn Wahlberg meint, dass ein Chirurg dabei seine Hände im Spiel hatte und Nachhilfe gegeben hat. Der Sturm spielt mit dem vollen blonden langen Haar.

    „Wie is die …au hierhergekomm?" Die hohlen Glubschaugen der Leitkuh schauen mich fragend an.

    „Auf jeden Fall mit ihrem Mörder, sage ich und richte mich langsam wieder auf. „Und der vermutlich mit einem Auto. Wie auf Kommando schauen wir uns um. Nur die Leitkuh nicht. Die schaut uns verwundert an.

    „Vor ein paar Tagen war es noch relativ mild, sagt Willi. „Mild und nass. Da müssten Reifenspuren entstanden sein, die bestimmt noch zu sehen sind. Immerhin war es in den vergangenen Tagen frostig.

    „Ich schau mich gleich mal um." Thomas Brandt entfernt sich von uns und prüft die nähere Umgebung.

    „Warum hat man ihr nicht alle Kleidungsstücke ausgezogen?, sinniere ich vor mich hin. „Wieso hat sie die Netzstrumpfhose und die Schuhe noch an? Das ist doch merkwürdig.

    „Ist es für solche Fragen nicht noch zu früh? Andy ist zurückgekommen und stülpt sich die Kapuze über den Lockenkopf. „Ich meine, hier ist doch alles merkwürdig, oder?

    „Hm."

    „Was glaubst du, wie lange sie schon hier draußen liegt?" Willi gesellt sich zu Wahlberg, schlägt den Mantelkragen hoch und steckt die Hände tief in die Taschen.

    „Schwer zu sagen, Wilfried. Lasst uns mal gemeinsam rechnen. Ungefähr sechs bis acht Stunden nach Eintritt des Todes ist die Totenstarre erreicht. Die Erstarrung der Muskeln löst sich maximal nach 48 Stunden wieder. Bei diesem Opfer beginnt dieser Prozess gerade. Die Temperaturen sind natürlich mit einzurechnen. Die vergangenen Nächte waren sehr kalt. Zwei Grad unter null hatten wir. Ich schätze, das Opfer liegt seit drei Tagen hier. Aber es ist nur eine vage Schätzung. Das wisst ihr. Ich kann erst gesicherte Erkenntnisse liefern, wenn ich sie bei mir auf dem Tisch hatte."

    „Drei Tage, wiederhole ich. „Dann wäre sie am vergangenen Wochenende ermordet worden.

    „Stimmt. Wahlberg hält die Rattenmaus noch immer am Schwanz fest. Langsam lässt er sie in eine durchsichtige Tüte gleiten. Dann verschließt er diese sorgfältig und verstaut sie in einem seiner Köfferchen. „Viel ist von ihr nicht mehr übrig. Hauptsächlich die Haut und das Fell. Bei so einem kleinen Tier geht alles schneller zu Staub über. Auch wenn sie in der Mundhöhle des Opfers steckte und vor der Witterung geschützt war.

    „Wie dem auch sei, sagt Vogel. „Ich denke, dass meine Anwesenheit jetzt nicht mehr erforderlich ist. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Morgen findet unsere erste Besprechung statt.

    Er nickt kurz in die Runde und eilt mit Riesenschritten zu seinem Auto.

    „Isch fa au mit!" Die Leitkuh heftet sich an seine Fersen. Aufgrund der derzeitigen Abstandsregeln steigt sie hinten ein. Vogel gestikuliert wild herum. Aber die Leitkuh bleibt wie angewurzelt sitzen. Der Motor heult auf. Und mit quietschenden Reifen fährt Vogel nach Sassnitz zurück.

    „Vermutlich hat er jetzt die letzten Spuren zur Sau gemacht", orakele ich.

    „Hauptsache, er hat die Leitkuh mitgenommen, atmet Willi auf. „Ich dachte schon, die kriegen wir heute nicht mehr los.

    „Das wäre das erste Mal gewesen, dass sie an einem Tatort ausgeharrt hätte", stelle ich fest. Plötzlich klappern mir nun doch die Zähne. Vielleicht liegt es am Sturm, der immer heftiger wird. Vielleicht liegt es daran, dass wir schon lange unbeweglich herumstehen. Vielleicht liegt es auch am Anblick der Toten. So nackt sollte man im Winter nicht mehrere Tage im Freien liegen. Weder tot noch lebendig.

    „Und nun?", fragt Willi.

    „Ich vertrete mir die Füße. Darf ich die nähere Umgebung erkunden, Dr. Wahlberg?"

