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Wenn Liebe Schmerz bedeutet
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eBook474 Seiten6 Stunden

Wenn Liebe Schmerz bedeutet

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Über dieses E-Book

Max hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, schwul sein zu können. Umso verwirrter ist er, als er Richard kennenlernt und ihn attraktiver findet als jede Frau, die er bis dahin mochte. Versucht er zuerst die aufkommenden Gefühle zu leugnen, muss er sie sich nach einiger Zeit eingestehen, da Richard ihm immer näher kommt. Die Beziehung entwickelt sich gut, obwohl sie mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, wie, dass der Freund von Max' Mutter ein Problem mit Homosexuellen hat und diese unter Druck setzt. Außerdem kämpft Richards Exfreund brutal mit allen Mit-teln um seine große Liebe zurückzugewinnen.
SpracheDeutsch
HerausgeberHimmelstürmer
Erscheinungsdatum1. Jan. 2015
ISBN9783863614621
Wenn Liebe Schmerz bedeutet

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    Buchvorschau

    Wenn Liebe Schmerz bedeutet - Jenna Oellrich

    Alles so Neu

    Müde lief ich neben Daniel her. Es war definitiv zu früh und zu kalt, als jetzt draußen zu sein. Doch was konnten wir schon dagegen tun? Wir mussten in die Schule.

    Meine Mum hatte mir zum ersten Mal seit unserem Umzug vor vier Monaten das Auto verweigert. Sie fuhr zurück, in das Kaff aus dem wir gekommen waren, um dort einige Sachen zu klären. Was auch immer sie noch zu klären hatte. Ich hatte mal wieder nicht richtig zugehört. Noch vor ein paar Monaten hätte ich einen Aufstand gemacht, hätte sie mich nicht mitgenommen. Aber jetzt war es mir egal.

    Dank Daniel. Wir hatten uns vor Jahren in einem Feriencamp kennengelernt und seitdem hatten wir sporadischen Kontakt. Sobald ich an seine Schule gekommen war, hatte er mich unter seine Fittiche genommen und mir den Einstieg erleichtert. Mittlerweile waren wir sehr gute Freunde.

    Daniel lief missmutig neben mir her. Er richtete seine schwarze Brille, hatte seine Mütze gerade noch etwas tiefer in sein Gesicht gezogen und schaute zur Bushaltestelle, an der schon viele Schüler standen.

    Ich seufzte. Wie ich Busfahren um diese Zeit hasste! Ausgerechnet heute muss er auf eine Exkursion.

    Neugierig blickte ich zu Daniel, der einen Kopf größer als ich war, und überlegte, worüber er gesprochen haben könnte. Ich hatte in meinem Unmut über die bevorstehende Fahrt in einem überfüllten Bus nicht zugehört, was Daniel merkte. Er lächelte schwach und schüttelte amüsiert den Kopf.

    „Rich hätte uns sein Auto gegeben, müsste er nicht auf Exkursion. Aber er holt uns von der Schule ab. Liegt wohl auf dem Weg", erklärte Daniel.

    Ich schaute Daniel erleichtert an. Immerhin blieb uns eine Fahrt erspart, wenn Daniels Bruder, den ich bis jetzt nicht kennengelernt hatte, uns netterweise abholen würde.

    „Wieso hat er uns nicht heute Morgen mitgenommen?", fragte ich.

    Wow. Das war mein erster kompletter Satz an diesem Morgen und das mit nur einer Tasse Kaffee, den ich hatte runter würgen müssen, da ich sonst zu spät gekommen wäre.

    „Weil er erst um halb zehn los muss. Aber immerhin müssen wir uns nachher nicht in den Bus quetschen", grinste mich Daniel an.

    „Müssen wir aber jetzt." Ich deutete auf den Bus, der an der Straßenecke vor uns Halt machte. Während die ersten Schüler und Erwachsenen schon einstiegen, legten Daniel und ich einen Sprint hin.

    Missmutig kam Daniel nach dem Unterricht zu mir. Ich saß schon längst auf der Bank, da mein Chemielehrer die Güte gehabt hatte, uns früher in den Nachmittag zu entlassen, weshalb ich mir die erstbeste Bank ausgesucht und auf Daniel gewartet hatte.

    Er ließ sich auf die Bank fallen und erzählte, dass Peter, ein Mitschüler, der durch Stören des Unterrichts immer wieder auffiel, Daniels Mathelehrer verärgert hatte, indem er mit Papierkügelchen geworfen hatte. Und jetzt hatte der gesamte Kurs darunter zu leiden, da ein Mathetest für den nächsten Tag angesetzt wurde.

    Ich schaute ihn mitleidig an, wusste aber, dass er einen Test bestehen würde. Er war keine besondere Leuchte in der Schule, in Mathe hatte er jedoch kaum Probleme.

    Er zuckte mit der Schulter. „Ich muss mir alles nochmal angucken. Dann geht das. Aber wir wollten doch heute den Cartoon-Marathon machen."

    Mein Blick senkte sich, während ich genervt nickte. Wir waren eigentlich aus dem ‚Cartoon-Alter’ raus, aber nichts ging über Batman, Superman und all die anderen Superhelden. Außer Horrorfilme. Und Musik!

    „Dann verschieben wir das auf morgen. Ist eh besser, da ist Freitag und wir können die ganze Nacht lang gucken", grinste ich und ließ meinen Blick über den immer leerer werdenden Parkplatz schweifen.

