Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

DAMALS WIE HEUTE: ZUFLUCHTSORT KASSEL: HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN
DAMALS WIE HEUTE: ZUFLUCHTSORT KASSEL: HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN
DAMALS WIE HEUTE: ZUFLUCHTSORT KASSEL: HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN
eBook360 Seiten2 Stunden

DAMALS WIE HEUTE: ZUFLUCHTSORT KASSEL: HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Mit Beiträgen von Siegfried Becker, Heiner Boehncke, Renate Buchenauer, Helmut Burmeister, Jochen Ebert, Thomas Ende, Holger Ehrhardt, Gerd Fenner, Andreas Flick. Karl-Erwin Franz, Kerstin Fröhlich, Holger Th. Gräf, Siegfried Lotze, Christian Presche, Dorothe Römer, Guntram Rother, Christian Schäfer, Uwe Schmidt und Stephan Schwenke



Sie haben klangvolle Namen, verfügen über enthusiastischen Unternehmergeist und haben unsere Region nachhaltig geprägt – die Hugenotten und Waldenser, die vor rund 300 Jahren nach ihrer Flucht aus Frankreich in Nordhessen eine neue Heimat fanden.

Das Buch führt uns in das Europa des 17. und 18. Jahrhunderts und hinein in die damalige Lebenswelt Nordhessens. Wir sehen die nordhessische Kulturlandschaft mit neuem Blick und begreifen die Grundzüge von Exil und Migration in ihren historischen wie aktuellen Ausprägungen.
SpracheDeutsch
Herausgebereuregioverlag
Erscheinungsdatum19. Nov. 2021
ISBN9783933617910
DAMALS WIE HEUTE: ZUFLUCHTSORT KASSEL: HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN

Ähnlich wie DAMALS WIE HEUTE

Ähnliche E-Books

Geschichte für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für DAMALS WIE HEUTE

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    DAMALS WIE HEUTE - Hugenotten- und Waldenserpfad e.V.

    ZUFLUCHTSORT KASSEL – HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN

    Exil und Migration – mit diesen Worten verbindet sich Heimatverlust und Entwurzelung, Flucht und Vertreibung wie auch Ankommen und eine neue Heimat in der Fremde finden. Immer ist das Exil eingebettet in größere historische Zusammenhänge und gleichzeitig geprägt vom Schicksal Einzelner.

    Hiervon erzählt dieses Buch mit dem fokussierten Blick auf das Exil der Hugenotten und Waldenser nach Nordhessen. Es führt uns in das Europa des 17. und 18. Jahrhunderts und hinein in die damalige Lebenswelt Nordhessens, sei es anhand historischer Zeugnisse oder noch heute zu findender lokaler Spuren. Einzelpersonen und ihren Schicksalen wird ein breiter Raum zugemessen: Neben bedeutenden Protagonisten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der damaligen Zeit sind dies vor allem auch die einfachen Leute, die nach harter Flucht mühsam ein Auskommen finden mussten. Auch die Darstellung der in den ehemaligen Kolonien noch lebendigen Pflege des Kulturerbes der Glaubensflüchtlinge führt uns in diese historische Lebenswelt der beginnenden Aufklärung mit ihren vielen Umbrüchen und Neuerungen hinein. Wir sehen mit diesem in dem Buch aufgeblätterten Wissen die nordhessische Kulturlandschaft mit neuem Blick und begreifen die Grundzüge von Exil und Migration in ihren historischen wie aktuellen Ausprägungen.

    Mit Beiträgen von Siegfried Becker, Heiner Boehncke, Renate Buchenauer, Helmut Burmeister, Jochen Ebert, Thomas Ende, Holger Ehrhardt, Gerd Fenner, Andreas Flick. Karl-Erwin Franz, Kerstin Fröhlich, Holger Th. Gräf, Siegfried Lotze, Christian Presche, Dorothe Römer, Guntram Rother, Christian Schäfer, Uwe Schmidt und Stephan Schwenke.

    Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser durch Nordhessen

    ZUFLUCHTSORT KASSEL

    HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN

    herausgegeben vom Verein Hugenotten- und Waldenserpfad e.V.

    Redaktion: Renate Buchenauer

    Impressum

    Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    Band 43 in der Reihe

    Die Region trifft sich – die Region erinnert sich

    der Kasseler Sparkasse

    Herausgegeben vom Verein Hugenotten- und Waldenserpfad e.V.

