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Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte: 240 Poträts aus 12 Jahrhunderten
Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte: 240 Poträts aus 12 Jahrhunderten
Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte: 240 Poträts aus 12 Jahrhunderten
eBook1.195 Seiten15 Stunden

Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte: 240 Poträts aus 12 Jahrhunderten

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Über dieses E-Book

Dieses Buch ist eine Einladung, Hamburg durch Porträts zu entdecken. Die 240 Porträts geben einen lebendigen Einblick, wie aus einem kleinen Dorf am Rande des Frankenreiches eine prosperierende Großstadt wurde. Es werden sowohl bekannte Persönlichkeiten als auch "kleine Leute" berücksichtigt. Bei der Auswahl der Porträts liegt ein Schwerpunkt auf wichtigen Wendepunkten der Hamburger Geschichte, so der Weg vom Dorf zur spätmittelalterlichen Handelsmetropole, die Reformation, die Aufklärung, die Franzosenzeit, die jüdische Emanzipation, der demokratische Aufbruch, die Umbrüche während der Weimarer Republik sowie Naziherrschaft und Widerstand. Die letzten Porträts in diesem Buch geben einen Einblick in die dramatischen Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum31. Okt. 2023
ISBN9783384050182
Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte: 240 Poträts aus 12 Jahrhunderten
Autor

Frank Kürschner-Pelkmann

Frank Kürschner-Pelkmann (geboren 1949) hat Wirtschaft, Politik und Pädagogik an der Universität Hamburg studiert. Als Journalist, pädagogischer Referent und Fachmann für kirchliche Entwicklungsprojekte hat er eine große Zahl von Publikationen veröffentlicht. Darunter sind viele Zeitschriften- und Zeitungsbeiträge und mehrere Bücher über Hamburg, u. a. ein Stadtführer zu Orten jüdischen Lebens in Hamburg und ein „Hinz & Kunzt“-Buch mit Stadtrundgängen. Das jetzt vorliegende Buch profitiert davon, dass der Autor sich seit intensiv mit der Hamburger Geschichte und Hamburger Persönlichkeiten beschäftigt hat. Besprechung des Buches „Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte“ von Daniel Kaiser im „Kultur-Journal“ von NDR 90,3 am 8. Dezember 2013 Das sind 240 Porträts aus der Stadtgeschichte, also Menschen, die hier in Hamburg gewirkt und gelebt haben. Frank Kürschner Pelkmann, der hat das alles aufgeschrieben und im Selbstverlag veröffentlicht. Also Bücher im Selbstverlag stellen wir eigentlich nicht so oft bei uns vor, hier machen wir mal eine Ausnahme, denn das ist wirklich eine tolle Idee. Jede Person von den Porträts hat so vier, fünf Seiten. Das ist alles kurzweilig zusammengefasst, über 1.000 Jahre Hamburg-Geschichte. Und da sind dann Leute dabei, die man kennt: Matthias Claudius, Heinrich Heine, Albert Ballin, die Zitronenjette. Da sind auch Leute, die man von Straßennamen oder Orten kennt. Da lernt man dann was. Curio zum Beispiel vom Curio-Haus oder Caspar Voght. Und dann sind da auch die anderen, die vielen anderen spannenden Geschichten. Benedikt V. zum Beispiel, das ist ein Papst in Rom, der da abgesetzt und verbannt wurde, weil er, so haben die Gegner gesagt, Rom angeblich in eine Bordell verwandelt hatte, und der lebte ein paar Jahre hier und starb in der Hamburger Kälte. Und bei Arbeiten zur U-Bahnlinie 1 hat man dann Reste seiner Grabtafel gefunden. Oder es geht um Hark Olufsen, Teenager aus Amrum war das, von der Nordsee, der in Hamburg auf ein Schiff gestiegen ist, das dann im Ärmelkanal von Muslimen gekapert wurde und der junge Hark Olufsen wurde in Algerien versklavt, machte da aber Karriere und kehrte als reicher Mann nach Amrum zurück. Irre Geschichte. Also die 240 Geschichten, leicht zu lesen, spannend erzählt, jeden Abend so eine Geschichte zum Einschlafen. Wunderbar.

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    Buchvorschau

    Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte - Frank Kürschner-Pelkmann

    Einladung zu einer Lesereise

    Es gibt viele Komplimente für die Stadt an Elbe und Alster, eines der schönsten stammt von der Schauspielerin und Intendantin der Hamburger Kammerspiele Ida Ehre, und deshalb soll sie als Erste in diesem Buch zu Wort kommen: „Hamburg ist unbeschreiblich schön, mit einem Flair wie kaum eine andere Stadt. Ich kenne viele Städte, auch herrliche Städte, aber leben möchte ich nur in Hamburg. Wenn man die Elbe entlanggeht, der Nebel zieht langsam auf, alles wird leicht bläulich in der Luft, hier und da scheint ein Licht, es riecht nach Wasser, die Weite umfängt einen - es ist eine Großstadt und wirkt doch nicht wie eine Großstadt, das ist das Tolle an Hamburg."

    Die Liebe zu dieser Stadt zieht sich wie ein roter Faden durch viele Porträts dieses Buches. Es war oft keine ungetrübte Liebe, auch bei Ida Ehre nicht, die zu den Verfolgten des Naziregimes gehörte. Es gibt eine fast endlose Liste von Diskriminierungen und Verfolgungen, die das Leben von Fremden, von Andersgläubigen, von Armen und von Frauen überschatteten, und nicht einmal reiche Hamburger wie Salomon Heine oder die aus Portugal eingewanderte jüdische Familie Teixeira waren vor Angriffen sicher. Heinrich Heine schon gar nicht, und der rächte sich mit Aussagen wie diesen: „Schlechtes Leben hier. Regen, Schnee und zu viel Essen. Und ich sehr verdrießlich. Hamburg ist am Tage eine große Rechenstube und in der Nacht ein großes Bordell." Und doch schimmert neben seinem Spott und seiner beißenden Kritik auch immer wieder die Liebe zu dieser Stadt durch, etwa, als er die zerstörte Stadt nach dem Großen Brand von 1842 besuchte. Es war eine zu seinen Lebzeiten unerwiderte Liebe.

    Dieses Buch ist eine Einladung, Hamburg durch Porträts zu entdecken. Die 240 Porträts geben einen lebendigen Einblick, wie aus einem kleinen Dorf am Rande des Frankenreiches eine prosperierende Großstadt wurde. Ich habe sowohl bekannte Persönlichkeiten als auch „kleine Leute" berücksichtigt. Zugleich galt es, sowohl Leidensgeschichten als auch von Humor geprägte Lebenswege einzubeziehen. Besonders für das Mittelalter war es schwierig, genügend Informationen über einzelne Frauen zu finden, um diese in lebendigen Porträts vorzustellen. Das ist ein Problem jeder Geschichtsschreibung über Hamburg, aber selbstverständlich besonders schwierig für ein Buch mit Porträts. Ich habe darauf verzichtet, diese Lücken mit romanhaften Darstellungen von Frauen zu füllen. Es wird den Leserinnen und Lesern auffallen, dass ich bei der Darstellung späterer Jahrhunderte mehr Frauen berücksichtigt habe, als dies in den meisten bisherigen Darstellungen der Hamburger Geschichte der Fall war. So sind nun fast 80 Frauen in Porträts kennenzulernen, manchmal in Doppelporträts mit ihren Ehemännern oder Lebenspartnern.

    Bei der Auswahl der Porträts liegt ein Schwerpunkt auf wichtigen Wendepunkten der Hamburger Geschichte, und ich habe dazu jeweils mehrere Porträts aufgenommen. Das gilt besonders für den Weg vom Dorf zur spätmittelalterlichen Handelsmetropole, die Reformation, die Aufklärung, die Franzosenzeit, die jüdische Emanzipation, den demokratischen Aufbruch, die Umbrüche während der Weimarer Republik sowie Naziherrschaft und Widerstand. Die letzten Porträts in diesem Buch geben einen Einblick in die dramatischen Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs.

    Besonders in den ersten Jahrhunderten der Hamburger Geschichte nehmen Fragen des Glaubens einen breiten Raum ein, weil die allermeisten Menschen angesichts der Sorgen und Nöte des Alltags auf ein himmlisches Paradies hofften und religiöse Konflikte um ein gottgefälliges Leben und den Weg in Gottes Reich eine existenzielle Bedeutung hatten. Die Konflikte zwischen Katholiken und Lutheranern und später zwischen orthodoxen und pietistischen Lutheranern spalteten deshalb die Stadtbevölkerung und wurden heftig ausgefochten.

    Über die Jahrhunderte hinweg geht es auch immer wieder um die soziale Frage, wie Armut bekämpft und allen ein Leben in Würde ermöglicht werden kann. Bis zur Reformation hatten die Klöster eine herausragende Rolle bei der Unterstützung von Armen und Kranken. Danach waren vor allem die Kirchen und die Reichen der Stadt gefordert. Die Gläubigen füllten die „Gotteskästen", und viele Reiche stellten mit Stiftungen die Mittel für den Bau und Unterhalt von Wohnstiften und anderen wohltätigen Einrichtungen zur Verfügung. Meist war diese Unterstützung an Bedingungen geknüpft, etwa an einen untadeligen Lebenswandel und eine unverschuldete Verarmung. Angesichts des Elends, in dem große Bevölkerungsschichten lebten, reichte diese Mildtätigkeit bei Weitem nicht aus, und der Rat der Stadt musste widerstrebend einen Beitrag dazu leisten, dass ein Waisenhaus und eine Armenanstalt gebaut und unterhalten werden konnten. Die Armen blieben dabei stets die Objekte der Unterstützung, die sich dankbar zeigen sollten und nicht mitreden durften. Das wird in einer ganzen Reihe von Porträts deutlich.

    Religiöse Minderheiten und Zugewanderte hatten meist keine Aussicht auf Unterstützung. Das erklärt, warum eine Niederländische Armen-Casse und jüdische Waisenhäuser, Armenschulen und Wohnstifte entstanden. Manche von ihnen wurden zu Vorbildern für das Bestreben, Menschen dabei zu helfen, ihre Armut zu überwinden und zu selbstbewussten Bürgerinnen und Bürgern zu werden. Auch auf vielen anderen Gebieten waren es Angehörige der jüdischen Minderheit und Zuwanderer aus anderen Ländern, die Entscheidendes zur wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung der Stadt leisteten. Ohne ihr Engagement in und für die Stadt sähe Hamburg gänzlich anders aus. Manche der Fremden lebten nur für kurze Zeit in Hamburg und sind doch in Erinnerung geblieben – einige auch in schlechter Erinnerung wie der französische Feldmarschall Davout, der auf Befehl Napoleons die Stadt zur Festung ausbaute und dabei rücksichtslos vorging. Auch ihm ist in diesem Buch ein Porträt gewidmet.