    Der Unterricht war längst vorbei, die meisten Schüler und Lehrer waren bereits weg und eigentlich hätte unser Fahrer längst hier sein müssen.

    In genau dem Moment bekam Daniel eine Nachricht. Er zückte sein Handy und atmete genervt aus. Ich rechnete schon mit dem Schlimmsten: Laufen! Der Bus war schon weg ...

    „Josh holt uns ab. Rich hat noch was zu tun", meinte er.

    Erstaunt schaute ich zu Daniel.

    Joshua war ein Studienfreund von Daniels Bruder, der seine Zeit jedoch häufiger mit Daniel verbrachte als mit Richard. Überhaupt schien Richard selten Zeit für irgendwas zu haben. Nicht ein Mal war er mir über den Weg gelaufen, während ich bei Daniel zu Besuch war.

    „Kann es sein, dass dein Bruder komisch ist?", fragte ich.

    „Wieso?" Daniel schaute mich über den Rand seiner Brille an und klang nicht gelassen, wie sonst.

    „Ich wohn jetzt seit vier Monaten hier. War tausend Mal bei dir und hab ihn noch nie gesehen. Und wiedermal hat er keine Zeit."

    Ich zuckte mit der Schulter. An sich war es mir egal, ob ich jemanden kennenlernte oder nicht. Aber da Daniel und ich die meiste Zeit zusammen verbrachten und ich seine Eltern kannte, bei ihnen geschlafen und gegessen hatte, war ich der Ansicht, dass ich seinen Bruder ebenfalls kennenlernen konnte.

    „Er zeichnet oft, zuckte Daniel mit der Schulter. „Immerhin hat Josh Erbarmen und holt uns. Er ist echt cool. Wir sind mittlerweile besser befreundet als er und Rich. Und ich wette, Rich lässt sich auch bald blicken. Du lernst ihn schon noch kennen.

    Daniel stieß mir in die Seite und grinste mich an. Ich nickte nur und schaute wieder zum Parkplatz.

    „Da ist er", sagte Daniel, als ein alter grauer Opel Vectra auf den Parkplatz fuhr, und rannte los.

    Laufen? Freiwillig? Nee, nicht mit mir.

    „Max, mach hinne", rief Daniel, der sich nach vorne gesetzt hatte.

    Langsam kam ich zum Wagen, der mit stotterndem Motor auf dem leeren Parkplatz stand. Ich stieg hinten ein und zog die alte Tür mit viel Kraft zu.

    „Das ist Max. Und das ist Josh, meinte Daniel und zeigte zwischen uns hin und her. „Wo ist Rich?

    Ich schaute mir Joshua von der Seite an. Er war ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Anders als Daniel wirkte er selbstsicher. Er lachte offen und schaute selbst mich über den Rückspiegel an, während er sprach.

    „Zeichnet. Hat er dir von dem Theaterstück erzählt? Wir sollten Entwürfe für ein Plakat machen ..., Joshua schaute kurz zu Daniel, der aufgeregt nickte, „Bei der Exkursion war der Theaterleiter und hat sich dafür entschieden, dass Richards Entwurf genommen wird. Jetzt überarbeiten sie es gerade.

    „Wow, das ist großartig. Daniel drehte sich zu mir um, „Ist das nicht toll?!

    Mit großen Augen schaute ich Daniel an. Ich hatte keine Ahnung. Aber Daniel freute sich, also war es wohl toll. Ich nickte.

    „Sorry, dass sie dein Bild nicht wollten", meinte Daniel und schaute Joshua mitleidig an.

    Joshua winkte ab und strich sich die lockigen Haare aus dem Gesicht. Sie waren schulterlang, er hatte sie eigentlich in einen lockeren Zopf gebunden, jedoch waren einige Strähnen zu kurz, als von dem Band gehalten zu werden.

    „Ich kann andere Sachen besser. Vielleicht sollte ich mich mehr auf die Musik konzentrieren, lachte Joshua. „Ich hab nur zum Spaß mitgemacht. Gegen Rich hatte ich von Anfang an keine Chance.

    „Du machst Musik?", fragte ich interessiert. Während ich von Kunst wenig verstand, war Musik mein Einsatz.

    „Ich spiel Gitarre."

    „Cool. Ich auch", grinste ich.

    „Vielleicht jammen wir mal. Morgen vielleicht? Max kommt vorbei", erklärte Daniel und schaute zwischen uns hin und her.

    Daniel selbst spielte Bass. Ich war oft mit meiner Gitarre zu ihm gegangen und wir hatten zusammen gespielt. Auch früher, als er mich besucht hatte, hatte er immer seinen Bass dabei.

    Während ich in Gedanken bei unserer letzten Jam Session war, erzählte Daniel bereits, dass wir eine Filmnacht geplant hatten. Joshua war so interessiert, dass er sich kurzerhand selbst einlud und vorschlug, Richard ebenfalls mit einzubeziehen. Ich glaubte nicht daran, dass er kommen würde, doch da Joshua mit ihm verabredet war, stiegen die Chancen, dass wir morgen zu viert wären.

    Der nächste Tag begann zwar besser als der letzte, ich durfte das Auto meiner Mum wieder haben, weshalb Daniel und ich uns nicht in den überfüllten Bus zwängen mussten, jedoch war mein Kumpel wegen des Tests nervös.

    Man hätte es ihm nicht angesehen, wenn man ihn nicht kannte, da er sein Pokerface trug und keine Emotionen zeigte. Ich jedoch wusste, dass er im Kopf die Lösungswege noch einmal durch ging.

