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Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie - Den Rückfall vermeiden - Fallbeispiele und konkrete Tipps
Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie - Den Rückfall vermeiden - Fallbeispiele und konkrete Tipps
Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie - Den Rückfall vermeiden - Fallbeispiele und konkrete Tipps
eBook232 Seiten2 Stunden

Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie - Den Rückfall vermeiden - Fallbeispiele und konkrete Tipps

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Über dieses E-Book

Angst und Panik bewältigen

Panikartige Ängste sind enorm verbreitet. Die Angstzustände sind verbunden mit meist heftigen körperlichen Reaktionen, wie Schwindel, Herzklopfen oder Schweißausbrüchen. Sie quälen und schränken Betroffene zusehends ein. Angstpatientinnen und -patienten bringen im Laufe der Zeit immer mehr Situationen mit ihren Angstzuständen in Verbindung und vermeiden sie. Ein Teufelskreis, der sich aber mit Hilfe verhaltenstherapeutischen Wissens und Trainings auflösen lässt.

Den Teufelskreis aus Angst und Vermeidung durchbrechen

Der Ratgeber ist von einer erfahrenen Therapeutin verständlich und motivierend geschrieben. Fallbeispiele zeigen Möglichkeiten auf, Panikattacken besser  in den Griff zu bekommen. Gut strukturiert und übersichtlich - mit vielen Beispielen; wichtige Inhalte und Tipps sind hervorgehoben. Serviceteil: Weiterführende Literatur, Informationen zu Therapiesuche und -finanzierung, Selbsthilfegruppen etc.

Sichinformieren und der Angst das Angsterregende nehmen

Der Ratgeber leitet zur Selbsthilfe an und gibt Tipps, an wen man sich wenden kann, wenn man sich Selbsthilfe nicht zutraut oder wenn man Unterstützung in Selbsthilfegruppen sucht.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer
Erscheinungsdatum17. Mai 2013
ISBN9783642345876
Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie - Den Rückfall vermeiden - Fallbeispiele und konkrete Tipps

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    Buchvorschau

    Angst bewältigen - Sigrun Schmidt-Traub

    Sigrun Schmidt-TraubAngst bewältigen5., vollst. überarb. Aufl. 2013Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie - Den Rückfall vermeiden - Fallbeispiele und konkrete Tipps10.1007/978-3-642-34587-6_1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

    1. Einleitung

    Sigrun Schmidt-Traub¹  

    (1)

    Salzbrunner Str. 25, 14193 Berlin, Deutschland

    Sigrun Schmidt-Traub

    Email: schmidt-traub@t-online.de

    Zusammenfassung

    „Ein Schwall kommt von unten nach oben, ganz langsam. Mir ist, als würde das Blut aus dem Kopf weichen. Ich bekomme Atemnot, Beklemmungsgefühle, Schwindel, Kribbeln in den Händen, Herzrasen mit einem Puls von 130/140. Ich meine, mir springt das Herz heraus; ich habe so einen großen Druck auf der Brust. Die Hände zittern, ich schwitze heftig unter den Achseln. Ich habe Angst, die Kontrolle über mich zu verlieren, und das schreckliche Gefühl, mir droht ein Herztod".

    Was sind Panikattacken ? Kennen Sie vielleicht „Anfälle oder „Zustände wie die folgenden?

    Fallbeispiel

    „Ein Schwall kommt von unten nach oben, ganz langsam. Mir ist, als würde das Blut aus dem Kopf weichen. Ich bekomme Atemnot, Beklemmungsgefühle, Schwindel, Kribbeln in den Händen, Herzrasen mit einem Puls von 130/140. Ich meine, mir springt das Herz heraus; ich habe so einen großen Druck auf der Brust. Die Hände zittern, ich schwitze heftig unter den Achseln. Ich habe Angst, die Kontrolle über mich zu verlieren, und das schreckliche Gefühl, mir droht ein Herztod".