    Gleichzeitig gab es viele Hamburgerinnen und Hamburger, die freiwillig oder gezwungenermaßen die Stadt verließen, sich im Ausland eine Existenz aufbauten und dann nicht selten in die Heimatstadt zurückgekehrt sind. Sie hatten die Malwinen (Falkland-Inseln) beherrscht, ihre abenteuerlichen Reisen durch andere Kontinente in Büchern dargestellt oder die Überfahrt nach Amerika trotz der unbeschreiblichen Zustände in den Zwischendecks der Schiffe überstanden … Grund genug, sich auch auf ihre Spuren zu begeben.

    Jedes Porträt ist zwischen zwei und fünf Druckseiten lang. Das ist ein Kompromiss zwischen dem Bemühen, ein möglichst breites Spektrum von Hamburgerinnen und Hamburgern vorzustellen, und dem Versuch, diese Menschen und ihr Handeln anschaulich darzustellen. Dabei werden Menschen berücksichtigt, die im heutigen Stadtgebiet von Hamburg gelebt und gewirkt haben, also zum Beispiel auch in Wandsbek und Altona. Um einzelne Personen leichter aufzufinden, habe ich zahlreiche Querverweise eingefügt und ein alphabetisches Verzeichnis der porträtierten Personen an das Ende des Buches gestellt.

    Ich habe bei allen Porträts diverse Quellen herangezogen, darunter eine große Zahl von Büchern und Buchaufsätzen. Trotz gründlicher Überprüfung sind einzelne Fehler bei den vielen Tausend Informationen nicht auszuschließen. Für entsprechende Hinweise bin ich dankbar. Mein besonderer Dank gilt Irene Idarous und Ingeborg Liebert, die mit großer Akribie Druckfehler aufgespürt und stilistische Verbesserungen angeregt haben. Den sehr schön gestalteten Buchumschlag verdanke ich Milla Kay.

    Für mich war die Arbeit an diesem Buch eine spannende und oft auch überraschende Reise durch die Hamburger Geschichte. Ich hoffe, dass es den Leserinnen und Lesern auch so gehen wird. Wer nicht gleich 1.000 Seiten hintereinander lesen möchte, kann auch irgendwo im Buch beginnen und eine Reise kreuz und quer durch Hamburgs Geschichte unternehmen. In jedem Fall kann das Buch helfen zu verstehen, wie diese Stadt in 12 Jahrhunderten so geworden ist, wie wir sie heute kennen. Dieses Wissen kann dazu ermutigen, aus der Geschichte zu lernen und sich einzusetzen für eine liebenswerte Stadt, die alle einbezieht und allen ein Leben in einem nachhaltigen, humanen Gemeinwesen ermöglicht.

    Hamburgs Geschichte in einem kurzen Überblick

    Im 9. und 10. Jahrhundert gab es am Ufer der Alster nur eine kleine Siedlung, umgeben von einem Lehmwall, der keinen Schutz gegen die Wikinger bot. Wie hart das Leben damals war, kann man erahnen, wenn man das Porträt von Papst Benedikt V. liest, der hierher verbannt worden war und noch im ersten Jahr seines Exils starb. In weiteren Porträts wird dargestellt, wie das, was einmal Hamburg werden sollte, mehrmals in Schutt und Asche gelegt wurde. Schutt gab es allerdings zunächst nicht viel, haben Archäologen inzwischen festgestellt, denn der kleine Ort bestand aus recht primitiven Holzbauten. Die günstige Lage an Flussfurten und Handelswegen zahlte sich aber bald aus.

    Vom 13. ]ahrhundert an entwickelte sich Hamburg zu einer wohlhabenden Handelsstadt, die für ihr Bier berühmt war und als Mitglied des Städtebundes der Hanse mit allen Städten an Nord- und Ostsee wirtschaftliche Beziehungen unterhielt. Mit viel Geschick, Hartnäckigkeit und einem gefälschten Barbarossa-Freibrief konnte die Stadt ihre Selbständigkeit verteidigen. Aus dieser Zeit gibt es bereits so viele historische Quellen, dass eine größere Zahl von Porträts erscheinen kann. Sie erzählen zum Beispiel von Kaufleuten und Pastoren, Künstlern und angeblichen „Hexen".

    Die nächste große Veränderung, die mit Porträts nachgezeichnet wird, war die Reformation. Anders als in deutschen Fürstentümern und Königreichen bestimmte nicht ein Herrscher, was die Menschen zu glauben hatten, sondern es gab öffentliche Disputationen über den rechten Glauben, bei denen es um die Grundfragen menschlicher Existenz ging: um ein gottgefälliges Leben hier auf Erden und den Weg zum ewigen Heil. Die Lutheraner konnten sich durchsetzen und das auch deshalb, weil angesichts der Missstände in der Kirche und besonders in den Klöstern die Forderung nach radikalen Veränderungen von allen Schichten der Bevölkerung mitgetragen wurde. Die neue Kirchenordnung Bugenhagens regelte nicht nur das religiöse Leben, sondern auch das Verhältnis von lutherischer Kirche und städtischer Obrigkeit. Religiöse Minderheiten hatten danach durch die Vorherrschaft der lutherischen Kirche einen schweren Stand in der Stadt, besonders die Katholiken und die Juden.

    Im 17. Jahrhundert wurden gerade noch rechtzeitig vor den anrückenden Heeren des Dreißigjährigen Krieges gewaltige Wallanlagen nach Plänen des niederländischen Festungsbauers Valckenburg fertiggestellt. Bei dieser Gelegenheit wuchs das geschützte Stadtgebiet um die Neustadt, also die Gebiete westlich der Alsterfleete. Die halbkreisförmigen Wallanlagen sind noch heute deutlich auf dem Stadtplan zu erkennen. Hamburg überstand den Dreißigjährigen Krieg weitgehend unbeschadet und stieg zu einer der größten und reichsten Städte des Deutschen Reiches auf.

    Eine weitere prägende Epoche war der Aufbruch der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Alte Glaubensgewissheiten gerieten ins Wanken, auch bei der jüdischen Minderheit. Eine Reihe von Porträts erlauben es, diesen Aufbruch und die zum Teil heftigen Reaktionen darauf kennenzulernen. Es ist bemerkenswert, dass die vehementen Verfechter der Gedanken der Aufklärung ihre bis heute bestehende Vereinigung Patriotische Gesellschaft tauften. Patriotisch sein, das hieß für sie, sich zum Wohle der Stadt zu engagieren und dabei besonders die Armen der Stadt zu unterstützen sowie allen Bewohnerinnen und Bewohnern eine Bildung zu ermöglichen.

    Auch entstanden damals in Hamburg bemerkenswert viele Stiftungen, die vor allem Wohnmöglichkeiten für Verarmte schufen. Viele dieser Wohnstifte bestehen bis heute. Es war zunächst eine paternalistische Unterstützung, bei der die Förderer bestimmten, wem geholfen wurde und wem nicht. Und häufig waren es verarmte Mitglieder der Oberschicht, für die zu allererst oder ausschließlich gesorgt wurde.

    Hamburgs Aufbruch zu einem modernen Gemeinwesen erhielt von den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhundert an großen Auftrieb durch viele Tausend Einwanderer aus Frankreich, England und anderen Ländern. Sie ließen eine kosmopolitische Stadt entstehen, wo es ein französisches Theater gab, viele Handelshäuser ihre Geschäftsbücher auf Niederländisch führten und man englische Sitten hochschätzte. Lutherische Geistliche wie der berühmte Hauptpastor Goeze versuchten im multireligiösen Hamburg, die Privilegien der lutherischen Kirche zu verteidigen. Die Stadt sollte ein „lutherisches Zion" bleiben. Wer nicht lutherischen Glaubens war, konnte Jahrhunderte lang kein Bürger werden, wer gar Jude war, musste mit Schikanen und Ausweisung rechnen. Die Nachbarstadt Altona und das kleine Wandsbek waren wesentlich toleranter und wurden zur Heimat von Verfolgten aus vielen Ländern Europas.

    Die Einwanderer trugen entscheidend zum profitablen Überseehandel bei und sorgten für weltweite Geschäftsverbindungen. Das zeigen beispielhaft einige Porträts in diesem Buch. Hamburg wurde zum wichtigsten Umschlagplatz für „Colonialwaren" in Norddeutschland und Nordeuropa. Skrupel kannten viele dieser Reeder und Kaufleute nicht. Es gibt viele Beispiele dafür, wie sie sich an Sklavenhandel und der Ausplünderung ganzer Weltregionen beteiligten und dadurch zu großem Reichtum gelangten. Die Kaufleute selbst hatten erkannt, dass hohe Gewinne nicht an Bord schwankender Segelschiffe zu erzielen waren, sondern auf den festen Holzböden der Kontore.

    1806 erlitt die Wirtschaft der Stadt einen schweren Rückschlag. Napoleonische Truppen besetzten Hamburg und verbreiteten Schrecken und Elend. Englische Waren wurden verbrannt, der Überseehandel kam völlig zum Erliegen und auch die übrigen Geschäfte lagen weitgehend darnieder. Es galt in dieser Zeit als patriotische Tat, Waren über die Hamburger Stadtgrenze zu schmuggeln. Immerhin sorgten die französischen Besatzer für eine Modernisierung der Verwaltung und gleiche Rechte für alle Religionsgemeinschaften, wovon nicht zuletzt die jüdische Bevölkerung profitierte. Kaum waren die Franzosen 1814 abgezogen, kehrten auf vielen Gebieten die alten Verhältnisse zurück, „Restauration hieß diese Epoche in Deutschland, und in Hamburg wurde damals viel „restauriert – zum Beispiel wurde der jüdischen Minderheit ihr gerade erst zuerkanntes Bürgerrecht wieder genommen.

