Der Weg geht nach Innen: Gedanken über das Leben und die Liebe
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Über dieses E-Book
Dennoch verlieren sie sich zunächst wieder aus den Augen. Erst sechs Jahre später, als Ruth an Krebs erkrankt, entschließt sie sich, ausgerechnet Ekkehart davon zu erzählen. Im Anblick der eigenen Vergänglichkeit wird ihre Liebe lebbar. Seitdem gehen sie ihren Weg gemeinsam. Erleben eine Zeit voller guter Tage. Bis zu dem Moment, indem sich Ruths Krankheit zurückmeldet. Und das ohne Aussicht auf Heilung.
Liebe und Tod, so nah: Absurd ist die Situation, weil sie kein Entrinnen zulässt. Ganz persönlich hinterfragen beide dieses Gefühl der Hilflosigkeit, den Wert der begrenzten Lebenszeit, die Bedeutung unerfüllter Wünsche und die Furcht vor dem Sterben und dem Tod. Sie kämpft mit Ohnmacht, Schlaflosigkeit und ihrer "Kiste voller Angst". Seine Antworten darauf fallen philosophisch aus. Im geistigen Ringen miteinander wird es ihnen bewusst, dass Menschen diese Fragen schon seit mehr als 2000 Jahren umtreiben. Ihre Gedanken sind die, mit denen sich auch heute jeder von uns angesichts seiner eigenen Endlichkeit auseinandersetzen muss.
In ihrem gemeinsamen Werk "Der Weg geht nach Innen" wechselt sich die schonungslose Sicht der Betroffenen essayistisch mit philosophischen Entgegnungen ab. Zusammen mit dem Leser beschreitet das Autorenpaar einen Weg, der aus der Liebestrunkenheit heraus durch Gespräche eine philosophische, allgemeingültige Ebene erreicht und tief nach Innen führt.
Ruth Sandhagen-Schaffer
Ruth Sandhagen-Schaffer, geboren in Dormagen, studierte Literaturwissenschaft in Düsseldorf. Lebt in Dormagen und Fürth. Schreibt, liest und singt Gedichte und Chansons. Eigenes Chansonprogramm und CD-Veröffentlichung "Lieder der Vergänglichkeit“.
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Buchvorschau
Der Weg geht nach Innen - Ruth Sandhagen-Schaffer
Wie alles begann I
Als ich dich kennengelernt habe, hätte ich nicht gedacht, dass mir das einfach so passiert. Es war nicht so, als hätte ich es nicht gewollt, aber ich habe nicht damit gerechnet. Ich hatte mich gerade erst getrennt und hing noch alten Gefühlen nach. Man legt ein gemeinsames Leben nicht einfach so ab, weil man sich trennt. Es ist ein mühevoller Prozess, bis alles wieder heil ist und man sich relativ sicher fühlt in der Beurteilung, ob das, was man mag, denkt und fühlt auch wirklich zu einem gehört, oder ob es Teil dieses symbiotischen Zustands ist, den man eingeht, wenn man sich für ein gemeinsames Leben entscheidet. Es ist ein bisschen wie wieder laufen lernen müssen.
Und trotzdem ging dann alles ganz schnell mit uns. Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick, aber ich glaube, dass man in bestimmten Momenten im Leben weiß, dass sich gerade etwas Bedeutsames ereignet. So ein Moment war das. – Zumindest kam es mir so vor. Wer weiß schon, wie viele bedeutsame Momente man als solche nicht erkennt und welchen Weg man sonst einschlagen würde.
Irgendwann haben wir alle hinter uns gelassen, die unser Kennenlernen in einer Fürther Kneipe an unserem ersten Abend hätten bezeugen und beobachten können, und sind allein durch die Stadt gezogen. – Nur um uns nicht trennen zu müssen. Ich weiß noch, dass ich auf keinen Fall wollte, dass es aufhört, die Zeit mit dir sollte nicht enden. Dieses Gefühl, etwas gefunden zu haben, von dem man gar nicht wusste, dass man es überhaupt vermisst hat. – Bis zu dem Moment, in dem man es gefunden hat. Es war ein wenig so, als hätte ich ein Puzzleteil entdeckt, eines dieser Teile, die das entstehende Puzzle in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.
Du hast ein Ginkgoblatt auf der Straße gefunden, obwohl dort weit und breit kein Ginkgobaum wuchs. In Kübeln waren einige Exemplare für eine Veranstaltung, die an diesem Wochenende stattfinden sollte, an den Straßenrand gekarrt worden. Du hast mir das Blatt gegeben und mich gefragt, ob ich das Gedicht von Goethe kenne. Kitsch oder Wahrhaftigkeit? Ich habe nicht einen Moment an der Wahrhaftigkeit gezweifelt. So wahrhaftig wie eine gewisse düstere Stimmung, die uns von Anfang an begleitet hat, denn irgendwie waren wir trotz aller Zweisamkeit mehr als nur zu zweit.
Zu der restlichen Truppe, die sich uns anschloss, gehörte nicht nur der Mann, von dem ich mich gerade getrennt hatte, es waren noch zahlreiche andere Geister vorhanden, die wie eine Karawane unseren Zug durch die Stadt begleiteten. So viele Leute haben ein Wörtchen mitzureden, wenn sich zwei Menschen treffen und es werden mit zunehmendem Alter immer mehr. Tote und Lebende. Laute und Leise. Nie entscheidet man nur für sich. Nie kann man einen Schritt alleine tun.