    Panik

    Arno, 42 Jahre alt, von Beruf Servicetechniker, bekam vor 2 Jahren beim Tennisspielen den ersten Anfall „aus heiterem Himmel. Er hatte gerade einen Krankenhausaufenthalt hinter sich infolge einer Thrombose am Bein (Verschluss eines Blutgefäßes durch Blutgerinnsel). Seither leidet er an spontan hochschießenden Panikzuständen und an der Angst vor Herzinfarkt . Tennis spielt er deshalb nicht mehr. Aus Sorge um seine Gesundheit fühlt er häufig den Puls und misst seinen Blutdruck. Außerdem nimmt er Betablocker zur Beruhigung der Herz-Kreislauf-Tätigkeit. Die körperlichen Beschwerden haben sich mit der Zeit ein wenig ausgeweitet: Inzwischen klagt er auch noch über Kälteschauer, starke Anspannung und Herzschmerzen, die manchmal bis in den linken Arm reichen. In Gegenwart von Kollegen befürchtet er weitere „Anfälle und entwickelt dabei starken Achselschweiß. Seine Erregungszustände bezeichnet er als „Achselhöhlenangst". Weil er sich gesundheitlich bedroht fühlt, sucht er wiederholt verschiedene Herzspezialisten auf, die weder im Belastungs-EKG noch im 24-Stunden-EKG etwas Auffälliges finden. Endlich schickt ihn eine Internistin wegen Verdacht auf Panikstörung zur Verhaltenstherapie.

    Angst vor Herztod

    Angst vor Ersticken

    Fallbeispiel

    Es begann beim Autofahren mit Brennen auf der Haut, Atemnot, Unruhe, Schwindel, Herzrasen, Zittern an Händen und Beinen, Schwitzen, Hitzegefühlen, Kälteschauer und Übelkeit. „Mir war, als gehörten meine Hände nicht mehr zu mir. Ich spürte Kribbeln und Taubheit am ganzen Körper. Ich konnte nichts mehr sehen und fuhr an den Straßenrand. Ich bekam nur mühsam Luft und hatte fürchterliche Angst zu ersticken".

    Nicole, eine 21-jährige Arzthelferin, erlebte den ersten Panikanfall vor einem halben Jahr beim Autofahren: Ihr blieben förmlich Augenlicht und Luft weg, und das erschreckte sie sehr. Der Augenarzt, den sie noch am selben Tag aufsuchte, fand keine körperliche Ursache am Auge und meinte, die vorübergehenden Sehstörungen könnten „kreislaufbedingt" sein. Seither meidet sie das Alleinsein und lenkt ihr Auto auch nicht mehr selber, sondern fährt nur noch als Beifahrerin. Außerdem beobachtet sie ihre körperlichen Empfindungen mit immer größerem Argwohn.

    Angst beim Autofahren

    Fallbeispiel

    Auf dem Bahnhof fing es an: „Ich dachte, der Bahnsteig fährt weg. Es war wie ein Schub: Ich bekam feuchte und eiskalte Hände und Füße, ein Krallengefühl im Nacken, Benommenheit, Schwindel, Übelkeit, Zittern und Beben. Der Bauch war nass geschwitzt. Ich musste sofort zur Toilette rasen und dachte, oh je, du bist ja schon mal umgefallen (als Kind zweimal). Ich hatte auch noch Druck auf den Ohren und starke Muskelverspannungen im Nacken".

    Julia, 25 Jahre, Einzelhandelskauffrau, meidet seit „diesem Schub vor 3 Jahren immer mehr Situationen aus Angst vor Ohnmacht, obwohl bei ihr eine vierwöchige gründliche Untersuchung auf der inneren Abteilung eines Allgemeinkrankenhauses keinen krankhaften Befund ergab. Dort wurde ihr lediglich die nichtssagende Allerweltsdiagnose „Neurasthenie (Nervenschwäche, reizbare Schwäche) gegeben und außerdem noch eine „labile Persönlichkeit" bescheinigt, worüber sie sich sehr geärgert hat. Nach einem Jahr konnte sie nicht mehr regelmäßig arbeiten gehen, ist seit über einem Jahr krankgeschrieben und verlässt das Haus nicht mehr alleine aus Angst vor einem Kollaps. Das deprimiert sie sehr.

    Angst vor Ohnmacht

    Fallbeispiel

    „Seit 4 Jahren bekomme ich täglich meine Schwindelanfälle mit wackeligen Beinen und Herzrasen. Es kriecht in mir hoch, ich zittere, bin unsicher, schwitze teilweise, bekomme einen trockenen Mund, habe ein leichtes Erstickungsgefühl, höre einen Piepton im Ohr, spüre Schmerzen in der Brust und habe das entsetzliche Gefühl, mich nicht bewegen zu können. Dann kommt die Angst, ich kippe um und ich meine, mich nicht mehr beherrschen zu können. Ich glaube dann, ich schnappe über, und habe Angst, was die Leute denken. Die Angst ist mein ständiger Begleiter."