    Wie lebendig das wieder prosperierende Hamburg im 19. Jahrhunderts war, hat der Dichter Joseph von Eichendorff staunend festgestellt: „Endlich langten wir im Hafen an. Welchen Eindruck dieses seltsame in der Welt einzige Schauspiel auf uns machte, ist unbeschreiblich. Mit staunendem Entzücken fuhren wir in das tosende Chaos hinein. Wie eine fremde Feenwelt umschlossen uns rings die ungeheuren Seepaläste. Hier wurde gezimmert, dort gerudert, dort klommen Matrosen auf den Masten hinan, hier schwebten andere am Tauwerk zwischen Himmel u. Wasser, und ein dumpfes Getöse von 1.000 Stimmen in hunderterlei Sprachen tönte darein … Der Jungfernstieg verdient wegen seiner vorzüglichen Schönheit nähere Erinnerungs-Merkmale: Es ist eine große breite Straße, an der einen Seite von schönen Häusern, von der anderen von einem große Teiche begrenzt, welcher wieder zu beiden Seiten von der Stadt u. im Hintergrunde von den trefflichen Wällen eingeschlossen wird. Auf dem Teiche befinden sich mehrere Schwanenhäuschen, u. schöne auf modernen niedlichen Schiffen schwimmende Coffeehäuser … Nach Tische gingen wir auf den Jungfernstieg, bestiegen dort eine Gondel, u. ließen uns auf dem kleinen See herumschiffen, eine herrliche Partie noch zum letztenmale recht in vollen Zügen zu genießen."

    Die Welt, die den Dichter am Jungfernstieg faszinierte, war die Welt der Wohlhabenden und Reichen. Es gab daneben aber auch die Welt der Armen - und das war die große Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt -, die in engen, feuchten Kellern oder dunklen, kleinen Wohnungen in den Gängevierteln leben mussten. Alt wurden die Menschen unter solchen gesundheitsgefährdenden Lebensverhältnissen nicht, und wer in eine Notlage etwa durch den Tod des Ehemanns geriet, war auf mildtätige Gaben angewiesen. Das waren Hilfen, die meist erst nach einer strengen Überprüfung des Lebenswandels der Bedürftigen gewährt wurde. Das hatte sich über die Jahrhunderte nicht geändert.

    Da nur die Reichen in der Bürgerschaft, dem Parlament der Stadt, saßen, hatten die Armen wenig Aussicht auf eine Änderung dieser Misere. Im Rat, der Stadtregierung, waren die Kaufleute und Reeder sowie einige Juristen unter sich. Der Rat ergänzte sich durch Zuwahl, und die Mitglieder wurden auf Lebenszeit gewählt, sodass man unter sich blieb. Ein gemeinsames Interesse dieser Kaufleute und Reeder bestand darin, ihre Steuern niedrig zu halten. Sozialaufgaben überließ man privater Mildtätigkeit, und eine Universität verhinderte man, weil sie Kosten verursacht hätte und es billiger war, die eigenen Söhne an andere Universitäten zu schicken. Einzelne Aufstände des „Pöbels" wurden rücksichtslos niedergeschlagen.

    Wie fragil die Lage der Stadt war, zeigte sich beim Großen Brand von 1842. Tagelang herrschte völliges Chaos in Hamburg, weil alle nur an die Sicherung des eigenen Besitzes oder aber an das Plündern dessen dachten, was die Reichen angesichts des nahenden Feuers zurückgelassen hatten. Aber auch nach dieser Katastrophe wurden die alten Verhältnisse wiederhergestellt. Selbst das Jahr 1848 brachte keine grundlegenden Veränderungen, schon gar nicht für das wachsende Proletariat der Stadt.

    Was sich in den folgenden Jahren abzeichnete, war ein Bündnis zwischen den alten Kaufmannsfamilien, die seit Generationen die Stadt beherrschten, und dem wachsenden aufstrebenden Bürgertum. Das Ergebnis war die Verfassungsreform von 1860, die das Wahlrecht auf eine größere Zahl von Bürgern mit erheblichem Einkommen oder Grundbesitz ausdehnte. Die armen Männer der Stadt und alle Frauen waren weiter machtlos. Selbst die Reichsgründung von 1871 änderte daran nichts. Bei Reichstagswahlen durften alle Männer abstimmen, bei den Wahlen zur Bürgerschaft nur die wohlhabenden unter ihnen – so viel zur vielgepriesenen demokratischen Tradition Hamburgs.

    Auch ohne Wahlrecht in lokalen Angelegenheiten bildete sich in Hamburg eine starke Arbeiterbewegung, die sich in Gewerkschaften und SPD sammelte. Auch die demokratische Frauenbewegung in Deutschland hatte in Hamburg eines ihrer Zentren. Darüber ist in einer ganzen Reihe von Porträts mehr zu erfahren. Wie wenig unter den herrschenden politischen Bedingungen für die Überwindung auch nur der schlimmsten sozialen Missstände geschah, zeigte die Choleraepidemie von 1892, die den herbeigerufenen Arzt Robert Koch erschütterte. Danach wachte die Obrigkeit endlich auf, denn die Quarantäne, die verhängt werden musste, hatte große Einbußen in der Wirtschaft verursacht.

    Es wurde beschlossen, die Gängeviertel abzureißen, die für alle sichtbare Ballungsräume des sozialen Elends in der Stadt. Die freiwerdenden Flächen bebaute man vor allem mit großen Kontorhäusern und Geschäften, während die Bevölkerung an den Rand der Stadt, zum Beispiel nach Barmbek, verdrängt wurde. Auch für den Bau der Speicherstadt, die Backsteinlagerhäuser im neu entstandenen Freihafen, riss man Hunderte von Wohnhäusern rücksichtslos ab und siedelte die Bewohner um, meist in billig errichtete Mietskasernen.

    Der Wirtschaftsaufschwung vor dem Ersten Weltkrieg begünstigte eine Entfaltung des kulturellen Lebens. Neue Theater und Museen entstanden, internationale Stars wie die schwedische Sängerin Jenny Lind feierte die Bevölkerung nicht hanseatisch kühl, sondern sehr stürmisch. Viele Porträts geben einen lebendigen Einblick in diesen kulturellen Aufbruch. Das Ende des Kaiserreiches und der große politische Einfluss der Sozialdemokraten auch in Hamburg und Altona veränderten nicht nur das politische Leben, sondern es entstand auch eine große Zahl solider Backsteinmietshäuser, die sich noch heute großer Beliebtheit erfreuen. Die hohe Arbeitslosigkeit blieb aber in den 20er und Anfang der 30er Jahre ein großes soziales Problem und war eine der Ursachen für den Aufstieg der Nationalsozialisten auch in Hamburg.

    Vom 30. Januar 1933 an brachten die Nazis sehr rasch den gesamten Staatsapparat und die meisten kulturellen, sozialen und religiösen Einrichtungen durch eine „Gleichschaltung" unter ihre Kontrolle und verbreiteten Angst und Terror. Es erwies sich als unmöglich, die große Mehrheit der Bevölkerung gegen dieses Unrechtsregime zu mobilisieren. Tatenlos sahen sehr viele zu, wie Kommunisten und Juden, Sinti und Menschen mit Behinderungen ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden. Umso bedeutsamer, dass Einzelne und kleine Gruppen sich zum Widerstand entschlossen und das eigene Leben dafür riskierten, der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten ein Ende zu setzen. An einige dieser Menschen wird mit Porträts erinnert. Das Ende des Krieges war besonders für verfolgte Menschen eine Stunde der Befreiung – und mit dieser Zäsur in der Hamburger Geschichte endet das Buch.

    845 – Ansgar, der „Apostel des Nordens", wird von den Wikingern aus Hamburg vertrieben

    „Geh hin, und vom Martyrium gekrönt wirst du zu mir zurückkehren. Dieser Auftrag, den Ansgar 814 in einer Vision vernahm, wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Mit großem Gottvertrauen überstand er alle Gefahren und Rückschläge seiner Mission unter den „Barbaren im Norden Europas. Als Ansgar 801 im Norden des heutigen Frankreichs zur Welt kam, stand das Reich der Karolinger unter Karl dem Großen auf dem Höhepunkt seiner Macht. 804 besiegte Karl der Große die Sachsen und konnte nun sein Reich bis nach Holstein ausdehnen. Er machte die Sachsen mit Gewalt zu Christen. Auch der kleine Ort an der Alster mit der Hammaburg erhielt eine erste kleine Kirche.

    Nördlich der Elbe beschränkte sich Karl der Große darauf, die Burg Esesfeld (nahe dem heutigen Itzehoe) als Vorposten zu errichten und die Hammaburg auszubauen. Auf einen Krieg gegen die kampfstarken Dänen und Slawen verzichtete er. Umgekehrt bedrohten dänische und norwegische Wikinger aber immer wieder die Küstengebiete seines Reiches und machten jahrelange Aufbauarbeiten in wenigen Stunden zunichte. Nach dem Tod Karls des Großen 814 regierte Ludwig der Fromme ein Reich, das von Norditalien bis an die Eider, von der Bretagne bis zum heutigen Österreich reichte.

    Ludwig wollte das Christentum in Nordeuropa verbreiten. 826 ergab sich eine Gelegenheit, als der dänische König Harald den Kaiser aufsuchte, um ihn als Bündnispartner gegen seine Widersacher in Dänemark zu gewinnen, die ihn aus der Heimat vertrieben hatten. Ludwigs Bedingung: die Taufe Haralds und seines Gefolges. Das geschah auch – wobei unklar blieb, ob Harald dies aus taktischen Gründen tat, um mit kaiserlichen Truppen seine Herrschaft zurückzugewinnen. Der Kaiser wollte einen Priester mit König Harald nach Dänemark senden, aber es fand sich zunächst niemand bereit, in den als wild gefürchteten Norden zu ziehen und einen König zu begleiten, dessen christlicher Glaube alles andere als gefestigt war und der sein Herrschaftsgebiet erst noch mit kaiserlicher Unterstützung zurückgewinnen musste. Nur ein Priester war bereit, diese Risiken auf sich zu nehmen, Ansgar. Er hatte in einer Vision den Auftrag erhalten: „Gehe hin und verkünde den Heidenvölkern das Wort Gottes!"