    Redaktion: Renate Buchenauer

    Titelbild: Die Karlskirche in Kassel, © Stadtmuseum Kassel

    Bild Umschlagrückseite: Plan der Hugenottenkolonie Carlsdorf © Staatsarchiv Marburg

    Karte Vorsatz: © Stadt Kassel – Vermessung und Geoinformation (Basiskarte), grafische Bearbeitung: Bernhard Wollborn

    Grafische Gestaltung der Printausgabe: atelier grotesk, Kassel

    E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

    Gesamtherstellung: euregioverlag, Kassel

    Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk, Fernsehen und sonstige elektronische Medien, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.

    © 2021 euregioverlag

    D-34127 Kassel, Naumburger Str. 40

    www.euregioverlag.de

    ISBN 978-3-933617-91-0

    Mit freundlicher Unterstützung durch die

    INHALT

    VORWORT

    Ingo Buchholz

    EINLEITUNG

    FLUCHT UND VERTREIBUNG, ANKOMMEN UND EIN ZUHAUSE FINDEN:

    DER ZUFLUCHTSORT NORDHESSEN

    Der Vorstand des Vereins Hugenotten-und Waldenserpfad e.V.

    DER HISTORISCHE RAHMEN

    EINFÜHRUNG

    HUGENOTTEN UND WALDENSER:

    HERKUNFT UND EXIL

    Jochen Ebert, Thomas Ende

    ZUWANDERN:

    EINE KULTURHISTORISCHE EINORDNUNG

    Siegfried Becker

    WARUM NACH HESSEN-KASSEL?

    le pays est agreable & tres beau[,] l’air est bon & sain[,] le peuple fort traitable & naturellement bien faisant aux etrangers

    GRÜNDE FÜR DIE ANSIEDELUNG DER HUGENOTTEN

    Jochen Ebert

    LANDGRAF CARL VON HESSEN-KASSEL –

    PORTRÄT EINES LANDESFÜRSTEN

    Holger Th. Gräf

    ORTE, HÄUSER, STRASSEN

    KASSEL ALS ZENTRUM DER GLAUBENSFLÜCHTLINGE

    Christian Presche

    GEPLANTE SIEDLUNGSANLAGEN

    Gerd Fenner

    DER REFORMIERTE CALVINISTISCHE GLAUBE DER HUGENOTTEN:

    AUSDRUCK IM GOTTESDIENST UND IN DER KIRCHENARCHITEKTUR

    Andreas Flick

    KARLSHAFEN – EIN REFUGIUM FÜR GLAUBENSFLÜCHTLINGE

    Guntram Rother und Christian Schäfer

    WALDENSER IM WESERTAL

    Thomas Ende

    SIEDLUNGSGRÜNDUNGEN FÜR DIE HUGENOTTEN UND WALDENSER IN NORDHESSEN

    Renate Buchenauer

    Carlsdorf

    Friedrichsdorf

    Kelze

    Leckringhausen

    Mariendorf

    Schöneberg

    St. Ottilien

    Hofgeismar

    MENSCHEN

    IHRE NEUE HEIMAT HIESS NORDHESSEN

    Renate Buchenauer

    PIERRE HÉRITIER AUS GEWISSENRUH UND SEIN SESSEL IN DER OFENECKE

    Thomas Ende

    JEAN JOUVENAL – EIN WALDENSER IN GEWISSENRUH

    Thomas Ende

    DIE FAMILIE SUCHIER DE COLZ

    Dorothe Römer

    DIE ARCHITEKTENFAMILIE DU RY

    Gerd Fenner

    HUGENOTTEN IN KASSEL – DIE FABRIKANTENFAMILIE LANDRÉ

    Stephan Schwenke

    DER HÜMMER BILDHAUER UND GRAFIKER WILHELM HUGUES

    Helmut Burmeister und Kerstin Fröhlich

    DER PHYSIKER UND EXPERIMENTALWISSENSCHAFTLER DENIS PAPIN

    Siegfried Lotze

    HUGENOTTENKIND ZWISCHEN EXILKULTUR UND WEINHAUS IN KARLSHAFEN

    Dorothe Römer

    HUGENOTTISCHE UNTERNEHMEN:

    DER APOTHEKER GALLAND UND DIE GESCHICHTE DER BÄDER IN KARLSHAFEN

    Karl-Erwin Franz

    VOM CEVENOLISCHEN WEINBERG ZUM HUGENOTTISCHEN WEIN- UND LIKÖRHAUS IN KARLSHAFEN

    Dorothe Römer

    KULTURSPUREN VOR ORT

    KULTUR-SPUREN VOR ORT:

    HUGENOTTISCHE UND WALDENSISCHE TRADITIONEN, ALLTAGSKULTUR, KÜCHE, BRÄUCHE, FESTE

    Siegfried Becker

    ZUR INTERKULTURALITÄT IN DER MÄRCHENSAMMLUNG DER BRÜDER GRIMM

    Holger Ehrhardt

    DAS DEUTSCHE HUGENOTTEN-MUSEUM UND DIE DEUTSCHE HUGENOTTEN-GESELLSCHAFT IN BAD KARLSHAFEN

    Andreas Flick

    UM DES GLAUBENS WILLEN – DAS WALDENSERMUSEUM IN WESERTAL-GOTTSTREU

    Thomas Ende

    „EIN MUSEUM, VON DEM MAN SPRICHT"

    DIE HUGENOTTISCH-WALDENSISCHE ABTEILUNG DES STADTMUSEUMS HOFGEISMAR

    Helmut Burmeister

    MARIE HASSENPFLUG IN DER SCHAUENBURGER MÄRCHENWACHE

    Heiner Boehncke

    MUSEEN, FÜHRUNGEN, GASTRONOMIE

    Renate Buchenauer

    Die evangelische Kirche St. Ottilien

    Das Hugenottenhaus in Schöneberg

    Das „Hugenottenhaus" in Kassel

    Museen in Wolfhagen

    Zertifizierte Hugenotten- und Waldenserherbergen

    MIGRATION UND MIGRATIONSERFAHRUNG HEUTE

    NORDHESSEN – EIN ZUFLUCHTSORT AUCH HEUTE

    Uwe Schmidt

    DER WEG IN DIE FREIHEIT

    DIE EUROPARAT-KULTURROUTE

    „AUF DEN SPUREN DER HUGENOTTEN UND WALDENSER"

    Renate Buchenauer

    ANHANG

    AUTORINNEN UND AUTOREN

    BILDNACHWEIS

    VORWORT

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    sie haben klangvolle Namen, verfügen über enthusiastischen Unternehmergeist und haben unsere Region nachhaltig mit schön geschwungener Handschrift geprägt – die Hugenotten und Waldenser, die vor rund 300 Jahren nach ihrer Flucht aus Frankreich in Nordhessen eine neue Heimat fanden. Die Geflüchteten trafen auf zerstörte Ländereien und eine kaputte Wirtschaft als Folge des 30-jährigen Kriegs. Sie brachten ein großes Stück Hoffnung in unsere Breiten – die Hoffnung auf das unternehmerische Geschick und die handwerklichen Fähigkeiten der französischen Protestanten.

    In diesem Spannungsfeld, das durch Aufklärung, Merkantilismus, Technik und Fortschrittsglauben geprägt ist, bewegt sich das aktuelle Buch unserer Reihe „Die Region erinnert sich". Doch unsere Autorinnen und Autoren haben sich nicht nur erinnert. Sie schlagen eine Brücke in die Gegenwart, in der das Thema Flucht eine überaus bedeutende Rolle spielt.

    Mal suchen die Menschen Zuflucht, mal flüchten sie – die Bilder ähneln sich über die Jahrhunderte. Ob innerdeutsche Fluchten von Ost nach West, die Rückkehr der Russlanddeutschen, die Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, die Flucht vor dem Nazi-Regime, die Auswanderungen nach Amerika und nicht zuletzt die 200.000 protestantischen Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, die wegen machtpolitischer Interessen ihre Heimat verlassen mussten.

    Lesen Sie in diesem Buch, wie die Hugenotten und Waldenser bei uns durch weitreichende Privilegien eine wahre Willkommenskultur erlebten. Erfahren Sie, wie unsere Protagonisten direkt vor unserer Haustür ein neues Zuhause fanden, welches sie mit Sprache, Kultur und Unternehmertum bis heute gestalten und prägen.