    Angst, verrückt zu werden

    Hanna, 48 Jahre, hat ein eigenes Damenoberbekleidungsgeschäft und meint, sie müsse immer perfekt aussehen und dürfe sich vor den Leuten nicht gehen lassen. Vor Ausbruch des ersten Panikanfalls auf einer Einkaufsmesse hatte sie nur Angst vor Durchfällen und Spritzen. Jetzt belauert sie sich ständig und hat grundsätzlich mehr oder weniger Angst vor einem Panikanfall. Trotzdem schleppt sie sich regelmäßig mit großem Kraftaufwand zur Arbeit. Darüber hinaus meidet sie „fast alles andere – Alleinsein, Reisen, Kinos, Restaurants, Einkaufen in der City und sportliche Betätigung, obwohl sie bis zum Ausbruch ihrer Angststörung immer eine „Sportskanone war. Sie bezeichnet sich selber inzwischen als leicht erregbar und erlebt sich „voller Frust und Unsicherheit. Mehrere Ärzte haben ihr versichert, sie sei gesund. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt meint, ihre Ohrgeräusche rühren „vom Kreislauf her.

    Kommen Ihnen diese Zustände bekannt vor? Fürchten Sie ebenfalls einen Herztod wie Arno oder haben Sie Angst umzukippen wie die drei Frauen? Obwohl alle unterschiedliche körperlich-physiologische Symptome während einer Panikattacke erleben, neigen sie zu eklatanten Fehlinterpretationen und leiden unter der Befürchtung, es könnte ihnen etwas Fürchterliches zustoßen.

    Häufige Fehlinterpretationen

    Mit dem ersten Angstanfall begann sich bei ihnen eine Panikstörung mit leichtem (wie bei Arno und Hanna) bis ausgeprägtem Meideverhalten (wie bei Nicole und Julia) zu entwickeln. Erst nach Jahren wurden ihre Beschwerden als Angststörung diagnostiziert.

    Meideverhalten

    Wichtig

    Die Patienten haben das Vertrauen in ihren Körper verloren. Sie fürchten sich vor bestimmten körperlichen Beschwerden und den damit verbundenen Folgen, die in ihrer Vorstellung katastrophale Ausmaße annehmen: Sie könnten entweder kollabieren, sterben oder verrückt werden. Spätestens seit dem ersten Panikanfall haben Betroffene ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis und wollen keinen Angstanfall riskieren. Deshalb achten sie bei all ihren Unternehmungen auf größtmögliches Sicherheitsverhalten und vermeiden immer mehr.

    Wie wir noch sehen werden, wird der erste Angstanfall durch persönlich belastende Lebensereignisse ausgelöst. In den weitaus meisten Fällen hat er eine psychisch erschütternde, geradezu „traumatisierende" Wirkung. Im Laufe der Zeit verselbstständigt sich das Angsterleben und beherrscht die Person immer mehr. Sie glaubt nicht mehr daran, das Panikerleben und die Angstsituationen unter Kontrolle zu bekommen. Mit der Einschränkung des persönlichen Freiraums nehmen die Lebensqualität und das Selbstwertgefühl ab. Diese unbegründete Angst ist unsinnig und kräftezehrend.

    Belastende Lebensereignisse

    Sigrun Schmidt-TraubAngst bewältigen5., vollst. überarb. Aufl. 2013Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie - Den Rückfall vermeiden - Fallbeispiele und konkrete Tipps10.1007/978-3-642-34587-6_2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

    2. Zum Verständnis von Angst

    Sigrun Schmidt-Traub¹  

    (1)