    „Liebe Frau Burmeister, Sie sind Profi. Ich weiß, dass Sie keine Spuren niedertrampeln. Meinen Segen haben Sie also."

    Ich nicke unserem Rechtsmediziner lächelnd zu und lasse ihn mit dem Opfer und meinen Kollegen allein. Nachdenklich streife ich in der Gegend umher. Wahrscheinlich gehörte dieses riesengroße und jetzt heruntergekommene Grundstück irgendwann einmal irgendjemandem. Vom Zaun ist nicht mehr viel übrig. Die meisten Holzlatten sind windschief, abgebrochen und verfault. Nur hier und da gibt es ein paar zusammenhängende Zaunfelder. Die alten, knorrigen und jetzt kahlen Obstbäume haben schon viele Zeiten erlebt und wahrscheinlich unzählige Besitzer kommen und gehen sehen. Und vielleicht handelt es sich sogar um Sorten, die inzwischen verboten sind. Genetisch unbehandelt und noch voller Vitamine und Geschmack. Ansonsten ist von einstigen Beeten, sofern es sie gab, nichts mehr zu sehen. Die urige Natur hat sich durchgesetzt und wieder Besitz von diesem Stückchen Land ergriffen, auch wenn die fälschlicherweise als Unkräuter bezeichneten Pflanzen jetzt im Winter am Boden liegen. Eine völlig eingefallene Laube ist ebenfalls stummer Zeitzeuge einer längst vergangenen Epoche. Sie ist so niedrig, dass man meinen könnte, sie stamme aus einem anderen Jahrhundert, als die Menschen noch viel kleiner waren. Die Tür ist komischerweise abhandengekommen. Vielleicht war sie aus Holz und hat in einem Kamin ihr letztes Zuhause gefunden.

    Ich muss mich beim Eintreten bücken und stoße mir den Kopf, weil ich mich in dem kleinen Raum blöderweise aufrichte. Es macht „Doing und ich sage laut „Aua!. Mit eingezogenem Kopf schaue ich mich um. Ein wackliger Tisch, drei Stühle, einer davon nur noch mit zwei Beinen, und ein wurmstichiger Küchenschrank stehen traurig herum. Er erinnert mich an das Mobiliar meiner Großeltern. Fehlt bloß noch der Aufwaschtisch. Noch immer hängt die inzwischen vergilbte und zerrissene Gardine am kleinen, mittlerweile lichtundurchlässigen Fenster, das mehrere winzige Löcher aufweist. Der Sturm heult lautstark durch alle Ritzen. Das Dach knarzt bedenklich. Schnell gehe ich wieder hinaus. Durch einen Riss in der Wolkendecke scheint kurz die fahle Wintersonne, deren Strahlen die Wärme eines längst erloschenen Feuers haben. Ich muss aufpassen, nicht depressiv zu werden. Schnell laufe ich weiter. Aus den Augenwinkeln nehme ich Thomas Brandt wahr, der auf allen vieren auf dem nassen und kalten Boden kriecht. „Haben Sie was gefunden?", rufe ich. Aber der Sturm verschluckt meine Worte. Falls Brandt fündig geworden ist, wird er es uns sagen. Ich gehe bis zum Rand des Grundstückes. Hier schauen nur noch rissige und zerbröckelte Pfeiler aus dem Boden, die dem Zaun einst Halt gaben. Der Garten grenzt an ein Feld, das wiederum an ein kleines Wäldchen grenzt. Hier sagen sich nicht mal Hase und Fuchs gute Nacht. Und ich bezweifle, dass die Ratte oder das Mäuschen hier gelebt hat.

    „JESSICA!" Willi brüllt meinen Namen durch die verlassene Gegend.

    „Ich komme!", brülle ich zurück. Mit kalten und nassen Füßen trete ich den Rückweg an. Und mit einer Vorahnung. Wir werden morgen auf unserer Besprechung keinerlei Ergebnisse vorweisen können. Es sei denn, Wahlberg findet im Hintern des Opfers dessen Ausweis. Ich höre schon wieder Teichert, der seit langem meint, dass die Menschen einen Chip eingepflanzt bekommen sollten. Einen, mit dem man die Wohnungstür öffnen kann. Der die Körpertemperatur misst und der WHO meldet, wenn irgendein von ihr festgelegter Wert über- oder unterschritten wird. Mit dem man sich ausweist und sein umweltzerstörendes E-Auto öffnet. Mit dem man seine Waren bezahlt und Fleisch im automatisierten Einkaufsmarkt an der automatisierten Kasse zugeteilt bekommt. Warum auch immer findet Teichert diese Idee fantastisch. Es ist die neue Freiheit des Zukunftsmenschen. In unserem Falle wäre so ein Minichip natürlich nützlich. Wir wüssten sofort, wer erdrosselt wurde und dann als Tiefkühlware haltbar gemacht werden sollte. So bleibt uns mal wieder nur, die Vermisstenmeldungen durchzuforsten und auf ein wenig Glück zu hoffen. Glück, das wir wahrscheinlich nicht haben werden.

