Geschichten vom Stück
Von Bita Rabengold
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Über dieses E-Book
Ich springe bereitwillig hinein, lasse mich fallen und lande in meiner eigenen Verderbtheit.
Voller Scham suhle ich mich darin. Ich kann gar nicht genug davon bekommen und hoffe doch, nicht entdeckt zu werden.
Versinke mit mir in eine Welt voller Leidenschaft und Lust.
Voller Bindung und Schmerz.
Voller Liebe, Glück und Hingabe.
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Buchvorschau
Geschichten vom Stück - Bita Rabengold
erzählungen vom stück
bita rabengold
© 2022, 2023 Amrûn Verlag
Jürgen Eglseer, Traunstein
Coverbild: Elfriede Pöttgen
Umschlaggestaltung im Verlag
Printed in the EU
ISBN TB 978-3-95869-503-0
ISBN ebook 978-3-95869-504-7
Alle Rechte vorbehalten
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
v1/23
mut
Gerade bin ich mutig. So mutig, seinen Dreitagebart am Kinn zu berühren. Ganz vorsichtig streiche ich mit meinen Fingerspitzen die Kontur seines Kinns nach, fühle die festen und zugleich weichen Stoppeln seines angegrauten Bartes auf meiner Haut.
Er liegt mit geschlossenen Augen neben mir, mein Kopf ruht auf seiner Schulter, mein Arm auf seiner Brust. Wir schweigen, müssen nicht reden. Schwelgen still - mit einem Lächeln auf den Lippen - in den letzten Stunden. Mein Körper schmerzt, will Ruhe. Doch mein Geist ist hellwach.
Ein zweites Mal fasse ich Mut, streiche wieder mit meinen Fingern langsam von seiner Unterlippe zum Kinn hinunter.
Innerlich zittere ich. Wie kann man ob so einer kleinen Geste so aufgeregt sein? Da ist die Hitze unserer Haut. Seine Brust, wie sie sich stetig hebt und senkt, mein Körper, der ihm folgt. Der Duft nach frischer Bettwäsche, vermischt mit den Nuancen unserer versauten Spielereien, hängt in der Luft.
Und er unter meinen Fingern.
Dieser Moment wäre perfekt, wären da nicht die Zweifel in meinem Kopf.
Jahre hat es nun gedauert, bis ich diesem Verlangen, seinen Bart zu berühren, nun endlich nachgegeben habe.
Doch darf ich das eigentlich? Nie habe ich ihn danach gefragt. Nie hat er mir die Erlaubnis dazu erteilt. Nie berühre ich ihn ohne seine Aufforderung.
Er holt mich zu sich heran.
Er nimmt mich in den Arm.
Nicht umgekehrt.
Da öffnet er plötzlich die Augen, schnappt spielerisch mit den Zähnen nach meinen Fingern. Ich zucke zusammen. Fühle mich wie ein kleines Kind, das bei etwas Verbotenem erwischt wurde.
Er lacht, richtet sich auf, greift nach den Seilen.
Seine Art mir zu zeigen, dass ich genügend von ihm genascht habe.
Er fixiert meine Hände, macht sich unerreichbar für mich.
Doch dieser eine Moment bleibt mir. Den ich mir genommen habe, den er mir gegönnt hat.
Für immer - in meinem Kopf.
pur
Langsam ordne ich meine Büstenhalter in die oberste Schublade meiner Kommode ein.
Büstenhalter – ich mag dieses Wort. Es benötigt Zeit, um es auszusprechen. Es hat Stil. Es reißt mich aus dieser schnelllebigen Zeit.
Etwas sehnsüchtig greife ich mir den nächsten aus dem Wäschekorb. Berühre ganz leicht den Stoff mit meinen Fingerspitzen. So weich. Bei unserem letzten Treffen hatte ich ihn an. Ich drücke meine Nase in den schwarzen Stoff, atme tief ein. Er riecht frisch, ein Hauch von Feinwaschmittel ist zu erahnen. Ganz unschuldig und rein. So ist er auch, hat noch nie etwas Unanständiges erlebt.
Ich frage mich, warum ich eigentlich so schöne Unterwäsche besitze?
Denn er hat mich am liebsten nackt. Unverfälscht. Pur.
Wenn wir unser Refugium betreten, ziehe ich mich aus. Selten vor seinen Augen. Meistens alleine. Doch ich mag diesen kurzen Augenblick der Ruhe. Das Ausziehen ist ein kleines Ritual geworden. Ich lege sorgfältig meine Kleidung und den Schmuck ab. Mit zittrigen Fingern, doch ordentlich und kontrolliert. Ein letztes Mal die Kontrolle besitzen. Etwas so zu tun, wie ich es will.
Ein Blick in den Spiegel, durchatmen, mich selbst spüren.
Und sobald ich bereit bin, trete ich vor ihn. Ich schäme mich nicht, wenn er seine Augen über meinen nackten Körper wandern lässt. Ich bade in seinem Blick.
