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MEPHISTOS SAAT: FBI-Thriller
MEPHISTOS SAAT: FBI-Thriller
MEPHISTOS SAAT: FBI-Thriller
eBook557 Seiten7 Stunden

MEPHISTOS SAAT: FBI-Thriller

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Über dieses E-Book

Spannend, brutal, überraschend! Ein FBI-Thriller der Extraklasse!
Evelyn Baxter, eine ehemalige FBI-Agentin, wird von ihrem früheren Partner um Mithilfe gebeten: die Funde grausam zugerichteter, teilweise an Foltermaschinen geketteter Frauen geben dem FBI Rätsel auf, und eines der Opfer ist die Tochter eines hochangesehenen Richters.
Zögernd willigt Evelyn ein, dem FBI beratend zur Seite zu stehen. Überraschend schnell stoßen sie und ihr Partner auf mögliche Tatverdächtige, doch die Umstände veranlassen Evelyn, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Dabei kommt sie einem grausamen Geheimnis auf die Spur, welches die Grenzen des Vorstellbaren sprengt und die ehemalige Agentin zu einem Spielball des Bösen werden lässt …
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum21. Apr. 2023
ISBN9783958357716
MEPHISTOS SAAT: FBI-Thriller

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    Buchvorschau

    MEPHISTOS SAAT - Eva Mesin

    Mephistos Saat

    Thriller

    Eva Mesin

    Copyright © 2014 by Eva Mesin

    Sämtliche Rechte sind vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in jeglicher schriftlichen, elektronischen oder anderen Form reproduziert oder gespeichert werden, ohne vorher die schriftliche Einwilligung der Autorin einzuholen. In Buchbesprechungen (Reviews) dürfen kurze Passagen zitiert werden.

    Dieses Buch ist reine Fiktion. Namen, Personen, Orte und Vorkommnisse sind entweder der Fantasie der Autorin entsprungen oder werden in einem literarischen Zusammenhang verwendet. Alle Ähnlichkeiten mit realen Personen, lebendig oder verstorben, Firmen und Organisationen, Ereignissen oder örtlichen Begebenheiten ist unbeabsichtigt und vollkommen zufällig.

    Impressum


    Deutsche Erstausgabe

    Copyright Gesamtausgabe © 2023 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd.

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

    Cover: Michael Schubert

    Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2023) lektoriert.

    ISBN E-Book: 978-3-95835-771-6

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    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Inhaltsverzeichnis


    Mephistos Saat

    Impressum

    PROLOG

    KAPITEL 1

    KAPITEL 2

    KAPITEL 3

    KAPITEL 4

    KAPITEL 5

    KAPITEL 6

    KAPITEL 7

    KAPITEL 8

    KAPITEL 9

    KAPITEL 10

    KAPITEL 11

    KAPITEL 12

    KAPITEL 13

    KAPITEL 14

    KAPITEL 15

    KAPITEL 16

    KAPITEL 17

    KAPITEL 18

    KAPITEL 19

    KAPITEL 20

    KAPITEL 21

    KAPITEL 22

    KAPITEL 23

    KAPITEL 24

    KAPITEL 25

    KAPITEL 26

    KAPITEL 27

    KAPITEL 28

    KAPITEL 29

    KAPITEL 30

    KAPITEL 31

    KAPITEL 32

    EPILOG

    PROLOG

    Paul Hathaway öffnete die Haustür und fand ein Paket zu seinen Füßen vor, welches auf der obersten Stufe vor dem Eingang seines Hauses platziert worden war. Adressiert war die Sendung an E. Hathaway, der Absender unbekannt. Warensendungen waren inzwischen keine Seltenheit mehr in seinem Alltag und er blickte finster zu dem Karton herunter. Seitdem er und seine Frau Ellen ihren neuen und letzten Lebensabschnitt als Rentner begonnen hatten, bestellte Ellen oft Dinge über diverse Internetshops. Meistens sehr unsinnige Dinge, die unnötig viel Geld kosteten. Während er es bevorzugte, auf die gute, altmodische Art einzukaufen, verfiel seine Frau mehr und mehr diesem neumodischen Wahnsinn. Nun, sie war schon immer leicht für neue Ideen zu begeistern gewesen. Da war er zum Glück ganz anders!

    Genervt schüttelte er den Kopf. Nicht unbedingt wegen Ellens Wahn, ständig Pakete anliefern zu lassen, sondern auch darüber, dass die Postboten sich nicht einmal mehr die Mühe machten, die Sendungen persönlich abzugeben. Sie legten diese einfach vor die Tür ab, für alle sichtbar und für jeden Dieb mit Leichtigkeit zu entwenden.

    In seiner Jugend nahmen sich die Menschen noch Zeit füreinander, der persönliche Kontakt war ihnen früher viel wichtiger! Heutzutage war man froh, wenn man seinen Mitmenschen aus dem Weg gehen konnte. Sollte ihm recht sein, wirkliche Lust auf Kommunikation mit der heutigen verzogenen Generation hatte er ohnehin nicht.

    Bevor er also das Paket an sich nahm, öffnete er noch den rot-weißen Briefkasten, entnahm ihm einige Briefe, überwiegend Rechnungen, wie er nach einer kurzen Durchsicht feststellen musste, und hob dann endlich das mittelgroße Päckchen auf, womit er in die Küche ging. Dort stellte er den Karton und die Briefe auf den runden Frühstückstisch ab, beschloss, die Rechnungen erst am Abend genauer zu sichten und betrat mit einem schnell zubereiteten Snack wieder das Wohnzimmer. Dort begab er sich, wie er es schon vor seinem kurzen Ausflug zum Briefkasten getan hatte, in seinen verblichenen, ockergrünen Ohrensessel. Er machte es sich trotz der Sprungfedern, die durch den dünn gewordenen Überzug in sein Hinterteil stachen, so bequem wie möglich und sah sich die Spielshow weiter an, die er seit seiner Pensionierung vor zwei Jahren bisher keinen Tag versäumt hatte. Nebenbei nahm er einige herzhafte Bissen von seinem Mayonnaise durchtränkten Thunfischsandwich, den er schmatzend verschlang.

    Ellen arbeitete gerade im Garten und würde bald mit der Zubereitung des Mittagessens beginnen. Der einzig wahre Grund, seine TV-Shows zu unterbrechen, denn seine Frau war eine Meisterköchin. Dies war einer der wenigen positiven Dinge, die ihm zu seiner Frau im Moment einfielen.

