Jugendliche mit Angststörungen unterstützen: Ein Leitfaden für Eltern und Fachleute
Von Malene Klindt Bohni und Eileen Petersmann
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Buchvorschau
Jugendliche mit Angststörungen unterstützen - Malene Klindt Bohni
Titel des dänischen Originals:
Støt unge med angst. En guide til forældre og fagprofessionelle
© Straarup & Co und Malene Klindt Bohni, 2018
Autorin: Malene Klindt Bohni
Übersetzung: Eileen Petersmann
Deutsche Ausgabe 2020
Copyright © Renate Götz Verlag
A-2731 Dörfles, Römerweg 6
info@rgverlag.com
rgverlag.com
Coverbild: time. photocase.com
Layout & Gesamtgestaltung: Eva Denk . outlinegrafik.at
Illustrationen:
nadiinko/Adobestock.com S. 15, 16
ph7 kommunikation . ph7.dk S. 74, 76, 77, 97
alle anderen Eva Denk, auf Basis des dänischen Originals von ph7 kommunikation
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung oder Reproduktion des Inhalts ist laut Urheberrecht nicht zugelassen. Hiervon ausgenommen sind kurze Auszüge zwecks Buchvorstellungen.
ISBN 978-3-902625-86-1
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1 . Was ist eine Angststörung?
Angststörungen aus geschichtlicher Perspektive
Angst versus Furcht
Normale Angst Versus krankhafte Angst
Kapitel 2 . Angststörungen
Die Komponenten der Angst
Gedanken
Gefühle
Körperliche Symptome
Verhalten
Andere Symptome
Verbreitung
Angststörungen
Soziale Phobie
Panikstörung und Agoraphobie
Zwangsstörung
Generalisierte Angststörung
Hypochondrische Störung
Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Anpassungsstörung
Prüfungsangst
Spezifische Phobie
Trennungsangst
Selektiver Mutismus
Dysmorphobie
Kapitel 3 . Komorbide Erkrankungen
Depression
Ticstörung/Tourette-Syndrom
Essstörung
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
Autismus und Asperger-Syndrom
Kapitel 4 . Ursachen für Ängste
Was sagt die Forschung?
Ein wachsendes Problem
Diagnosen
Schnelllebigkeit und Stress
Druck aus den Sozialen Medien
Individualisierung
Leistungsgesellschaft
Die Ursache spielt keine Rolle
Kapitel 5 . Behandlung von Angststörungen
Kognitive Verhaltenstherapie
Die Angst ≠ die Person
Psychoedukation
Konkrete Ziele
Kognitive Methoden
Verhaltenstherapeutische Methoden
Belohnung
Einbeziehung der Eltern
Medikamentöse Behandlung
Kapitel 6 . Hinweise für Eltern und Fachleute
Wie erkennt man eine Angststörung?
Was können Eltern und Fachleute tun?
Zuhören
Dem „Ich-regle-das-Reflex" widerstehen
Hilfsmittel, um das Katastrophendenken zu erkunden
Hilfsmittel, um Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten auszuschleichen
Zwang bringt nichts
Auf das eigene Verhalten achten
„Man muss das Eisen schmieden, solange es kalt ist"
Fortschritte anerkennen – auch die kleinen
Die Angst und die Schule
Wenn Kinder oder Jugendliche mit Angststörungen fernbleiben
Informationen für Mitschülerinnen und Mitschüler
Themen, die Angst machen
Die Ängste und die Familie
Zusammenarbeit
Was ist mit Geschwistern?
Auf sich selbst achtgeben
Angst und Aufmerksamkeit
Quellenverzeichnis
Vorwort
Ängste sind nur eine Phase, da muss man durch. Das ist eine weit verbreitete Meinung. Aber wir wissen aus zahlreichen Studien, dass Ängste in der Regel nicht von alleine verschwinden oder vorübergehen.
Angststörungen betreffen alle Altersgruppen und besonders unter Jugendlichen sind sie sowohl ein großes als auch ein verbreitetes Problem. Diese krankhaften Ängste können sehr beeinträchtigend sein und ohne die richtige Hilfe kann diese sehr unangenehme Krankheit junge Menschen bis in das Erwachsenenalter verfolgen – oftmals mit der Folge einer deutlich verringerten Lebensqualität. Darum ist es wichtig, dass Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und andere Berufsgruppen im Umfeld von Jugendlichen Wissen über Angststörungen besitzen, damit sie besser gerüstet sind, wenn es darum geht, die Jugendlichen zu erkennen, die von den unterschiedlichen Formen der Krankheit betroffen sind, und ihnen helfen zu können.
