Die Rotte der Tapferen: G.F. Barner 272 – Western
Von G.F. Barner
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Über dieses E-Book
G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität.
Dieses Buch behandelt ein Kapitel, dem leider immer zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Es ist ein Kapitel über Männer, die tapfer gewesen sind. Nicht alle von ihnen waren Engel, dazu lebten sie in einer zu harten Zeit und in einer Welt, die wir heute manchmal schwer verstehen können. Dies ist die Geschichte, die auf Tatsachen fußt, die eine Handvoll Männer – wie viele andere ihresgleichen – in den Wirren des sich dem Ende nähernden Bürgerkrieges zwischen den Nord- und Südstaaten erlebt haben. Eine Handvoll Männer, die härtesten und erfahrensten Männer, die es auf der Seite der Südstaaten gab, wurden ausgeschickt, um Sonderkommandos auszuführen. Heute würden wir sagen, sie waren Soldaten, die man zu einem »Himmelfahrtskommando« hinter die feindlichen Linien schickte. Aber damals – damals entbehrte der Krieg nicht einer gewissen Ritterlichkeit. Heute ist sie beinahe gänzlich ausgestorben. Damals entschied der persönliche Mut, die ganz persönliche Tapferkeit. Die Umsicht und die Kenntnis eines Truppenführers über Leben und Tod seiner Männer. Zwar war der amerikanische Bürgerkrieg ohne jeden Zweifel der erste moderne Krieg mit »offenem Visier«. Damals lockte Männer das Abenteuer. Und so fanden sich Spezialisten zusammen, die aus ganz unterschiedlichen Berufen kamen. Der eine diente als Scout bei der Armee, nachdem er lange Jahre in der Wildnis auch Scout gewesen war. Der andere konnte mit einem Messer wie mit einem Zahnstocher umgehen. Der nächste wieder konnte alles in die Luft sprengen, angefangen vom Geldschrank, aufhörend beim Stein in einem Steinbruch. Und einer schließlich konnte auch Fachmann für das Wasser sein. Es mußten Flüsse überquert, Seen durchschwommen oder mit einem Floß bezwungen werden. Ja, es gab Männer, die mit einer Nußschale von Boot die fürchterlichste Blockade, die jemals ein Land – die Südstaaten von Amerika – über sich ergehen lassen mußte, durchbrechen konnten.
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Die Rotte der Tapferen - G.F. Barner
G.F. Barner
– 272 –
Die Rotte der Tapferen
G.F. Barner
Dieses Buch behandelt ein Kapitel, dem leider immer zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Es ist ein Kapitel über Männer, die tapfer gewesen sind. Nicht alle von ihnen waren Engel, dazu lebten sie in einer zu harten Zeit und in einer Welt, die wir heute manchmal schwer verstehen können.
Dies ist die Geschichte, die auf Tatsachen fußt, die eine Handvoll Männer – wie viele andere ihresgleichen – in den Wirren des sich dem Ende nähernden Bürgerkrieges zwischen den Nord- und Südstaaten erlebt haben.
Eine Handvoll Männer, die härtesten und erfahrensten Männer, die es auf der Seite der Südstaaten gab, wurden ausgeschickt, um Sonderkommandos auszuführen.
Heute würden wir sagen, sie waren Soldaten, die man zu einem »Himmelfahrtskommando« hinter die feindlichen Linien schickte.
Aber damals – damals entbehrte der Krieg nicht einer gewissen Ritterlichkeit. Heute ist sie beinahe gänzlich ausgestorben.
Damals entschied der persönliche Mut, die ganz persönliche Tapferkeit. Die Umsicht und die Kenntnis eines Truppenführers über Leben und Tod seiner Männer. Zwar war der amerikanische Bürgerkrieg ohne jeden Zweifel der erste moderne Krieg mit »offenem Visier«.
Damals lockte Männer das Abenteuer. Und so fanden sich Spezialisten zusammen, die aus ganz unterschiedlichen Berufen kamen. Der eine diente als Scout bei der Armee, nachdem er lange Jahre in der Wildnis auch Scout gewesen war. Der andere konnte mit einem Messer wie mit einem Zahnstocher umgehen. Der nächste wieder konnte alles in die Luft sprengen, angefangen vom Geldschrank, aufhörend beim Stein in einem Steinbruch. Und einer schließlich konnte auch Fachmann für das Wasser sein. Es mußten Flüsse überquert, Seen durchschwommen oder mit einem Floß bezwungen werden.
Ja, es gab Männer, die mit einer Nußschale von Boot die fürchterlichste Blockade, die jemals ein Land – die Südstaaten von Amerika – über sich ergehen lassen mußte, durchbrechen konnten.