    Sie würden dann beim Essen über Belanglosigkeiten reden, um die Zeit zu überbrücken, wobei Ellen wieder verzweifelt versuchen würde, das Thema Andy anzusprechen. Andy, so hieß ihr erwachsener Sohn, der schon seit Jahren aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen war und als freiberuflicher Journalist die meiste Zeit in der Nähe von Los Angeles lebte und arbeitete. Paul würde das Gespräch dann abweisend und mürrisch unterbinden. Seit Wochen schon hatten sie keine Nachricht von ihrem einzigen Kind erhalten, das lag aber nicht unbedingt an Andys Nachlässigkeit, sondern daran, dass Paul nicht das Bedürfnis hatte, Kontakt zu einem Sohn aufrechtzuerhalten, welcher sich erst kürzlich als homosexuell geoutet hatte. Sobald Andy anrief und sein Vater den Hörer abnahm, machte er ihm deutlich, dass er nicht bereit war, seinen Lebenswandel zu akzeptieren und nur wegen seiner Mutter überhaupt noch ein Wort mit ihm wechselte. Somit war es nicht verwunderlich, dass Andy sich immer seltener meldete. Paul störte das nicht, ein Ärgernis weniger.

    Dass das Licht in Ellens Augen von Tag zu Tag weniger wurde und sie sich nur noch mit den gewohnten, festgefahrenen Dingen des Alltags über Wasser hielt, um nicht endgültig in Schwermut zu versinken, entging ihm völlig. Er hinterfragte nicht, ob seine Frau glücklich war, das wäre einem Menschen wie ihm nie in den Sinn gekommen. Seine Ehe und damit die Loyalität seiner Frau, die ihn nach wie vor bekochte und versorgte und damit vollkommen zufrieden sein musste, war für ihn eine Selbstverständlichkeit und außer jedem Zweifel. Schließlich waren sie gute Christen, die gemeinsam seit über dreißig Jahren sonntags die Methodisten-Kirche ihrer Gemeinde besuchten und ihr Leben bescheiden und gottesfürchtig lebten. Wie ihr Sohn derart missraten konnte, das konnte Paul sich beim besten Willen nicht erklären! Nein, das stimmte so nicht. Er war felsenfest davon überzeugt, dass es an Ellens viel zu sanftmütiger und verständnisvoller Erziehung lag und an nichts anderem! Wo sie zur richtigen Zeit hätte Strenge walten lassen müssen, hatte sie diesen Balg verwöhnt und sogar vor der harten Hand seines Vaters bewahrt. Allein schon die Wahl des Namens! Andy! Das war natürlich Ellens Idee gewesen, ein Name, der in seinen Ohren viel zu verweichlicht und weibisch klang! Zumindest mit dem Zweitnamen »Walter« hatte er sich durchsetzen können, das war wenigstens ein vor Männlichkeit strotzender, traditioneller Name!

    Kein Wunder also, dass ihr Sohn von Gottes Wegen abgekommen war. Ellen sollte endlich mit ihren lächerlichen Versuchen aufhören, Verständnis bei ihm für diese Missgeburt zu wecken und erkennen, welche Schuld sie an der Situation trug!

    Diese mürrischen Gedanken sinnend, döste Paul dann doch vor seiner Lieblingssendung ein und erwachte erst, als er Ellen in der Küche mit den Töpfen hantieren hörte.

    »Da ist ein Paket für dich gekommen!«, rief er ihr gelangweilt zu, obwohl er davon ausging, dass sie es schon längst bemerkt und geöffnet hatte.

    »Was sagtest du, mein Lieber?« Ellens Stimme klang gedämpft durch die dünne Wand zwischen Küche und Wohnzimmer.

    »Ein Paket, für dich, auf dem Tisch!«, rief er missmutig und ein wenig lauter zurück.

    Nach einer kurzen Pause steckte Ellen den Kopf durch die Wohnzimmertür.

    »Ich habe diesmal nichts bestellt, muss für dich sein!«

    Paul verdrehte genervt die Augen.

    »Als ob ich ständig in diesen Internet-Shops rumstöbern würde, so wie du!«

    Ellens Augen leuchteten plötzlich auf.

    »Vielleicht ist es ja was von Andy!«, und bevor Paul etwas Spöttisches erwidern konnte, verschwand sie sogleich wieder in der Küche. Er hörte, wie sie eine Küchenschublade öffnete, dem Scheppern nach zu urteilen wahrscheinlich die, in welcher ihre Messer und Scheren aufbewahrt wurden, und danach das Geräusch, als etwas Scharfes durch Karton schnitt.

    »Na, hoffentlich ist es keine Bombe …«, murmelte er und widmete sich wieder seiner TV-Show. Schnell vergaß er das Paket und vertiefte sich in dem flackernden Bildschirm vor seinen Augen.

    Sonderlich erfreut war er daher nicht, als Ellen gedankenverloren in das Wohnzimmer kam und sich schweigend neben ihn stellte. Genervt hob er den Kopf, und wollte fragen, was sie wollte und warum sie nicht mit der Zubereitung des Essens beschäftigt war, als er sah, wie Ellen ein kleines geöffnetes Glas mit einer gräulichen, festen Masse als Inhalt in der Hand hielt.

    »Was ist das Widerliches?«

    Seine Frau drehte das Glas hin und her, roch an der unappetitlichen Masse und ehe Paul etwas sagen konnte, steckte sie einen kleinen Löffel in die breiige Substanz und schob sich eine Probe davon in den Mund.

    Paul schnaubte angewidert.

    »Scheint eine Art Fleischpastete zu sein, schmeckt aber sehr komisch und fade …«

    »Du steckst aber auch alles in den Mund! Und wenn das Zeug vergiftet ist? Weißt du überhaupt, wer dir das geschickt hat?«

    »Nei…nein! Aber es scheint selbstgemacht zu sein und ich dachte, dass vielleicht Andy …«

    »Ach, so ein Unsinn! Schlag dir endlich diesen Nichtsnutz aus dem Kopf und hör auf, darauf zu hoffen, dass er sich bei dir meldet, geschweige denn dir ein Geschenk schickt! Der Junge ist nichts wert, je weniger wir von ihm hören, umso besser für uns alle!«

    Ellen sah ihn gekränkt und mit Tränen in den Augen an, aber wie schon die letzten dreißig Jahre ihres gemeinsamen Lebens entschied sie sich, die verletzenden Worte schweigend zu schlucken. Dies war ihr bewährtes Rezept für eine Ehe gewesen, die nur deswegen nicht in einer Scheidung endete, weil sie sich nicht zu wehren wusste. Dafür musste sie die wachsende Gefühlskälte und Gleichgültigkeit in Kauf nehmen, die mehr und mehr Platz in ihrem gemeinsamen Leben eingenommen hatten.