    Bevor sein Mathekurs begann, wünschte ich ihm viel Glück und erwartete in der Pause seine Berichtserstattung.

    „So ein Pisser", rief Daniel und ließ sich neben mich auf die Bank fallen.

    Ich hatte mir einen ruhigen Platz im Freien gesucht, um dem Geschrei der jüngeren Kinder zu entkommen.

    Ich schaute Daniel fragend an, zog an meiner Zigarette und wickelte meine Jacke enger um mich.

    „Was ist?", fragte ich, als Daniel sich nicht die Mühe machte, meinen Gesichtsausdruck zu deuten. Dieser sagte nämlich ‚erzähl mir was passiert ist’.

    „Wir haben natürlich keinen Test geschrieben", meinte er.

    Ich hob meine Hände ein wenig an und schaute Daniel fragend an. War doch gut, dass er nicht getestet worden war. Ihm blieb der Stress erspart und er musste nicht auf das Ergebnis warten.

    Was sein Problem war, erfuhr ich jedoch schnell. Er hatte das Thema beherrscht, weshalb er eine gute Note geschrieben hätte und diese brauchte er dringend.

    Ich nickte. Seine Noten, sowie auch meine, hatten unter unserer Freundschaft gelitten.

    Ich versuchte jedoch etwas Positives daraus zu ziehen: „Sieh’s mal so. Josh und Rich sind heute dabei. All deine Freunde kommen und das nur, weil du gestern für mich keine Zeit hattest."

    Es war ein dummer Versuch, ihn aufzumuntern, aber es funktionierte. Er nickte und zündete sich selbst eine Zigarette an. Im Gegensatz zu mir rauchte er nur dann, wenn er gestresst war oder trank. Offensichtlich hatte ihm die Nachricht, dass er keinen Test hatte schrieben müssen, ein wenig aus der Bahn geworfen.

    „Stimmt. Wird bestimmt lustig. Schon cool, dass Rich endlich wieder Zeit für mich hat", Daniel strahlte.

    „Was will man mehr?", fragte ich.

    Daniel zuckte mit der Schulter.

    „Alkohol", nickte ich, nachdem mir selbst eingefallen war, was man mehr wollen könnte.

    Daniel lachte und stand auf: „Wir finden schon was. Was gucken wir eigentlich? Horror oder Cartoons?"

    Ich zuckte mit der Schulter. Daniel und ich hatten zwar einen Cartoonabend geplant, jedoch war Joshua gestern auf die Idee gekommen, Horrorfilme auszuleihen.

    Da es mir egal war, ob wir Superman dabei zusahen, wie er die Welt rettete, oder Zombies, die versuchten, alle Menschen zu beißen, zuckte ich mit der Schulter und überließ Daniel die Entscheidung.

    Er entschied sich schnell für Cartoons und deutete an, dass er auf Horrorfilme keine Lust hatte.

    Verwundert schaute ich ihn an, als er sich auf den Weg zum Gebäude machte. Ich folgte ihm, da auch mir kalt wurde und die Pause bald vorbei war. Der Schulhof leerte sich, die meisten Schüler strömten bereits zu ihren Klassenzimmern.

    „Mir ist es ja egal, aber seit wann hast du keine Lust auf Horror?", fragte ich und blieb stehen.

    Doch Daniel lief einfach weiter, ohne mich zu beachten.

    So nicht. Ich sprintete ihm nach, hielt ihn fest und schaute ihn fordernd an: „Was ist los? Du und kein Horror?"

    Auf Daniels Gesicht bildete sich ein kleines Grinsen. Okay, so langsam konnte ich mir etwas denken ...

    „Spuck’s aus! Hat Alicia was damit zu tun?", fragte ich.

    „Nicht direkt."

    „Dan, los jetzt!"

    Er sah zu Boden, trat von einem Fuß auf den anderen und atmete tief durch. „Ich hab in Bio eine Unterhaltung mitbekommen. Sie hasst Horror und ..."

    „Sie ist heute dabei und deswegen gucken wir lieber Cartoons?", fragte ich und begann bereits zu grinsen.

    Das würde bedeuten, dass Daniel endlich über seinen Schatten gesprungen war und sie gefragt hatte, ob sie mit ihm ausging. Doch er schüttelte nur mit dem Kopf.

    „Oh. Aber wieso dann kein Horror?"

    „Hast du nicht gesagt, es sei dir egal?", fragte Daniel.

    Er zog die schwere Tür zum Gebäude auf und wir huschten durch einen kleinen Spalt. Sofort zog er sich die Mütze vom Kopf und richtete seine Frisur.

    „Ja. Aber ich guck doch nicht wegen einem Mädchen, das nicht einmal dabei ist, keinen Horrorfilm. Dan, du drehst echt durch", sagte ich und ließ von ihm ab.

    Daniel schaute mich genervt an. Er hatte keine Ahnung, wie er an Alicia rankommen sollte. Auf meinen Vorschlag hin, sie einfach zu fragen, verzog er nur das Gesicht. Verständlich. Er war sehr schüchtern und redete nur selten mit Leuten, die er kaum kannte. Einen Brief wollte er ihr jedoch auch nicht zukommen lassen, somit war es das mit meinen Ideen.

    „Wie wär’s denn, wenn du deinen Bruder oder Joshua fragst? Die sind älter, die haben mehr Erfahrung und ..."

    „Von wegen, Daniel verdrehte die Augen. „Rich hatte eine Freundin. Eine!

    „Mehr als du und ich zusammen", bemerkte ich kichernd.