    Er war nach dem Tod seiner Mutter schon im Alter von fünf Jahren in das Kloster Corbie in Flandern gekommen, und zunächst mehr an kindlichen Spielen als an einem ernsten klösterlichen Leben interessiert. Erst eine erste Vision brachte ihn dazu, sein Leben in den Dienst der Kirche und der Mission zu stellen. Im Traum erschien ihm die Jungfrau Maria und in ihrem Gefolge seine eigene Mutter, und es wurde ihm gesagt, er werde nur dann seine Mutter im Himmel wiedertreffen, wenn er sein Leben in den Dienst Gottes stellen würde. Solche Visionen und Träume, in denen Gläubige ihrem Gott oder Gestalten aus dem Evangelium begegneten, waren damals keine Seltenheit. Eine persönliche Offenbarung durch Gott und seine Boten war Teil des Glaubens. Für Ansgar waren solche Visionen immer wieder Entscheidungshilfen und Stärkung, wenn er sich in schwierigen Situationen befand.

    Nach den ersten Visionen wurde er zum ernsthaften Schüler und entschloss sich, Mönch zu werden. Als Lehrer genoss er schon in jungen Jahren hohes Ansehen, und als ein Kloster in Corvey an der Weser gegründet wurde, sandte der Abt von Corbie ihn 822 als Lehrer und Prediger dorthin. Ansgar sah sich durch seine Visionen zur Heidenmission berufen und lebte mit der Erwartung, als Märtyrer zu sterben. So war er gern bereit, im kaiserlichen Auftrag die gefährliche Missionsreise nach Dänemark zu unternehmen. Sie endete allerdings sehr rasch, als Harald nach einigen Monaten erneut aus seinem Land vertrieben wurde.

    830 reiste Ansgar auf Einladung des schwedischen Königs im kaiserlichen Auftrag nach Birka in der Nähe des heutigen Stockholms. Auf dem beschwerlichen Weg nach Birka überfielen Wikinger ihn und seinen Begleiter. Sie raubten unter anderem die Geschenke, die der Kaiser ihnen für den schwedischen König mitgegeben hatte. Ansgar konnte froh sein, mit dem Leben davon zu kommen. Auch ohne die Geschenke war es mit königlicher Unterstützung möglich, eine Holzkirche in Birka zu bauen und eine Gemeinde zu gründen. Nach eineinhalb Jahren kehrte Ansgar in die Heimat zurück. Der Kaiser entsandte danach einen Missionar nach Birka, der dort mehr als ein Jahrzehnt lang wirkte.

    Ansgar benötigte für seine schwierige kirchliche Aufbauarbeit einen festen Standort im Norden. Die Wahl fiel auf die Hammaburg, damals eine winzige Siedlung am Unterlauf der Elbe. Nach neuen archäologischen Erkenntnissen entstand diese Burg im 8. Jahrhundert als kleine sächsische Siedlung mit einigen Gehöften und vermutlich einem Adligen an der Spitze. Sie wurde um 820 von den Franken durch eine zweite Hammaburg ersetzt, die bereits einen Durchmesser von etwa 75 Metern hatte und über einen palisadengekrönten Erdwall verfügte.

    Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass Kaiser Ludwig der Fromme Ansgar im Einvernehmen mit dem Papst 831 zum Bischof von Hamburg machte. Inzwischen ist nachgewiesen worden, dass es sich bei der entsprechenden Urkunde um eine Fälschung aus dem 10. Jahrhundert handelt, die das Ziel hatte, Ansprüche des Erzbischofs von Köln auf Bremen abzuwehren und ältere Rechte eines Hamburger Bistums auf Bremen nachzuweisen. Rimbert titulierte Ansgar als Bischof, war aber wahrscheinlich nicht an der Fälschung der Urkunde beteiligt.

    832 erfolgte die Ernennung Ansgars zum päpstlichen Missionslegaten für den Norden. Er ließ eine kleine Holzkirche in oder neben der Hammaburg bauen. Auch ein Wohnhaus wurde errichtet. Er lebte hier sehr bescheiden und soll sich meist darauf beschränkt haben, Wasser zu trinken und Brot zu essen. Es sollen auch ein Kloster und eine Schule in der Hammaburg entstanden sein, aber wir müssen von kleinen kirchlichen Anfängen ausgehen, denn bereits 845, kam die Aufbauarbeit abrupt zum Erliegen. Dänische Wikinger segelten in schnellen Booten die Elbe herauf.

    Was dann geschah, hat Ansgars engster Mitarbeiter und Nachfolger Rimbert < S. 41 > so beschrieben: „Die überraschende Plötzlichkeit dieses Ereignisses ließ keine Zeit, Männer aus dem Gau zusammenzuziehen, zumal auch der damalige Graf und Befehlshaber des Ortes, der erlauchte Herr Bernhard, nicht zugegen war; als der Herr Bischof dort von ihrem Erscheinen hörte, wollte er zunächst mit den Bewohnern … den Platz halten, bis stärkere Hilfe käme. Aber die Heiden griffen an; schon war die Burg umringt; da erkannte er sich zur Verteidigung außerstande, und nun sann er nur noch auf Rettung der ihm anvertrauten heiligen Reliquien; seine Geistlichen zerstreuten sich auf der Flucht nach allen Seiten, er selbst entrann ohne Kutte nur mit größter Mühe. Auch die Bevölkerung, die aus der Burg entrinnen konnte, irrte flüchtend umher; die meisten entkamen, einige wurden gefangen, sehr viele erschlagen."

    Alle Häuser und die Kirche brannten nieder. Ansgar und seine Mönche konnten nur ihr Leben und die Reliquien retten und flohen nach Bremen. Ebenfalls 845 erlitt die Missionsarbeit in Schweden einen schweren Rückschlag, als heidnische Schweden die Kirche zerstörten und den Priester vertrieben.

    Bremen wurde nun zum Wohnsitz Ansgars, aber auch dieser Ort wurde 858 von Wikingern erobert und geplündert. Um für die Missionierung des Nordens eine breitere Grundlage zu schaffen, entstand unter großen kirchenpolitischen Mühen das Erzbistum Hamburg-Bremen. Nach neueren Forschungserkenntnissen geschah das erst im 10. Jahrhundert und nicht schon zu Lebzeiten Ansgars. Er ließ sich durch alle Rückschläge nicht entmutigen und konnte dort bei mehreren Reisen nach Dänemark und Schweden erneut Gemeinden gründen. Auch in Haithabu entstand eine christliche Gemeinde.

    Aber trotz vieler Reisen voller Gefahren blieb Ansgar das Märtyrerschicksal erspart oder, wie er es selbst sah, vorenthalten. Als er am 3. Februar 865 auf dem Krankenbett im Sterben lag, war er tief enttäuscht, dass ihm die „Krone des Martyriums nicht vergönnt war. Sein bester Freund, Biograf und Nachfolger Rimbert versuchte, Ansgar damit zu trösten, dass sein ganzes Leben ein Martyrium gewesen wäre. Aber erst durch eine letzte Vision ließ Ansgar sich überzeugen, dass er auch ohne den Opfertod in den Himmel kommen würde. So konnte er friedlich sterben. Er wurde vom Papst heiliggesprochen. David Fraesdorff hat in einer 2009 erschienenen Ansgar-Biografie dessen Beitrag zur Missionierung des Nordens so bewertet: „Ansgar hat den Anfang eines gefährlichen und unsicheren Unternehmens gemacht und so den Grundstein für den noch heute tief verwurzelten christlichen Glauben in Nordeuropa gelegt.

    Die Erinnerung an Ansgar wird in Hamburg u. a. durch die Ansgar-Kirche in Langenhorn, die Sankt-Ansgar-Schule, den Ansgarweg in Lokstedt, Statuen in der St. Petrikirche und auf der Trostbrücke sowie die jährliche ökumenische St. Ansgar-Vesper wachgehalten.

    865 – Rimbert wird zum Nachfolger Ansgars gewählt

    Rimbert hat in seinem Buch „Das Leben des heiligen Ansgar" der Nachwelt ein lebendiges Bild der Frühgeschichte der Kirche in Hamburg hinterlassen. Über sein eigenes Leben wissen wir vor allem deshalb Einiges, weil ein Mönch aus seiner Umgebung seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Beide Lebensberichte sind eine Mischung aus Biographie und Heiligengeschichte, aber gerade deshalb erfahren wir aus ihnen viel über den Glauben und das Denken der Kirchengründer, die in einer Zeit voller Kriege und Gewalt eine Botschaft der Hoffnung verbreiteten.

    Rimbert wurde um 830 geboren und wuchs als Schüler im Kloster Torhout in Flandern auf. Das Kloster sollte die Missionsarbeit Ansgars finanziell und mit Geistlichen unterstützen, und so besuchte Ansgar von Zeit zu Zeit Torhout. Bei einem dieser Besuche fiel ihm ein Junge auf, der ganz ernst zum Gebet in die Kirche ging, während seine Mitschüler laut plaudernd zur Kirchentür eilten. Ansgar erkundigte sich nach dem Jungen und gab den Auftrag, ihn besonders sorgfältig auszubilden.

    In einer seiner Visionen wurde Ansgar in seiner Auffassung bestätigt, dass Rimbert eines Tages zu seinem Nachfolger werden sollte. Kaum hatte dieser die Klosterschule abgeschlossen, machte ihn Ansgar zu seinem Gehilfen und bald auch zu seinem Berater und Vertrauten. Gemeinsam überstanden sie die Gefahren vieler Reisen, und in den letzten Wochen der Krankheit Ansgars im Jahre 865 wich Rimbert nicht von dessen Lager.

    Er besaß zu dieser Zeit bereits ein so hohes Ansehen, dass es nicht einmal Ansgars Vision bedurft hätte. Jedenfalls wurde er schon am Tage der Bestattung Ansgars von Geistlichkeit und Gemeinde zum neuen Leiter der Missionsarbeit im Norden gewählt, ohne dass es einen Gegenkandidaten gegeben hätte. Rimbert war voller Bewunderung für seinen Vorgänger und verfasste eine Lebensbeschreibung Ansgars, die „Vita Ansgarii. Sie würdigte dessen aufopferungsvolle Missionsarbeit, bildete die Grundlage für die Seligsprechung des „Apostels des Nordens und stärkte zugleich die kirchliche Stellung des Bistums Hamburg–Bremen sowie Rimberts Position als Nachfolger Ansgars.