    Nachdem Paul sich wieder seiner Sendung gewidmet hatte und sie nicht mehr beachtete, ging sie, tief in ihren Gefühlen verletzt, wieder in die Küche. Sie setzte das kleine Glas auf dem Frühstückstisch ab und begann, das Essen vorzubereiten. Das Paket und besonders der Inhalt gingen ihr aber nicht aus dem Kopf. Im Karton befanden sich noch fünf weiter Gläser, scheinbar mit derselben Füllung wie das, welches sie bereits geöffnet hatte. Aber von wem? Andy kochte genauso gerne wie sie, daher dachte sie im ersten Moment, er hätte ihr etwas Eingemachtes geschickt. Das hatte er früher, wo der Kontakt noch intensiver war, gelegentlich getan. Darum hatte sie sich auch nicht gescheut, davon zu probieren. Aber dann hätte Andy sicherlich eine Nachricht hinterlassen. Ihr Sohn wusste, dass seine Mutter ihn liebte und zu ihm stand, gleichgültig, für welchen Lebenswandel er sich entschieden hatte. Wenn das Paket von ihm gewesen wäre, wäre zumindest eine kurze, liebevolle Nachricht für sie dabei gewesen …

    Genervt legte sie das Messer, mit dem sie gerade Zwiebeln in Würfel schnitt, zur Seite und wischte sich übers Gesicht. Sie schniefte und die Tränen, die über ihre Wangen liefen, kamen nicht nur von den scharfen Dämpfen, welche das Gemüse absonderte. Zu sehr schmerzte es sie, dass sie kaum noch eine nennenswerte Beziehung zu ihrem einzigen Sohn hatte. Und das alles wegen Paul, der ihrem gemeinsamen Kind nur allzu deutlich signalisiert hatte, dass er nichts mit ihm zu tun haben wollte. Das hatte Andy natürlich verschreckt. Jeden Tag hoffte sie auf eine Nachricht, auf einen Anruf, irgendetwas. Sogar eine E-Mail-Adresse hatte sie sich heimlich eingerichtet und mit Andy noch regelmäßig gemailt, aber vor Wochen hatten die Nachrichten einfach aufgehört. Sicher, als freiberuflicher Journalist war er viel unterwegs und sehr beschäftigt, aber er hatte immer Zeit gefunden, ihr ein paar Zeilen zu senden.

    Das Paket ließ ihr daher einfach keine Ruhe, vielleicht war es doch von Andy! Sie musste noch einmal schauen, ob sie irgendeinen Hinweis zu dem Absender fand.

    Vorsichtig nahm sie die übrigen Gläser aus dem Karton und wendete die Verpackung, begutachtete jede Seite, aber bis auf die Adresse des Empfängers und den Spuren der Post befand sich nichts weiter darauf. Der Ort, von wo das Paket aufgegeben worden war, sagte ihr auch nichts. Auch im Inneren war nichts weiter zu finden, außer dem Füllmaterial, bestehend aus zerknülltem Kartonpapier.

    Sie nahm die Gläser ebenfalls der Reihe nach in die Hand, drehte sie hin und her, stellte sie auf den Kopf, sie fand aber keine Hinweise, bis sie das letzte Glas aufhob und in ihrer Hand kippte. Endlich entdeckte sie auf der Unterseite einen Aufkleber.

    Verwirrt starrte sie eine schier endlose Ewigkeit auf die maschinell erstellte Aufschrift, nicht fähig zu begreifen, was diese ihr sagen wollte. Sie las wieder und wieder verständnislos die angebrachte Notiz, auf der in einer geschwungenen Schrift stand:

    Andy W. Hathaway

    * 19. September 1975

    ✝ 01. August 2000

    Ein schlechter Scherz, dachte sie zunächst, aber allmählich erreichte die grausame Wahrheit ihren verwirrten Verstand. Eiskalt fuhr es ihr in die Knochen, ihre Eingeweide verknoteten sich schmerzhaft vor Entsetzen, als sie endlich erkannte, was sie in den Händen hielt.

    Paul, der bereits wieder vor seiner Lieblingssendung eingedöst war, wurde durch den schrillen, markerschütternden Schrei seiner Frau aus seiner einfältigen Ruhe gerissen. Einer Ruhe, die er von nun an bis zu seinem Tod in fünf Jahren, welcher aufgrund eines Herzinfarkts erfolgen sollte, nie wieder fand. Auch seinen Appetit auf Fleisch sollte er nicht mehr wiedererlangen.

    KAPITEL 1

    Eine einzelne Schweißperle bahnte sich ihren Weg über die zerklüftete Landschaft großporiger Haut, rann schnell vorbei an geplatzten, dunkelroten Äderchen, um sich mit einer Gruppe von Tränen zu vereinen, die sich in einem einzigen trüben Tropfen an der Nasenspitze von Henry Brightman sammelten. Die gekrümmte Körperhaltung des Mannes und der Ausdruck grenzenloser Trauer auf dem verweinten Gesicht passten nicht zu dem wolkenlosen blauen Himmel, dem fröhlichen Gesang der Vögel und dem sanften Dahinplätschern des Baches, der eine alte Weide umfloss. Im Schatten des großen Baumes hob Henry soeben ein kleines, rechteckiges Grab aus. Trotz der brütenden Mittagssonne, die die meisten Bewohner der Umgebung Schutz in ihren klimatisierten Häusern suchen ließ, mühte Henry sich weiter ab, die letzte Ruhestätte für seinen kleinen Liebling liebevoll und mit Bedacht zu gestalten. Er hatte nach einer menschenleeren Gegend gesucht und das heiße Wetter kam ihm zu Hilfe, denn er wollte mit seinem Schmerz alleine sein und ungestört Abschied von dem ersten der zwei toten Kätzchen nehmen, mit denen er gestern Abend von seiner kleinen Farm aus bei Inglewood, einem Vorort von Los Angeles, losgefahren war. Er hielt kurz inne und wischte sich mit dem Handrücken Schweiß und Tränen aus den Augen. Erschöpft stützte er sich auf den Stiel einer rostigen Schaufel, die er für diesen Zweck aus seiner Garage mitgenommen hatte. Er fühlte sich zu alt für solche Strapazen und sein durch die Trauer geschwächtes Herz machte ihm bei dieser Hitze zu schaffen. Er musste für einen Moment ruhen, denn sein Atem kam keuchend und sein Brustkorb verengte sich sosehr, dass er kaum noch Luft in seine Lungen pumpen konnte. Dennoch wollte er so schnell es ging weitermachen, um auch für das zweite kleine Schätzchen einen geeigneten Ort zu finden, in dem es in Frieden ruhen konnte. Dabei waren die beiden ihm erst vor wenigen Wochen begegnet und der Abschied zerriss ihm dennoch sein wild flatterndes Herz.