    „Und Josh hab ich noch nie über Frauen sprechen hören", sagte Daniel.

    „Da hat aber zumindest dein Bruder mehr Erfahrung. Du behauptest doch immer, er ist dein bester Freund. Danke dafür ... Dann laber ihn mit dem Thema zu", sagte ich.

    „Max, sagte Daniel, als ich mich wieder in Bewegung setzte, „er ist halt mein bester Bruder Freund ... Oder so. Du bist natürlich mein bester Freund Freund.

    Na bitte, geht doch. Ich grinste ihn an.

    „Und du meinst, es ist gut ihn zu fragen?"

    „Ihn oder Josh ... Besser als mich zu fragen."

    Daniel nickte. Er kannte meinen Verschleiß an Frauen. Und ich seinen. Mann, wir waren echte Weiberhelden.

    „Ich werde es nie lernen", schimpfte ich, als wir an dem blauen Volkswagen Golf ankamen, den Mum mir wie immer geliehen hatte. Wir setzten uns hinein und sofort schmiss ich die Heizung an. Ich liebte das Auto. Es war seit fünf Monaten in Mums Besitz, wobei ich derjenige war, der am meisten damit durch die Gegend fuhr. Es war relativ neu, der Vorbesitzer hatte es gerade mal ein Jahr gehabt, weshalb wir kaum Probleme hatten. Und die Heizung wärmte schnell, was bei den Temperaturen nicht nur von Vorteil war, nein, es war sogar lebensrettend.

    „Was?", fragte Daniel.

    „Vielleicht solltest du dich mehr auf den Unterricht konzentrieren, als auf Alicia. Ich kann kein Französisch und werde es auch nie lernen", maulte ich.

    Wir hatten wieder eine neue Lektion begonnen, während ich immer noch dabei war, die letzte zu verstehen. Unsere Lehrerin hetzte durch das Buch, um uns bald fit für die Prüfungen zu machen. Eine tolle Idee, allerdings kam ich nicht mit.

    „Alicia kann es", grinste Daniel.

    „Dann frag ich sie, ob sie mir helfen kann", meinte ich.

    „Nein", sagte Daniel.

    Perplex schaute ich zu ihm. Nur weil er nicht mit Alicia sprach, durfte ich es auch nicht?

    Ich schüttelte meinen Kopf. Er konnte nicht von mir verlangen, nicht mit ihr zu lernen, würde sie mir überhaupt helfen wollen.

    Doch es ging Daniel nicht darum, dass ich Zeit mit ihr verbringen könnte. Er wollte es als Möglichkeit sehen, selbst mit ihr zu reden. Sein Plan war simpel. Er würde bei ihr Nachhilfeunterricht nehmen und es mir danach beibringen. So schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe.

    Theoretisch jedenfalls. Ich bezweifelte, dass er überhaupt den Mut besaß, sie zu fragen.

    „Wann kommst du heute vorbei?", fragte Daniel, als er mir seine Idee erklärt hatte.

    „Ich muss erst nach Hause. Essen. Dann komm ich, wenn ich unterwegs nicht erfriere", lachte ich.

    „Josh kommt mit dem Auto. Er kann dich bestimmt abholen. Nur nach Hause kann er dich nicht fahren. Er pennt bei Rich, erklärte Daniel. „Und du bist sicher, dass du nicht auch bis morgen bleiben willst?

    „Von wollen ist hier keine Rede. Wir fahren zu meinem Onkel. Du kennst meine Mum. Ich hab alle Freiheiten der Welt. Nur nicht, wenn die Familie da ist."

    Joshua war so nett und holte mich tatsächlich ab. Ich wartete vor der Einfahrt von unserem kleinen Haus und zog meine Jacke so eng es ging um mich. Ich hatte das Gefühl zu erfrieren.

    Erleichtert atmete ich auf, als ich Joshuas Auto hörte, noch bevor ich es sah. Dann bog er in meine Straße und ich konnte nicht glauben, dass er es mit der Karre tatsächlich bis zum Haus schaffte.

    „Hi", grinste ich, als ich ins Auto stieg.

    Überall knirschte es, als ich mich in den Sitz fallen ließ. Das Auto war so was von durch.

    „Hi, grinste er zurück, „alles klar?

    „Kalt", gab ich bibbernd zu.

    Joshua grinste und stellte die Heizung ein wenig höher, die mir jedoch nur lauwarme Luft ins Gesicht blies. „Rich ist auch schon da."

    „Wow. Ich dachte, ich werd ihn heute auch nicht sehen, gab ich offen zu, „ich hab ihn noch nie gesehen.

    „Ja, er ist oft in seinem Zimmer", lachte Joshua.

    Ich schaute zu Joshua, der sich jedoch nur auf die Straßen konzentrierte. Sie waren weiß und an manchen Stellen knarrte es, als wäre unter dem Schnee eine kleine Eisschicht.

    Er fuhr etwas langsamer und begann über Richard und Daniel zu sprechen. Sie waren sehr close, was ich von Daniel schon wusste. Doch genau das konnte ich mir nicht vorstellen, da ich seinen Bruder noch nie gesehen hatte.

    „Sie verstehen sich gut. Aber sie hocken nicht ständig aufeinander. So ist das mit Geschwistern."

    Da war er wieder, der Haken. Ich war Einzelkind und konnte so etwas wohl nicht verstehen.

    Joshua stoppte den Wagen, der mit einem Quietschen zum Halten kam, vor Daniels Haus. Aus Angst etwas kaputt zu machen, schob ich die knarrende Tür vorsichtig zu, ging auf die Veranda und klingelte, während Joshuas Kopf im Kofferraum verschwand.