    Salzbrunner Str. 25, 14193 Berlin, Deutschland

    Sigrun Schmidt-Traub

    Email: schmidt-traub@t-online.de

    2.1 Angst ist lebensnotwendig

    2.2 Angst ohne wirkliche Gefahr

    2.2.1 Was sind Panikattacken, Panikstörung und Agoraphobie?

    2.2.2 Weitere Angststörungen

    2.2.3 Die drei Ebenen des Angsterlebens

    2.2.4 Der Teufelskreis der Angst

    2.3 Weitere Bedingungen der Angst

    2.3.1 Angeborene Sensibilität für Angst und erworbene Angstbereitschaft

    2.3.2 Gesellschaftlicher Rahmen

    2.3.3 Angeborene und erworbene körperliche Empfindlichkeiten

    2.3.4 Stress – Ein „psycho-neuro-endokrino-immunologisches" Zusammenspiel

    2.4 Zusammenfassung

    Zusammenfassung

    Angst ist die Erwartung eines bedrohlichen Ereignisses mit dem Gefühl von starker Beunruhigung. Stellen wir uns vor, wir sind nachts alleine auf dem Heimweg und meinen, die Person hinter uns will uns ausrauben. Im dichten Stadtverkehr schneidet uns jemand besonders waghalsig und nötigt uns, auf die Bremse zu treten. Während eines besonders schweren Gewitters malen wir uns aus, wie das Haus vom Blitz getroffen wird und brennt. Jeder kennt solche Ängste. Aber nicht jeder reagiert mit derselben Angstintensität. Die meisten bekommen schon bei der Vorstellung solcher Situationen Herzrasen, heftige Unruhe und ein Kloßgefühl im Hals.

    2.1 Angst ist lebensnotwendig

    Angst ist die Erwartung eines bedrohlichen Ereignisses mit dem Gefühl von starker Beunruhigung. Stellen wir uns vor, wir sind nachts alleine auf dem Heimweg und meinen, die Person hinter uns will uns ausrauben. Im dichten Stadtverkehr schneidet uns jemand besonders waghalsig und nötigt uns, auf die Bremse zu treten. Während eines besonders schweren Gewitters malen wir uns aus, wie das Haus vom Blitz getroffen wird und brennt. Jeder kennt solche Ängste. Aber nicht jeder reagiert mit derselben Angstintensität. Die meisten bekommen schon bei der Vorstellung solcher Situationen Herzrasen, heftige Unruhe und ein Kloßgefühl im Hals.

    Tatsächlich ist Angst in wirklich brenzligen Situationen außerordentlich nützlich, denn sie dient als Alarmsystem, schärft die Sinne und rüstet uns für übermenschliche Leistungen. Angst ist ein universelles Gefühl: Der Gesichtsausdruck von Angst und Ekel wird kulturübergreifend – in allen Regionen der Welt – auch richtig interpretiert. Beim Ausdruck von Gefühlen wie Wut, Traurigkeit, Freude oder Scham ist das anders infolge von kulturspezifischen Einflüssen.

    Angst – ein wichtiges Warnsignal

    Angst in mildem Ausmaß kann höchst genüsslich und auch nützlich sein: Ein Krimi versetzt uns in angenehme Angstspannung. Waghalsige, riskante Unternehmen wie das Bungee-Springen oder Wildwasser-Kajakfahren rufen beim einen starke Angst, beim anderen Lustspannung hervor. Vereinzelt ufert das Verlangen nach Kitzel und Adrenalinstoß sogar in suchtähnliches Verhalten aus.

    Angst – ein Nervenkitzel

    Angst vor Fehlern und Versagen – in leichter bis mittlerer Intensität – ist zudem eine wichtige Leistungsmotivation und sorgt für Ehrgeiz, Konzentration und Anstrengung in Schule, Beruf und Sport. Angst in nicht allzu starker Ausprägung setzt Energien frei, die außergewöhnliche Leistungen ermöglichen. Ängstliche Menschen sind meist darum bemüht, ihr Bestes zu geben und arbeiten intensiver und ausdauernder als nicht ängstliche Personen.

    Angst als Lernmotivation

    Definition

    Bei der Alarmreaktion Angst, die in besonders bedrohlichen Situationen aufkommt, reagieren wir mit erhöhter Wachsamkeit, Konzentration und Zielsicherheit: Zum eigenen Schutz werden wir blitzartig für große Leistungen gerüstet und können optimal handeln. Sobald die Gefahr überstanden ist, bekommen wir weiche Knie.

    Jeder gesunde Mensch kann darauf vertrauen, dass er bei akuter Gefahr seinen persönlichen Kräften und Fähigkeiten entsprechend situationsangemessen handelt. Das gilt für die Rolle als Lebensretter ebenso wie für die Opferrolle während einer Vergewaltigung, für ein Blitzmanöver im Verkehr, wo einem ein Kind vors Auto läuft, ebenso wie für das Beiseitespringen vor einem herunterfallenden Gegenstand. Angst ermöglicht es dem Körper, in plötzlich auftretenden Gefahrensituationen schneller zu reagieren als der Verstand. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir bei akuter Bedrohung instinktsicher reagieren, denn ich habe dies nicht nur sehr oft von Opfern gehört, sondern auch persönlich erlebt.