    Wie sehr sie sich doch glichen, obwohl sie keine Geschwister waren … Zwei wunderschöne, feuerrote Kätzchen mit großen, strahlend grünen Augen. Das Erste lief ihm vor sechs Wochen am Rande des Siminski Parks entgegen, als Henry die wenige Zeit, die er für sich hatte, für einen kleinen Ausflug nutzte. Der Park war ein beliebter Treffpunkt für Senioren, aber die Hitze des Tages ließ auch das Basketball-Feld zwischen dem Seniorenheim und dem Kinderspielplatz leer zurück. Das Kätzchen war das einzige Lebewesen weit und breit und das erschien Henry wie ein Zeichen der Vorsehung. So jung und viel zu mager für sein Alter war es, aber die Augen groß und voller Lebenshunger! Henry blieb stehen und war gebannt von diesem Blick, in dem das Leben noch keine Spuren hinterlassen hatte. Er wusste plötzlich, er musste das Kätzchen haben, denn ohne sie hatte sein Leben weiterhin keinen Inhalt. Diese Eingebung traf ihn wie ein Blitz und das leere Dahintreiben in einem Leben voller Belanglosigkeiten hatte mit einem Male ein Ziel: Er wollte sich um dieses kleine Ding kümmern, es umsorgen, lieben und dafür wiedergeliebt werden. Zuerst versuchte er, es mit sanften, einschmeichelnden Worten zu sich zu locken, aber es schien noch sehr jung und unerfahren zu sein und entzog sich ihm ängstlich. Mit einer Zielstrebigkeit, die ihm bis dahin sein ganzes Leben versagt geblieben war, packte Henry das kleine, zitternde Wesen plötzlich und ungeduldig und rannte mit ihm auf dem schnellsten Weg zum Parkplatz zurück, wo sein alter Wagen, ein überdachter 1982 GMC C1500, stand. Dabei hielt er das zappelnde Bündel an seine Brust gedrückt und redete mit beruhigenden, zärtlichen Worten darauf ein. Die Fahrt nach Hause war nervenaufreibend, denn das Kätzchen schrie und wollte nicht ruhig sitzen bleiben. Henry musste anhalten und es so lange festhalten, bis es sich nicht mehr wehrte und der kleine Körper auf einmal in seinen Armen erschlaffte. Panik ergriff ihn, denn er dachte, er hätte es getötet, aber die Atmung des Kätzchens kam regelmäßig und es schien nur bewusstlos zu sein. Also setzte er sich wieder ans Steuer und fuhr weiter.

    Als er wenige Minuten später in die unkrautüberwucherte Auffahrt seines Hauses einbog, begriff er, was gerade wirklich passiert war. Er hatte nicht an Mable gedacht, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit hatte er seine Frau vergessen und zumindest diese Erkenntnis zauberte ein Lächeln in sein sorgenzerfurchtes Gesicht. Dieses kleine Lebewesen hatte ihn schon jetzt sein trostloses Dasein an der Seite einer Frau vergessen lassen, deren Gefühle für ihn ebenso abgestorben waren wie die durchtrennten Nervenleitungen ihres Rückenmarkes. Mable würde es nicht ertragen, ihn zufrieden zu sehen, denn sie gab ihm die Schuld für ihre Behinderung. Sie würde von ihm verlangen, das Kätzchen sofort wieder freizulassen, weil er nur ihr allein seine gesamte Aufmerksamkeit schuldete. Es war nicht mehr Liebe, die sie von ihm abhängig machte, es war auch nicht ihre Hilflosigkeit, weswegen sie sich an ihn klammerte, es war ihre Art der Rache für den Unfall, den er verschuldet hatte. Sie war gefangen in ihrem Körper und sie ließ ihn bitter dafür büßen. Sie sperrte ihn in eine herzlose Beziehung und fesselte ihn jeden Tag aufs Neue mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen, Beschimpfungen und Verachtung. Seine Strafe betrug lebenslänglich in einer Welt ohne Liebe und Freude. Mable würde dieses kleine Wesen nicht dulden, wenn sie sah, wie glücklich es ihn machte. Ihm blieb nur eine Möglichkeit, er musste das Kätzchen in dem baufälligen Schuppen verstecken, welcher weiter weg von dem Haupthaus seiner Farm lag. Und dort vorerst in die kleine Kammer sperren, in welchem er früher Futtersäcke für seine wenigen Tiere aufbewahrt hatte, bis er die Farmarbeit endgültig aufgegeben und seine Tiere verkauft hatte. Er würde sich so oft um das kleine Schätzchen kümmern, wie er nur konnte, denn er war ohnehin die meiste Zeit an dieses Haus gebunden. Ein leises Schniefen vom Sitz neben ihm erinnerte ihn daran, dass er seinen Plan schnellstmöglich in die Tat umsetzen musste, denn das Kätzchen kam langsam wieder zu sich. Auch, wenn das nächste Nachbarhaus weiter weg war, denn Henrys Farm befand sich ganz am Rande des Ortes, hatte er dennoch Angst, dass das allmählich erwachende Wesen zu viel Aufmerksamkeit erregen könnte, also hüllte Henry es schnell in seine verblichene Jacke und trug es sanft zum Hintereingang seines Hauses, denn er musste den Schlüssel für den Schuppen noch holen. Diesen trug er seit Jahren nicht mehr bei sich, da er das baufällige Gebäude schon lange nicht mehr betreten hatte. Er war so leise wie möglich, denn obwohl Mable vom ersten Halswirbel an gelähmt war, waren ihre Sinne seit ihrer Behinderung ausgeprägter denn je und sie hörte selbst die vorsichtigsten seiner Schritte.