    Ist unsere Region also ein Beispiel für gelungene Integration? Bilden Sie sich selbst Ihre Meinung und lassen Sie uns gemeinsam erinnern und reflektieren, was unsere Heimat so vielfältig macht.

    Ich wünsche Ihnen eine bereichernde und aufschlussreiche Lektüre.

    Ihr

    Ingo Buchholz

    Vorstandsvorsitzender der Kasseler Sparkasse

    FLUCHT UND VERTREIBUNG, ANKOMMEN UND EIN ZUHAUSE FINDEN: DER ZUFLUCHTSORT NORDHESSEN

    Wo soll es jemals heimisch sein du gehst

    Weit weg weit weg am grauverhangnen Tag

    Jan Koneffke (*1960): Displaced person,

    Ludwig Fels (1946–2021) gewidmet

    1686, vor 335 Jahren, kamen die ersten Hugenotten auf der Flucht vor Gewalt und Verfolgung in die Landgrafschaft Hessen-Kassel. Sie kamen auf Einladung des zu der Zeit herrschenden Landgrafen Carl. Hinter ihnen lagen Wochen und Monate auf langen, entbehrungsreichen und auch gefährlichen Fluchtwegen.

    Nicht alle blieben, nicht alle Bemühungen, in Nordhessen Brot, Arbeit und eine neue Heimat zu finden, waren erfolgreich. Die meisten der 1686 und in den Jahren danach in Nordhessen angekommenen Flüchtlinge fanden hier jedoch ein Auskommen, ebenso wie die 1721, vor genau 300 Jahren, im Wesertal angesiedelten Waldenser. Sie prägten die nordhessische Kulturlandschaft wirtschaftlich, (bau)kulturell und gesellschaftlich.

    Hiervon handelt das vorliegende Buch. Es beschreibt die Wege und die Umstände des Ankommens, beleuchtet die historisch-politischen Hintergründe und das Hineinwachsen in die Wirtschaft und Kultur Nordhessens, zeigt die bis heute erlebbaren Kultur-Spuren auf und stellt deren Inwertsetzung in der Gegenwart dar.

    Der weite inhaltliche Spannungsbogen der behandelten Themen ist in die folgenden Abschnitte unterteilt:

    •Der historische Rahmen

    •Orte, Häuser, Straßen

    •Menschen

    •Kulturspuren vor Ort

    •Migration und Migrationserfahrung heute

    Die einzelnen Buchkapitel nähern sich unter unterschiedlichen Blickwinkeln der inhaltlichen Thematik. Sie sind mal ortsbezogen, mal global ausgerichtet, wissenschaftliche Expertisen und Betrachtungen wechseln mit bodenständigen Beschreibungen und Recherchen ab. Neben historischen Sachverhalten aus Wirtschaft, Kultur; Gesellschaft und Politik geht es auch um die Narrative und kulturellen Ausprägungen in der Gegenwart.

    Die Beleuchtung des historischen Kontexts setzt v. a. den Landgrafen Carl von Hessen-Kassel und sein politisches Wirken sowie die Bedingungen und Aufgabenstellungen seiner Regierungszeit in den Fokus. Demgegenüber werden die historischen Umstände in den Herkunftsländern, die zur tausendfachen Flucht und Vertreibung der Hugenotten und Waldenser führten, dargestellt. Überlegungen zum Phänomen der Zuwanderung stellen den kulturwissenschaftlichen Rahmen für diese historischen Betrachtungen.

    Die Auswirkungen der Ansiedlung der Glaubensflüchtlingen in Nordhessen werden lokalbezogen erörtert, wobei neben der Schilderung der baulichen und städtebaulichen Maßnahmen sowohl in der Stadt Kassel als auch in den kleinen und größeren Kolonien und Städten auch ein Blick auf die sozioökonomischen und kirchlichen Aspekte geworfen wird. Dabei wird nicht nur die Gründerzeit, sondern die örtliche Entwicklung bis in die jüngere Vergangenheit hinein betrachtet.