    Mir wurde die Tür geöffnet. Endlich ab ins Warme.

    „Hi, du bist Max, oder?", fragte der einzige Mann im Haus der Browns, den ich noch nicht kannte, der mir die Tür geöffnet hatte.

    Ich nickte und musterte Richard. Er hatte hellere Haare als ich, die ihm wirr vom Kopf standen. Blaue Augen, die mich ebenfalls musterten, ein zuckersüßes Grinsen...

    Moment! Zuckersüß?

    „Rich, das ist ... oh, hi Max", grinste Daniel.

    Er tauchte hinter Richard auf, drängte sich an ihm vorbei und umarmte mich. Ich bemerkte ein großes Stück Pappe, das er in der Hand hielt.

    Neugierig schaute ich darauf, weshalb Daniel mir erklärte, dass es das Plakat war, das sein Bruder für das Theaterstück entworfen hatte, worüber er und Joshua sich gestern unterhalten hatten.

    Ich schaute es mir an und auch wenn ich keine Ahnung von Kunst hatte, gefiel es mir.

    „Echt gut", nickte ich.

    „Danke", rief Richard, der Joshua mit den Getränken half.

    „So, ich bin da. Wir können loslegen", grinste Joshua, der mit einem Bierkasten in den Händen ins Haus stapfte und die Tür mit einem Tritt schloss. Daniel nickte und zog mich nach unten. Erst war ich deswegen verwirrt, da ich erwartet hatte, in Daniels Zimmer zu gehen. Als wir jedoch Richards Zimmer betraten, war mir klar, dass es gemütlicher zu viert werden würde. Sein Zimmer war wesentlich größer als Daniels.

    „Was gucken wir denn jetzt eigentlich?", fragte Joshua.

    Er stellte den Bierkasten neben die Tür und setzte sich auf Richards riesiges Bett, das die Hälfte der Länge des Zimmers in Anspruch nahm.

    „Dan kann keine Horrorfilme gucken", lachte ich und setzte mich auf die Schlafcouch, die dem Bett gegenüber stand.

    „Warum nicht?", fragte Richard. Er drückte die Tür zu, kickte eine schmutzige Socke beiseite und warf sie in einen Wäschekorb, den man zur Hälfte im Bad stehen sehen konnte.

    „Danke, Max", zischte Daniel und nahm sich eine Flasche. Er öffnete sie, trank einen Schluck und schaute uns an. Ich zuckte mit der Schulter. Wenn er zu feige war, um mit den anderen darüber zu reden, brauchte er nun mal mich. Und tatsächlich begann Daniel von Alicia zu erzählen.

    Er schwärmte von ihr in den höchsten Tönen und erklärte dann, dass sie keine Horrorfilme mochte. Wie ich vermutete sein Bruder, dass Alicia ebenfalls kommen würde.

    „Kommt sie heute auch?", fragte Richard.

    Auch er nahm sich eine, nein zwei Flaschen. Er kam mit beiden Flaschen auf mich zu, schubste den Klamottenstapel, der neben mir lag, einfach beiseite, setzte sich und reichte mir eine Flasche. Dazu grinste er mich an. Ein hypnotisierendes Grinsen. Innerlich seufzte ich auf, bis ich merkte, dass ich Richard anstarrte.

    „Nein. Aber ...Wenn sie fragt, was ich gemacht hab, will ich nicht lügen und weil ich nun mal weiß, dass sie keine Horrorfilme mag ... Ach, lasst mich einfach damit in Ruhe, okay?!"

    „Du ... Was?, fragte Richard, „das ist verrückt. Wenn sie heute dabei wäre, dann könnte ich es verstehen. Aber sie ist es nicht und deswegen willst du keine Horrorfilme gucken? Um sie nicht anzulügen? Musst du doch auch nicht. Ich meine, sie wird ja wohl akzeptieren, dass du Sachen magst, die sie nicht mag, oder?

    „Ich bezweifel, dass sie überhaupt eine Chance bekommt, etwas zu akzeptieren", sagte ich.

    „Max, es reicht!", zischte Daniel.

    „Was denn? Du hast doch nur einmal mit ihr gesprochen", meinte ich.

    Joshua machte sich sofort darüber lustig. Zugegeben, es klang komisch, dass Daniel sich in eine Frau verliebt hatte, die er eigentlich nicht kannte. Nur weil er sie seit Jahren in der Schule sah und vielleicht das ein oder andere über ihr Leben in Erfahrung gebracht hatte, hieß es nicht, dass er viel über sie wusste. Aber so war es mit den Schmetterlingen. Sie kamen einfach, ohne Vorwarnung und meist auch ohne ersichtlichen Grund.

    „Max, hast du denn keine Tipps für ihn? So als bester Freund?", fragte Joshua und schaute mich grinsend an.

    Ich schüttelte mit dem Kopf. Nicht umsonst hatte ich Daniel geraten, zu ihm und Richard mit seinem Problem zu gehen.

    „Max hat bis jetzt nur einmal geknutscht, weil er betrunken war, klärte Daniel auf. „Er hat keine Tipps.

    Ich warf Daniel einen wütenden Blick zu. Das war unnötig gewesen.

    Richard schaute zu mir und grinste mich amüsiert an. Hallo? Ich war kein Frauenheld, aber ... Okay, kein aber. Ich hatte eine Fremde geküsst und wusste weder ihren Namen, noch konnte ich mich an den Kuss erinnern. Ich konnte Daniel also in keiner Weise helfen.