Wie gesagt, eine Handvoll Männer, die aus allen möglichen Berufen kamen und aus einem Straflager der Armee. Dieses Lager existiert heute noch, allerdings nicht mehr als Straflager.
Es waren die wildesten, rauhesten Männer die es gab. Und sie ritten Ios, sie durchquerten Flüsse und jagten im Rücken des Feindes seine Bahnlinien hoch. Diese Taten sind historisch belegt, aber sie werden zu wenig erwähnt, jedenfalls bei uns in Europa.
Die Männer zogen aus, zogen wie der berühmte Morgan in seinem Ritt von Bunkesville in Kentucky bis New Lisbon in Ohio, dicht an den Erie See, weit in den Rücken des Feindes.
Südstaatengeneräle wie Kirby Smith, Bragg und der berühmte Morgan, trieben sich mit mehreren hundert Mann im Hinterland der Nordstaatenarmeen herum. Zum Beispiel brachte Morgan das Kunststück fertig, mit viertausend Mann aufzubrechen, von denen aber vierhundert, also zehn Prozent, keine Waffen besaßen. Als er losritt, da versprach Morgan, daß er für seine vierhundert Waffenlosen den Yankees, also den Nordstaatlern, die Waffen abnehmen würde.
Er tat es!
Die Louisville und Nashville Eisenbahngesellschaft hatte von Februar bis März 1863 über zwanzig Attentate auf Züge, Brücken und die Gleiskörper zu verzeichnen. Die Südstaatler jagten die längste, schönste und teuerste Brücke der L und N über den Green River in die Luft. Sie ließen, nachdem sie die Gleise im South Tunnel, Tennessee, blockiert hatten, einen ganzen Zug, den sie erbeutet hatten, in den Tunnel rollen. Und der Zug brannte dabei. Der Tunnel war restlos blokkiert. Der Tunnel stürzte ein. Fast vier Meter hoch lagen Felsen und Erde im Tunnel, zweihundertfünfzig Yards lang krachte der Tunnel zusammen. Erfolg: Der Nachschub der Nordstaatenarmeen kam gewaltig ins Stocken.
Bei Shepherdsville jagten sie die Brücke über den Salt River in die Luft. Sie fuhren frech, frank und frei in einem angehaltenen und erbeuteten Zug nach Glasgow, kamen am Heiligabend dort an, überrumpelten die Nordstaatenbesatzung, die natürlich mit ihrem schönen Zug auch Nordstaatler, aber nie im Leben Südstaatler erwartet
hatte – und – nun ja, dann setzten sich die Südstaatler hin und brieten
die Truthähne der Nordstaatler zu Ende, die für das Weihnachtsmahl bestimmt waren, um sie letztlich aufzuessen.
Man könnte diese Schilderung seitenlang fortsetzen. Jedoch schweifen diese absoluten Abenteuertaten weit von der eigentlichen Materie ab.
Als der Süden nun buchstäblich in den letzten Zügen lag, als der Hunger umging, die Munition sehr knapp wurde und kaum noch Schiffe die Blockade durchbrechen konnten, da schickte General Kirby Smith wieder einmal einen Trupp jener Tapferen los. Dieser Trupp bestand nur aus Spezialisten, von denen eigentlich keiner ein Engel war. Dieser Trupp bekam eine bestimmte Aufgabe, die er – im Krieg sind fast alle Mittel erlaubt – auf Biegen und Brechen zu lösen hatte. Die Armee brauchte Geld, gutes Geld, also Yankeegeld, denn der Südstaatendollar war nicht mehr – wie Jay Gould, der größte Finanzier des Nordens einmal sagte – das Papier wert, auf dem er gedruckt wurde.
Diese Männer holte man aus einem Straflager mit dem schönen Namen »Camp Seeblick«. Es war jedoch ein Moorlager. Dorther holte man sie. Einige von diesen Männern waren schon im Zivilleben gefährlich für ihre Umwelt gewesen. Jetzt wurden sie im Krieg mit dem Befehl, auf Biegen und Brechen ihren Auftrag auszuführen, losgelassen. Und sie taten es, aus ganz verschiedenen Beweggründen.
Wie sie es taten, und warum sie es taten, das beschreibt dieses Heft von der ersten Sekunde an, in der diese Männer zusammentrafen. Aus den Taten dieser Männer ersieht man ihre Charakterstärke. Einer besaß wenig davon, der andere mehr.
So zogen sie los, aber die Rückkehr – nun, das muß man selber lesen.
Hier ist er, der Bericht über eine Handvoll Männer.
Über die »Rotte der Tapferen«.
Quellenangaben: S. H. Holbrook: American Railroads. – John E. Conroy: Behind The Lines.
*
Das Camp hat einen schönen Namen, es heißt »Seeblick«. Und es liegt zweieinhalb Meilen unterhalb der Einmündung des Village Baches in den Neches River.