    Erzählungen aus dem Leben und Wirken von Familien und Einzelpersonen aus dem Kreis der Migranten bringen uns schließlich dieser Zeit auf sehr persönliche Weise näher. Aus Daten, Fakten und archivalischen Auswirkungen werden Schicksale, neben Erfolgsgeschichten und glücklicher Verwurzelung in einer neuen Heimat stehen auch Erzählungen von Mühen, Entbehrungen und ab und an vom Scheitern nach hoffnungsvollem Beginn. Neben berühmt gewordenen, namhaften Architekten, Wissenschaftlern, Unternehmern, Fabrikanten und Künstlern geht es hier auch um einfache Menschen, die nie die große Bühne der Welt betreten haben.

    Das, was heute noch aus dieser Zeit und von den damals nach Nordhessen Zugezogenen zu finden und zu erleben ist, wird in der Präsentation eines breiten Spektrums unterschiedlicher materieller wie auch immaterieller „Kulturorte" öffentlich gemacht. Vertreten sind historische Präsentationen und Führungen, volkskundliche und Märchentraditionen, Themengastronomie und soziokulturellen Angebote.

    Nicht zuletzt steht das Thema der Migration als Phänomen der Menschheitsgeschichte im Raum. Damit befassen sich die Erörterungen der Strategie des Landkreis Kassel im Umgang mit Flüchtigen heute sowie die der Möglichkeiten einer Inwertsetzung von Exil, Migration und neuer Heimat in einem kulturtouristischen Kontext.

    Das Buch beinhaltet somit mehr als erinnerungsgeschichtliche Abhandlungen, es regt vielmehr dazu an, sich mit dem Kulturerbe der Hugenotten und Waldenser aktiv auseinanderzusetzen, auf Spurensuche zu gehen und Bezüge zur Gegenwart zu setzen.

    Diesem anspruchsvollen thematischen Ansatz konnte der Herausgeber nur mit Hilfe der engagierten Mitwirkung der Autoren und Autorinnen sowie vieler weiterer Menschen und Institutionen im Landkreis gerecht werden. Diese brachten ihr vielseitiges und fundiertes Wissen ein, lieferten Texte und Abbildungen und gaben wertvolle Hinweise. Ihnen allen gebührt unser herzlichster Dank.

    Danken möchten wir ebenso der Sparkasse Kassel für die großzügige finanzielle Unterstützung, die ein Erscheinen des Buches erst möglich machte und dem euregioverlag, der uns fachkundig bei der Gestaltung der Buchherausgabe zur Seite stand!

    Der Vorstand des Vereins Hugenotten- und Waldenserpfad e.V.

    An vielen Orten entlang der deutschen Wegstrecke finden sich Informationstafeln im Design der Europarat-Kulturroute

    DER HISTORISCHE RAHMEN

    EINFÜHRUNG

    HUGENOTTEN UND WALDENSER: HERKUNFT UND EXIL

    Jochen Ebert, Thomas Ende

    Jochen Ebert: Die Hugenotten

    Zu den wichtigsten und bekanntesten Glaubensflüchtlingen der Frühen Neuzeit gehören die Hugenotten. Sie erfuhren als protestantische Minderheit im katholischen Frankreich unter König Ludwig XIV. (1638–1715) zunehmende Unterdrückung und Verfolgung und sahen sich 1685 nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, das ihnen seit 1598 die freie Religionsausübung und volle Bürgerrechte garantiert hatte, vor die Wahl gestellt zwischen Zwangskonversation oder Zwangsmigration. Für Auswanderung und Exil entschieden sich 150.000 bis 200.000 Hugenotten, die in mehreren Flüchtlingswellen das Land verließen. Die Auswanderungswege und