    Willi klemmt sich hinter das Lenkrad unseres alten Dienstautos. Bolle fährt mit seiner Lisa hinter uns im neuen E-Auto, das unser Präsidium vor kurzem erhalten hat. Ich weiß nicht, warum es Menschen gibt, die im E-Auto eine Möglichkeit sehen, irgendetwas zu retten. Wenn man sich den Abbau von Lithium und das von unserer derzeitigen Außenministerin aus unbekannten Gründen in Kobold umbenannte chemische Element anschauen würde, wäre das Märchen vom klimaschonenden Fahrzeug mit einem Schlag allemal vom Tisch.

    Unsere Fahrt dauert gerade einmal fünf Minuten. Dann rollen wir langsam auf den Parkplatz unseres Präsidiums. Bolle springt aus dem Auto und saust auf mich zu. „Ich würde Lisa gern nach Hause bringen. Ihr geht es wirklich nicht gut. Wäre das in Ordnung?"

    „Aber ja. Geht heim. Ich schaue mir mit Willi noch kurz die Vermisstenmeldungen durch. Mehr können wir heute ja doch nicht machen. Einen schönen Abend euch beiden."

    „Danke Jessica."

    Andy geht mit Riesenschritten zurück und hilft seiner durchtrainierten Lebensgefährtin aus dem Auto. Beide winken uns kurz zu. Und dann gehen sie eng umschlungen nach Hause.

    Willi sieht ihnen nachdenklich hinterher.

    „Was guckst du so?", frage ich.

    „Ich würde mir wünschen, dass die beiden glücklich bleiben."

    „Hast du Zweifel?"

    „Ein paar."

    „Und wieso?"

    Willi lächelt. „Bist du nicht diejenige, die meistens ihren Instinkten und weiblichen Intuitionen vertraut? Hast du gar kein komisches Gefühl, wenn du an die Zukunft von Andy und Poschlack denkst?"

    Langsam steuere ich auf den Hintereingang unseres Präsidiums zu. „Sagen wir mal so. Ich hatte von Anfang an leichte Zweifel, ob die beiden ein Traumpaar sind. Was den sportlichen Enthusiasmus anbelangt, da sind sie auf einer Wellenlänge. Aber die übrigen Anschauungen gehen ziemlich auseinander. Wiederum muss das kein Nachteil sein. Und im Moment freuen sich beide auf das Kind."

    „Das wäre ja schlimm, wenn es nicht so wäre", murmelt Willi. Wir steigen die Treppe nach oben und gehen in mein Büro. Während sich Winterstein auf einen meiner zwei Besucherstühle fläzt und die Beine auf dem kleinen Tisch ablegt, schalte ich meinen PC ein und denke nach.

    „Worüber grübelst du?"

    „Suchen wir nach einem Mann oder nach einer Frau?"

    Willi holt tief Luft und schaut aus dem Fenster. Viel gibt es dort nicht zu sehen. Dunkle, tiefhängende Wolken und ab und zu eine Möwe, die sich vom Sturm tragen lässt. „Ich denke, es macht gar keinen Sinn, in den relevanten Datenbanken zu suchen. Wir kennen nicht einmal einen Namen. Vielleicht wurden sogar verschiedene Anzeigen aufgegeben?"

    „Nach einem Mann und einer Frau?"

    „Warum nicht? Und es gibt weitere Fragen. Wo kommt sie her? Stammt sie von der Insel? Oder war sie zu Besuch?"

    „Unwahrscheinlich. Im Moment kommt niemand hierher. Wir wurden abgeriegelt."

    „Aber nicht hermetisch, wirft Willi ein. „Ein paar Schlupflöcher wird es doch noch geben, oder?

    „Keine Ahnung. Ich war in den letzten Wochen nicht auf dem Festland."