    Der Hintereingang führte in die enge, schmale Küche, die mit Möbeln und all dem Unrat vollgestellt war, die sich im Laufe einer 32-jährigen Ehe angesammelt hatten. Menschen hingen gerne aus sentimentalen Gründen an den einfachsten Gegenständen, sogar an alten Tassen und Möbeln, wenn ihnen freudige und wehmütige Erinnerungen vergangener Zeiten anhafteten. Henry empfand weder Freude noch Wehmut beim Anblick seiner dunkelgrünen Küche und den gelblichen Wasserflecken, die sich vor langer Zeit an den Wänden gebildet hatten. Der braune Linoleumboden war an manchen Stellen schon aufgerissen und der Dreck eines leeren Lebens, in dem auch Küchenschaben schon längst zum Alltag gehörten, sammelte sich in den Ecken und auf den wahllos zusammen gewürfelten Möbeln. Die sommerliche Hitze der Junitage hatte die Essensreste schnell verderben lassen und Fliegen summten und flogen ihre Kreise über einen Berg aus Geschirr, das seit Tagen auf den Abwasch wartete. Henry blieb peinlich berührt in dem dunklen Raum stehen und der Gedanke schmerzte ihn, dass er seinem kleinen Gast nichts Besseres bieten konnte. Er würde sich aber Mühe geben, im Schuppen einen kleinen Ort einzurichten, der sauber und liebevoll genug gestaltet war, um dem Kätzchen die Fürsorge zu geben, die es verdiente. Das kleine Lebewesen zuckte nun immer heftiger in seinen Armen. Es war an der Zeit, es an seinen neuen Schlafplatz zu bringen, daher ergriff Henry schnell den rostigen Schlüssel von der Ablage neben der Küchentür und eilte wieder hinaus in die späte Nachmittagssonne. Am Schuppen angekommen steckte er den Schlüssel zittrig ins Schloss und öffnete ächzend und sein ganzes Gewicht dagegenstemmend das schwere, überlebensgroße Tor, das in das staubige, stickige Gebäude führte. Er ging durch den nach Öl und Heu riechenden Raum direkt auf die beengende Abstellkammer zu, die das vorläufige Zuhause für seinen kleinen Schatz darstellen sollte, bis er etwas Besseres für ihn hatte. Das Kätzchen war inzwischen wieder wach und wimmerte und wehrte sich gegen Henrys starken Griff, daher setzte er es behutsam auf dem Boden der Kammer ab und schloss eilig die Tür. Da er hier früher auch giftigen Dünger und Lösungsmittel aufbewahrt hatte, hing an der Tür der Abstellkammer ein großes Schloss. Er hatte das längst vergessen, war jetzt aber dankbar, dass er die Vorrichtung nie entfernt hatte. Er drehte den kleinen Schlüssel im Vorhängeschloss um und steckte es sich in die Brusttasche seines Hemdes.

    Es tat ihm leid, denn er hörte das Kätzchen ängstlich mit seinen Nägeln an der Tür kratzen und das dünne Stimmchen flehte ihn an, es rauszulassen, aber Henry musste sich jetzt um Mable kümmern, bevor sie noch misstrauisch wurde. Er war schon viel zu lange unterwegs gewesen und ihm würden auf Mables löchernde Fragen keine befriedigenden Antworten einfallen, darum musste er sich von seinem Liebling losreißen und seine Pflichten für den Rest des Tages erfüllen. Vielleicht schaffte er es später, wenn sich das Kätzchen beruhigt hatte, etwas zu trinken und zu essen in die Kammer zu stellen. Morgen würde er als allererstes Einkaufen fahren, denn die Lebensmittel gingen zur Neige und er wollte seinen neuen kleinen Mitbewohner mit ausgewählten Köstlichkeiten verwöhnen. Henrys aufgesprungene Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln und die trockene, faltige Haut seiner Wangen zerriss fast durch die ungewohnte Anspannung, als er über seinen ausgedörrten Hof wieder zum Hintereingang seines Hauses lief. Er war glücklich. Morgen würde er Stunden mit seinem neuen Spielzeug verbringen und Mable hatte keine Ahnung von all dem. Eine Mischung aus Freude und Genugtuung ließ für einen kurzen Moment ein lebendiges Licht in seinen Augen aufflackern, das sofort wieder erstarb, als er das Schlafzimmer betrat, in dem ihn seine Frau starr und bewegungslos erwartete, ihre Augen hasserfüllt auf ihn gerichtet.

    Genussvoll ließ er seinen Finger an der glatten Klinge des Messers entlang gleiten, von der noch warmes Blut tropfte. Dieses verrieb er zwischen Zeigefinger und Daumen, erfreute sich an der leicht klebrigen und dennoch seidigen Konsistenz und leckte dann die metallische Flüssigkeit, die sich in karmesinroten Schlieren über seine gesamte Hand verteilte, mit einem ekstatischen Grunzen von seiner Haut.

    Seine Erektion schwoll ins Unermessliche und drückte pochend gegen seinen Hosenstall. Bald schon und er würde dem Druck mit ganzer ungehemmter Lust nachgeben können. Aber noch wollte er den Augenblick hinauszögern, die Qual steigern und jeden einzelnen Moment auskosten, bevor er sich unter orgiastischen Zuckungen über sein Opfer ergießen würde.

    Langsam ging er zu der hölzernen Werkbank, auf dem eine Ansammlung von Instrumenten fein säuberlich nebeneinander aufgereiht lag.

    Heutzutage war es nicht mehr schwer, selbst chirurgische Werkzeuge über das Internet zu bestellen. Dabei legte er nicht einmal Wert darauf, dass die Instrumente, die er kaufte, scharf und neuwertig waren. Auch rostig und stumpf dienten sie ihrem Zweck.

    In einem Koffer aus kunstvoll bemaltem Weichholz lagen die Gegenstände, die ihn mit besonderem Stolz erfüllten und die nur bei seltenen Gelegenheiten zum Einsatz kamen. Dies war ehemals der Amputationskoffer eines Arztes gewesen, dem dieser im Ersten Weltkrieg gute Dienste geleistet hatte, um sein blutiges, aber notwendiges Werk zu verrichten.