    Joshua wandte sich an Richard, doch er war der Meinung, seinem Bruder nicht helfen zu können, weil er Single war.

    „Aber du hattest eine Freundin und du hast Erfahrung. Im Flirten, im Küssen, in Sachen Sex ...", zählte Daniel auf, wurde jedoch von dem Lachen seines Bruder unterbrochen.

    Richard trank einen Schluck, wischte sich einen Tropfen, der an seinen Lippen hängen blieb, weg und schaute seinen Bruder mit einem schelmischen Blick an. „Du willst direkt in die Vollen, wenn du nicht einmal mit ihr redest? Sehr gut, so kriegst du sie."

    Daniel verschränkte die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund. So sah er komisch aus. Er starrte seinen Bruder an, der ihn schließlich nachäffte. Hätte auch bei ihm komisch aussehen sollen, oder? Tat es aber nicht. Er sah niedlich aus ...

    „Filme?", fragte ich.

    Keine Ahnung, was mit mir los war, aber diese Gedanken machten mich verrückt. Konnte doch nicht sein, dass ich plötzlich ‘süß’ und ‘niedlich’ dachte, wenn ich Richard ansah. Ich meine, hallo? Das hatte ich bis jetzt nicht einmal bei einer Frau gedacht.

    Ich saß mit Daniel auf mehreren Kissen vor Richards Bett, auf dem er und Joshua lagen. Joshua hatte seine Augen geschlossen, eine Wolldecke über sich gezogen und seinen Kopf auf seinen Arm gebettet, während Richard nach einem Kissen griff.

    „Wie spät ist es?", fragte ich, als Darkwing Duck vorbei war.

    „Kurz nach vier", sagte Richard und gähnte herzhaft.

    Genervt streckte ich mich. Es war an der Zeit, nach Hause zu gehen, auch wenn ich nicht wollte. Es war ein toller Abend gewesen. Wir hatten uns alle gut unterhalten, Joshua und Richard waren wirklich nett, die Cartoons waren lustig gewesen. Doch da ich in drei Stunden aufstehen musste, musste ich mich bald auf den Weg machen.

    Meine Beine fühlten sich steif an, als ich unbeholfen aufstand und meinen Pullover überwarf.

    Richard beobachtete mich, während Daniel, der regungslos neben mir gesessen hatte, zum Leben erwachte.

    „Penn doch einfach hier", lallte er und stand auf.

    Seine Beine schienen ihn noch schlechter zu halten, als meine Beine mich. Er taumelte nach hinten und hätte ich ihn nicht gehalten, wäre er gegen den Schreibtisch gefallen, auf dem von Comicheften, über Stifte bis hin zu CDs alles lag.

    Ich drängte Daniel Richtung Tür. Richard erbarmte sich und half mir Daniel die Treppen hoch zu führen, wobei schleppen das passendere Wort war. Er schien keine Lust zu haben, seine Beine richtig zu bewegen. Ich schob Daniel, während Richard ihn zog, doch auch so wurde es nicht einfacher.

    „Dan, ab ins Bett", sagte Richard, als wir die knarrenden Treppen hinter uns gelassen hatten und im oberen Stockwerk standen.

    „Oh-kay", sagte Daniel und stolperte fast an Richard vorbei. Während Daniel neben ihm war, schlang er einen Arm um Richard, drehte sich zu mir und hielt mir den anderen Arm hin. Ich trat einen Schritt nach vorne, so dass Daniel sich auf uns stützen konnte, und zu dritt liefen wir den engen Flur entlang. Daniel hatte Probleme, gerade zu laufen. Dadurch, dass er leicht nach links fiel, stieß ich gegen die Wand. Genauer gesagt, gegen ein Bild von Nora, Daniels und Richards verstorbener Großmutter. Gerade rechtzeitig konnte ich das Bild festhalten, bevor es zu Boden fiel, während Richard in der Lage war, Daniel bis zu seinem Zimmer zu schieben.

    „Habsch eusch scho mal gesagt, dass isch eusch soooooo lieb hab?", fragte Daniel.

    „Ich dich auch, nickte Richard und gab Daniel einen Schubs, damit er in sein Zimmer stolperte. „Aber ich liebe dich viel mehr, wenn du nicht betrunken bist. Schlaf jetzt.

    „Jap", meinte Daniel und torkelte zu seinem Bett.

    „Kriegst du die alleine aus?", fragte ich, als Daniel unbeholfen mit seiner Hose kämpfte.

    „Nein", meinte Daniel und ließ sich nach hinten auf sein Bett fallen.

    „Richard, hilf mir", forderte ich.

    Doch Richard war damit beschäftigt, uns grinsend zu beobachten. Es musste komisch aussehen, wie ich über Daniel gebeugt vor dem Bett stand. Aber mein bester Freund brauchte nun mal Hilfe. Und mit Schuhen und herunter gelassener Jeans würde ich ihn nicht schlafen lassen. Also zog ich ihm seine Schuhe aus, zog die Jeans herunter, schob Daniel ein bisschen besser auf die Matratze und deckte ihn zu.

    „Süß, flüsterte Richard. „Jetzt weiß ich auch, wieso du kaum Erfahrungen mit Frauen hast.

    Mein Mund klappte auf. „Bitte was?"

    „Chill, war’n Witz", lachte Richard.

    Ich verließ Daniels Zimmer, beobachtete Richard, der noch einen kurzen Blick auf Daniel warf und die Tür schloss.