    „Du denkst, man hat eine Mauer um Rügen errichtet?" Willi lächelt zurückhaltend. Ich beiße mir auf die Unterlippe und schaue nun auch hinaus. Eine Möwe müsste man sein, denke ich. Jetzt, wo wir auf unserer Insel allein sind, fehlen sie mir. Die Touristen. Die Menschenmassen, die mich sonst meistens nur nervten. Es ist einsam geworden. Einsam und leer.

    „Wir sollten morgen die Dateien durchforsten, reißt mich Willi aus meinen Gedanken. „Dann hat Wahlberg der Toten vielleicht das eine oder andere Geheimnis entrissen und wir haben ein paar mehr Anhaltspunkte. Gehen wir nach Hause, schlägt er vor. „Dort, wo die meisten der einstigen Werktätigen den ganzen Tag schon sind. Warum sollen ausgerechnet wir hier rumsitzen, wenn wir ja doch nicht wissen, wonach wir suchen sollen."

    Ich gebe mich geschlagen. Winterstein hat recht. Wir haben keinen Namen, ein geschätztes Alter und ein undefinierbares Geschlecht. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir heute Abend den Fall aufklären können, liegt bei null.

    „Gehen wir noch ein Stück spazieren?"

    „Aber erst nach Hause, stellt Willi klar. „Vielleicht bin ich schon Opa.

    „Du warst doch erst heute Mittag nach Sally schauen." Ich schalte den PC wieder aus und ziehe mich langsam an.

    „Aber in vier Stunden kann eine Menge passieren. Ich kann unmöglich an den Strand gehen, ohne vorher nach ihr gesehen zu haben. Es kann ja auch zu Komplikationen kommen."

    „Wir gehen zuerst zu Sally", beruhige ich Willi. Ich stülpe mir die Mütze fest über die Ohren und schließe die Tür ab. Dann henkle ich mich bei Winterstein ein und im Gleichschritt sausen wir nach Hause.

    „Ich habe ein ganz komisches Gefühl, unkt Winterstein, der immer schneller wird. Wir kämpfen gegen den Sturm an, der sich uns entgegenstellt. Nach gut dreißig Minuten sind wir angekommen. Willi rast zum Zwinger. Irgendwie hat er es geschafft, mich ebenfalls nervös zu machen. Ich hefte mich an seine Fersen und schaue beinahe schon panisch über seine Schultern. Mein nicht ganz sattelfestes Gehirn produziert unheilvolle Bilder. Kopfkino vom Feinsten, sozusagen. Ich sehe Sally blutüberströmt … „Na Gott sei Dank, höre ich die Stimme von Willi. „Wie geht es denn meiner Guten, hm? Alles in Ordnung mit dir? Hast du es schön warm?"

    Sally hat sich inzwischen mit ihrem neuen Zuhause angefreundet. Was bei der Größe des Zwingers nicht wirklich verwunderlich ist. Er ist fast größer als Willis Doppelhaushälfte. Mit gefühlt zwei Tonnen Stroh ausgestattet dürfte Sally sogar die nächste Eiszeit unbeschadet überstehen. Willi öffnet das Gatter und die werdende Mutter bequemt sich, ein paar Schritte im Garten zurückzulegen. Nach wenigen Minuten kommt sie zurück und verschwindet freiwillig in ihrem Eigenheim. „Ob es jetzt losgeht?" Willi beäugt neugierig und ängstlich zugleich seine mutierte Riesenhündin. Ich hoffe, der Nachwuchs wächst der Mutter nicht noch über den Kopf.

    Sally rollt sich zusammen, gähnt herzhaft und blinzelt uns noch kurz zu. „Es geht ihr gut, beruhige ich Willi. „Komm, lass uns zur Mole laufen.

    Hand in Hand gehen wir bis zum Leuchtturm, der stoisch und gelassen über das kleine Stückchen Meer blinkt. Nicht einen einzigen Menschen treffen wir auf der längsten Außenmole Europas. „Wo sind die bloß alle?, wundert sich Winterstein. Dann stützen wir uns auf die Mauer und blicken über die schwarze See. Der Vollmond schafft es, ab und zu durch die Wolkendecke zu scheinen. Dadurch erkennen wir die weiße Gischt auf den tosenden Wellen, die mit brachialer Urgewalt auf das Land rollen. Ich stülpe mir noch die Kapuze über meine Mütze und kuschle mich an Willi, der mit klappernden Zähnen gegen den Sturm ankämpft. „GEHEN WIR ZURÜCK?!, ruft er mir ins Ohr. Ich nicke heftiger als beabsichtigt. Wahrscheinlich ist das die Kälte, die mich fest im Griff hat.