Wir mussten als letzte Station an diesem Abend eine merkwürdige Diskothek aufsuchen. Weder du noch ich hätten dort freiwillig ein Bier getrunken. Die Musik war scheußlich, die Leute waren scheußlich und alle ziemlich betrunken. Einzig die Tatsache, dass sonst kein Laden mehr aufhatte, hatte uns dort stranden lassen. Und ehe sich unser Treffen der Belanglosigkeit und Einsamkeit dort anpassen konnte, sind wir mitsamt unseren Geistern im Schlepptau gegangen. Wir haben Telefonnummern und Adressen ausgetauscht und festgestellt, dass wir nur wenige Gehminuten voneinander entfernt wohnten, was in einer Stadt mit über 120.000 Einwohnern doch beachtlich war und natürlich als ein Zeichen gesehen werden konnte, wenn man denn wollte. – Natürlich wollte ich es als Zeichen sehen!
Du hast mich dann noch bis vor die Haustür gebracht, dich von mir verabschiedet und mich nicht geküsst. Ich habe es auch nicht provoziert. Alles war so fragil und drohte, sich bei einer falschen Reaktion oder einer übereilten Tat in Luft aufzulösen oder, was noch schlimmer gewesen wäre, in die bereits erwähnte Belanglosigkeit. – Alles, nur das nicht! Ich wollte, dass etwas Großes passiert, und das war es zweifelsohne für mich, auch wenn es irgendwie nicht von dieser Welt zu sein schien. Also habe auch ich dich nicht geküsst, obwohl ich es gerne getan hätte. Ich habe mich verabschiedet, dir für den schönen Abend gedankt und dir eine gute Nacht gewünscht. Dann hast du dich umgedreht und bist mit deinen Geistern nach Hause gegangen. Und ich bin mit meinen Geistern in das Haus gegangen, in dem ich zu der Zeit bei einer Freundin zu Besuch war, denn es war nicht meine Stadt, in der wir uns begegnet sind. Ich war lediglich ein Gast.
Hypnos und Thanatos
Die Schlaflosigkeit treibt einen zu den ungewöhnlichsten Zeiten durch das Haus, lässt einen über Stunden nachts durch die Räume wandern. Aus dem Bett geflohen vor der Stille und Dunkelheit, die in zu großem Gegensatz zu den regen Gedankengängen in meinem Kopf stand, hat sie mich in jener Nacht zunächst auf das Sofa im Wohnzimmer getrieben, anschließend auf das Gästebett im Wintergarten. Immer wieder probierte ich die verschiedensten Schlafplätze aus, um dann doch wieder in mein Bett zurückzukehren. Darüber war es 3.15 Uhr geworden, an Schlaf jedoch noch immer nicht zu denken. Es war diese innere Unruhe, die mich daran hinderte, in den Schlaf zu finden. Dabei war ich todmüde, konnte die Augen nicht offenhalten und mich schon lange auf nichts mehr konzentrieren. So machte es noch nicht einmal Sinn, ein Buch in die Hand zu nehmen. Meine Gedanken kreisten nur noch um die eigene Schlaflosigkeit.
Dabei tröstete mich nicht, dass ich kein Einzelfall war, sondern von diesem sogenannten Insomnie-Syndrom viele betroffen sind. Je stiller und ruhiger es im Haus um mich herum wurde, desto größer wurden die innere Unruhe und der Wunsch, mich durch einen Ausstieg aus dem Gedankenkarussell der äußeren Ruhe der Umgebung anpassen zu können. War diese Unruhe begründet durch die Einnahme bestimmter Medikamente während der Chemotherapie? Oder ließ mich die Angst vor dem drohenden Ausgang der Krankheit nicht schlafen?
Zum eigenen Trost hatte ich mir inzwischen für diese laue Sommernacht einen der gemütlichsten Plätze am Haus ausgesucht, um mich der Schlaflosigkeit zu stellen oder sie sogar zu überlisten. Ich lag, gemütlich in Decken verpackt, in der Hängematte im Garten und sah in den Himmel über mir. Dunkel und weit erstreckte er sich, bis zum Horizont mit glitzernden Partikeln übersät. So viele Sterne in dieser Nacht.
Zunächst sah es so aus, als würde ich dort endlich zur Ruhe kommen. Leicht wiegte die Hängematte die Gedanken in den Schlaf; ich hörte Grillen, das Wasser plätscherte im Teich, der Wind strich durch die Bäume und trug die Geräusche der weit entfernten Autobahn als feines Summen bis zu mir; ein Indiz dafür, dass der Wind aus Osten kommen musste.
Bisweilen ist es hilfreich, sich auf die Geräusche zu konzentrieren. Manchmal findet man so in den Schlaf, überlistet das Gehirn, indem man ihm eine unverfängliche Arbeit anbietet, wie beispielsweise die möglichst konkrete Wahrnehmung und Identifikation alles Hörbaren. Doch es war so eine Nacht, in der ich mir offensichtlich nicht selbst helfen konnte. Die Gedanken machten sich selbstständig, sammelten sich wieder um ungeliebte Themen und der Schlaf zog sich erneut zurück.
Dennoch, ich war dankbar für jeden Moment, den ich erlebte. Auch für den schlaflosen Moment, in