    „Ich hätte ihn schlecht so liegen lassen können", meinte ich zu meiner Verteidigung und schaute Richard entsetzt an. Er beachtete meinen Ausdruck jedoch nicht, machte sich stattdessen wieder auf den Weg nach unten, weshalb ich ihm langsam nachging.

    „Stimmt, nickte er. „Also, bleibst du hier, oder gehst du nach Hause?

    „Nee, ich muss echt nach Hause. War aber cool, dich mal kennengelernt zu haben", sagte ich und schnappte mir meine Schuhe, die neben der Tür standen, an der wir angekommen waren.

    „Man sieht sich bestimmt wieder", grinste er und zog mich in eine Umarmung.

    Ich umarmte ihn ebenfalls und roch an ihm. Was?! Erschrocken über mich selbst, löste ich mich von ihm, doch ich musste mir eingestehen, dass ich wirklich an ihm gerochen hatte. Und er roch verdammt gut.

    „Und Glückwunsch wegen dem Theater Plakat", sagte ich, als ich mich von ihm löste, um mich selbst von dem, was ich getan und gedacht hatte, abzulenken.

    „Danke."

    Er kratzte sich am Hinterkopf und schaute verlegen zu Boden. Mit so einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Ich hätte gedacht, dass er selbstbewusster reagierte. Er musste doch wissen, wie gut er malen konnte. Deswegen musste man ja nicht verlegen werden.

    Ich verfluchte das Wochenende. Bis auf Freitag war alles scheiße gewesen. Ich hatte einen Kater, ich war müde und der Samstag war verdammt anstrengend gewesen.

    Bei meinem Onkel hatte ich mich kaum wach halten können, weshalb meine Mum und ich schon am Nachmittag wieder nach Hause gefahren waren.

    Dort ging ich gleich auf mein Zimmer und schmiss mich auf mein großes Bett, das genau unter dem Fenster stand, wovon ich jedoch nur eins öffnen konnte.

    Zwei Fenster nahmen eine komplette Wand ein, jedoch war das über meinem Bett kaputt, weshalb sich auf dieser Hälfte der Fensterbank alles stapelte, was ich nicht organisiert wegräumte.

    Von alten Musiklehrbüchern zu Comics, obwohl ich dafür in meinem Schreibtisch extra eine Schublade hatte, über CDs und Hüllen, die meist kaputt oder leer waren. Selbst ein kleiner Kaktus stand dabei. Das einzige Grün in meinem Zimmer.

    Sonst war es sehr ordentlich. Alles hatte seinen Platz. Neben meinem Bett stand mein Schreibtisch, neben der Tür ein uralter Sessel, den meine Mum gar nicht mit ins neue Haus hatte nehmen wollen. Doch ich hatte mich durchgesetzt.

    Als ich mein Kissen unter meinem Kopf zurecht rückte, starrte ich mein Poster von Keith Richards an, der seinen Blick auf seiner Gitarre hatte und den Auftritt offensichtlich genoss. Mein Vorbild.

    Ich grinste, als ich daran dachte, dass ich selbst gerne vor tausenden von Leuten spielen würde. Mit diesem Grinsen drehte ich mich zur Seite, schlug meine Decke über mich und schloss meine Augen.

    Meine Gedanken drifteten jedoch nicht von der Vorstellung ab, selbst auf der Bühne zu stehen. Stattdessen sponn ich weiter, auch wenn ich tot müde war.

    Daniel könnte Bass spielen. Ich grinste breiter. Von ihm war es nur noch ein Katzensprung zu Richard, den ich erfolgreich den Tag über aus meinen Gedanken verdrängt hatte.

    Erst fragte ich mich warum, doch dann, mit einem Schlag, wusste ich es wieder. An jeden konnte ich einfach so denken. Doch bei Richard war es anders.

    Die Worte ‘süß’ und ‘niedlich’ schwirrten in meinem Kopf herum. Außerdem bekam ich ein leicht flaues Gefühl in der Magengegend. Ich öffnete meine Augen, in der Hoffnung, die Gedanken so zu verdrängen. Doch das komische Gefühl verschwand nicht.

    Mit den Augen rollend legte ich mich auf den Bauch, schmiss das Kissen über meinen Kopf und versuchte zu schlafen. Doch Richard war so präsent, dass mein Kopf lieber bei ihm blieb, als ins Traumland einzutreten.

    Ich konnte nicht verstehen, wieso ich so merkwürdig über ihn dachte. Oder war es normal? Falsch war es sicherlich nicht, einen Mann süß zu finden. Süß ist vielleicht unglücklich ausgedrückt, eher attraktiv. Denn das war er. Er hatte feminine Züge, war muskulös. Die wirren Haare, die in sein Gesicht fielen, dabei aber leider seine schönen Augen verdeckten. Sein einmaliges Grinsen. Mit den Gedanken an Richard schlief ich irgendwann ein.

    Als ich am Montagmorgen den VW Golf vor Daniels Haus zum Halten brachte, sah ich ihn schon auf der Veranda warten. Er winkte mir zu, für seine Verhältnisse am frühen Morgen sogar sehr euphorisch, und kam auf den Wagen zugerannt.

    „Max", Daniel strahlte vor Freude, als er sich auf den Beifahrersitz setzte und seinen Rucksack in den Fußraum stellte.

    Ich schmunzelte, als ich bemerkte, dass das Haus mit Lichterketten behangen war. Auch die Browns kamen also langsam in Weihnachtsstimmung.