    „Kein Wunder, dass heute niemand hier draußen ist!", brüllt Willi mich an.

    „Ich liebe diese Naturgewalten!, brülle ich zurück. Dann haben wir uns genug angeschrien. Mit schnellen Schritten treten wir den Heimweg an. Die vertäuten Ausflugsboote schaukeln heftig im Sturm, obwohl sie im Hafen relativ sicher vor Anker liegen. Und doch scheinen sie sich bedroht zu fühlen. Vor allem das Quietschen und Klappern der Takelage der Segelboote klingt unheimlich. Ich bin froh, dass Willi an meiner Seite ist. Endlich haben wir die Mole hinter uns gelassen. Wie auf Kommando bleiben wir stehen und schauen auf das leere Gebäude, in dem einst das „Café Gumpfer zu Hause war. Das, was ich niemals für möglich gehalten habe, ist eingetreten. Das einstige Aushängeschild von Sassnitz und stets bis auf den letzten Platz und darüber hinaus besetzte Kleinod ist bankrottgegangen. Die Ostseezeitung widmete diesem unfassbaren Vorfall fast eine ganze Seite. Der zweite Lockdown gab den Besitzern den Rest. Denn sie waren nicht Eigentümer der Immobilie. Und die Miete für diesen einzigartigen prachtvollen Platz am Fuße der Mole ist irrsinnig. Und wenn dann die von der Regierung versprochenen Gelder nicht fließen, dann kann ich verstehen, wenn Gumpfer alles hinschmeißen musste. Schwarz, leer und verlassen steht nun das Gebäude vor uns. Wir schauen uns wortlos an und laufen langsam weiter.

    „Früher wären wir jetzt ins „Gastmahl des Meeres essen gegangen. Willi bleibt erneut stehen und schaut auf die dunklen Fenster. Ich zerre ihn fort. Heute Abend will ich ausnahmsweise mal nicht über diese Scheißzeit und deren Folgen reden. Obwohl ich Gott sei Dank mit Winterstein in allen Aspekten einer Meinung bin. Aber wenn man jeden Abend immer wieder dasselbe bespricht, zermürbt es einen mit der Zeit.

    Zu Hause angekommen, schmeiße ich zwei Steaks in die Pfanne. Willi sieht selbstverständlich noch einmal nach Sally. In der Zwischenzeit schiebe ich Pommes frites in den Herd und öffne eine Dose Erbsen. Manchmal darf es auch schnell gehen. Als Willi nach zwanzig Minuten noch immer nicht kommt, beginne ich mir Sorgen zu machen. Doch bevor ich mich noch einmal dem Wintersturm aussetze, decke ich den Tisch. Ich schenke uns lieblichen Rotwein ein und zünde mehrere Teelichter an. Dann höre ich Willi im Flur poltern.

    „Alles in Ordnung?", rufe ich.

    „Alles bestens. Ich habe ihr nur noch ein wenig den Bauch gekrault."

    „Ich hoffe, du hast dich nicht komplett verausgabt und auch noch für mich ein paar Streicheleinheiten übrig?"

    „Ich würde dir gern andere Körperteile kraulen", lacht Winterstein.

    Nach dem Essen schlüpfe ich unter die Dusche. Eine gefühlte Ewigkeit lasse ich die heißen Wasserstrahlen rieseln. Erst als Willi seinen Kopf durch den Türspalt schiebt und fragt, ob mit mir heute noch zu rechnen sei, drehe ich den Wasserhahn zu. Ich rubble mich trocken und sause so wie Gott mich schuf an Willi vorbei nach oben. Im Bett ziehe ich mir die Decke bis übers Kinn und lausche auf die Geräusche, die der um die Hausecken tobende Sturm hervorruft. Ich weiß nicht, ob ich es mir einbilde, dass das Bett wackelt. Das macht es dann zehn Minuten später. Und das ist keine Einbildung. Schwer atmend und leicht schwitzend liegen wir aneinandergepresst wie zwei Bücklinge in der Konservendose.

    „Ich bin so glücklich", hauche ich Willi ins behaarte Ohr.

    „Und das in diesen Zeiten, haucht er zurück. Ich kichere ein wenig albern und gebe mir Mühe, vor Winterstein einzuschlafen. Wenn ich den Moment verpasse, habe ich schlechte Karten. Wenn Willi erst einmal Fahrt aufgenommen hat, übertönt sein Schnarchen den größten Orkan. „Du wartest, bis ich eingeschlafen bin, weise ich ihn an.

