Die Zerufinaxt: Fantasy-Novelle
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Über dieses E-Book
Eine unwirkliche, poetische Reise zu sich selbst und anderen.
Lesende erwartet: Runenmagie, Gemeinschaft, Humor, Streit & Versöhnung, Ausbruch aus Normen, queerautistic Pride
Iris Leander Villiam
Iris Leander Villiam ist 1986 in Celle geboren, studierte in Dresden Psychologie und lebt, mittlerweile zurück im platten Niedersachsen, mit Mann und Kind ein turbulent-beschauliches Leben. Den Kopf in unendlichen Weiten, die Füße in festen Wanderschuhen. Das Herz überall und nirgends. In vielerlei Hinsicht „questioning“, die Weltsicht queerfeministisch, friedliebend und inklusiv. Weltenbau und Geschichten spiegeln all das wieder. Weitere Informationen: www.villiam.de
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Buchvorschau
Die Zerufinaxt - Iris Leander Villiam
Ilvenohr
Ich zeichnete mit ruppigen Kohlestrichen unsere Stadt Quedis, die Hügel von Risea und den Kalten Fluss Narwuf auf unseren Küchenfußboden. Sieglindes Vorwurf irritierte mich zutiefst und ich wollte nicht wegen etwas streiten, das schon mehr als drei Wochen her war. Nachdem auch der Tote Baum von Sibelon in die Landkarte gezeichnet war, sah ich auf zu ihr.
»So habe ich es nicht gemeint«, versuchte ich es erneut.
»Schön, dann hast du es nicht gemeint, aber eben gesagt«, erwiderte sie verärgert und schmiss eine Handvoll Runen mit zu viel Wucht auf die nicht ganz fertige Karte.
»Ja, und ich habe mich entschuldigt und versucht, es richtig zu stellen.«
»Genau, versucht«, erklärte sie, »manchmal reicht versuchen halt nicht.«
Sieglinde schüttelte frustriert den Kopf, dann widmete sie sich demonstrativ den Runen. Um ihr nicht im Weg zu stehen, setzte ich mich auf die Küchenbank neben dem Ofen und beobachtete, wie sie sich jede einzelne Rune ganz genau ansah. Sonst genügte ihr ein kurzer Blick über das Gesamtbild.
»Wenn es nicht reicht, dann weiß ich nicht, was ich noch tun soll«, meinte ich entmutigt. Ich hatte nie gestritten. Ilven stritten nicht. Wir berauschten uns aneinander und verließen uns wieder. Meistens. Und ich wusste nicht, wie es anders gehen konnte.
»Ich ja auch nicht«, erwiderte Sieglinde, ohne mich anzusehen. Sie war erst vor einigen Wochen bei mir eingezogen. Nicht aus Zuneigung, sondern weil sich unsere Magie ergänzte und Zerufin immer schwieriger zu finden war. Ich fühlte Tränen in meine Augen steigen. Wäre es nur bei gemeinsamer Arbeit geblieben, müsste ich jetzt nicht weinen. Müsste ich jetzt nicht fürchten, was ihre Worte bedeuteten. Berauschen und gehen.
»Ich will nicht, dass du gehst«, sagte ich leise, ohne darüber nachzudenken.
»Ich will auch nicht gehen«, antwortete sie. Ich sah Tränen in ihren Bart laufen.
Ich schloss einen Moment die Augen und fragte: »Denkst du wirklich, dass es eine derart große Bedeutung für mich hat? Die Form deiner Ohren, meine ich?«
Sie zog ihre buschigen Augenbrauen tief in ihr Gesicht und grummelte: »Die Ohren sind irrelevant. Und ja nun wirklich nicht das einzige, was mich von einer zarten Ilve unterscheidet.«
»Das wird immer ein Thema zwischen uns sein, oder?«, fragte ich bedrückt.
Sie wischte trotzig über ihre feuchten Wangen und erwiderte missmutig: »Du bist doch nur bei mir, weil du Pause von dem ganzen ilvischen Drama wolltest. Sobald es dir wieder gut geht, bist du auf und davon.«
Es war nicht das erste Mal, dass sie etwas in dieser Art behauptete. Für sie schien die ilvische Gesellschaft eine funkelnde Welt, von der sie kein Teil sein konnte oder wollte, von der sie aber glaubte, dass ich sie mir über alles wünschte. Und sie erklärte mir nie, was sie mit ilvischem Drama eigentlich meinte.
»Bist du überhaupt gern mit mir zusammen?«, fragte ich und sah auf meine zarten, ilvischen Finger, an denen silberne Ringe glänzten. Ich fürchtete ihre Antwort.
»Natürlich!«, polterte ihre Stimme so laut, dass ich kurz zusammenzuckte.
»Aber bin ich nicht auch ilvisches Drama?« Ich fuhr mir unwillkürlich über mein feingeschliffenes, marmornes Ohr, um das Sieglinde mich so beneidete.
»Ja«, antwortete sie grummelig, »manchmal schon. Aber ich bin ja nicht diejenige, die davor wegläuft.«
»Nein«, antwortete ich und musste trotz allem schmunzeln. »Du bist ganz im Reinen mit dir, weißt genau, dass du mich willst, und musst nur leider ständig an meinen Gefühlen zweifeln. Liegt alles ganz allein an mir.«
Sie verzog das Gesicht, als hätte sie gerade in einen verdorbenen Fisch gebissen. »Du hast ja recht.«
»Ja?«
Sie musste grinsen, ließ sich neben mich auf die Bank fallen und meinte großzügig: »Kommt auch mal vor.«
Ich strich über ihr leicht gelocktes, wallendes Haar und küsste ihre Schläfe.
»Wieder gut?«, wollte ich wissen.
»Wir sollten weitermachen«, meinte sie mit einem angedeuteten Nicken in Richtung der Runen.
Ich starrte einen Moment auf die Landkarte und meinte: »Haben wir uns gerade wirklich gestritten, nur weil dich eine Rune an meine Ohren erinnert?«
Sie zog erneut ihre Augenbrauen ins Gesicht, als wollte sie sich dahinter verstecken. »Das wäre unsinnig. Wenn du nicht behaupten willst, ich würde mich an Unsinn aufhängen, dann widmen wir uns jetzt den Runen. Klar?«
Ich unterdrückte ein Grinsen, legte meine Hand auf ihre Schulter und küsste ihr knubbeliges Ohr. »Klar.« Dann stand ich auf, um mir die Karte nun auch anzusehen.
Zerufin, das schwachmagische Gestein, das die Mauern unserer Stadt gegen dämonische Angriffe schützte, war rar geworden. Und während wir uns anfangs vor allem über unser Auskommen gesorgt hatten, fühlten wir zunehmend, was es für Quedis bedeutete. Die Mauern wurden schwächer und die Leute