    „Hey", sagte ich, als er sich hinein setzte.

    „Ich hab es getan", strahlte er mich an.

    Oh Gott, was hatte ich denn jetzt schon wieder vergessen? Er hatte doch keine weiteren Plänen für das Wochenende gehabt, oder?

    „Hast du das?", fragte ich. Ich hätte auch fragen können, was er meinte. Aber bei meiner Aufmerksamkeit, ließ ich es besser bleiben. Ich hatte bestimmt wieder etwas vergessen.

    Daniel hatte Alicia angerufen, nachdem er sich nochmal mit seinem Bruder zusammengesetzt hatte und er ihn dazu aufgemuntert hatte, sie zu fragen. Schließlich ging es um die Schule, ein guter Grund mit ihr in Kontakt zu treten.

    „Wow, jetzt musste ich auch grinsen, „Das ist toll! Du hast dich wirklich getraut?!

    Damit hatte ich nicht gerechnet. Richard schien einen guten Einfluss auf Daniel zu haben. Während meine Versuche ihm zu helfen gescheitert waren, hatte er es geschafft, Daniel ein wenig Mut zuzusprechen.

    Ich war stolz auf Daniel, dass er sich getraut hatte, weshalb ich ihm grinsend auf sein Bein klopfte. Dann wechselte er das Thema.

    „Rich meinte, dass es echt toll war, dich kennenzulernen. Und ich soll mich bei dir bedanken. Wofür?", fragte Daniel und schaute mich verwirrt an.

    Ich musste lachen. Er hatte das Ende des Abends wirklich vergessen. Also erklärte ich ihm, dass Richard und ich ihn in sein Zimmer hatten bringen und ich ihm zur Hilfe hatte kommen müssen, um ihn nicht in Schuhen und Jeans schlafen zu lassen.

    Daniel schaute peinlich berührt zu Boden, er wurde sogar rot, nuschelte aber immerhin ein ‘Danke’.

    Ich winkte ab. Er war mein Kumpel und hätte sicherlich dasselbe für mich getan.

    „Rich und Josh haben gefragt, ob wir am Wochenende wieder was machen wollen. Also, Freitag? Diesmal pennst du aber bei mir."

    „Ja klar. Wieso nicht? War echt hart am Samstag", sagte ich und erzählte von dem kleinen Familientreffen, das ich kaum mitbekommen hatte, da ich damit zu kämpfen hatte, nicht einzuschlafen.

    Daniel hatte mit Alicia abgemacht, sie in der Schule wegen der Nachhilfe anzusprechen. Es dauerte einige Schulstunden, bis wir sie zu Gesicht bekamen, da wir nicht viele Kurse mit ihr hatten. Kurz vor Französisch musste ich Daniel Mut zusprechen, sie wirklich anzusprechen, da ich dringend Hilfe brauchte. Und da er seinen Plan in die Tat umgesetzt und schon einen ersten Schritt gewagt hatte, half ich ihm bei der Umsetzung.

    „Alicia", rief Daniel, als sie in das Klassenzimmer kam.

    Er schwang sich von seinem Stuhl und rannte zu ihr. Ich beobachtete meinen besten Freund, der strahlend vor Alicia stand, und wie es aussah, stotternd mit ihr redete. Leider konnte ich nicht verstehen, was er sagte, da sich die anderen Schüler ebenfalls lauthals unterhielten.

    Daniel aber zu beobachten, war unterhaltsam. Allerdings tat er mir auch leid. Weder Daniel noch ich gehörten zu den selbstbewussten Leuten, weshalb Daniel mit einem hochroten Kopf vor Alicia stand. Ein kurzer Blick zu Alicias Freundinnen machte mir klar, dass sie sich über ihn lustig machten. Typisch! Doch Alicia schien sich nicht an Daniels Nervosität zu stören.

    „Setzt euch", rief unsere Lehrerin, die kurze Zeit später ebenfalls ins Klassenzimmer kam. Sie legte ihre Tasche auf das Pult und wartete, bis jeder Schüler sich gesetzt hatte.

    Sobald Daniel neben mir saß, schaute ich ihn neugierig grinsend an.

    „Und?"

    „Wir treffen uns am Mittwoch", sagte Daniel immer noch lächelnd.

    „Mittwoch?", fragte ich.

    Mittwoch? Ernsthaft?! Mittwoch trafen wir uns immer! Da gab es keine Ausnahmen. Der Mittwochnachmittag gehörte uns. Auch wenn wir nicht viel machten. Meistens saßen wir einfach nur rum und taten nichts. Aber das war egal!

    „Ja. Aber wir sehen uns doch am Freitag. Und du könntest bestimmt bis Sonntag bleiben. Am Samstag fahren meine Eltern weg und ... Max, bitte, sei nicht sauer."

    „Ich bin nicht sauer."

    Ich war nicht sauer. Ich war nur enttäuscht. Immer hatten wir uns darüber ausgelassen, wie dämlich es war, wenn eine Männerfreundschaft unter einer Frau litt. Und genau das fing jetzt an. Obwohl Alicia ihm nur Nachhilfe gab. Ich hoffte für Daniel, dass mehr daraus werden würde. Aber ich wollte nicht darunter leiden.

    „Also bleibst du bis Sonntag?", fragte Daniel.

    „Klar, warum nicht", meinte ich.

    „Cool. Wir können ja vielleicht einen Horrorfilm gucken, oder so. Ich meine ... Einer wird ja wohl gehen."

    „Dan, es

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