    Richtiges Handeln bei akuter Gefahr

    Angstpatienten können bei echter Gefahr ihrer „realen oder „begründeten Angst genauso standhalten. Eine frühere Angstpatientin von mir hatte so extreme Angst- und Ekelgefühle vor Blut, dass sie unfähig war, rohes Fleisch für Mahlzeiten oder eine Wurstplatte zuzubereiten. Als ihr Mann jedoch bei einem Autounfall eine tiefe Schnittwunde am Kopf erlitt und heftig blutete, war sie in der Lage, nicht nur rasch, sondern auch völlig angemessen Erste Hilfe zu leisten. Der Schrecken kam erst danach. Diese Erfahrung hatte für sie eine wunderbare therapeutische Wirkung.

    Weil Angst ein lebenswichtiges biologisches, psychologisches und soziales Warnsysteme ist, wäre es unvernünftig und sogar gefährlich, ein Leben ohne Angst anzustreben.

    Angst ist lebenswichtig

    Demgegenüber sind Angststörungen wie Panik und Agoraphobie irrational, qualvoll und einengend. Betroffene wollen ihre unbegründeten Ängste zu Recht loswerden, denn sie gehen mit einem Gefühl von chronischem Unbehagen einher. Schauen wir uns „unbegründete" Ängste genauer an.

    2.2 Angst ohne wirkliche Gefahr

    2.2.1 Was sind Panikattacken, Panikstörung und Agoraphobie?

    „Pan" lässt sich auf den gleichnamigen griechischen Gott zurückführen, der mit lautstarkem und unbändigem Auftreten die Menschen in Angst und Schrecken versetzte. Panikattacken sind plötzlich und meist unvorhersehbar auftretende, zeitlich begrenzte Zustände mit starker Furcht und Unbehagen. Im Grunde genommen ist Panik nichts anderes als eine unangemessene oder falsche Alarmreaktion . Panikanfälle können bei ganz unterschiedlichen Angststörungen auftreten, z. B. bei Agoraphobie oder sozialer Phobie. Eine Phobie ist die ausgeprägte Angst vor Dingen oder Situationen, die in Wirklichkeit nicht gefährlich sind.

    Wir sprechen von einem Panikanfall, sobald vier der in der folgenden Übersicht genannten Symptome innerhalb von 10 Minuten auftreten.

    Paniksymptome

    Herzklopfen oder Herzrasen

    Schwitzen

    Zittern oder Beben

    Gefühl der Kurzatmigkeit oder Atemnot

    Erstickungsgefühle

    Schmerzen oder Beklemmungsgefühle in der Brust

    Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden

    Taubheit oder Kribbeln

    Hitzewallungen oder Kälteschauer

    Schwindel, Unsicherheit, Benommenheit oder Angst, einer Ohnmacht nahe zu sein

    Gefühl von Unwirklichkeit oder Sich-losgelöst-Fühlen (Depersonalisation)

    Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden

    Angst zu sterben

    Die meisten Panikbeschwerden sind zwar körperliche Missempfindungen. Eine Leib-Seele-Wechselwirkung ist aber dadurch gegeben, dass die körperlichen Empfindungen höchst sensibel wahrgenommen und fälschlicherweise als Anzeichen für drohende Gefahr gewertet werden (z. B. Ohnmacht oder Tod durch Herzinfarkt). Die Grundlagen dieser Befürchtungen sind somit Fehlinterpretationen von körperlichen Empfindungen.

    Fehlinterpretation von körperlichen Beschwerden

    Die körperlichen Symptome der Panik, auch physiologische oder vegetative Symptome genannt, weil sie überwiegend vom vegetativen oder autonomen Nervensystem gesteuert werden, sind zunächst fast nicht mit dem Willen oder Verstand zu beeinflussen (▶ Abschn. 2.2.3). Angstsymptome kommen in ganz unterschiedlicher Zusammensetzung vor, wie die Beispiele von Arno, Nicole, Julia und Hanna zeigen. Jeder hat seine

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