    -ziele

    hingen entscheidend von den Herkunftsregionen ab. Während die Hugenotten aus dem Westen Frankreichs vor allem auf dem Seeweg nach England und in die Niederlande, aus dem Südosten auf dem Landweg in die französischsprachigen Schweizer Kantone, die Genfer Republik und das Fürstentum Neuchâtel emigrierten, wanderten die Hugenotten aus den östlichen Regionen überwiegend in die Territorien des Heiligen Römischen Reichs ein. Eine der wichtigsten Anlaufstellen für die Réfugiés im Heiligen Römischen Reich war die Reichsstadt Frankfurt am Main, einerseits wegen der zentralen Lage der Stadt, andererseits weil dort bereits eine französisch-sprachige Gemeinde existierte. Zwischen 1685 und 1705 wurden in Frankfurt 97.000 Flüchtlinge auf Kosten der französischen Kirchengemeinde untergebracht und versorgt. Da die Stadt die Flüchtlinge jedoch weder alle aufnehmen konnte noch wollte, war Frankfurt für die meisten Hugenotten nur eine Zwischenstation. Gleichzeitig fungierte die Reichsstadt als eine Art Kontakt- und Informationsbörse. Hier konnten sich die Flüchtlinge bei den Gesandten und Agenten der aufnahmebereiten Landesherren über die Rahmenbedingungen am Zielort informieren und diese in Verhandlungen zu ihren Gunsten beeinflussen. Wichtige Faktoren für die Entscheidung waren neben der Existenz einer französisch-reformierten Gemeinde die wirtschaftlichen Aussichten, die sich am Zielort boten. War man sich einig, zogen die Réfugiés zumeist in größeren Gruppen weiter an den Zielort, v. a. nach Holland, England und Brandenburg-Preußen, aber auch in kleinere protestantische Territorien und Städte des Reichs wie z. B. die Landgrafschaft Hessen-Kassel, die bereits seit dem 16. Jahrhundert enge Beziehungen zu den französischen Hugenotten pflegte.

    Die Heimat vieler geflohener Hugenotten war die Region „Drôme" in Südfrankreich

    Thomas Ende: Die Waldenser

    Die Waldenserbewegung geht auf den wohlhabenden Kaufmann Waldes zurück, der um 1174 in der Stadt Lyon/Rhône lebte. Nach einem Bekehrungserlebnis entsagte er allem Reichtum, ließ Teile der Bibel in die Volkssprache übersetzen, zog als Wanderprediger umher und entschloss sich zu einem Leben nach dem Vorbild der Apostel. Schon bald fand Waldes zahlreiche Anhänger, auch in anderen Teilen Europas, doch gerieten die Armen im Geist (oder die Armen Christi) unversehens in Konflikt mit der katholischen Kirche. 1184 wurden die Waldenser, wie sie die Amtskirche bezeichnete, exkommuniziert und als Ketzer eingestuft, da sie als Laien auf das Recht zur Predigt beharrten.

    Aufgrund der Verfolgung überlebten sie letztendlich nur in einigen Tälern der teilweise recht unzugänglichen Cottischen Alpen (Grenzgebiet Frankreich/ Savoyen-Piemont). Dort schlossen sie sich 1532 der Reformation an und ließen 1535 eine Bibelübersetzung in französischer Sprache drucken. In der Folgezeit bildeten sie eine selbständige reformierte Waldenserkirche nach Genfer Vorbild.

    Blick in das Pellicetal im Piemont, Heimat der Waldenser

    1686 verbot der Herzog von Savoyen das reformierte Bekenntnis in den piemontesischen Tälern, ließ es jedoch 1690 wieder zu. Anders verlief die Entwicklung im damals weitgehend zu Frankreich gehörenden Val Cluson (heute Chisonetal/Piemont), das sich aus dem Pragelatal und Perosatal (franz. Val Pérouse) zusammensetzte. Aus diesem Tal stammten nahezu alle in Deutschland dauerhaft angesiedelten Waldenser, auch die späteren Gründer von Gottstreu und Gewissenruh.

    Im französischen Val Cluson verbot König Ludwig XIV. die evangelische Religion bereits 1685. Viele Waldenser flüchteten und gelangten ab 1686 in die Landgrafschaft Hessen-Kassel, andere wurden gezwungenermaßen katholisch. Ein großer Teil der Zwangsbekehrten zog nach 1690 in die angrenzenden piemontesischen Waldensertäler und schloss sich dort wiederum der Waldenserkirche an. Bereits 1698 wurden jedoch alle gebürtigen Franzosen reformierter Konfession des Landes verwiesen. Fast 3.000 Waldenser und Hugenotten – sie hatten im Piemont Zuflucht gesucht – begaben sich nun in die Schweiz, verbrachten dort den Winter und ließen sich ab 1699 in deutschen Territorien nieder.

    Die Waldensertäler: Pragela- und Perosatal (beide Talabschnitte bilden das Val Chisone), Germanascatal, Pellicetal

    ZUWANDERN:

    EINE KULTURHISTORISCHE EINORDNUNG

    Siegfried Becker

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1