    Er hatte ein kleines Vermögen für dieses Set bezahlen müssen, aber es hatte sich gelohnt! So eine feine Handwerkskunst war heute nicht mehr üblich. Die Griffe der kleinen und der großen Säge waren aus feinstem Mahagoniholz gearbeitet, die chirurgische Schere, um weichere Teile des Gewebes zu durchtrennen, lag hochglanzpoliert neben drei Messern in unterschiedlichen Größen, die das grelle Licht der Neonlampe über seinem Kopf zurückwarfen. Auch bei diesen bestanden die Griffe aus edlem Material, durchzogen von dunklen Verfärbungen, wo das Blut zu tief in das Holz eingedrungen war und nicht mehr gereinigt werden konnte. Das störte ihn aber nicht, es erfüllte ihn eher mit einem wohligen Schauer, wenn er an all die Schmerzen und all das Leid derer dachte, deren Blut in die Instrumente eingesickert war.

    Die Amputationswerkzeuge waren zwar schon alt, aber immer noch einsatzbereit. Trotzdem schonte er sie und fand nur dann für sie Verwendung, wenn er der Meinung war, ein ganz besonderes Opfer gefunden zu haben.

    Vielleicht war es heute tatsächlich endlich wieder soweit … Mit einem verträumten Lächeln wandte er sich der Mitte des Raumes zu.

    Das junge Mädchen hing erschlafft und blutüberströmt von einem der Stützpfosten des Kellers. Noch war sie am Leben, dank seiner Kunstfertigkeit, nur so viel von ihrem Fleisch wegzuschneiden, dass das herrliche Blut in Strömen über den jungen, straffen Körper floss, sein Opfer aber noch lange genug für seine Gelüste am Leben blieb, bis er bereit war, sie dem Tod zu übergeben.

    Er hatte ihr bereits Teile Ihres Fleisches von der Brust und den Oberschenkeln abgetrennt und ihre durch einen Knebel gedämpften Schreie haben ihn zu Höchstleistungen angespornt, doch dann war sie nach einem ersten Schnitt in den Bauch plötzlich verstummt und ihr Kopf fiel leblos nach vorne. Einen Moment lang dachte er, dass der Blutverlust zu groß war, aber Puls und Atmung waren noch vorhanden. Lächerlich, zu zweifeln, tadelte er sich, schließlich hatte er bereits genug Erfahrung und er wusste, was er tat.

    Sollte sie ruhig die ersehnte Pause haben, was danach kam, würde ohnehin den Rest ihrer Kräfte benötigen.

    Vor Jahren war er auf die Veröffentlichungen des französischen Philosophen Georges Bataille gestoßen, der seine erotischen Gefühle beschrieb, als er Fotos einer Hinrichtung in die Hände bekam, welche die Stück-für-Stück-Zerstückelung eines Mannes zeigten. Das, was auf den schwarz-weißen Bildern dargestellt wurde, war die Kunstfertigkeit des Lingchi, eine Hinrichtungsmethode, wie sie in China bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts praktiziert worden war. Der Verurteilte wurde an einen Pflock gebunden und seine Körperteile der Reihe nach abgetrennt. Zuerst die Brust, Teile der Oberschenkel, die Arme, die Beine und zuletzt der Kopf.

    Er hatte dies noch ergänzt, indem er seinem Opfer mit seinem antiken Skalpell langsam die Haut im Bauchbereich und von den Schultern und Rücken schälte. Er würde damit noch eine Weile beschäftigt sein, bevor er sich an das Abtrennen der Glieder machte. Oft starben seine auserwählten Mädchen an dem starken Blutverlust, bevor sein Werk vollendet war. Er musste noch viel üben, bis er sein Ziel erreichte. Denn sein Ziel war es, den seinen Gliedern und seiner Haut beraubten Körper bis zur Abtrennung des Kopfes am Leben zu erhalten.

    Fast schon zärtlich grinste er vor sich hin, als er daran dachte, wie er die junge Frau, die jetzt noch bewusstlos in den Fesseln hing, vor zwei Tagen aufgegriffen hatte. Die alte Geschichte, so oft schon erlebt, aber immer wieder gut!

    Sein raues, aber gutes Aussehen war fast schon ein von Gott gegebenes Geschenk, es fiel ihm nicht schwer, die jungen Dinger auf sich aufmerksam zu machen und ihr Vertrauen zu gewinnen. So auch bei diesem naiven Wesen. Es machte ihm Spaß, den verständnisvollen Romantiker zu spielen und die Mädchen zu sich nach Hause zu locken. Er hatte einen Blick für die verzweifelten Seelen und anfangs gab er ihnen, was sie benötigten: Er hörte zu, er tröstete, er umgarnte sie, ließ sie in dem Glauben, sie wären etwas Besonderes und wenn er sie so weit hatte, folgten sie ihm, geil und feucht und in der Hoffnung auf mehr als nur eine Nacht.

    Wie köstlich war dann der Augenblick, wenn sie erkannten, dass sie weit mehr erwartete, als sie sich jemals in ihren kühnsten Träumen hätten vorstellen können!

    Nachdem er sie auf seiner Couch willig gemacht hatte und sie mehrmals schreiend in seinen Armen zum Höhepunkt gekommen waren, war es an der Zeit, dass er auf seine Kosten kam. Dies war der Moment, wenn sie erschöpft und zufrieden in seiner Umarmung lagen, wo er wirklich zur Sache kam.

    Die ungläubigen Blicke, die sich in blankes Entsetzen verwandelten, sobald sie begriffen, was er wirklich mit ihnen vorhatte, verursachten jedes Mal ein brennendes, süßes Ziehen in seinen Lenden! Wenn seine starken Hände sich um diese zarten Hälse legten, die Augen der Mädchen sich zuerst verwirrt und dann mit Entsetzen weiteten, sie ihre Münder in einem verzweifelten Versuch, Luft zu bekommen, aufrissen und er ihren Puls wild flatternd an seiner Haut spüren konnte. Süßer als Nektar war es, wenn sie sich wehrten und versuchten, sich aus seinem Griff zu befreien, lieblicher als der beste Sommerwein, wenn er ausholte und mit dem ersten Faustschlag die Knochen im Kiefer und der Nase brach. Danach waren sie meistens schon zu benommen, um ihn noch aufhalten zu können. Dann war der Augenblick gekommen, wo er sie in seinen Keller hinunterschleifte. Hier lag alles für sein Werk bereit, die elegant geschwungenen Messer und Sägen warteten geduldig auf ihren nächsten Einsatz. Die Mädchen dann zu fesseln, während sie langsam wieder zu sich kamen und das Grauen erahnten, das auf sie zukam, ließ ihn fast schon kommen, aber er wusste, dass es sich lohnen würde, seine Gefühle noch zu zügeln.