    Der Historiker Andreas Röpcke hat diese Lebensbeschreibung 1997 in einem Vortrag in der Katholischen Akademie Hamburg so gewürdigt: „Rimberts Überhöhung Ansgars zum Apostel, zum Quasi-Paulus des Nordens, hat so Eingang in die Geschichte gefunden, wenn auch neuere Darstellungen nicht verschweigen, dass seine tatsächlichen Missionserfolge gering waren. Ansgar wurde ein angesehener Heiliger, auf dessen Reliquien die Bremer Kirche stolz sein konnte. Die Lebensbeschreibung Ansgars war also, betrachtet man die Wirkungsgeschichte, ein Riesenerfolg." Seinen eigenen Namen erwähnte Rimbert in der Lebensbeschreibung seines Vorgängers kein einziges Mal, obwohl er Ansgar viele Jahre begleitet und unterstützt hatte. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass er heutzutage vor allem als Verfasser von Ansgars Lebensbeschreibung bekannt ist.

    Es war ein schweres, gefahrvolles Amt, das Rimbert von Bremen und Hamburg aus mit großem Opfermut und Geschick ausübte. Schon Ansgar hatte in Bremen ein Hospital errichtet, und sein Nachfolger setzte diese diakonische Arbeit fort. So hatte er immer Männer in seiner Nähe, die in Beuteln Geld bei sich trugen, das der Bischof an Arme verteilte, die er am Wegesrand sah. Er pflegte zu sagen: „Wir dürfen nicht zögern, allen Armen zu helfen, weil wir nicht wissen können, wer von ihnen Christus selbst ist und wann er zu uns kommt."

    Rimbert verkaufte sogar AItargefäße, um von Heiden gefangene Christinnen und Christen freizukaufen: „So viel, wie der Kirchendienst erfordert, können wir immer wieder aufbringen, wenn aber eine Christenseele in der Not der Gefangenschaft verlorengeht, so ist der Schaden unersetzlich." Wenn er in einer Situation ratlos war, verließ er sich darauf, dass sein Vorgänger Ansgar ihm in einer Vision erscheinen und Orientierung geben würde.

    Rimbert wird als sehr geduldiger Mensch beschrieben. Er hätte aber fest und beharrlich an seinen Auffassungen festgehalten, wobei er „nie irgend etwas von Zorn oder Gereiztheit zeigte, und „in freundlichen Gesprächen mit einem gehaltenen, anmutigen Wesen setzte er stets seine Wünsche und Absichten auseinander.

    Rimbert führte die Reisetätigkeit trotz aller Gefahren und Rückschläge fort. Er erlitt dabei mehr als einmal Schiffbruch und geriet in lebensgefährliche Situationen. Immer wieder kam er nach Hamburg und sorgte dafür, dass der Ort wiederaufgebaut wurde.

    885 reiste er gerade durch Ostfriesland, als die Wikinger dort angriffen. Mit seiner Unterstützung fügten die Friesen ihren Gegnern eine vernichtende Niederlage zu. Bovo, der damalige Abt von Corvey, hat in einer Chronik beschrieben, wie die Wikinger eine Niederlage erlitten: „… ereignete es sich auch, nach den göttlichen Gerichte, daß sie einen entlegenen, hart am Meer liegenden District von Friesland, Nordwiede genannt, in der Absicht ihn zu vernichten, überfielen. Zu derselben Zeit befand sich gerade der verehrte Bischof Rimbertus daselbst. Die durch seine Aufforderungen und Lehren ermutigten und belehrten Christen, fielen über die Feinde her, und machten zehntausend dreyhundert sieben und siebzig derselber nieder. Überdem fanden noch viele, welche ihr Heil in der Flucht suchten, bey dem Durchgange durch die Flüsse daselbst ihren Tod." Die Schlacht selbst ist historisch verbürgt, auch wenn wir davon ausgehen können, dass die Zahl der getöteten Feinde stark übertrieben sein dürfte.

    Kirchlich und politisch war die Lage in Europa zu Lebzeiten Rimberts schwierig. Das Reich Karls des Großen wurde in drei kleinere Reiche aufgeteilt, und das wirkte sich negativ auf die Missionsarbeit im Norden aus. So gehörte das Kloster, das seit den Zeiten Ansgars die Missionsarbeit unterstützt hatte, nun zu einem anderen Teilreich. Rimbert war danach weitgehend auf sich selbst gestellt und musste sich auf kleine, mühsame Aufbauarbeiten beschränken, die erst in den folgenden Generationen eine Christianisierung des ganzen Nordens Europas ermöglichten.

    Dabei wirkte sich später sehr positiv aus, dass er viel unternahm, um den Aufstieg Bremens nicht nur zum Bischofssitz, sondern auch zur aufstrebenden Handelsmetropole zu ermöglichen. Vor allem erreichte er 888, dass die Hafenstadt von Kaiser Arnulf das Markt-, Münz- und Zollrecht erhielt. Die Urkunde ist im Original erhalten und offenkundig keine Fälschung. Die Missionsarbeit der Nachfolger Rimberts wurde dadurch erleichtert, dass sie ihren Erzbischofssitz in der prosperierenden Stadt Bremen hatten.

    Wie schon Ansgar erlitt auch Rimbert nicht den Märtyrertod, sondern starb am 11. Juni 888 auf dem Krankenlager in Bremen, aber auch sein Leben war in vieler Hinsicht ein Martyrium gewesen. So plagten ihn über viele Jahre so starke Zahnschmerzen, dass er das Brot nur essen konnte, nachdem er es in Wasser eingeweicht hatte. Später kamen Beinprobleme hinzu, die ihn zwangen, seine Missionsreisen einzuschränken.

    Alle Gefahren und Belastungen brachten ihn nicht von seiner Mission ab, die so wenige äußere Erfolge zeitigte. Auch der Lebensbericht eines seiner Mitarbeiter, die seine tatsächlichen und legendarischen Leistungen darstellte, konnte daran nichts ändern. Die Versuche, ihn nach seinem Tod heiligzusprechen, scheiterten. Er stand damals wie heute im Schatten seines Vorgängers Ansgar. Bedauert stellte Andreas Röpcke in seinem Vortrag fest: „Im materiellen Sinne ist von Rimbert praktisch nichts übrig geblieben: kein Kelch, kein Buch, kein Bischofsring – erhaltene Reliquien sind nicht bekannt, - auch kein Stein, der sicher seiner Bautätigkeit zuzuschreiben wäre."

    Die Rimbertkirche in Hamburg-Billstedt wurde 1963 eingeweiht, aber bereits 2008 wieder abgerissen. Die erhaltene Kirchenglocke und der Name „Kirchengemeinde Philippus und Rimbert" halten die Erinnerung an dieses Gotteshaus wach. In Lokstedt trägt der Rimbertweg den Namen des Missionars.

    965 – Benedikt V., ein abgesetzter Papst im Exil in Hamburg

    Chaotisch ging es zu, im Vatikan Mitte des 9. Jahrhunderts. Und das prominenteste Opfer von Intrigen und Machtkämpfen war Benedikt V., ein gelehrter Theologe, der bei der Annahme der Papstwahl nicht ahnen konnte, dass er vier Wochen später in das ferne Hamburg verbannt werden würde. Die spannende Geschichte, wie es dazu kam, kann hier nur in Kurzfassung erzählt werden.

    Johannes XII., Papst seit 955, hatte, so seine Kritiker, Rom in ein Bordell verwandelt. Auf jeden Fall hatte er sich so viel zu Schulden kommen lassen, dass er seines Amtes enthoben wurde. Im November 963 wählte eine römische Synode unter Beteiligung von Otto I. einen neuen Papst, Leo VIII. Aber nachdem der Kaiser abgereist war, kehrte der abgesetzte Papst Johannes XII. in den Vatikan zurück und vertrieb seinen Nachfolger. Die neue Amtszeit war nur kurz, denn der alte und neue Papst wurde nach einem halben Jahr von einem betrogenen Ehemann getötet.

    Am 25. Mai 964 wählte eine Synode in Rom daraufhin Benedikt V. zum neuen Papst, der sich um eine versöhnliche Kirchenpolitik bemühte. Der erboste Otto I. wollte aber keinen Papst akzeptieren, der ohne seine Zustimmung in sein Amt eingeführt worden war, und forderte die erneute Einsetzung von Leo VIII. Er zog mit einem Heer nach Rom, besetzte die Stadt und erzwang eine neue Synode. Sie fand am 23. Juni 964 in Anwesenheit des Kaisers unter Leitung von Leo VIII. statt. Benedikt V. war klar, dass er verloren hatte. Er verteidigte sich gar nicht erst und gab sich demütig. Leo VIII. wurde zum neuen Papst gewählt. Etwas theatralisch zerbrach er den Hirtenstab über dem Haupt seines gedemütigten Widersachers.

    Benedikt V. wurde zum Diakon degradiert (damals noch ein leitendes Amt in der Kirche) und aus Rom verbannt. Es traf sich aus der Sicht der Gegner Benedikts gut, dass zum kaiserlichen Gefolge Adaldag gehörte, der Erzbischof von Hamburg-Bremen. Dieser erhielt den Auftrag, den abgesetzten Papst mit nach Hamburg zu nehmen, an den abgelegenen Nordrand des Reiches von Otto I.

    Was den abgesetzten Papst in Hamburg erwartete, hat Ralf Busch in seinem Buch „Ein Papst in Hamburg so beschrieben: „Als Benedikt … im Jahr 964 in Hamburg eintraf, mag der abgesetzte Papst erschüttert gewesen sein. Er, der in Rom aufgewachsen war, wo die Zeugnisse der antiken Architektur noch sichtbar geblieben waren, wo Komfort und Lebensqualität hohen Standard besaßen, wo man eben zu leben wusste, ihm musste die neue Bleibe wenig zusagen. Der Mariendom – in Holz erbaut, wie ihn Ansgar noch 858 hatte neu errichten lassen -, war ihm in der Bescheidenheit der Architektur fremd … Um die kirchlichen Bauten standen nur wenige Häuser von Handwerkern, und das Ganze war noch dazu von einem engen Erdwall umgeben.

    Benedikt litt unter der Schmach seiner Absetzung und dem rauen Klima des Nordens. Da waren die Gesellschaft seines getreuen Begleiters Libentius aus Rom und die gelegentlichen Gespräche mit dem Erzbischof, der sich meist in Bremen aufhielt, nur ein schwacher Trost. Benedikt verlor immer mehr an Kraft und Lebensmut, sodass er am 4. Juli 965 starb. Vorher hatte er die Stadt verflucht und ihr Zerstörung und Verwüstung prophezeit. Seine sterblichen Überreste setzte man in einem Sarkophag bei, nur vorübergehend, denn seine Gebeine wurden 999 nach Rom überführt. Er zählt heute zu den rechtmäßigen Päpsten, auch wenn er das Amt nur einen Monat ausgeübt hatte.