    „Nu", sagt Winterstein.

    Dann ratzt er los. Als mein mürrischer Blick auf den Wecker fällt, stelle ich fest, dass es bereits sechs Uhr ist. Zufrieden drehe ich mich auf die andere Seite und lausche auf den noch immer tosenden Sturm, bis der blöde Wecker glaubt, seine Pflicht erfüllen zu müssen. Willis Schnarchen erstirbt mit einem Ruck. „Scheiße", lautet sein Morgengruß.

    „Liebe dich auch", sage ich und setze mich erst einmal auf die Bettkante. Und während ich in den noch immer schwarzen Himmel starre, fällt mir mit einem Male ein, dass wir in wenigen Tagen den ersten Advent haben.

    „Wieso haben wir noch nicht weihnachtlich geschmückt?" Ich drehe mich zu Willi um und sehe ihn fassungslos an.

    „Na ja, druckst der. „Es ist doch noch nicht zu spät.

    „Heute Abend holen wir alles aus dem Keller, lege ich fest. „Und du besorgst uns grüne Zweige. Ich muss die Blumenkästen dekorieren. Haben wir Lichterketten?

    „Meine Güte, Jessica. Die Welt geht unter und du machst dir Gedanken über Lichterketten. Ich habe bestimmt ein paar im Keller."

    „Und wenn nicht? Wo kriegen wir welche her? Alle Geschäfte haben zu."

    „Dann bestellen wir welche bei Amazon."

    „Niemals. Wir werden dem einzigen globalen Giganten nicht unterstützen. Da brenne ich lieber das ganze Haus ab, hörst du?"

    „Deine liebreizende Stimme ist nicht zu überhören, beruhigt mich Willi. „Selbst wenn ich mir Mühe geben würde.

    „Ich mach jetzt Frühstück, knurre ich. Der Gedanke an den ersten Advent hat mich gleich am frühen Morgen aus meiner inneren und beinahe allgegenwärtigen Ruhe gebracht. Denn wenn der erste Advent erst einmal da ist, ist es nicht mehr weit bis zum zweiten, und dann zum dritten und so weiter. Und dann ist Weihnachten. Und ich habe in diesem Jahr noch kein einziges Geschenk besorgt. Weder für Willi noch für meinen Sohn Sebastian oder seine vegane schwangere Freundin Schneewittchen. Und erst recht nicht für meine übergriffige und nervtötende Mutter. Grummelnd hantiere ich scheppernd in der Küche. Willi kommt wenige Minuten später und sieht mir kopfschüttelnd zu, wie ich die Tassen und Teller mit lautem Knallen auf den Tisch stelle und die Tür des Küchenschrankes meine ohnmächtige Wut spüren lasse. „Ich habe noch nie Weihnachten verpasst, grunze ich übellaunig herum.

    „Was heißt denn verpasst?, versucht Willi mich zu beruhigen. „Es sind noch vier Tage bis zum ersten Advent. Da musst du doch nicht nervös werden.

    „Und wo bekomme ich Geschenke her?"

    „Vielleicht verteilt unser Gesundheitsminister ja überall kostenlose PCR-Tests? Wenn du die schön einpackst, freut sich zumindest der Teichert."

    „Du bist ein Arsch."

    „Ich liebe diesen kindlichen Trotz", sagt Winterstein.

    „Mal sehen, ob du das heute Abend auch noch so siehst", grolle ich über den Tisch.

    Winterstein ist nicht aus der Ruhe zu bringen. „Du willst den ganzen Tag so herrlich mies drauf sein?"

    „Nein. Es wird schlimmer werden."

    „Na wunderbar. Meine Frau ist in Hochform, lacht Willi. „Und nun mach dich nützlich und gieße deinem Liebsten mal Kaffee ein.

    Ich werfe meinen kindlichen Trotz über Bord und versuche, so etwas wie vorweihnachtlichen Frieden zu verströmen. Nach dem Frühstück sieht Willi nach Sally, während ich im Bad vor dem Spiegel stehe und mich frage, ob es Sinn macht, Make-up und Lippenstift aufzutragen. Das meiste bleibt ja doch an der medizinischen Maske hängen. Dann sage ich mir, dass mich die derzeitigen Maßnahmen nicht von meinen täglichen Schminkgewohnheiten abhalten dürfen. Ich trage stattdessen mehr als eine Schicht Make-up auf. Ich werde heute wahrscheinlich mehr als zehnmal die Maske auf- und absetzen. Also spare ich nicht mit dem braunen Puder. Als Willi mich sieht, stutzt er. Aber er hat sich relativ schnell wieder im Griff. „Du weißt, dass man sich nicht als Indianer verkleiden soll", murmelt er.