    Er war ein Genießer, er hatte es gelernt, die Dinge langsam anzugehen.

    Er spürte nun, wie seine Erregung wieder wuchs und schmerzhafter wurde, als sich die junge Frau vor ihm langsam regte und allmählich zu Bewusstsein kam. Bevor er zum Ende kam, würde er ihre Fesseln lockern, damit er sich an sie drängen und sie hart von hinten nehmen konnte, während er ihr scheibchenweise weiter das Fleisch von ihrem Bauch schnitt. Auch hier würde er darauf achten, nicht zu tief zu schneiden, um keine lebenswichtigen Blutgefäße zu verletzen.

    Aber noch musste er warten, noch war sie zu benommen, um die Schmerzen in vollem Umfang auskosten zu können, aber bald … sehr bald … ein verschlagenes Grinsen teilte seine Lippen.

    KAPITEL 2

    Es hatte aufgehört zu regnen. Trübe und grau hingen die Wolken am Himmel und Evelyn stand hinter der Terrassentür ihres Wohnzimmers und betrachtete die Regentropfen, die sich an der Dachkante des Spielturms ihrer Tochter sammelten. Verlassen stand er da, einsam ohne seine kleine Spielkameradin. Der große Turm mit einem Häuschen in schwedenrot, die Fenster- und Türrahmen weiß und das Dach dunkelgrün gestrichen. Durch eine blaue Rutsche konnte man den Turm wieder verlassen und sich auf einen der beiden Schaukeln setzen, die nun sanft hin und her schwangen, sobald etwas Wind aufkam. Sie hatte wochenlang mit ihrem Mann daran gebaut und gestrichen, jede freie Minute der letzten zwei Monate damit verbracht, ihrem geliebten Einzelkind ein Spielzeug in den Garten zu stellen, welches nun prunkvoll und noch kaum benutzt an einem tristen Nachmittag geduldig darauf wartete, bis Mona nach Hause kam. Evelyn musste daran denken, wie ergeben ihr Mann ihre rastlosen Ideen in die Tat umsetzte, obwohl er wusste, dass sie nach der Beendigung eines Projektes krampfhaft nach der nächsten Betätigung suchen würde. Geld kümmerte sie dabei nicht, obwohl sie oft unter Geldmangel litten. Evelyns Gehirn brauchte das Planen, die Beschäftigung, die Verdrängung. Ihre Seele brauchte die Absolution für all die Schuldgefühle, die sie Schreckgespenstern gleich Tag und Nacht verfolgten.

    Nur nicht innehalten, nur nicht nachdenken, mach weiter, denke dir das nächste Geschenk für dein Kind aus, sagte ihr ihr Verstand, der sich unentwegt drehte wie ein Kreisel.

    Ob Mona das alles wirklich braucht und damit spielt, ist nebensächlich, aber wenigstens fühlst du dich wieder als gute Mutter, wenigstens hast du das Gefühl, du hast etwas für sie getan.

    Evelyn kannte ihr Problem und wusste sehr wohl, dass etwas falsch lief. Das wusste auch ihre Therapeutin, die ihr aber in den letzten zwei Jahren nicht dabei helfen konnte, über ihren Schatten zu springen. Wollte sie das überhaupt? War es nicht einfacher, Schuldgefühle mit materiellen Dingen zu begleichen als den Problemen wirklich auf den Grund zu gehen? Sie fühlte sich zu müde und zu ausgebrannt, um irgendetwas gegen ihre Fehler zu unternehmen. Sich einfach treiben zu lassen, erschien wesentlich reizvoller.

    Ihr Mann war noch in der Arbeit, Mona im Kindergarten, und sie wieder einmal wegen verstärkt auftretenden Angst- und Panikattacken zuhause für die nächsten Wochen. Sie hatte also reichlich Zeit, über die Geschehnisse der letzten Jahre nachzudenken, bevor sie sich von ihrem Trübsal losreißen und dem Abendessen widmen musste.

    Ihre Tochter kam vor fünf Jahren auf die Welt. Eigentlich ein freudiges Ereignis, wäre Mona nicht drei Monate zu früh aus ihrem Leib gerissen worden, nachdem Evelyn schreiend und um sich schlagend wegen der unbeschreiblichen Schmerzen eines beginnenden Leber- und Nierenversagens mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren wurde. Die Diagnose lautete Hellp-Syndrom, eine schwere Form der Schwangerschaftsvergiftung, eine Fehlreaktion des Körpers auf die Schwangerschaft. Ja, auch so etwas konnte sich die Natur ausdenken: Eine Fehlfunktion des Immunsystems, welches nach 27 Wochen problemloser Schwangerschaft beschlossen hatte, das Baby als Fremdkörper abzustoßen. So brachte sie unter Vollnarkose ihre Tochter viel zu früh in diese Welt.

    Mona blieb die nächsten sechs Wochen im Brutkasten, bevor sie dann in ein Wärmebettchen in die Kinderklinik verlegt werden konnte. Bis auf eine Leistenoperation, die bei Frühchen recht häufig vorkam, gedieh sie prächtig und überstand die Zeit im Krankenhaus ohne weitere Komplikationen. Evelyn dagegen wälzte immer noch die Erlebnisse ihres zweiwöchigen Aufenthaltes auf der Intensivstation im Kopf. Selbst eine Therapie konnte ihr nicht helfen, über das Erlebte hinwegzukommen.

    Neben mehreren Erstickungsanfällen, ausgelöst durch eine Flüssigkeitsansammlung in ihren Lungen aufgrund des Nierenversagens, bis hin zu kollabierten Lungenflügeln nach einer zweiten Notoperation, konnte sie auch das abrupte und viel zu frühe Ende ihrer Schwangerschaft nicht verarbeiten. Sie kam sich wie eine komplette Versagerin vor, die ihren Körper hasste, weil er sie in dem wichtigsten Moment ihres Lebens völlig im Stich gelassen hatte.