Es gibt keinen Ausblick auf einen See, es gibt hier nichts, was schön zu nennen ist. Dafür aber gibt es Sumpf, schmutzigen, schmatzenden, saugenden Sumpf. Es gibt Schilf hier. Mit Schilf kann man ein Feuer machen, wenn es trocken ist. Mit Schilf kann man auch Häuserdächer decken. Und am Schilf kann man sich schneiden.
In der Phantasie der 36 Männer ist das Schilf wie Barthaar, das ein großes Maul bedeckt. Das Schilf ist die Oberfläche, durch die niemand blicken kann. Unter dem Schilf, jenem sehr schwankenden, von Wurzelwerk durchzogenen Boden, der schwankt, wenn man auf ihn tritt, ist Sumpf. Wie tief, das wissen sie nicht. Sie wissen nur, daß es Wahnsinn ist, in das Schilf zu springen, denn dann werden sie ertrinken. Nicht etwa im klaren Wasser, sondern in der sumpfigen Brühe, die Blasen wirft und stetig irgendwo ein Glucksen von sich gibt.
Der kleine, magere Kliburn blickt nach vorn. Er kann die Bajonette sehen. Es sind sechs schöne, blanke Bajonette, die ab und zu blinken, wenn die Sonne durch die Wolken kommt.
Sechs, denkt Kliburn, vorn sechs und hinten sechs, das sind zwölf. So wahr ich meines Vaters Sohn bin und rechnen kann, es sind nur zwölf. Und wir sind sechsunddreißig.
36 Männer, die die Hölle ausgespuckt haben kann. Jedenfalls sagt das Master-Sergeant Ducan. Und da der alles immer weiß, so wird er auch hierin recht haben. Die Hölle hat uns ausgespuckt, wie?
»Verdammte Mücke!«
Der das sagt und einmal mit der Hand in seinen Nacken klatscht, ist Quincy Morgen.
Kliburn blickt nach rechts. Die Biegung des Sumpfweges kommt. Und hinter der Biegung…
Quincy reibt seine große, breite Hand, die die Form eines Kuchentabletts hat, an der Hose ab und sagt böse:
»Morgen schlage ich euch alle tot. Verdammtes Mückenpackzeug!«
Dann muß er wohl bemerken, daß der kleine, zähe Kliburn, der über ungewöhnliche Kräfte verfügt, obwohl er so klein und mager wirkt, nach vorn sieht auf jene Biegung. Und schon sagt Quincy wütend:
»Morgen schmeiße ich Ducan rein!«
Es ist sein Glück, daß die vorderen Posten mehr als zehn Yards und die hinteren etwa 20 Yards entfernt sind. Wenn einer von ihnen Quincy reden hörte, vielleicht würden sie Quincy wieder durch den Schlamm jagen. Und dann eine halbe Stunde später Uni-formappell machen – mit Quincy, versteht sich.
»Quincy, sei leise!«
»Blödsinn, hört uns ja doch keiner«, sagt Quincy Morgen verbissen. »Da ist schon wieder so ein kleines, schmutziges elendes Vieh. Es kommt, siehst du, es sucht sich meine Nasenspitze zur Landung aus, als wenn es sich nicht…«
Kliburn sieht sich um. Und tatsächlich – es ist eine der schönsten Sumpfmücken, die sich auf Quincy Morgens Nase setzt. Dann interessiert Kliburn die Mücke nicht mehr, denn Quincys Augen erwecken seine volle Aufmerksamkeit.
Quincy versucht mit beiden Augen nach seiner Nasenspitze zu blicken, eine Sache, die den Augäpfeln eine mehr als eigenartige Stellung gibt. In diesem Augenblick schielt Quincy wie die letzte Indianersquaw der Schielaugen-Indianer. Ob es die jemals gegeben hat, das weiß Kliburn nicht, aber bei der Armee hat man die seltsamsten Ausdrücke, dies ist auch einer.
Dann holt Quincy aus. Er macht es langsam, denn er könnte sich mit seiner riesengroßen Hand bestimmt die Nase zertrümmern. Kliburn, der den Kopf nach hinten gewendet hat, geht einen Takt zu schnell. Darum stolpert er über Steve Mulligans rechten Hakken.
Mulligan stolpert nun auch und fällt dann der Länge nach hin. Mitten in den schönsten Schlamm, der in einer Lache auf dem Weg ist. Dort liegt er nur einen Moment, dann schnellt er hoch und sieht Kliburn wild an. Er sieht aus wie ein Nigger.
»Du kleiner, windiger Messerwerfer«, sagt er wütend. »Kannst du nicht aufpassen?«
»Tut mir leid, Steve.«
»Blöder Kerl, tut ihm leid. Als wenn dir jemals was leid täte. Paß gefälligst auf,