    Um an diesen Papst zu erinnern, erhielt er im 14. Jahrhundert ein leeres Grabmal, ein Ehrengrab, im Hamburger Dom. Es bestand aus farbigen Fliesen, auf denen unter anderem der Papst in Lebensgröße dargestellt wurde, so, wie man sich ihn Jahrhunderte später vorstellte. Bei einem Umbau des Doms im Jahre 1782 störte das Ehrengrab und wurde zerstört, der Dom selbst zwei Jahrzehnte später abgerissen. In den letzten Jahrzehnten wurde bei archäologischen Grabungen auf dem Domplatz Scherben gefunden, die aber keinen Eindruck mehr vom ursprünglichen Ehrengrab geben können.

    1021 – Bernhard II. lässt die „Neue Burg" erbauen und begründet den Aufstieg der Stadt

    An Bernhard II. erinnert kein Denkmal, und es gibt auch keine Straße, die nach ihm benannt wurde. Ein Fehler. Denn vor allem diesem Herzog ist es zu verdanken, dass Hamburg sich im 11. Jahrhundert vom kleinen Ort zu einer florierenden Kaufmannsstadt entwickelte. Der spätere Herzog gehörte zum sächsischen Adelsgeschlecht der Billunger, die größere Herrschaftsgebiete in Norddeutschland besaßen, darunter die Hammaburg. Die Billunger gehörten fünf Generationen lang zu den mächtigen Dynastien in Norddeutschland, wobei Bernhard II. der dritten Generation angehörte. Weibliche Mitglieder der Familie leiteten als Äbtissinnen bedeutende Frauenklöster.

    Bernhard II. wurde nach 990 geboren. Sein Vater war Herzog Bernhard I. und seine Mutter Hildegard die Tochter des Grafen Heinrich I. von Stade. Als er 1011 die Nachfolge seines Vaters antrat, übernahm er die Herrschaft über weit verstreute Besitztümer zwischen Ostsee und Westfalen. Die Billunger regierten ihren Flickenteppich von Herrschaftsgebieten von Lüneburg aus, aber Hamburg war als zentral gelegene Hafenstadt und Sitz eines Erzbischofs von beträchtlicher Bedeutung für sie.

    Bernhard II. verstand sich, wie man heute sagen würde, aufs Networking. So pflegte er gute Beziehungen zum Hamburger Erzbischof Unwan, mit dem er entfernt verwandt war, sowie zu Bischof Meinwerk in Paderborn. Auch hatte er zu König (später Kaiser) Heinrich II. zunächst ein gutes Verhältnis und unterstützte ihn bei einem Feldzug gegen Polen. Aber später gerieten sie in heftige Konflikte, die darin mündeten, dass der Kaiser 1020 ein Heer gegen den Herzog in Marsch setzte. Nur dank der Fürsprache von Erzbischof Unwan und Bischof Meinwerk kam es zu einer Versöhnung. Bernhard II. dankte dem Hamburger Erzbischof dadurch, dass sie in Hamburg viele kirchliche Feste gemeinsam feierten. Bernhard II. heiratete die Tochter des Markgrafen von Norgau. Das Paar hatte fünf Kinder.

    Bernhard II. wandte viel Energie darauf, seine Herrschaftsgebiete und besonders Hamburg zu entwickeln. Die Hammaburg war mehrmals zerstört worden und um 900 zuletzt in erweiterter Form entstanden. Mit einem inneren Durchmesser von etwa 75 Metern war sie deutlich größer als die beiden ersten Burgen, aber die kleine Fläche reichte für eine Expansion des Ortes nicht aus. 1021 begann auf Initiative des Herzogs der Bau der „Neuen Burg" in eine Flussschleife im Mündungsbereich der Alster. Die Straße Neue Burg lässt heute noch erkennen, wo sich diese Anlage befand.

    Damals lag das Burggelände in einem sumpfigen Gebiet und war flutgefährdet. Deshalb ließ Herzog Bernhard II. den Burgwall so anlegen, dass er auch dem Flutschutz dienen konnte. Archäologinnen und Archäologen des Archäologischen Museums haben das, was von der Burg übriggeblieben ist, akribisch untersucht und festgestellt, dass Sand, Kleie, Lehm und Grassoden sowie das Holz von Erle, Birke und Eiche für den Bau der Wallanlage verwendet wurden.

    In dem Buch „Burgen in Hamburg schreiben sie: „Erstaunlich ist …wie effizient, wie kleinteilig unterschiedlich und wie durchdacht die Baumeister des Burgwalls die verschiedenen Materialien eingesetzt haben. Der Wall war mindestens 5,5 Meter hoch und 36 Meter breit. Die Breite des Walls erklärt sich daraus, dass er nicht nur der Verteidigung, sondern auch dem Flutschutz diente. Wie bei heutigen Deichen stieg der Wall außen nur langsam an, ein optimaler Flutschutz. Erst die Krone war steil, um Feinde abzuwehren. Bernhard II. plante diese mächtigste Ringwallanlage der Billunger sehr umsichtig. Die Innenfläche betrug nur etwa 7.800 qm, und bald siedelten sich Bewohner des Ortes außerhalb der Wallanlagen an. Es gelang dem Herzog., Kaufleute anzulocken und den wirtschaftlichen Aufstieg des immer noch kleinen Ortes voranzubringen.

    Bernhard II. konnte sich mit dem Slawenfürsten Godschalk aussöhnen. Bei einem Gefecht gelang es den Truppen Bernhard II., den Slawenfürsten gefangen zu nehmen. Der Sieger ließ Godschalk wieder frei und schloss ein Bündnis mit ihm, das sich in weiteren Auseinandersetzungen im heutigen Holstein bewährte.

    Bernhard II. überließ Erzbischof Unwan das Gelände der nicht mehr benötigten Hammaburg für den Bau einer Domkirche. Wahrscheinlich haben weltliche und geistliche Führung zusammengearbeitet, um den „Heidenwall" zu errichten, der mehr Schutz sowohl für die Domkirche als auch für die Neue Burg bot.

    Mit dem späteren Erzbischof Adalbert < S. 50 > gestaltete sich die Zusammenarbeit viel schwieriger, denn dieser beanspruchte auch die politische Herrschaft im Erzbistum. Adalbert behauptete, Bernhard II. sei 1048 an einem fehlgeschlagenen Attentat auf Heinrich III. beteiligt gewesen. Angesichts von Machtanspruch und Machtpolitik Adalberts taten sich weltliche und geistliche Herrscher des Reiches zusammen und erreichten 1066 dessen Absetzung. Bernhard II. starb 1059 in Bremen und wurde wie seine Vorfahren und Verwandten im St. Michaeliskloster in Lüneburg beigesetzt. Sein Sohn Ordulf trat seine Nachfolge an und regierte bis 1072.

    120 Jahren nach dem Bau der „Neuen Burg" war die Zeit der Burgen mit Wällen und Palisaden vorbei. Das Gelände wurde aufgeschüttet und so Platz für eine große Kaufmannssiedlung geschaffen. Aber ohne die kluge Stadtentwicklung durch Bernhard II. wäre es vielleicht nie zu der raschen Expansion Hamburgs gekommen.

    1043 – Adalbert wird Erzbischof von Hamburg und Bremen, gern wäre er Patriarch

    Er hätte gern nur Positives über seinen Freund, den Erzbischof Adalbert geschrieben, aber Adam von Bremen, Domherr der Stadt, konnte in seiner etwa 1075 verfassten „Hamburgischen Kirchengeschichte um der Ehrlichkeit willen nur die „Geschichte eines so zwiespältigen Menschen aufschreiben. Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Adalbert wurde im Jahre 1000 als Sohn des Grafen Friedrich von Goseck geboren und auf Initiative seiner Mutter in das Kloster Halberstadt gegeben, wo er eine gute Bildung erhielt und 1032 zum Dompropst aufstieg. Allerdings wird berichtet, er wäre „drohend in Blick und Gehabe, überheblich in der Wahl der Worte und allen unheimlich" gewesen. Aber vielleicht beruht dieses Urteil schon auf den späteren Ereignissen um Adalbert.

    Jedenfalls genoss er ein so hohes Ansehen, dass er 1043 in Aachen zum Erzbischof von Hamburg und Bremen gesalbt wurde. Der Papst erweiterte sein Erzbistum Hamburg-Bremen um ganz Skandinavien und das Nordmeer, woraufhin der neue Erzbischof auch einen Bischof für Island und Grönland weihte. Adalbert übernahm keine einfache Aufgabe. Zum einen hatte die Herzogsfamilie derer von Billung Hamburg und seine Umgebung als Lehen erhalten, um von hier aus das Reich gegen Angriffe aus dem Norden zu schützen.

    Die Rechte von Erzbischof und Herzog waren nicht klar abgegrenzt, und Adalbert erklärte unmissverständlich, dass in seinem Bistum weder ein Herzog noch eine Gerichtsperson ein Recht oder eine Gewalt ausüben könnte. Den Billunger Herzog Bernhard II. < S. 47 > brachte er dadurch in Misskredit, dass er ihm vorwarf, er hätte den König bei einem Besuch in Bremen ermorden wollen.

    Mindestens so schwierig war Adalberts Verhältnis zu den Kirchen in den Missionsgebieten in Skandinavien. Hier waren eigenständige Bistümer entstanden, die eng verbunden waren mit den Königreichen Dänemark, Norwegen und Schweden. Die skandinavischen Bischöfe weigerten sich beharrlich, eine kirchliche Aufsicht durch den Erzbischof im fernen Hamburg zu akzeptieren, zumal der wichtige Staatsfunktionen im deutsch-römischen Reich innehatte und Skandinavien damit indirekt eine deutsche Kontrolle gedroht hätte.

    Als die Skandinavier auf eigenen Erzbistümern bestanden, reagierte Adalbert darauf mit der Forderung an den Papst, in Hamburg ein „Nordisches Patriarchat" einzurichten, damit er als Patriarch ganz Nordeuropa für die Kirche leiten konnte. Der Plan schlug fehl, und so musste er erleben, dass die nordischen Bischöfe nicht zu einem von ihm einberufenen Konzil in Schleswig erschienen und sein Einfluss in Nordeuropa immer mehr schwand.