    „Selbstverständlich, beruhige ich ihn. „Und nimm das Wort Indianer nie wieder in den Mund. Das ist zutiefst rassistisch.

    „Leck mich."

    „Ich möchte nur ein wenig Farbe noch im Gesicht haben, wenn der Feierabend naht."

    „Dann siehst du wahrscheinlich aus wie Homer Simpson", lacht Winterstein. Daraufhin werfe ich seine Schuhe nach ihm. Aber ich war noch nie gut im Zielweitwurf. Beide landen an der Wand und hinterlassen ein paar kleine schwarze Striche.

    Willi guckt frustriert drein. „Ich habe erst im Sommer frisch gestri…". Den Rest verschluckt der Knall der von mir traktierten Tür. An der frischen, klaren und kalten Winterluft kühle ich mich ab. Zuallererst mein aufgewühltes Gemüt. Nachbar Karl schafft mit FFP2-Maske die Abfälle zu seiner Tonne. Mit Mühe bekommt er ein Nicken als Morgengruß zustande. Dann huscht er wieder ins Haus. Die Tür schließt sich und öffnet sich kurz darauf wieder. Heraus rast der Vater von Sallys baldigem Nachwuchs. Seit das neue Zeitalter angebrochen ist, ist der arme Hund ziemlich allein auf sich gestellt. Sein Herrchen Karl verlässt nur noch im allergrößten Notfall Haus und Garten.

    „Ich hatte erst im Sommer frisch gestrichen." Willi steht neben mir und wiederholt seine anklagenden Worte.

    „Ich mach’s wieder gut."

    „Ach ja? Und wie?"

    „Fahren oder laufen wir?" lenke ich ab. Winterstein sieht stirnrunzelnd zum Himmel hinauf. Es beginnt gerade zu dämmern und man kann unmöglich erahnen, wie das Wetter werden wird. Auf alle Fälle stürmt es noch immer. Der ablandige Sturm jagt dicke Wolkenfetzen in Richtung Ostsee.

    „Wir fahren, legt Willi fest. Fünf Minuten später stellt er seinen Skoda auf dem rückwärtigen Parkplatz unseres Präsidiums ab. Auf dem Flur erwartet uns bereits Staatsanwalt Dr. Vogel. „Gibt es Neuigkeiten?

    „Wo sollen die herkommen?, entgegne ich gereizt. „Oder sprechen Sie von der aktuellen pandemischen Lage?

    Vogel winkt ärgerlich ab. „Was sage ich also Ihrer Meinung nach den Medien?"

    „Wissen die denn schon, dass wir eine Leiche gefunden haben?"

    „Na ja, druckst Vogel herum. „Lange wird es nicht mehr dauern, dann wird es sich herumsprechen.

    „Sie meinen, in unseren Reihen gibt es eine undichte Stelle?" Willi sieht Vogel herausfordernd an.

    „Das habe ich nicht gesagt. Aber die alte Dame, die die Tote fand, könnte trotz unserer Belehrung ihr Stillschweigen brechen. Nicht wahr?"

    „Es war ihr Hund, der die Tote fand", korrigiert Willi unseren Staatsanwalt, der daraufhin auf dem Absatz kehrtmacht und in seinem Büro verschwindet.

    „Bilde ich mir das nur ein? Oder sind heute alle gereizt?", überlegt Willi laut.

    „Wen meinst du mit alle?"

    „Dich nicht, mein Engelchen."

    „Hm. Ich greife zu meinem Handy und rufe Wahlberg an. „Falls unser Rechtsmediziner keine gravierenden Neuigkeiten für uns hat, fahren wir in den Wald und mausen Zweige, flüstere ich Willi zu.

    „Die gute Frau Burmeister hofft auf eine frohe Botschaft." Wahlberg hört sich ausgesprochen gutgelaunt an.

    „Unser Rechtsmediziner ist super drauf", wispere ich in Richtung Winterstein.

    „Na wenigstens einer."

    „Kommen Sie doch in mein Reich."

    „Schon unterwegs."

    Ich klopfe an Bolles Bürotür. Aber Andy ist noch nicht da. Das wundert mich ein wenig. Denn eigentlich ist unser Sachse um diese Zeit längst im Dienst. Ich schaue nach, ob ich eine Nachricht von ihm erhalten habe. „Hast du eine Information von Bolle? Willi zückt sein Handy. „Nichts, sagt er.