Dieses Buch richtet sich an Eltern von Jugendlichen mit Angststörungen genauso wie an Lehrerinnen und Lehrer, Mentorinnen und Mentoren und andere Berufsgruppen, die mit dieser Zielgruppe arbeiten.
Das Ziel des Buches ist, alle im Umfeld der Betroffenen auf den gleichen Wissensstand zu bringen, damit alle – ausgehend von gemeinsamem Hintergrundwissen – zusammen daran arbeiten können, die Betroffenen, so gut es geht, zu unterstützen und ihnen zu helfen.
Angststörungen sind so weit verbreitet, dass jeder – beruflich oder privat – irgendwann mit einer betroffenen Person zu tun haben wird. Aus meiner Arbeit weiß ich, dass Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen oft unsicher sind, wie sie am besten unterstützend und helfend wirksam werden können. Ebenso kann es schwierig sein zu wissen, was denn „das Richtige" zu tun sei. Denn das, was einem unmittelbar als einleuchtend richtig erscheint, kann auf lange Sicht dazu beitragen, die Angststörung aufrechtzuerhalten.
Das Wissen über Angststörungen ist daher eine wichtige Voraussetzung dafür, helfen zu können, und es ist die Absicht dieses Buches, dabei zu unterstützen. Das Buch konzentriert sich auf Jugendliche, aber da Angststörungen Menschen aller Altersgruppen betreffen und sich auf vergleichbare Art und Weise äußern, kann es auch genutzt werden, um Angststörungen bei Kindern und Erwachsenen zu verstehen.
Im Buch werden die neuesten Erkenntnisse über Angststörungen bei Jugendlichen besprochen – zum Beispiel die verschiedenen Komponenten von Angst, die verschiedenen Formen von Angststörungen, deren Verbreitung und Ursachen. Beim Lesen bekommt man Einblicke darin, welche Behandlungsmethoden die effektivsten sind – die kognitive Verhaltenstherapie und die medikamentöse Behandlung. Außerdem wird ein Hands-on-Wissen darüber vermittelt, wie man einen jungen Menschen, der von Angststörungen betroffen ist, am besten unterstützen kann. Es wird immer wieder Fallbeispiele aus dem Klinikalltag geben, die alle anonymisiert sind, um die Identität der Personen zu wahren.
Kapitel 1 WAS IST EINE ANGSTSTÖRUNG?Angststörungen aus
geschichtlicher Perspektive
Angsterkrankungen existieren wahrscheinlich schon seit Anbeginn der Menschheit. Aber das Wissen und Verständnis, das wir heute in Bezug auf Ängste haben, hat sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt.
Im alten Griechenland – vor über 2000 Jahren – benutzte man den Terminus Hysterie, um einen Geisteszustand zu beschreiben, der von intensiven Angstgefühlen geprägt ist. Das Wort Hysterie stammt vom griechischen Wort hysterikos ab, das Gebärmutter bedeutet, und man betrachtete es als etwas, das ausschließlich Frauen betraf. Dem Philosophen Platon (427 bis 347 v. Chr.) zufolge wurde Hysterie dadurch verursacht, dass die Gebärmutter im Körper auf Wanderschaft ging, weil die Frau sich danach sehnte, schwanger zu werden.
In der Renaissance (ca. 14. bis 17. Jahrhundert) wurden Frauen mit Angstleiden als Hexen angesehen. Wenn die Frauen über ihre Ängste sprachen oder physische Angstsymptome zeigten, die man sich anders nicht erklären konnte, wurden sie mithilfe von Folter oder Hinrichtung „behandelt".
Im Zuge der großen Kriege – unter anderem des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861 bis 1865) und des Ersten und Zweiten Weltkrieges – wurde anerkannt, dass Angstleiden auch Männer treffen können. Dieses Leiden würde man heute Posttraumatische Belastungsstörung (kurz PTBS) nennen.
Der Hysteriebegriff wurde seither durch den Neurosebegriff abgelöst, der sich besonders vor dem Hintergrund der verschiedenen Neurosetheorien des Begründers der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856 bis 1939) verbreitete. Wie auch im alten Griechenland war Freuds ursprüngliche Theorie zu Angstneurosen, dass die Ängste mangelnder sexueller Befriedigung geschuldet seien. Später entwickelte Freud eine Theorie, die besagte, dass Ängste Ausdruck verdrängter Gefühle seien. Und noch später entstand die Theorie, Ängste seien Ausdruck eines inneren Konfliktes zwischen den Trieben des Es auf der einen und den Verboten des Über-Ichs auf der anderen Seite.
Letztere Theorie baute auf Freuds