    Dafür stieg er in Deutschland zum engen Berater von Heinrich III. auf und begleitete ihn auf vielen Feldzügen. Das machte ihn zu einem der mächtigsten Männer des Reiches. Selbst Papst hätte Adalbert werden können, hieß es, aber er zog es vor, von Hamburg und Bremen aus die Geschicke des Landes mitzuentscheiden und vielleicht doch noch Patriarch zu werden. Nach dem Tod Heinrichs III. im Jahre 1056 wurde Adalbert zum Regenten für den minderjährigen Königssohn Heinrich IV. bestellt und nutzte diese Position, um die Politik des Landes zu beeinflussen und zugleich sein Erzbistum auszuweiten. Wenn das Geld für seine ambitionierten Gebietserwerbungen zur Vergrößerung des Erzbistums nicht reichte, verkaufte er zum Entsetzen der Geistlichkeit auch Kirchenschätze, um seine Pläne zu verwirklichen.

    Adam von Bremen musste feststellen, „dass der sonst so weise Mann von jenem weltlichen Ruhm, den er allzu wert hielt, zu dieser Verweichlichung des Charakters verleitet wurde, weil er im Glück irdischen Besitzes zum Hochmut sich erhebend in der Erlangung von Ruhm kein Maß kannte, im Unglück dagegen mehr als recht, niedergebeugt war und dem Zorn oder dem Kummer die Zügel schießen ließ." Das Unglück folgte rasch auf den Aufstieg, denn Adalbert hatte sich unter den Fürsten, Grafen und Kirchenführern viele Feinde gemacht, angefangen bei den heimischen Herzögen von Billung. 1066 erzwangen diese gemeinsam, dass Heinrich IV. für mündig erklärt wurde und der Erzbischof allen politischen Einfluss verlor.

    In Hamburg hatten die Billunger Herzöge 1023 auf der anderen Alsterseite eine „Neue Burg" errichtet, die sich etwa dort befand, wo heute die Ruine der Nikolaikirche steht. Das Verhältnis zwischen Billungern und Kirche war damals noch gut, und so überließ Bernhard II. der Kirche das nicht mehr benötigte Gelände der Hammaburg, wo Erzbischof Unwan eine Domkirche erbauen ließ. Herzog und Erzbischöfe hatten ein gemeinsames Interesse, Hamburg zu schützen und seine Expansion zu fördern. Die Stadt erlebte eine Blütezeit. Mit Adalbert kühlte die Beziehung zwischen weltlicher und geistlicher Macht schon deshalb ab, weil Adalbert die Gerichtsbarkeit, die bisher bei den Billungern lag, für sich beanspruchte.

    Als Patriarch, so war Adalbert überzeugt, wäre die Machtfrage ohnehin endgültig zu seinen Gunsten entschieden worden. Adam von Bremen hat dieses Neben- und Gegeneinander so kommentiert: „So eigentümlich waren jetzt Herzen und Behausungen voneinander geschieden, dass der Herzog die neue, aber der Erzbischof die alte Stadt bewohnte."

    Es kam noch schlimmer für Adalbert, denn man setzte ihn 1066 als Erzbischof ab, und er musste nach Goslar flüchten. Hier verfiel er, so wird berichtet, in Melancholie, Depressionen und Zornausbrüche. Die Slawen sollen die Konflikte in Hamburg ausgenutzt und die Stadt 1066 erobert haben. Bereits 1072 zerstörten sie diese nach historischen Berichten erneut, aber Archäologen haben bisher keine Belege für diese Zerstörungen gefunden. Adalbert starb einsam und verlassen am 16. März 1072 und wurde wie die anderen Erzbischöfe von Hamburg-Bremen im Bremer Dom zur letzten Ruhe gebettet.

    Anders als die Fürstbischöfe konnte sich der Erzbischof von Hamburg nicht als mächtiger politischer Herrscher etablieren, sondern musste die politische Macht den Herzögen überlassen. Die Billunger regierten nicht mehr lange, und die Schauenburger Grafen lösten sie ab, die ganz eindeutig die Herren des Gemeinwesens waren. Der Kirche behielt einen eigenständigen Dombezirk und dies bis Anfang des 19. Jahrhunderts.

    Die Statue Adalberts in der Fassade des Hamburger Rathaus erinnert an den Erzbischof, der gern auch politische Macht in der Stadt ausgeübt hätte.

    1110 – Adolf I. von Schauenburg und Holstein sorgt für neues Leben in Hamburg

    Es war für Hamburg ein Glücksfall, dass Adolf I. von Schauenburg 1110 zum neuen Lehnsherrn von Stormarn und Holstein ausgewählt wurde, nachdem das Herzogsgeschlecht der Billunger 1106 keine männlichen Erben mehr hatte. Hamburg hatte in den letzten Jahrzehnten der Billungerherrschaft stark an Bedeutung verloren. Die Neue Burg, einst der Stolz der Billunger, war 1066 von slawischen Aufständischen erobert und verwüstet worden. Die Billunger regierten von Lüneburg aus ihr zerstückeltes Herzogtum und hatten Ratzeburg zum neuen Zentrum ihrer Herrschaftsgebiete nördlich der Elbe gemacht. Hamburg besaß keine Bedeutung mehr.

    Adolf I., dessen Geburtsdatum unbekannt ist, regierte von 1106 an lediglich das damals recht kleine Kernland der von Schauenburg an der Weser. Er erhielt von Herzog Lothar die Lehnsherrschaft über die Grafschaften Holstein und Stormarn und damit auch über Hamburg. Aber diese Herrschaft musste er erst durchsetzen. Im Norden bedrohten ihn die Dänen, im Osten die Slawen und in dem damals noch kleinen Holstein und in Stormarn sah er sich mit selbstbewussten Adligen konfrontiert, die auf eigenen Machtansprüchen pochten. Da bedurfte es des großen politischen und militärischen Geschicks Adolfs I., um seine Herrschaft zu etablieren und zu festigen. In Hamburg ließ er mit großer Energie den Dom wieder aufbauen und zwar so solide, dass er bis zu seinem Abbruch im Jahre 1806 Bestand hatte.

    Demgegenüber zeigte er wenig Interesse an der Neuen Burg, von der hauptsächlich noch die Wallanlagen standen. Aber die waren aus seiner Sicht aus der Zeit gefallen, denn die Schauenburger wie Adolf I. schätzten in ihrem Kernland an der Weser die sogenannten Turmhügelburgen, die im 12. und 13. Jahrhundert als die besten Verteidigungsanlagen galten. Die Burg lag jeweils auf einem natürlichen oder künstlichen Hügel und war von Vorburgen im flachen Land umgeben.

    Als Standort in Holstein bot sich der Segeberger Kalkberg an, aber dort hatte 1128 der dänische König Knut Lavard eine Burg bauen lassen. Adolf I. sah in dieser Burg eine Bedrohung für sein Herrschaftsgebiet. Bereits 1130 belagerte und zerstörte er deshalb die Burg.

    Er starb kurz darauf, und sein Sohn Adolf II. baute auf dieser Erhebung die Siegesburg als Turmhügelburg neu auf. Dazu hatte ihn der deutsche Kaiser beauftragt, der so die Grenze zu den slawischen Wagriern sichern wollte. Die Wagrier ihrerseits empfanden die neue Burg als Provokation und zerstörten sie 1138. Es folgten weitere Auseinandersetzungen um die Siegesburg, aber von 1143 an ließ Adolf II. die Burg neu errichten und machte sie zur größten Festung Nordelbiens. In Schleswig-Holstein sind die Spuren zahlreicher weiterer, aber kleinere Turmhügelburgen erhalten geblieben.

    Otto Beneke äußerte sich in seinem historischen Standardwerk über Hamburg, das 1886 erschien, sehr lobend über Adolf I. und seine Gemahlin: „Graf Adolf hat viel Gutes für Hamburg und sein Land gethan, und hat gebaut und gegründet und gesät, wo vor ihm nur Trümmer und Wüsteneien waren … Seine Gemahlin nahm Theil an seinen Herstellungswerken … Sie soll auch, dieweil das Stormarn’sche Wappen einen Schwan darstellt, bei ihrer Alsterburg einige Schwäne angesiedelt haben, von welchen unsere Alsterschwäne abstammen."

    Adolf I. starb am 13. November 1130. Seine Nachfolge trat sein Sohn Adolf II. an. Zu dessen bleibenden Leistungen gehört die Gründung von Lübeck an der Stelle einer früheren slawischen Stadt. Er drängte die Slawen zurück und schuf so mehr Sicherheit für Hamburg.

    1188 – Adolf III. ermöglicht den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg der Hansestadt

    Graf Adolf III. schuf die Grundlage dafür, dass Hamburg sich zu einem wichtigen Zentrum des Handels an Nord- und Ostsee entwickelte. Er ließ 1188 das Gelände der früheren Neuen Burg bis auf das Niveau der Wallkrone aufschütten und anschließend parzellieren. Er beauftragte Wirad von Boizenburg damit, geeignete zahlungskräftige Siedler zu finden. Es waren vor allem Einwanderer aus Holland, Friesland und Westfalen, die die 50 Parzellen erhielten. Ihnen wurden große Steuererleichterungen und das Recht gewährt, einen Rat zu bilden, der die eigenen Angelegenheiten regeln konnte. Das war der politische Anfang der selbstständigen Stadt Hamburg.

    Ein zunächst bescheidenes Rathaus symbolisierte diese Eigenständigkeit gegenüber der Siedlung mit dem Dom jenseits der Alster, die dem Erzbischof von Hamburg-Bremen unterstand. Um auch kirchlich ihre Eigenständigkeit zu betonen, errichteten die Siedler die St. Nikolai-Kirche. Adolf III. setzte sich für das neue Gemeinwesen ein und erreichte, dass Heinrich der Löwe dem Ort das Recht auf freien Handel an der Oberelbe gewährte.

    Adolf III. war 1160 geboren worden und war der einzige Sohn von Adolf II. und seiner Frau Mechthild. Nach dem Tod des Vaters 1164 wurde der Sohn zum neuen Herrscher über Holstein einschließlich Hamburg. Da er noch ein Kind war, setzte man zunächst drei Vormunde für ihn ein, darunter seine Mutter. Als Adolf III. die Herrschaft selbst übernahm, unterstützte er zunächst Heinrich den Löwen gegen Kaiser Barbarossa und nahm an mehreren Feldzügen teil. Als Dank für seine tatkräftige Unterstützung erhielt er von Heinrich dem Löwen die Herrschaft über größere Landgebiete an der Weser, die das Kernland im Schauenburger Land erweiterten.