    „Es wird doch nichts mit seiner Lisa passiert sein?"

    „Die werden bestimmt gleich kommen, beruhigt mich Willi. „Gehen wir schon mal zu Wahlberg. Wir sind doch schon groß und kommen auch ohne die Jugend zurecht.

    Auf dem Flur kommt uns die Leitkuh entgegen. Ihre Angst scheint eine neue Dimension angenommen zu haben. Heute hat sie über ihre FFP2-Maske noch ein Visier gestülpt. Als wir an ihr vorbeigehen, presst sie sich an die Wand und dreht den doppelt geschützten leeren Kopf demonstrativ zur Seite.

    „Wir gehen zu Dr. Wahlberg, sage ich freundlich in ihre Richtung. „Falls Sie uns begleiten möchten.

    Ihre Antwort ist auch beim besten Willen nicht zu verstehen. Willi tippt sich an die Stirn und latscht ohne ein Wort an unserer Führungsperson vorbei. Ich folge ihm. Bevor ich um die Ecke biege, schaue ich mich noch einmal um. Die Leitkuh stürmt in Vogels Büro.

    „Jetzt verpfeift sie uns, erkläre ich Winterstein. „Wir hatten beide keine Maske auf.

    „Nu. Und soll ich dir mal was sagen? Eines Tages werden wir sterben. Aber bis dahin leben wir jeden Tag. Ob mit oder ohne Gesichtswindel."

    Wahlberg empfängt uns mit einem Lächeln. Was ist bloß aus dem einstigen Ekel von Rügen geworden? Unser Rechtsmediziner hat mehrere Etappen zur Menschwerdung durchlebt. Sogar sein Lachen hört sich jetzt nicht mehr wie die Salven eines Maschinengewehrs an. Vielleicht war der Prototyp einfach noch nicht richtig ausgereift. Und jetzt steht Wahlberg 4.0 fast fehlerfrei vor uns.

    „Einen schönen guten Morgen, grüßt die überarbeitete Variante. Willi guckt Wahlberg mit zusammengekniffenen Augen misstrauisch an. „Was haben die mit dir gemacht, Henning? Du hast dich komplett gewandelt. Die haben dich ausgetauscht, stimmt’s?

    Unser Rechtsmediziner lächelt stärker. „Aber das muss unser Geheimnis bleiben", flüstert er und zwinkert uns dabei verschwörerisch zu.

    „Unbedingt, versichere ich ihm. „Sie können sich auf uns verlassen.

    Wahlberg nickt zufrieden und schlägt das Tuch zurück, unter dem sich die strangulierte junge Frau befindet, die tagelang nackt auf einem verlassenen Grundstück lag. Ihre einzige Begleitung eine kleine, von ihr wahrscheinlich nicht freiwillig totgebissene Ratte, die ihr ein Perverser in den Mund geschoben hatte. Für mich steht jetzt schon fest, dass wir es mit einem Täter zu tun haben. Eine Frau scheidet für mich aus. Aber das behalte ich für mich. Ganz besonders, wenn Poschlack in meiner Nähe sein sollte. Sie würde mich mit einem LGBTQ-Blick strafen, den ich mir ersparen will.

    „Aber das ist doch gar nicht das Opfer", sagt Winterstein verdutzt. Erst jetzt schaue ich mir das Gesicht an. Wo sind ihre wunderschönen blonden Haare?

    „Haben Sie ihr den Kopf rasiert?", frage ich Wahlberg.

    „Dafür gab es keinen Grund. Es war eine Perücke. Sehen Sie. Da haben wir die Haarpracht." Wahlberg zeigt auf die künstliche Kopfbedeckung, die er in eine Tüte gepackt hat. Ohne dieses schmückende Beiwerk sieht die junge Frau nun doch wieder männlich aus. Die kurzen schwarzen Kopfhaare kringeln sich ähnlich wie die Haare an ihren Beinen.

    „Sie trug also eine Perücke, die sie weiblicher erscheinen ließ, stelle ich fest. „Was haben Sie sonst noch zu Tage gefördert?

    „Viel Rätselhaftes, sagt Wahlberg. „Sehen Sie sich doch mal bitte diese Hautabschürfungen an.

    Ich beuge mich vor und entdecke rote, dicke Striemen an den Handgelenken.

    „Man hatte sie gefesselt."

    Wahlberg, der meinem Blick gefolgt

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