    Da Evelyn ihr Kind erst nach acht Tagen zum ersten Mal zu Gesicht bekam, hatte sie enorme Schwierigkeiten, ihre Mutterrolle zu akzeptieren. Bis ihre Tochter endlich zuhause war, war jeder Tropfen Muttermilch in ihren Brüsten versiegt und sie hatte sich schon in der ersten Nacht mit ihrem Baby überfordert gefühlt. Es waren keine Schwestern mehr da, die ihr das Kind wieder abnahmen, wenn ihre Kräfte schwanden und obwohl Mona ein genügsames Baby war, konnte Evelyn sich vor ihrer körperlichen und ganz besonders psychischen Erschöpfung nicht verstecken. Nach und nach übernahm ihr Mann David die Rolle, die sie hätte ausfüllen müssen und nur wenige Monate nach Monas Geburt ging sie, die frischgebackene Mutter, wieder arbeiten. Sie hatte ihrer Therapeutin erst kürzlich gestanden, dass sie damals regelrecht aus ihrem Heim geflohen war und die Arbeit der Mutterrolle vorgezogen hatte.

    Es hatte sehr lange gedauert, bis sie endlich ein Gefühl für ihre Tochter und für sich als Mutter entwickeln konnte. Anfangs war es für Evelyn ein Alptraum, wenn ihr Mann sie mit ihrem Kind allein ließ, sie kam sich hilflos und überfordert vor. Mona war aber trotz ihrer Frühgeburt ein bildhübsches und liebenswertes Baby, zudem war sie sehr brav und die meiste Zeit still. Sie schrie nur, wenn sie Hunger hatte oder frische Windeln benötigte, dennoch hatte Evelyn große Ängste, sich auf sie einzulassen. Es vergingen Monate, bis sie endlich begriffen hatte, dass dieses Baby tatsächlich ihr Fleisch und Blut war. Mit der Zeit erkannte sie, dass dieses Kind allmählich die ganze Welt für sie bedeutete. Verzeihen konnte sie es sich aber dennoch nicht, dass das erste Lebensjahr von Mona sie derartig unberührt gelassen hatte.

    Ihre überhastete Flucht in das Arbeitsleben forderte zudem ziemlich bald seinen Tribut. Nicht nur psychisch hatte sie Hilfe nötig, auch ihre körperliche Gesundheit war noch lange nicht hergestellt. Verschiedene Infekte wechselten sich mit Angst- und Panikattacken ab, die auftraten, sobald sie sich mit einer Situation überfordert fühlte. Etwas, was inzwischen immer häufiger der Fall war. Evelyns ständige Ausfälle führten dazu, dass sie jeden Bezug zu ihrer Arbeit verlor und es ihr davor graute, wenn ihre Krankheitstage zu Ende gingen.

    Ziellose, unausgefüllte Tage reihten sich aneinander an und trotzdem war ihr dies lieber, als sich wieder dem Leben zu stellen. Der einzige Lichtblick des Tages war, wenn David und ihre Tochter nach Hause kamen. Mona ging schon seit ihrem ersten Lebensjahr in den Kindergarten, somit hätte Evelyn die Zeit nutzen können, um sich zu erholen, stattdessen drehten sich ihre Gedanken ständig nur im Kreis und kamen zu keinem Ergebnis.

    Nachdem sie zum wiederholten Male die Fernsehsender durchgegangen war und immer noch nichts entdecken konnte, was ihre Aufmerksamkeit wenigstens eine Zeitlang fesseln konnte, entschloss sie sich, vorab eine Kleinigkeit zu essen und nicht erst bis zum gemeinsamen Abendessen mit David und Mona zu warten.

    Evelyn hatte schon immer sehr gerne gekocht, wobei ihre Kochkunst fast zu einfach für den Feinschmeckergaumen ihres Mannes war. David liebte raffinierte Gerichte, sie dagegen war unschlagbar, was die einfache Hausmannskost anging. Noch fantasieloser war sie, wenn sie nur für sich allein etwas kochen sollte. Für David und Mona hatte sie für das heutige Abendessen ein Maishähnchen auserkoren, gewürzt mit etwas aus der teuren, ausgefallenen Gewürzsammlung ihres Mannes, mit einer Füllung aus Wildpilzen, als Beilage Petersilienkartoffeln. Dazu gab es, um das Ganze abzurunden, einen bunten Salat. Sie dagegen begnügte sich mit einer Fertigsauce zu Spaghetti. Heute würde sie sich aber ebenfalls einen Salat zu ihrem bescheidenen Mahl gönnen.

    Sie öffnete den Kühlschrank und umarmte in Gedanken David, denn er hatte die Geistesgegenwart gehabt, ein Glas gemischter Oliven mitzubringen. Mit dem Schafskäse in der hintersten Ecke der Ablage stand einem Hirtensalat zu ihrem Fertiggericht nichts mehr im Wege. Ein unerwartetes Festmahl!

    Als sie Wasser für die Nudeln aufgesetzt hatte und anfing, Oliven und Käse für den Salat kleinzuschneiden, klingelte es plötzlich an der Tür.

    Verärgert linste sie durch das Küchenfenster, welches ihr nur einen eingeschränkten Blick auf den Eingangsbereich draußen ermöglichte. Sie erwartete weder Post noch Besuch, daher war es entweder einer der Nachbarn oder ein Fremder, der ihr entweder was andrehen oder abluchsen wollte. Zu sehen bekam sie von ihrem Standort aus nichts.

    Evelyn schaute an sich herunter, auf ihren fleckigen Pullover und den zu kurzen Trainingshosen, die auch nicht mehr sauber aussahen, ganz zu schweigen von den rosa Plüschsocken, die sie schon längst in die Waschmaschine hatte befördern wollen. Sie entschloss sich, den unerwarteten Gast zu ignorieren. Früher hatte sie sehr auf ihre Kleidung und ihr Aussehen geachtet. Für die Arbeit zog sie sich gerne schick und modisch an, nachdem sie aber die letzten Wochen fast ausschließlich im Haus verbracht hatte und David sie am liebsten ohnehin nackt sah, kümmerte sie sich schon seit einiger Zeit nicht mehr um ihr Äußeres.

    Änderte leider nichts an der Tatsache, dass ihr unbekannter Besucher erneut klingelte, diesmal dreimal hintereinander.

    Verdammt, dachte Evelyn. Da es wegen des Regenwetters in der Küche dämmrig war, hatte sie natürlich das Licht über der Anrichte in der Küche angemacht. Sie hatte also keine Chance, so zu tun, als wäre sie nicht zuhause. Sie beschloss, sich den ungebetenen Besucher zumindest mal anzusehen. David und sie hatten auf einen Türspion verzichtet, weil sie die

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