    Das großzügige Geschenk hinderte Adolf III. aber nicht daran, die Seiten zu wechseln und von 1180 an Kaiser Barbarossa zu unterstützen. Wie zu erwarten, nahm Heinrich der Löwe ihm das übel und vertrieb Adolf III. aus Holstein und von seiner Siegesburg (in Segeberg). Der Triumpf währte nur kurz, denn 1181 besiegten die Truppen Barbarossas den abtrünnigen Heinrich den Löwen, und Adolf III. konnte nach Holstein zurückkehren. Im Alter von erst 21 Jahren hatte er bereits mehrere Schlachten geschlagen und nach einem riskanten Bündniswechsel sein Erbe verteidigt, ja sogar das Schauenburger Land an der Weser erweitert. Es folgten einige friedliche Jahre, in die auch die Gründung der neuen Hamburger Siedlung fiel. Adolf III. heiratete 1182 Adelheid von Dassel. Die Ehe blieb kinderlos, und Adelheid starb bereit 1185. Adolf III. heiratete 1189 erneut und hatte mit Adelheid von Querfurt sechs Kinder.

    Kaiser Barbarossa soll Adolf III. für seine wertvolle Unterstützung dadurch gedankt haben, dass er der damals noch kleinen Hafenstadt Hamburg 1189 eine Reihe von Privilegien gewährte, allerdings nur mündlich. Zur schriftlichen Fixierung und Unterzeichnung kam es nicht mehr, bevor Barbarossa im gleichen Jahr zu einem Kreuzzug aufbrach, in dessen Verlauf er starb. Die Stadt wusste sich zu helfen und fabrizierte später einen Freibrief Barbarossas, datiert auf das Jahr 1189. Die Fälschung war bei genauerer Prüfung als solche leicht erkennbar, erfüllte aber trotzdem ihren Zweck, Hamburg zur vorherrschenden Hafenstadt an der Elbe zu machen.

    Hamburger Schiffe konnten aufgrund des Freibriefs ungehindert und zollfrei die Unterelbe befahren. Bis dahin hatte die Stadt Stade verlangt, dass die aus der Nordsee kommenden Schiffe ihre Waren zunächst auf dem Markt in Stade zu einem günstigen Preis anbieten mussten. Nur die verbleibende Ware konnte nach Hamburg gebracht werden. Hamburg konnte nun diese Einschränkungen beseitigen und außerdem zollfrei Handel in Holstein betreiben.

    Erwähnenswert sind auch der freie Fischfang auf der Elbe oberhalb und unterhalb der Stadt und die Bestimmung, dass niemand im Umkreis von zwei Meilen (etwa 15 Kilometern) eine Burg errichten durfte. Außerdem erlangten die Hamburger durch den Freibrief eine Befreiung vom Kriegsdienst. In der Hansestadt übersieht man gern, dass all das in einem gefälschten Dokument steht und feiert jedes Jahr ausgiebig den Hafengeburtstag im Andenken an die 1189 gewährten Freiheiten.

    Noch im Jahr seiner Heirat schloss sich Adolf III. 1189 dem erwähnten Kreuzzug von Kaiser Barbarossa an, aber kaum in Tyrus angekommen, musste er eilends per Schiff in die Heimat zurückkehren, um sein Herrschaftsgebiet gegen Heinrich den Löwen zu verteidigen, der aus dem Exil zurückgekehrt war. Adolf III. fand etwa 1195 die Zeit, eine folgenreiche Entscheidung für Hamburg zu treffen, die Aufstauung der Alster, um die Niedermühle betreiben zu können. Große Sumpfgebiete versanken in den Fluten, und es entstand der heutige Alstersee. Vier Jahrzehnte später wurde 1235 die Alster erneut für eine Mühle am Reesendamm aufgestaut und der See erhielt etwa seine heutige Größe.

    1196 nahm Adolf III. an einem weiteren Kreuzzug teil, der unter der Leitung von Heinrich VI. stand. Nach zwei Jahren kam er zurück nach Holstein, aber ein friedliches Leben war ihm auch dann nicht vergönnt. Dänemark, das damals den Ostseeraum beherrschte, setzte seine Expansionspolitik in Richtung Holstein fort. Bei Stellau (heute ein Teil von Barsbüttel) kam es 1201 zur entscheidenden Schlacht zwischen den Truppen von König Waldemar II. und denen von Adolf III. Die Dänen siegten und besetzten anschließend Hamburg. Sie konnten Adolf III. gefangen nehmen und ließen ihn erst wieder frei, nachdem er auf alle Ansprüche auf Holstein einschließlich Hamburg verzichtet hatte. Er zog sich notgedrungen in seine Grafschaft an der Weser zurück, wo er 1225 starb.

    Hamburg stand nun vorerst unter der Herrschaft des dänischen Königs. Dass der König dann Albrecht von Orlamünde zum dänischen Statthalter einsetzte, erwies sich für Hamburg als vorteilhaft, denn mit großer Energie ließ er die Stadt mit Deich- und Wasserbaumaßnahmen gegen Fluten sichern. Auch sorgte er dafür, dass die erzbischöfliche Altstadt und die kürzlich entstandene neue Siedlung zu einem Gemeinwesen zusammenwuchsen. Auf der Trostbrücke, der Verbindung von Neustadt und Altstadt, stehen Denkmälern, die an Adolf III. und Bischof Ansgar < S. 36 > erinnern.

    1227 – Adolf IV. besiegt die Dänen bei Bornhöved und wird danach Mönch

    Die Schlacht von Bornhöved bildete einen Wendepunkt – sie beendete sie die dänische Herrschaft über Holstein, sie war ein Triumph der Grafen von Schauenburg und doch zugleich auch der Anfang ihres Niedergangs. Denn der Ausgang der Schlacht veranlasste den Sieger Graf Adolf IV. von Schauenburg dazu, Mönch zu werden. Zugleich förderte die dänische Niederlage den Aufstieg Hamburgs zu einer selbstständigen und reichen Handels- und Hafenstadt. Das Ende der dänischen Beherrschung des Ostseeraums ermöglichte auch den Aufstieg Lübecks und der Hanse, was auch Hamburg eine bedeutende Rolle im internationalen Handel zukommen ließ.

    Als Adolf IV. von Schauenburg 1205 als ältester Sohn von Adolf III. zur Welt kam, hatte sein Vater gerade die Herrschaft über Holstein an den dänischen König verloren, und auch Hamburg wurde von Kopenhagen aus durch einen Statthalter regiert. Nach dem Tod von Adolf III. übernahm sein Sohn 1225 erst einmal nur die Herrschaft über das Schauenburger Land an der Weser. Er musste die Kontrolle über Holstein erst zurückerobern. Bereits im ersten Jahr seiner Herrschaft besiegte er bei Mölln die Truppen eines Neffen und Lehnsmann des dänischen Königs. Es folgten weitere Kämpfe, wobei die Dänen bei Rendsburg einen wichtigen Sieg errangen.

    Am 22. Juli 1227 fand die entscheidende Schlacht zwischen Adolf IV. und seinen Verbündeten gegen ein dänisches Heer unter Waldemar II. statt. Auch eine Hamburger Truppe beteiligten sich am Heer zur Vertreibung der Dänen. Mittags war die Schlacht noch nicht entschieden, und Adolf IV. musste eine Niederlage befürchten. In dieser Situation betete er zu Maria-Magdalena, der Schutzheiligen des 22. Juli, und bat sie um göttliche Hilfe. Er legte das Gelübde ab, ein Kloster zu gründen und sein Leben als Mönch zu beschließen, wenn Gott ihm zum Sieg verhelfen würde. Adolph IV. soll damals zugesagt haben: „Ick will mi aller menschlichen Dinge entschlahn un to dinen Dienst mi selbst gewen un in een Kloster gahn."

    Die Koalition besiegte die Dänen tatsächlich, was vornehmlich daran lag, dass die Dithmarscher die Seite wechselten und plötzlich gegen das dänische Heer kämpften. Nach der Überlieferung soll auch eine Rolle gespielt haben, dass die alliierten Kämpfer zunächst von der Sonne geblendet wurden, dann aber Wolken aufzogen und ihren Vormarsch begünstigten.

    Für Adolf IV. werden die Wolken ein klarer Beweis für die göttliche Unterstützung seiner Kriegspartei gewesen sein. Matthias Gretzschel schreibt in seinem Buch „Kleine Hamburger Stadtgeschichte über den Glauben Adolfs IV. an die göttliche Hilfe: „… ist die Legende um das Gelübde nicht von der Hand zu weisen, denn sie erzählt uns viel über mittelalterliches Denken und mittelalterliche Frömmigkeit. Von Heiligen, als Mittler zwischen Gott und Mensch, denen man sich persönlich anvertraute, erwartete man ganz konkrete Hilfe. Wie stark sich mittelalterliche Menschen den von ihnen angerufenen Heiligen persönlich verpflichtet fühlten, belegt die Bedeutung des Gelübdes.

    Die Schauenburger beherrschten von nun an wieder Holstein und Hamburg. Zunächst einmal war Adolf IV. damit beschäftigt, von seiner Siegesburg (heute Segeberg) aus seine Herrschaft über die zurückeroberten Gebiete zu konsolidieren. So gründete er zum Beispiel die Stadt Kiel. Er erkannte die Rechte an, die Hamburg – auch durch ein gefälschtes Dokument von Kaiser Barbarossa - unter seinem Vater erlangt hatte und förderte die Entwicklung der Stadt, die zur führenden Braustätte des Reiches aufstieg.

    Für die norddeutschen Städte wie Lübeck, die Adolf IV. in der Schlacht von Bornhöved unterstützt hatten, bedeutete das Ende der dänischen Vorherrschaft, dass sie ihre Handelsmacht besser nutzen und ausweiten konnten. In dieser Zeit vollzog sich auch die allmähliche Verarmung vieler norddeutscher Ritter- und Grafengeschlechter, deren finanzielle Basis vor allem die Herrschaft über landwirtschaftlich geprägte Dörfer bildete, während die Städte den lukrativen regionalen und internationalen Handel kontrollierten. Lübeck und die übrigen Hansestädte entwickelten sich zu mächtigen wirtschaftlichen, politischen und auch militärischen Zentren.

    1238 unternahm Adolf IV. gemeinsam mit seiner Frau Heilwig von der Lippe < S. 63 > eine Pilgerreise nach Livland (heute ein Teil des

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