An meinen Körper lasse ich ihn ran, in meinen Geist lasse ich ihn ein.
Lege alles ab, mache mich selbst zu seinem Eigen.
Nein, ich brauche keine schöne Wäsche für ihn.
Wir treten uns bloß gegenüber.
Geistig wie körperlich.
Nichts anderes.
tequila im kopf
Feuerrot ist meine Haut. Das Wasser aus dem Duschkopf ist viel zu heiß. Es schmerzt, doch ich bleibe darunter stehen. Spüre das Wasser über meinen Kopf laufen, über meine Augen, wie es sich im Mund sammelt und bei jedem Ausatmen seinen Weg nach unten fortsetzt.
Mein Schmerzzentrum meldet mir deutlich: zu heiß! Doch was interessiert mich das? Wenn das Wasser nur heißer wäre.
Wenn ich nur mehr Schmerz fühlen könnte. Doch der Wasserhahn ist im roten Bereich auf Anschlag, mehr geht nicht. Frustriert drehe ich den Hahn zu, betrachte meine rote Haut und greife schließlich nach dem Handtuch.
Seit Wochen darbe ich vor mich hin. Nicht nur die Ausgangsbeschränkung drückt auf meine Psyche.
Das Leben schenkt mir zurzeit eine Menge Zitronen, und mein Vorrat an Tequila neigt sich dem Ende zu. Etwas Normalität wäre jetzt wunderbar.
Während ich mich abtrockne, bitte ich Alexa meine Playlist zu spielen, in zufälliger Reihenfolge. Und was macht dieses Miststück? Sie spielt als Erstes einen Song, an dem eine wundervolle Erinnerung hängt.
Ich habe doch gerade miese Laune, will mich in Selbstmitleid baden, will sauer auf die Welt sein!
Doch bei diesem Lied kann ich nicht sauer sein.
Langsam sinke ich auf den kalten Fliesenboden, setze mich mit meinem Po auf die Fersen. Die Hände auf den Oberschenkeln, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen. Und während Massive Attack´s Angel läuft, fühle ich seine Hand in meinen Haaren.
Er streichelt mich, während mein Kopf in seinen Schoß gebetet ist. Fühle seine Wärme, rieche seinen vertrauten Duft, ebenso die feinen Nuancen nach Kerzenwachs, Massageöl, Juteseilen und Sex. Die halbe Nacht haben wir gespielt und gefickt. Und nachdem wir aufgewacht sind, haben wir da weitergemacht, wo wir zuvor geendet hatten.
Nun sitzt er auf dem alten Stuhl. Nein, er thront darauf. Ich bin zu seinen Füßen, mein Körper zittert noch leicht vom letzten Höhepunkt. Wir beide sind erschöpft, doch ein Ende hat unser Spiel noch nicht. Wollen die gemeinsame Zeit so intensiv wie möglich auskosten.
Meine Finger wandern zu meinen Brüsten, dorthin, wo die Nadeln steckten. Die kleinen Einstiche sind seit Wochen verheilt. Nichts erinnert mehr an die vielen Nadeln, die mich dort zierten.
Und während er seinen Schwanz in mich schiebt, zieht er die letzten Nadeln gleichzeitig unter meiner Haut hervor. Ein kalter und doch wohliger Schauer läuft dabei meinen Rücken hinunter.
Etwas später hat er weitere fünf Nadeln an einer ganz anderen Stelle gesetzt.
Ich versuche, nicht zu schreien, meine Beine zittern, und ich muss alle Willenskraft aufbringen, um mich nicht zu bewegen, während er eine Nadel nach der anderen durch meine Schamlippen schiebt. ›Nein, nein, nein! Bitte nicht!‹ - flehe ich ihn an, doch wissen wir beide, dass ein ›Nein‹ kein Stopp ist. Er macht weiter. Hat diesen konzentrierten, kalten Blick. Oh, wie ich ihn liebe! Ich könnte darin versinken, ist er doch ein Versprechen für die Dinge, die ich so gern habe.
Mit einem zufriedenen Ausdruck betrachtet er sein Werk. Ich darf es nicht betrachten, darf nur fühlen.
Ein Lächeln huscht über meine Lippen, als ich an den Feinstrumpf über meinen Kopf denke.
»Bist du hässlich!« wirft er mir scherzhaft vor.
»Du hast ihn mir übergezogen und willst, dass ich ihn trage!«, begehre ich auf, grinse ebenso. Aber ich bin froh, dass ich mich nicht selbst sehen muss. Ein lustiges Bild kommt mir da in den Sinn. Wie er in einer Drogerie an der Kasse steht. Mit Feinstrümpfen, Gleitgel und Kondomen auf dem Kassenband. Bestimmt hat er der Kassiererin ein umwerfendes Lächeln geschenkt, als sie ihm einen schiefen Blick zuwarf.
»Komm her, das kann ich nicht länger anschauen!« - er befreit mich und